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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 28.09.1994
Aktenzeichen: C-408/92
Rechtsgebiete: EWGVtr


Vorschriften:

EWGVtr Art. 119
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 119 EWG-Vertrag verwehrt es einem Arbeitgeber oder einem Betriebsrentensystem, der oder das die erforderlichen Maßnahmen zur Festlegung eines einheitlichen Rentenalters für Männer und Frauen trifft, um dem Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, nachzukommen und die Gleichheit wiederherzustellen, das Rentenalter der Frauen in bezug auf Beschäftigungszeiten zwischen dem Tag der Verkündung des Urteils und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Maßnahmen auf das der Männer anzuheben; dies gilt auch dann, wenn sie sich auf eigene finanzielle Schwierigkeiten oder solche des betreffenden Unternehmens berufen. Für diesen Zeitraum sind die Rentenansprüche männlicher Arbeitnehmer anhand desselben Rentenalters zu berechnen wie die weiblicher Arbeitnehmer. Sobald der Gerichtshof nämlich eine Diskriminierung im Bereich des Entgelts festgestellt hat und solange im Rahmen des Rentensystems die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung nicht getroffen worden sind, kann die Beachtung des Artikels 119 nur dadurch sichergestellt werden, daß den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vergünstigungen gewährt werden, wie sie den Angehörigen der bevorzugten Gruppe zustehen.

Für Beschäftigungszeiten nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Angleichung der Voraussetzungen verstossen Maßnahmen, durch die die Gleichbehandlung im Wege der Einschränkung der Vergünstigungen der bis dahin bevorzugten Personen wiederhergestellt wird, nicht gegen Artikel 119, der nur verlangt, daß Männer und Frauen bei gleicher Arbeit das gleiche Entgelt erhalten; unzulässig sind jedoch Maßnahmen ° und seien es Übergangsmaßnahmen °, die die nachteiligen Auswirkungen begrenzen sollen, die die Anhebung des Rentenalters der Frauen für diese haben kann.

Bezueglich der vor dem 17. Mai 1990 liegenden Beschäftigungszeiten schließlich wurde in dem genannten Urteil die Anwendbarkeit von Artikel 119 auf Rentenleistungen, die aufgrund solcher Zeiten geschuldet werden, ausgeschlossen. Folglich sah das Gemeinschaftsrecht keine Verpflichtung vor, die Maßnahmen rechtfertigen könnte, durch die die Frauen gewährten Vergünstigungen nachträglich eingeschränkt werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 28. SEPTEMBER 1994. - CONSTANCE CHRISTINA ELLEN SMITH UND ANDERE GEGEN AVDEL SYSTEMS LTD. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: INDUSTRIAL TRIBUNAL, BEDFORD - VEREINIGTES KOENIGREICH. - GLEICHES ENTGELT FUER MAENNER UND FRAUEN - BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG - JE NACH GESCHLECHT UNTERSCHIEDLICHES RENTENALTER - ANGLEICHUNG. - RECHTSSACHE C-408/92.

Entscheidungsgründe:

1 Das Bedford Industrial Tribunal hat mit Entscheidung vom 2. November 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Dezember 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 119 EWG-Vertrag im Hinblick auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Vereinheitlichung des Rentenalters männlicher und weiblicher Arbeitnehmer in den Betriebsrentensystemen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Constance C. E. Smith und vier weiteren Frauen und der Avdel Systems Ltd wegen der Angleichung des Rentenalters der männlichen und weiblichen Arbeitnehmer.

3 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens waren oder sind noch dem Betriebsrentensystem Avdel Pension & Life Assurance Plan ihres Arbeitgebers, der Avdel Systems Ltd, angeschlossen.

4 Das System, ein an die Stelle des einkommensabhängigen staatlichen Rentensystems getretenes betriebliches System (contracted out of State Earnings Related Pension Scheme), wird durch Beiträge des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer finanziert. Es gibt den angeschlossenen Personen insbesondere Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung nach Erreichung des Rentenalters.

5 Bis 30. Juni 1991 betrug das Rentenalter für Männer 65 und für Frauen 60 Jahre. Mit Wirkung vom 1. Juli 1991 wurde es für beide Geschlechter einheitlich auf 65 Jahre festgesetzt. Nach der Vorlageentscheidung betrifft die Änderung sowohl Leistungen für Beschäftigungszeiten nach dem 1. Juli 1991 als auch solche für vor diesem Zeitpunkt liegende Beschäftigungszeiten.

