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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.2002
Aktenzeichen: C-411/00
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/50/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 92/50/EWG Art. 10
Richtlinie 92/50/EWG Anhang IA
Richtlinie 92/50/EWG Anhang IB
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Regelung, die auf einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag anwendbar ist, der sich aus Dienstleistungen des Anhangs IA und aus Dienstleistungen des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zusammensetzt, richtet sich nicht nach dem Hauptgegenstand dieses Auftrags, sondern wird anhand des eindeutigen Kriteriums bestimmt, das Artikel 10 dieser Richtlinie aufstellt und das auf dem Vergleich des Wertes der Dienstleistungen des Anhangs IA mit demjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IB beruht.

( vgl. Randnrn. 52-53, Tenor 1 )

2. Im Rahmen der Vergabe eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient, sich jedoch aus mehreren Dienstleistungen zusammensetzt, nimmt die Einreihung der Dienstleistungen in die Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge dieser nicht ihre praktische Wirksamkeit, sondern entspricht vielmehr dem System dieser Richtlinie. Übersteigt der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IB nach dieser Einreihung gemäß der Nomenklatur der Zentralen Gütersystematik der Vereinten Nationen denjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IA, so ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, die Dienstleistungen des Anhangs IB von dem betreffenden Auftrag abzutrennen und für sie getrennte Aufträge zu vergeben.

Nur dann würde es sich anders verhalten, wenn der Auftraggeber willkürlich und nur zu dem Zweck, den Anteil der Dienstleistungen des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 am Auftrag zu erhöhen und sich auf diese Weise über Artikel 10 Satz 2 dieser Richtlinie der vollständigen Anwendung von deren Bestimmungen zu entziehen, in ein- und demselben Auftrag Dienstleistungen unterschiedlicher Art zusammenfassen würde.

( vgl. Randnrn. 57, 60, Tenor 2 )

3. Im Rahmen eines Umzugsauftrags, der sich sowohl aus Dienstleistungen des Anhangs IA der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge als auch aus Dienstleistungen des Anhangs IB dieser Richtlinie zusammensetzt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage von Artikel 10 dieser Richtlinie zu bestimmen, welche Regelung auf diesen Antrag anzuwenden ist, und dabei insbesondere zu prüfen, welchen Referenznummern der Nomenklatur der Zentralen Gütersystematik der Vereinten Nationen die Dienstleistungen entsprechen, aus denen sich dieser Auftrag zusammensetzt.

Allerdings erfasst dabei Kategorie 20 des Anhangs IB den Landverkehr, der ausdrücklich in Kategorie 2 des Anhangs IA der Richtlinie genannt wird, als solchen nicht.

( vgl. Randnrn. 35, 66, Tenor 3 )


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 14. November 2002. - Felix Swoboda GmbH gegen Österreichische Nationalbank. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesvergabeamt - Österreich. - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Richtlinie 92/50/EWG - Geltungsbereich - Umzug einer Zentralbank - Öffentlicher Auftrag, der gleichzeitig Dienstleistungen des Anhangs IA und des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 umfasst - Wertmäßiges Überwiegen der Dienstleistungen des Anhangs IB. - Rechtssache C-411/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-411/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Bundesvergabeamt in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Felix Swoboda GmbH

gegen

Oesterreichische Nationalbank

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), D. A. O. Edward, P. Jann und S. von Bahr,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: M.-F. Contet, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Oesterreichischen Nationalbank, vertreten durch Rechtsanwältin I. Welser,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Magrill als Bevollmächtigten im Beistand von A. Robertson, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Nolin als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt R. Roniger,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Oesterreichischen Nationalbank, vertreten durch I. Welser, der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Winkler als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch M. Nolin im Beistand von R. Roniger, in der Sitzung vom 14. März 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. April 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundesvergabeamt hat mit Beschluss vom 29. September 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 10. November 2000, gemäß Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209 S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Felix Swoboda GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) gegen die Oesterreichische Nationalbank (im Folgenden: OeNB), bei dem es um die Entscheidung der OeNB geht, den Dienstleistungserbringer für einen Umzug in neue Örtlichkeiten, die ungefähr 200 m vom ursprünglichen Standort entfernt lagen, durch Auftragsvergabe im Wege des Verhandlungsverfahrens zu bestimmen.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

Die Richtlinie 92/50

3 Artikel 1 Buchstaben d bis f der Richtlinie 92/50 bestimmt:

Im Sinne dieser Richtlinie

...

d) sind ,offene Verfahren diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen alle interessierten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können;

e) sind ,nicht offene Verfahren diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen nur die vom Auftraggeber aufgeforderten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können;

f) sind ,Verhandlungsverfahren diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen die Auftraggeber ausgewählte Dienstleistungserbringer ansprechen und mit einem oder mehreren von diesen über die Auftragsbedingungen verhandeln".

4 Artikel 2 der Richtlinie 92/50 bestimmt:

Bezieht sich ein öffentlicher Auftrag gleichzeitig auf Erzeugnisse im Sinne der Richtlinie 77/62/EWG und Dienstleistungen gemäß den Anhängen IA und IB dieser Richtlinie, so fällt er unter diese Richtlinie, wenn der Wert der betreffenden Dienstleistungen denjenigen der in den Auftrag einbezogenen Erzeugnisse übersteigt."

5 Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 92/50 lautet:

Die Wahl der Berechnungsmethode darf nicht die Absicht verfolgen, die Anwendung dieser Richtlinie zu umgehen, und ein Beschaffungsbedarf für eine bestimmte Menge von Dienstleistungen darf nicht in der Absicht aufgeteilt werden, ihn der Anwendung dieses Artikels zu entziehen."

6 Artikel 8 der Richtlinie 92/50 bestimmt:

Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben."

7 Artikel 9 der Richtlinie 92/50 lautet:

Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IB sind, werden gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben."

8 Artikel 10 der Richtlinie 92/50 bestimmt:

Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA und des Anhangs IB sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IA größer ist als derjenige der Dienstleistungen des Anhangs IB. Ist dies nicht der Fall, so werden sie gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben."

9 Aus Artikel 11 Absatz 4 der Richtlinie 92/50 ergibt sich, dass die Anwendung des Verhandlungsverfahrens im Rahmen der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge die Ausnahme ist, da die Auftraggeber abgesehen von den in Artikel 11 Absätze 2 und 3 geregelten Fällen diese Aufträge im offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben müssen.

10 Zu den in Anhang IA der Richtlinie 92/50 aufgeführten Dienstleistungen gehören u. a. in Kategorie 2 Landverkehr einschließlich Geldtransport- und Kurierdienste, ohne Postverkehr [und Eisenbahnverkehr]", die von Kategorie 4 des Anhangs IA bzw. Kategorie 18 des Anhangs IB erfasst werden. Für diesen Landverkehr sind die Referenznummern 712 (außer 71235), 7512 und 87304 der Nomenklatur der Zentralen Gütersystematik der Vereinten Nationen (im Folgenden: CPC-Nomenklatur) angegeben.

11 Die in Anhang IB der Richtlinie 92/50 aufgeführten Dienstleistungen umfassen in Kategorie 20 die Neben- und Hilfstätigkeiten des Verkehrs", denen die Referenznummer 74 der CPC-Nomenklatur entspricht.

Die Richtlinie 93/36/EWG

12 Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) bestimmt:

Im Sinne dieser Richtlinie

a) gelten als öffentliche Lieferaufträge die zwischen einem Lieferanten (einer natürlichen oder juristischen Person) und einem unter Buchstabe b) näher bezeichneten öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über Kauf, Leasing, Miete, Pacht oder Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren. Diese Lieferung kann auch Nebenarbeiten wie das Verlegen und Anbringen umfassen".

13 Artikel 5 Absatz 6 der Richtlinie 93/36 lautet wie folgt:

Ein Beschaffungsauftrag für eine bestimmte Menge von Lieferungen darf nicht in der Absicht aufgeteilt werden, ihn der Anwendung dieser Richtlinie zu entziehen."

Die Richtlinie 93/37/EWG

14 Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) bestimmt:

Im Sinne dieser Richtlinie

a) gelten als öffentliche Bauaufträge: die zwischen einem Unternehmer und einem unter Buchstabe b) näher bezeichneten öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks im Sinne des Buchstabens c) oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen".

Die Richtlinie 93/38/EWG

15 Artikel 1 Nummer 4 der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84) lautet wie folgt:

Im Sinne dieser Richtlinie sind:

...

4. Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge: die zwischen einem der in Artikel 2 aufgeführten Auftraggeber und einem Lieferanten, Unternehmer oder Dienstleistungserbringer geschlossenen entgeltlichen schriftlichen Verträge, die folgenden Gegenstand haben:

a) im Fall von Lieferaufträgen Kauf, Leasing, Miete, Pacht oder Mietkauf mit oder ohne Kaufoption von Waren;

b) im Fall von Bauaufträgen entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung oder - gleichgültig mit welchen Mitteln - die Durchführung von Tief- oder Hochbauarbeiten im Sinne des Anhangs XI. Diese Aufträge können darüber hinaus die für ihre Ausführung erforderlichen Lieferungen und Dienstleistungen umfassen;

c) im Fall von Dienstleistungsaufträgen alle anderen als die unter den Buchstaben a) und b) genannten Gegenstände...

...

Aufträge, die Dienstleistungen und Lieferungen umfassen, gelten als Lieferaufträge, wenn der Gesamtwert der Waren höher ist als der Wert der von dem Auftrag erfassten Dienstleistungen".

16 Artikel 14 Absatz 8 der Richtlinie 93/38 lautet schließlich:

Die Berechnung des geschätzten Wertes eines Auftrages, der sowohl Dienstleistungen als auch Lieferungen umfasst, erfolgt auf der Grundlage des Gesamtwertes der Dienstleistungen und Lieferungen ohne Berücksichtigung ihrer jeweiligen Anteile. Diese Berechnung umfasst den Wert der Arbeiten für das Verlegen und Anbringen."