6 Aus der Anhebung des Rentenalters der Frauen ergibt sich ab dem 1. Juli 1991 folgendes:

a) Tritt eine Frau im Alter von 60 Jahren in den Ruhestand, so wird ihre Rente für jedes Jahr, um das ihr Eintritt in den Ruhestand vor ihrem 65. Geburtstag liegt, versicherungsmathematisch um 4 % pro Jahr gekürzt, während sie nach der alten Regelung eine volle Rente erhalten hätte.

b) Scheidet eine Frau vor der Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem System aus, so werden die bereits erworbenen und auf ein anderes System übertragbaren oder für den Kauf einer Versicherungspolice verwendbaren Rentenansprüche auf der Grundlage eines Rentenalters von 65 Jahren berechnet.

c) Tritt eine Frau im Alter von 60 Jahren in den Ruhestand, so werden die Rentenansprüche, die sie zuvor bei einem anderen Arbeitgeber auf der Grundlage eines Rentenalters von 60 Jahren erworben hat und die auf das gegenwärtige System übertragen wurden, wie unter a) dargestellt gekürzt. Die diesen Ansprüchen entsprechenden Gesamtrentenzahlungen dürfen jedoch einen bei der Übertragung auf das System zugesicherten Geldbetrag nicht unterschreiten.

7 Beim Bedford Industrial Tribunal haben 78 Frauen Klage erhoben, deren finanzielle Situation sich durch die Anhebung ihres Rentenalters auf das der Männer gegenüber ihren Erwartungen nach der alten Regelung verschlechtert hat.

8 Die fünf Klägerinnen des Ausgangsverfahrens wurden ausgewählt, da sie für verschiedene Sachverhalte repräsentativ sind:

a) Arbeitnehmerinnen, die nach dem 1. Juli 1991 im Alter zwischen 60 und 65 Jahren in den Ruhestand getreten sind und deren Rente sich durch die Anwendung der Neuregelung um bis zu 20 % verringert hat;

b) Arbeitnehmerinnen, die noch tätig sind, aber dem Rentensystem nicht mehr angeschlossen sind; sie können später eine Rente beanspruchen, die sich nach den von ihnen während ihrer Zugehörigkeit zum System erworbenen Ansprüchen richtet, wobei diese Rente jedoch auf der Grundlage eines Regelalters für den Eintritt in den Ruhestand von 65 Jahren berechnet wird;

c) Arbeitnehmerinnen, die noch tätig sind und ihre bei einem anderen Arbeitgeber erworbenen Rentenansprüche auf das System übertragen haben; falls sie im Alter zwischen 60 und 65 Jahren in den Ruhestand treten, wird bei ihren Rentenansprüchen die oben dargestellte versicherungsmathematische Kürzung von 4 % pro Jahr bis zu ihrem 65. Geburtstag vorgenommen.

9 Unter diesen Umständen hat es das Bedford Industrial Tribunal für angebracht gehalten, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1) Wenn in einem Betriebsrentensystem unterschiedliche normale Rentenalter für Männer und Frauen (65 bzw. 60 Jahre) bestehen und sich ein Arbeitgeber bemüht, diese Diskriminierung im Hinblick auf das Urteil in der Rechtssache Barber/Guardian Royal Exchange Assurance Group zu beseitigen, ist es dann unvereinbar mit Artikel 119 EWG-Vertrag, wenn der Arbeitgeber ein gemeinsames Rentenalter von 65 Jahren für Männer und Frauen festsetzt

(i) hinsichtlich der von den Arbeitnehmern bezogenen Betriebsrenten, die auf Beschäftigungsjahren nach dem Zeitpunkt der Angleichung, dem 1. Juli 1991, beruhen;

(ii) hinsichtlich der von den Arbeitnehmern bezogenen Betriebsrenten, die auf am 17. Mai 1990 bestehenden oder danach, jedoch vor dem Zeitpunkt der Angleichung liegenden Beschäftigungsjahren beruhen, wenn die Angleichung am 1. Juli 1991 erfolgte;

(iii) hinsichtlich der von den Arbeitnehmern bezogenen Betriebsrenten, die auf Beschäftigungsjahren vor dem 17. Mai 1990 beruhen, wenn die Angleichung am 1. Juli 1991 erfolgte?