Nationales Recht

17 Die Richtlinie 92/50 wurde durch das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (BGBl. Nr. 1993/462; neue Fassung in BGBl. Nr. 1996/776, im Folgenden: BVergG 1993) in österreichisches Recht umgesetzt. Dieses Gesetz wurde 1997 durch ein gleichnamiges Gesetz (BGBl. I Nr. 1997/56, im Folgenden: BVergG 1997) ersetzt.

18 Übereinstimmend mit der Richtlinie 92/50 hängt es in Österreich von der Art der Dienstleistung ab, welche Regelung für öffentliche Dienstleistungsaufträge gilt. Während nämlich für Dienstleistungsaufträge im Sinne des Anhangs III des BVergG 1993 und des BVergG 1997 - der im Wesentlichen Anhang IA der Richtlinie 92/50 entspricht - sämtliche Bestimmungen dieser Gesetze gelten, gelten für Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen gemäß Anhang IV des BVergG 1993 und des BVergG 1997 sind (der mit dem Anhang IB der Richtlinie 92/50 im Wesentlichen identisch ist), nur die Bestimmungen des ersten und des vierten Teils dieser Gesetze sowie vier Paragrafen über die Bekanntmachung der Aufträge, die Verwendung des gemeinsamen Vokabulars für das öffentliche Auftragswesen (Common Procurement Vocabulary; im Folgenden: CPV) und über technische Spezifikationen.

19 Diese Gesetze enthalten weiter eine Bestimmung, die sich an Artikel 10 der Richtlinie 92/50 orientiert: Bei Aufträgen, deren Gegenstand Dienstleistungen sowohl gemäß Anhang III als auch gemäß Anhang IV dieser Gesetze sind, sind gemäß § 1b Absatz 3 BVergG 1993 und § 3 Absatz 3 BVergG 1997 sämtliche Bestimmungen des jeweiligen Bundesvergabegesetzes anzuwenden, wenn der Wert der Dienstleistungen gemäß Anhang III größer ist als derjenige der Dienstleistungen gemäß Anhang IV. Andernfalls sind nur der erste und der vierte Teil dieser Gesetze sowie die in der vorhergehenden Randnummer genannten vier Paragrafen auf die Aufträge anzuwenden.

Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefragen

20 Im Herbst 1996 hatte die OeNB einen Umzug von ihren Geschäftsräumen in Wien in neue Geschäftsräume, die sich 200 m entfernt befanden, im nicht offenen Verfahren ausgeschrieben; dieses Verfahren wurde im März 1997 annulliert. Später vergab sie diesen Auftrag in einem Verhandlungsverfahren und machte im April 1997 die Vergabe des Auftrags bekannt. In dieser Bekanntgabe gab sie als Art der Auftragsvergabe ein Verhandlungsverfahren für Dienstleistung gemäß § 1b (2 und 3) BVergG 1993 mit überwiegendem Wert der Dienstleistungen nach Anhang IV/BVergG" sowie als Kategorie der Dienstleistung bzw. CPV-Referenznummern die Nummern 63100000-0 (Leistungen bei Frachtumschlag und Lagerei), 63200000-4 (Dienstleistungen im Rahmen von sonstigen Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Landverkehr), 63400000-0 (Dienstleistungen von Speditionen und im Rahmen sonstiger Verkehrsvermittlung) und 60240000-2 (Leistungen bei der Güterbeförderung im Straßenverkehr) an.

21 Die Antragstellerin stellte gegen diese Auftragsvergabe durch die OeNB beim Bundesvergabeamt einen Antrag auf Feststellung, dass der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz oder dessen Durchführungsverordnungen nicht dem Bestbieter erteilt worden sei. Zur Begründung führte sie aus, dass der Wert der Dienstleistungen gemäß Anhang III des BVergG 1993 und des BVergG 1997 weitaus größer sei als der der Dienstleistungen nach Anhang IV dieser Gesetze, so dass deren Bestimmungen im gesamten Umfang anzuwenden seien.

22 Die OeNB bestritt dies. Sie machte geltend, dass die vom Zuschlagsempfänger zu erbringenden Dienstleistungen im Ausgangsverfahren im Wesentlichen in Leistungen der EDV-unterstützten Logistik und Organisation der Aufgaben, der Planung und der Koordinierung sämtlicher Umzugstätigkeiten sowie der Lagerhaltung bestanden hätten - der Umzug und der Transport der Einrichtungen der Räumlichkeiten habe allein nur 6,94 % des gesamten Auftragswerts ausgemacht -, so dass der Auftrag hauptsächlich Neben- und Hilfstätigkeiten des Verkehrs" im Sinne des Anhangs IV des BVergG 1993 und des BVergG 1997 betroffen habe, auf die nur der erste und der vierte Teil dieser Gesetze und die in Randnummer 18 des vorliegenden Urteils erwähnten vier Paragrafen anzuwenden seien. Die OeNB beruft sich hierfür auf die CPC-Nomenklatur, die in der Kategorie 74 sämtliche Neben- und Hilfstätigkeiten des Verkehrs zusammenfasse, zu denen in der Unterklasse 742 die Leistungen bei der Lagerei" und in der Unterklasse 7480 die Dienstleistungen von Maklern im Güterverkehrsbereich, Versanddienstleistungen (hauptsächlich Dienstleistungen der Organisation ihres Versands für Rechnung des Versenders oder Empfängers); Dienstleistungen von Schiffs- und Luftfrachtmaklern sowie Dienstleistungen der Sammelladung und Aufspaltung von Sendungen von Gütern" gehörten, die im Wesentlichen den Dienstleistungen der Koordination und Logistik entsprächen.

23 Das Bundesvergabeamt war sich unter Berücksichtigung insbesondere der Urteile vom 19. April 1994 in der Rechtssache C-331/92 (Gestión Hotelera Internacional, Slg. 1994, I-1329) und vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-76/97 (Tögel, Slg. 1998, I-5357) über die Auslegung der Richtlinie 92/50 im Unklaren; es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist eine Dienstleistung, die einem einheitlichen Zweck dient, ihrerseits aber in Teilleistungen unterteilt werden könnte, nach der Systematik der Richtlinie 92/50/EWG, insbesondere der in Anhang IA und IB enthaltenen Dienstleistungsbilder, als einheitliche Leistung, bestehend aus Hauptleistung und akzessorischen Nebenleistungen, zu qualifizieren und nach ihrem Hauptgegenstand unter die Anhänge IA und IB der Richtlinie einzuordnen, oder ist vielmehr hinsichtlich jeder Teilleistung gesondert zu prüfen, ob sie als prioritäre Dienstleistung der Richtlinie in vollem Umfang oder als nicht prioritäre Dienstleistung nur einzelnen Vorschriften der Richtlinie unterliegt?

2. Wie weit darf eine Dienstleistung, die ein bestimmtes Leistungsbild umschreibt (z. B. Transportdienstleistungen), nach der Systematik der Richtlinie 92/50/EWG in Einzelleistungen zerlegt werden, ohne Bestimmungen über die Vergabe von Dienstleistungen zu verletzen bzw. den effet utile der Dienstleistungsrichtlinie zu unterlaufen?

3. Sind die im Sachverhalt genannten Leistungen (unter Berücksichtigung des Artikels 10 der Richtlinie 92/50/EWG) als Dienstleistungen des Anhangs IA der Richtlinie 92/50/EWG (Kategorie 2, Landverkehr) einzustufen und Aufträge, deren Gegenstand solche Leistungen sind, somit nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI der Richtlinie zu vergeben, oder sind sie als Dienstleistungen des Anhangs IB der Richtlinie 92/50/EWG (insbesondere Kategorie 20, Neben- und Hilfstätigkeiten des Verkehrs, sowie Kategorie 27, Sonstige Dienstleistungen) einzustufen und Aufträge, deren Gegenstand solche Leistungen sind, somit gemäß den Artikeln 14 und 16 zu vergeben, und unter welche Referenznummer der CPC sind sie zu subsumieren?

4. Besteht für den Fall, dass die Betrachtung der Teilleistungen zu dem Ergebnis fuhren würde, dass eine an sich den Bestimmungen der Richtlinie 92/50/EWG in vollem Umfang unterliegende Teilleistung gemäß Anhang IA der Richtlinie aufgrund des Überwiegensprinzips des Artikels 10 der Richtlinie ausnahmsweise nicht im vollen Umfang den Bestimmungen der Richtlinie unterliegt, eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, nicht prioritäre Teilleistungen abzutrennen und getrennt zu vergeben, um den prioritären Charakter der Dienstleistung zu wahren?

Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

24 Vorab ist das Vorbringen zu prüfen, mit dem die Kommission und die OeNB die Zulässigkeit der Vorlagefragen bestreiten.

25 Die Kommission bringt unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des Bundesvergabeamts vom 11. Juli 2001 in der Rechtssache C-314/01, Siemens und Arge Telekom & Partner, die beim Gerichtshof anhängig ist, Zweifel am Gerichtscharakter des Bundesvergabeamts mit der Begründung zum Ausdruck, dieses habe dort ausgeführt, seine Entscheidungen enthielten keinen vollstreckbaren Auftrag an den Auftraggeber". Daher sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere den Urteilen vom 12. November 1998 in der Rechtssache C-134/97 (Victoria Film, Slg. 1998, I-7023, Randnr. 14) und vom 14. Juni 2001 in der Rechtssache C-178/99 (Salzmann, Slg. 2001, I-4421, Randnr. 14) die Zulässigkeit der Vorlagefragen des Bundesvergabeamts in der vorliegenden Rechtssache fraglich. Nach dieser Rechtsprechung könnten die nationalen Gerichte den Gerichtshof nur anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig sei und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden hätten, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abziele.

26 Hierzu ist zu sagen, dass die Zweifel, die die Kommission an der Zulässigkeit der Vorlagefragen mit der Begründung zum Ausdruck gebracht hat, dass die Entscheidungen des Bundesvergabeamts nicht bindend seien, was in der mündlichen Verhandlung sowohl von der OeNB als auch von der österreichischen Regierung nachdrücklich bestritten worden ist, im Ausgangsverfahren unerheblich sind.