2) Falls die vorstehende Frage 1 ganz oder teilweise zu verneinen ist, begründet dann Artikel 119 eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die nachteiligen Auswirkungen für Frauen, deren Renten von der Entscheidung des Arbeitgebers, den Unterschied bei den Rentenaltern zu beseitigen, betroffen sind, möglichst gering zu halten?

3) Falls die vorstehende Frage 1 ganz oder teilweise zu bejahen ist, kann sich der Arbeitgeber dann im Einklang mit Artikel 119 darauf berufen, daß die Kürzung der an Frauen gezahlten Renten durch die Erfordernisse des Unternehmens oder die Erfordernisse des Betriebsrentensystems objektiv gerechtfertigt sei, und, wenn ja, auf welche Faktoren kommt es für die Feststellung an, ob eine solche objektive Rechtfertigung vorliegt?

Zur ersten Frage

10 Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, über welchen Spielraum ein Betriebsrentensystem verfügt, das nach der Feststellung der Unvereinbarkeit unterschiedlicher Rentenalter für Männer und Frauen mit Artikel 119 EWG-Vertrag Maßnahmen ergreift, um sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft eine Gleichstellung herbeizuführen.

11 Nach dem Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber, Slg. 1990, I-1889; im folgenden: Urteil Barber) fallen Renten, die im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag (Randnr. 28), der jede das Entgelt betreffende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ohne Rücksicht darauf verbietet, woraus sich diese Ungleichbehandlung ergibt. Daher verstösst die Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters gegen Artikel 119, selbst wenn dieser Unterschied im Rentenalter von Männern und Frauen der insoweit für das nationale gesetzliche System geltenden Regelung entspricht (Randnr. 32).

12 Zwingende Gründe der Rechtssicherheit haben den Gerichtshof jedoch zu der Entscheidung veranlasst, daß die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag zur Stützung der Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der beruflichen Renten nur für Leistungen geltend gemacht werden kann, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990, dem Tag des Erlasses des Urteils, geschuldet werden; dies gilt nicht für Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehörige, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben (Nr. 5 des Tenors des Urteils Barber in der vom Gerichtshof insbesondere im Urteil vom 6. Oktober 1993 in der Rechtssache C-109/91, Ten Över, Slg. 1993, I-4879 präzisierten Form).

13 Die streitige Maßnahme wurde von dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Betriebsrentensystem getroffen, um dem Urteil Barber nachzukommen. Dabei entschied es sich für eine der zwei Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung: Statt den Männern dieselbe Vergünstigung zu gewähren, wie sie die Frauen besassen, und folglich ihr Rentenalter auf das der Frauen zu senken, hob das System das Rentenalter der Frauen auf das der Männer an, und zwar auch für die Vergangenheit einschließlich der Zeit vor dem Erlaß des Urteils Barber, was zu einer Verschlechterung der Lage der Frauen geführt hat.

14 Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, daß mit ihr geklärt werden soll, ob es zulässig ist, zur Wiederherstellung einer für alle gleichen Lage der bevorzugten Gruppe (im vorliegenden Fall den Frauen) für die Vergangenheit wie für die Zukunft eine Vergünstigung zu entziehen, die sie sowohl zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer solchen Maßnahme (im vorliegenden Fall dem 1. Juli 1991) als auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils Barber (dem 17. Mai 1990), in dem die zu beseitigende Diskriminierung festgestellt wurde, besaß.

15 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75 (Defrenne, Slg. 1976, 455, Randnr. 15) im Kontext eines Ausgangsverfahrens, in dem es um einen Entschädigungsanspruch aufgrund einer Diskriminierung bei der Entlohnung ging, unter Hinweis auf die Verknüpfung des Artikels 119 mit der Angleichung der Arbeitsbedingungen auf dem Wege des Fortschritts den Einwand zurückgewiesen hat, daß dieser Artikel auf andere Weise als durch eine Anhebung der niedrigeren Löhne und Gehälter befolgt werden könne.

16 Ferner hat der Gerichtshof im Urteil vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-184/89 (Nimz, Slg. 1991, I-297, Randnrn. 18 bis 20) ausgeführt, daß das nationale Gericht gehalten ist, jede diskriminierende nationale Bestimmung unangewendet zu lassen, ohne daß es ihre vorherige Beseitigung durch Tarifverhandlungen oder irgendein verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste, und daß es auf die Angehörigen der benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung anzuwenden hat, wie sie für die übrigen Arbeitnehmer gilt, wobei diese Regelung, solange Artikel 119 EWG-Vertrag im innerstaatlichen Recht nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist, das einzige gültige Bezugssystem bleibt.

17 Sobald der Gerichtshof eine Diskriminierung im Bereich des Entgelts festgestellt hat und solange im Rahmen des Rentensystems die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung nicht getroffen worden sind, kann folglich die Beachtung des Artikels 119 nur dadurch sichergestellt werden, daß den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vergünstigungen gewährt werden, wie sie den Angehörigen der bevorzugten Gruppe zustehen.

18 Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall bedeutet, daß die Rentenansprüche männlicher Arbeitnehmer für den Zeitraum zwischen dem 17. Mai 1990, dem Tag des Erlasses des Urteils Barber, und dem 1. Juli 1991, dem Tag, an dem das System die Maßnahmen zur Gleichstellung getroffen hat, anhand desselben Rentenalters zu berechnen sind wie die weiblicher Arbeitnehmer.

19 Bezueglich der vor dem 17. Mai 1990 liegenden Beschäftigungszeiten genügt der Hinweis, daß im Urteil Barber die Anwendbarkeit von Artikel 119 auf Rentenleistungen, die aufgrund solcher Zeiten geschuldet werden, ausgeschlossen wurde, so daß die Arbeitgeber und das System nicht mehr verpflichtet sind, für diese Leistungen die Gleichbehandlung sicherzustellen.

20 Folglich sah das Gemeinschaftsrecht für diese Zeiten keine Verpflichtung vor, die Maßnahmen rechtfertigen könnte, durch die die Frauen gewährten Vergünstigungen nachträglich eingeschränkt werden.

21 Was die nach dem Inkrafttreten der Regelung zur Beseitigung der Diskriminierung, im vorliegenden Fall nach dem 1. Juli 1991, zurückgelegten Beschäftigungszeiten anbelangt, so verstossen Maßnahmen, durch die die Gleichbehandlung im Wege der Einschränkung der Vergünstigungen der bis dahin bevorzugten Personen wiederhergestellt wird, nicht gegen Artikel 119 EWG-Vertrag. Artikel 119 verlangt nämlich nur, daß Männer und Frauen bei gleicher Arbeit das gleiche Entgelt erhalten, ohne aber eine bestimmte Höhe vorzuschreiben.

22 Auf die erste Frage ist deshalb zu antworten, daß es Artikel 119 EWG-Vertrag einem Arbeitgeber, der die erforderlichen Maßnahmen trifft, um dem Urteil Barber nachzukommen, verwehrt, das Rentenalter der Frauen in bezug auf Beschäftigungszeiten zwischen dem 17. Mai 1990, dem Tag des Erlasses dieses Urteils, und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Maßnahmen auf das der Männer anzuheben. Für Beschäftigungszeiten nach dem letztgenannten Zeitpunkt hindert ihn Artikel 119 dagegen nicht daran, so vorzugehen. Für Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 sah das Gemeinschaftsrecht keine Verpflichtung vor, die Maßnahmen rechtfertigen könnte, durch die die Frauen gewährten Vergünstigungen nachträglich eingeschränkt werden.

Zur zweiten Frage

23 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob für den Fall, daß Artikel 119 die Anhebung des Rentenalters der Frauen auf das der Männer zulässt, die Betriebsrentensysteme, die diese Angleichung vornehmen, verpflichtet sind, die nachteiligen Auswirkungen dieser Änderung für die Frauen möglichst gering zu halten.

24 Angesichts der auf die erste Frage gegebenen Antwort stellt sich die zweite Frage nur in bezug auf Beschäftigungszeiten nach dem Inkrafttreten der Maßnahmen zur Gleichstellung durch Anhebung des Rentenalters der Frauen.

25 Insoweit genügt der Hinweis, daß die Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Entgelt zu den tragenden Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört und daß sie vom Arbeitgeber aufgrund der unmittelbaren Wirkung von Artikel 119 unverzueglich und vollständig verwirklicht werden muß.

26 Folglich darf, wenn ein Arbeitgeber nach der Feststellung einer Diskriminierung eine Gleichstellung für die Zukunft in Form der Einschränkung der Vergünstigungen der bevorzugten Gruppe vornimmt, die Gleichheit nicht schrittweise unter Bedingungen hergestellt werden, die einen ° wenn auch vorübergehenden ° Fortbestand der Diskriminierung bedeuten.