27 Das Ausgangsverfahren betrifft nämlich, wie die Kommission selbst in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofes eingeräumt hat, die Zeit nach der Vergabe des Auftrags. Unstreitig sind aber nach österreichischem Recht sowohl die Parteien als auch das Zivilgericht, das gegebenenfalls in dieser Zeit mit einer Schadensersatzklage befasst wird, an die Feststellungen des Bundesvergabeamts gebunden.

28 Daher steht die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesvergabeamts im Ausgangsverfahren außer Zweifel.

29 Die OeNB wirft aus den folgenden Gründen die Frage nach der Zulässigkeit der Vorlagefragen auf. Erstens habe die Antragstellerin am in Rede stehenden Vergabeverfahren weder als Bieter noch als Bewerber teilgenommen, so dass sie kein subjektives öffentliches Recht gegenüber der Auftraggeberin geltend machen könne. Zweitens habe der Gerichtshof bereits im Urteil Tögel in einem vergleichbaren Fall über gleichartige Vorlagefragen entschieden, so dass die Vorlagefragen wegen fehlender Vorgreiflichkeit zurückzuweisen seien oder über sie im Wege eines mit Gründen versehenen Beschlusses gemäß Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes zu entscheiden sei. Drittens weise der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag kein grenzüberschreitendes Element auf, was den Auftraggeber von der Pflicht befreie, diesen Auftrag gemeinschaftsweit auszuschreiben. Die OeNB verweist hierfür auf das Urteil vom 9. September 1999 in der Rechtssache C-108/98 (RI.SAN., Slg. 1999, I-5219), das ebenfalls ein Ausschreibungsverfahren betroffen habe; in diesem Urteil habe der Gerichtshof für Recht erkannt: Artikel 55 des EG-Vertrags (jetzt Artikel 45 EG) findet keine Anwendung auf einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens, der mit keinem seiner Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist und der deshalb keinen Bezug zu einem der Tatbestände hat, die das Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des freien Personen- und Dienstleistungsverkehrs regelt."

30 Zum Vorbringen der OeNB, dass die Antragstellerin am in Rede stehenden Vergabeverfahren weder als Bewerber noch als Bieter teilgenommen habe, ist zu sagen, dass das Klagerecht sich nach nationalem Verfahrensrecht regelt. Es ist also nicht Sache des Gerichtshofes, über die Anwendung dieses Rechts auf den Fall des Ausgangsverfahrens zu entscheiden.

31 Zum Vorbringen, dass der Gerichtshof im Urteil Tögel bereits in einem vergleichbaren Fall über gleichartige Vorlagefragen entschieden habe, was ihn im vorliegenden Fall von einer Entscheidung befreie oder es ihm zumindest erlaube, im Wege eines mit Gründen versehenen Beschlusses zu entscheiden, ist zu sagen, dass sich der Sachverhalt und die Vorlagefragen in der vorliegenden Rechtssache erheblich von denjenigen unterscheiden, die diesem Urteil zugrunde liegen. In jenem Urteil brauchte der Gerichtshof nämlich nicht die Frage zu entscheiden, ob ein einem einheitlichen Zweck dienender Auftrag, der sich aus Dienstleistungen sowohl des Anhangs IA als auch des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 zusammensetzt, anhand seines Hauptgegenstands einzureihen ist.

32 Zudem erlaubt Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung die Entscheidung im Wege eines mit Gründen versehenen Beschlusses in den drei dort genannten Fällen, schreibt diese jedoch nicht vor, so dass der Gerichtshof stets befugt ist, durch Urteil zu entscheiden.

33 Zu dem Vorbringen schließlich, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag den in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern nicht habe zur Kenntnis gebracht werden müssen, da dieser Auftrag kein grenzüberschreitendes Element enthalte, ist zu sagen, dass dieser Umstand, seinen Nachweis unterstellt, den Auftraggeber nicht von der Erfuellung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50 befreien kann. Denn diese Richtlinie soll, wie sich aus ihrer zwanzigsten Begründungserwägung ergibt, einen besseren Zugang der Dienstleistungserbringer zu den Vergabeverfahren gewährleisten, um Praktiken zu unterbinden, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen und die insbesondere der Auftragsvergabe an Angehörige anderer Mitgliedstaaten entgegenstehen.

34 Nach allem sind die vom Bundesvergabeamt vorgelegten Fragen zulässig.

Zu den Vorlagefragen

35 Das Bundesvergabeamt begehrt mit den Fragen, die es dem Gerichtshof vorgelegt hat, Auskunft darüber, welche Regelung für öffentliche Aufträge gilt, die sich sowohl aus Dienstleistungen des Anhangs IA der Richtlinie 92/50 - von diesem Amt als prioritäre" Dienstleistungen bezeichnet - und Dienstleistungen des Anhangs IB dieser Richtlinie - als nicht prioritäre" Dienstleistungen bezeichnet - zusammensetzen. Insbesondere möchte es bestimmen, welche Regelung auf einen Umzugsauftrag der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art anzuwenden ist, der sich im Wesentlichen auf Tätigkeiten der Koordinierung, Planung und Lagerhaltung bezieht, während der Transport im eigentlichen Sinn nur einen verhältnismäßig geringen Anteil ausmacht.

36 Die erste, die zweite und die vierte Frage beziehen sich auf die Bedeutung der Richtlinie 92/50; sie sind daher vor der dritten Frage zu behandeln, die die Einreihung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen in die Anhänge dieser Richtlinie betrifft.

Zur ersten Frage

37 Mit seiner ersten Frage begehrt das Bundesvergabeamt Auskunft darüber, inwieweit der Zweck eines Auftrags die Bestimmung der anwendbaren Regelung beeinflusst. Des Näheren möchte es wissen, ob bei der Vergabe eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient, der sich jedoch aus mehreren Dienstleistungen zusammensetzt, diese Dienstleistungen einzeln in die in den Anhängen IA und IB der Richtlinie 92/50 vorgesehenen Kategorien einzureihen sind, um zu bestimmen, welche Regelung auf diesen Auftrag gemäß den Artikeln 8 bis 10 dieser Richtlinie anwendbar ist, oder ob vielmehr der Hauptzweck des Auftrags zu ermitteln ist und die Nebendienstleistungen der Regelung für die Hauptdienstleistung folgen. Das Bundesvergabeamt verweist hierfür insbesondere auf das Urteil Gestión Hotelera Internacional, in dem der Gerichtshof den Grundsatz aufgestellt habe, dass für die Ermittlung, welche Richtlinie auf einen bestimmten Auftrag anwendbar sei, der Hauptzweck dieses Auftrags zu berücksichtigen sei.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

38 Für die OeNB wie auch für die Regierung des Vereinigten Königreichs ist die letztgenannte Lösung im Kontext der Richtlinie 92/50 völlig ausgeschlossen. Sie machen hierzu geltend, dass diese Richtlinie keine Definition des Hauptzwecks des Auftrags enthalte und dass sich aus Artikel 10 dieser Richtlinie vielmehr klar ergebe, dass ein Auftrag die Erbringung verschiedener Dienstleistungen, die verschiedenen Anhängen dieser Richtlinie angehörten, zum Gegenstand haben könne.

39 Die Regierung des Vereinigten Königreichs führt hierzu ferner aus, dass nach dem Urteil Tögel die Bezugnahmen in den Anhängen der Richtlinie 92/50 auf die CPC-Nomenklatur verbindlich seien. Daher liefe es dem Zweck der Richtlinie zuwider, einen aus unterschiedlichen Dienstleistungen, die von verschiedenen Nummern der CPC-Nomenklatur erfasst würden, bestehenden Auftrag anhand einer einzigen dieser Dienstleistungen einzureihen.

40 Zur Bezugnahme des Bundesvergabeamts auf das Urteil Gestión Hotelera Internacional machen die OeNB und die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend, dass dieses Urteil im Ausgangsverfahren nicht einschlägig sei, da es erstens dort darum gegangen sei, ob ein Auftrag ein Bauauftrag oder ein Auftrag anderer Art sei, und da zweitens der Gerichtshof in diesem Urteil wegen der Definition der öffentlichen Bauaufträge in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5), die in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/37 übernommen worden sei, darauf abgestellt habe, ob die Renovierungsarbeiten gegenüber dem Hauptgegenstand des Vertrages von untergeordneter Bedeutung seien. Nach Ansicht der OeNB hätte der Gerichtshof, wenn er im Rahmen dieses Urteils als maßgeblichen Umstand für die Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungsaufträgen das wertmäßige Überwiegen einer Leistung erachtet hätte, dies mit einem eindeutigen Hinweis auf Artikel 10 der Richtlinie 92/50 und nicht auf deren sechzehnte Begründungserwägung klargestellt, wo es heiße, dass Bauleistungen, soweit sie lediglich von untergeordneter Bedeutung seien und somit nicht den Inhalt des Vertrages ausmachten, nicht zu einer Einordnung des Vertrages als öffentlicher Bauauftrag führten.

41 Nach Auffassung der österreichischen Regierung hingegen sind bei der Vergabe eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient, sich jedoch aus verschiedenen Dienstleistungen zusammensetzt, dieser Zweck und die entsprechende Hauptleistung zu ermitteln, die für die Einreihung des Auftrags maßgeblich seien.

42 Die österreichische Regierung bezieht sich zunächst auf die Referenznummern der CPC-Nomenklatur und die dazugehörigen Erläuterungen, die keine erschöpfende Aufzählung der klassifizierten Leistungen, sondern eine bloße Beschreibung der Tätigkeiten enthielten, die typischerweise für die Erbringung derartiger Leistungen notwendig seien.

43 Aus Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 92/50 und Artikel 5 Absatz 6 der Richtlinie 93/36 ergebe sich, dass die Aufspaltung einer Dienstleistung in verschiedene Einzelleistungen und die getrennte Vergabe der Aufträge für diese unzulässig seien, und zwar vor allem dann, wenn der jeweilige Wert der Einzelleistungen den entsprechenden Schwellenwert nicht erreiche und der Auftraggeber sich auf diese Weise der Anwendung dieser Richtlinien entziehe.