27 Auf die zweite Frage ist deshalb zu antworten, daß die von einem Arbeitgeber zur Beseitigung einer Diskriminierung auf dem Gebiet der Betriebsrenten beschlossene Anhebung des Rentenalters der Frauen auf das der Männer in bezug auf Leistungen, die aufgrund zukünftiger Beschäftigungszeiten geschuldet werden, nicht mit Maßnahmen ° und seien es Übergangsmaßnahmen ° verbunden werden kann, die die nachteiligen Auswirkungen begrenzen sollen, die eine solche Anhebung für die Frauen haben kann.

Zur dritten Frage

28 Die dritte Frage geht im wesentlichen dahin, ob ein Rentensystem in den Fällen, in denen Artikel 119 der Wiederherstellung der Gleichbehandlung durch Anhebung des Rentenalters der Frauen entgegensteht, die Anhebung aufgrund objektiver Rechtfertigungsgründe, die sich auf Erfordernisse des Unternehmens oder auf Erfordernisse des Systems selbst beziehen, dennoch vornehmen kann.

29 Diese Frage betrifft die Rentenleistungen, die für Beschäftigungszeiten zwischen dem 17. Mai 1990, dem Tag des Erlasses des Urteils Barber, und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung durch Anhebung des Rentenalters der Frauen geschuldet werden. Denn wie zuvor dargelegt wurde, ist die genannte Vorgehensweise nur für diesen Zeitraum nicht zulässig.

30 Selbst wenn es in diesem Zusammenhang möglich wäre, objektive Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen, die sich auf Erfordernisse des Unternehmens oder des betreffenden Rentensystems beziehen, könnte sich dieses Rentensystem zur Rechtfertigung der Anhebung des Rentenalters der Frauen während des genannten Zeitraums nicht auf derart grosse Schwierigkeiten berufen, wie sie der Gerichtshof im Urteil Barber berücksichtigt hat, da dieser Zeitraum relativ kurz ist und im übrigen durch das Verhalten des Systems selbst bestimmt wird.

31 Auf die dritte Frage ist deshalb zu antworten, daß es gegen Artikel 119 EWG-Vertrag verstösst, wenn ein Rentensystem unter Berufung auf seine eigenen Schwierigkeiten oder die des betreffenden Unternehmens eine nachträgliche Anhebung des Rentenalters der Frauen für Beschäftigungszeiten zwischen dem 17. Mai 1990 und dem Inkrafttreten der Maßnahmen vornimmt, durch die das System die Gleichstellung herbeigeführt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

32 Die Auslagen der deutschen und der niederländischen Regierung, des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Bedford Industrial Tribunal mit Entscheidung vom 2. November 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 119 EWG-Vertrag verwehrt es einem Arbeitgeber, der die erforderlichen Maßnahmen trifft, um dem Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, nachzukommen, das Rentenalter der Frauen in bezug auf Beschäftigungszeiten zwischen dem 17. Mai 1990 und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Maßnahmen auf das der Männer anzuheben. Für Beschäftigungszeiten nach dem letztgenannten Zeitpunkt hindert ihn Artikel 119 dagegen nicht daran, so vorzugehen. Für Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 sah das Gemeinschaftsrecht keine Verpflichtung vor, die Maßnahmen rechtfertigen könnte, durch die die Frauen gewährten Vergünstigungen nachträglich eingeschränkt werden.

2) Die von einem Arbeitgeber im Anschluß an das Urteil Barber zur Beseitigung einer Diskriminierung auf dem Gebiet der Betriebsrenten beschlossene Anhebung des Rentenalters der Frauen auf das der Männer in bezug auf Leistungen, die aufgrund zukünftiger Beschäftigungszeiten geschuldet werden, kann nicht mit Maßnahmen ° und seien es Übergangsmaßnahmen ° verbunden werden, die die nachteiligen Auswirkungen begrenzen sollen, die eine solche Anhebung für die Frauen haben kann.

3) Es verstösst gegen Artikel 119 EWG-Vertrag, wenn ein Rentensystem unter Berufung auf seine eigenen Schwierigkeiten oder die des betreffenden Unternehmens eine nachträgliche Anhebung des Rentenalters der Frauen für Beschäftigungszeiten zwischen dem 17. Mai 1990 und dem Inkrafttreten der Maßnahmen vornimmt, durch die das System die Gleichstellung herbeigeführt hat.

Ende der Entscheidung

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