44 Schließlich beruft sich die österreichische Regierung auf Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 93/36 und Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie 93/38, die die Definitionen der öffentlichen Liefer- und Bauaufträge enthielten. In diesen Bestimmungen komme klar zum Ausdruck, dass alle Gemeinschaftsrichtlinien über die öffentliche Auftragsvergabe von einem einheitlichen Leistungsbild ausgingen, das für die Einreihung des Auftrags maßgeblich sei.

Antwort des Gerichtshofes

45 Im Grunde verfolgt die Richtlinie 92/50 denselben Zweck wie die Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren für die Ausschreibung öffentlicher Bau- und Lieferaufträge. Dieser Zweck besteht nach ständiger Rechtsprechung darin, auszuschließen, dass einheimische Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber bevorzugt werden und dass eine vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt (vgl. insbesondere Urteile vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache C-44/96, Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., Slg. 1998, I-73, Randnr. 33, vom 10. November 1998 in der Rechtssache C-360/96, BFI Holding, Slg. 1998, I-6821, Randnrn. 42 und 43, und vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-380/98, University of Cambridge, Slg. 2000, I-8035, Randnr. 17). Indessen gilt die Richtlinie 92/50 nicht in gleicher Weise für alle öffentlichen Dienstleistungsaufträge.

46 Vielmehr heißt es in der einundzwanzigsten Begründungserwägung der Richtlinie 92/50, dass die volle Anwendung dieser Richtlinie für eine Übergangszeit auf die Vergabe von Aufträgen für solche Dienstleistungen beschränkt werden muss, bezüglich deren ihre Vorschriften dazu beitragen, das Potenzial für mehr grenzüberschreitende Geschäfte voll auszunutzen, während für diese Zeit für andere Dienstleistungsaufträge nur ein Beobachtungsinstrument geschaffen wurde.

47 Demgemäß unterscheidet die Richtlinie 92/50 zwischen Aufträgen, die Dienstleistungen ihres Anhangs IA zum Gegenstand haben und die nach den Bestimmungen der Abschnitte III bis VI vergeben werden, und Aufträgen, die Dienstleistungen im Sinne des Anhangs IB zum Gegenstand haben, für die gemäß Artikel 9 die Artikel 14 und 16 gelten.

48 Weiter bestimmt Artikel 10 der Richtlinie 92/50, dass Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen sowohl des Anhangs IA als auch des Anhangs IB sind, nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben werden, wenn der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IA größer ist als derjenige der Dienstleistungen des Anhangs IB, andernfalls aber allein gemäß den Artikeln 14 und 16.

49 Nach diesen Bestimmungen ist im Rahmen der Richtlinie 92/50 die Auffassung abzulehnen, dass der Hauptgegenstand des Auftrags bestimme, welche Regelung auf diesen anwendbar sei.

50 Zum einen heißt es nämlich in der Richtlinie 92/50 selbst, und zwar in der siebten Begründungserwägung, dass sich der Dienstleistungsbereich für die Anwendung von Vergabevorschriften und zur Beobachtung am besten durch eine Unterteilung in Kategorien in Anlehnung an bestimmte Positionen einer gemeinsamen Nomenklatur, im vorliegenden Fall der CPC-Nomenklatur, beschreiben lasse.

51 Der Gerichtshof hat in Randnummer 37 des Urteils Tögel entschieden, dass die Verweisung auf die CPC-Nomenklatur in den Anhängen IA und IB der Richtlinie 92/50 verbindlich ist.

52 Zum anderen liefert Artikel 10 der Richtlinie 92/50 ein eindeutiges Kriterium für die Bestimmung der Regelung, die auf einen Auftrag anwendbar ist, der sich aus verschiedenen Dienstleistungen zusammensetzt; dieses Kriterium beruht auf dem Vergleich des Wertes der Dienstleistungen des Anhangs IA dieser Richtlinie mit demjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IB.

53 Nach allem ist daher auf die erste Frage zu antworten, dass die Regelung, die auf einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag anwendbar ist, der sich aus Dienstleistungen des Anhangs IA und aus Dienstleistungen des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 zusammensetzt, sich nicht nach dem Hauptgegenstand dieses Auftrags richtet, sondern anhand des eindeutigen Kriteriums bestimmt wird, das Artikel 10 dieser Richtlinie aufstellt.

Zur zweiten und zur vierten Frage

54 Mit der zweiten und der vierten Frage, die gemeinsam zu behandeln sind, möchte das Bundesvergabeamt wissen, ob im Rahmen der Vergabe eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient, sich jedoch aus mehreren Dienstleistungen zusammensetzt, die Einreihung dieser Dienstleistungen in die Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 dieser nicht ihre praktische Wirksamkeit nimmt. Es möchte auch wissen, ob der Auftraggeber verpflichtet ist, die Dienstleistungen des Anhangs IB abzutrennen und getrennt zu vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IB nach dieser Einreihung denjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IA übersteigt.

55 Hierzu ist zu sagen, dass sich aus der Antwort auf die erste Frage klar ergibt, dass die Einreihung von Dienstleistungen in die Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 - selbst im Rahmen eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient - dem System dieser Richtlinie entspricht, wie es sich namentlich aus der siebten und der einundzwanzigsten Begründungserwägung sowie den Artikeln 8 bis 10 ergibt, die eine Anwendung dieser Richtlinie auf zwei Ebenen vorsehen.

56 Daher ist die Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass sie die getrennte Vergabe eines Auftrags für die Dienstleistungen des Anhangs IB auch dann nicht vorschreibt, wenn nach der Einreihung aufgrund der CPC-Nomenklatur der Wert dieser Dienstleistungen beim betreffenden Auftrag denjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IA der Richtlinie übersteigt. Wie der Generalanwalt in Nummer 55 seiner Schlussanträge ausführt, würde eine derartige Abtrennung Artikel 10 der Richtlinie 92/50 seinen gesamten Anwendungsbereich entziehen. Nach Artikel 10 Satz 2 dieser Richtlinie gelten für einen solchen Auftrag nur deren Artikel 14 und 16.

57 Nur dann würde es sich anders verhalten, wenn der Auftraggeber willkürlich und nur zu dem Zweck, den Anteil der Dienstleistungen des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 am Auftrag zu erhöhen und sich auf diese Weise über Artikel 10 Satz 2 dieser Richtlinie der vollständigen Anwendung von deren Bestimmungen zu entziehen, in ein- und demselben Auftrag Dienstleistungen unterschiedlicher Art zusammenfassen würde, ohne dass zwischen diesen ein Zusammenhang aufgrund eines gemeinsamen Zwecks oder eines gemeinsamen Vorgangs bestuende.

58 Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen auch Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 92/50, wonach die Wahl der Berechnungsmethode für einen Auftrag nicht die Absicht verfolgen darf, die Anwendung dieser Richtlinie zu umgehen. Zwar regelt dieser Artikel einen anderen Fall, nämlich die willkürliche Aufteilung eines Auftrags, doch steht sein Zweck, Manipulationen zu verhindern, auch einer willkürlichen Zusammenfassung verschiedener Dienstleistungen durch einen Auftraggeber in ein- und demselben Auftrag allein zu dem Zweck entgegen, die vollständige Anwendung der Richtlinie auf diesen Auftrag zu verhindern.

59 Im Ausgangsverfahren handelt es sich jedoch nicht um eine derartige willkürliche Zusammenfassung, da das Bundesvergabeamt klar festgestellt hat, dass die Dienstleistungen des von der OeNB vergebenen Auftrags zwar unterschiedlicher Natur seien, jedoch alle der Verwirklichung eines einheitlichen Zwecks dienten.

60 Nach allem ist auf die zweite und die vierte Frage zu antworten, dass im Rahmen der Vergabe eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient, sich jedoch aus mehreren Dienstleistungen zusammensetzt, die Einreihung der Dienstleistungen in die Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 dieser nicht ihre praktische Wirksamkeit nimmt, sondern vielmehr dem System dieser Richtlinie entspricht. Übersteigt der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IB nach dieser Einreihung gemäß der Nomenklatur denjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IA, so ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, die Dienstleistungen des Anhangs IB von dem betreffenden Auftrag abzutrennen und für sie getrennte Aufträge zu vergeben.

Zur dritten Frage

61 Mit seiner dritten Frage möchte das Bundesvergabeamt wissen, zu welchem Anhang der Richtlinie 92/50 und zu welchen Referenznummern der CPC-Nomenklatur die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen gehören.

62 Hierzu ist zu sagen, dass die Einreihung der Dienstleistungen in die Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 vor allem eine Frage tatsächlicher Art ist, deren Beurteilung dem Auftraggeber vorbehaltlich der Nachprüfung durch die nationalen Gerichte obliegt.

63 Im vorliegenden Fall ist es daher Sache des Bundesvergabeamts, die von der OeNB vorgenommene Einreihung unter Berücksichtigung namentlich der in den Randnummern 49 bis 51 dieses Urteils aufgeführten Grundsätze nachzuprüfen. Des Näheren hat es zu prüfen, welchen Referenznummern der CPC-Nomenklatur die Dienstleistungen entsprechen, aus denen sich der Auftrag zusammensetzt.

64 Zurückzuweisen ist jedoch die Auffassung der Kommission, die Kategorie 20 - Neben- und Hilfstätigkeiten des Verkehrs - des Anhangs IB der Richtlinie 92/50 erfasse sämtliche Dienstleistungen, die Gegenstand des Auftrags im Ausgangsverfahren seien.

65 Bereits aus dem Titel dieser Kategorie ergibt sich nämlich, dass zu den Dienstleistungen, die sie erfasst, nicht der Verkehr selbst gehört. Unstreitig fallen die Dienstleistungen des Landverkehrs grundsätzlich unter Kategorie 2 des Anhangs IA der Richtlinie 92/50, während die Postbeförderung unter Kategorie 4 des Anhangs IA und der Eisenbahnverkehr unter Kategorie 18 des Anhangs IB dieser Richtlinie fallen.

66 Nach allem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, auf der Grundlage von Artikel 10 der Richtlinie 92/50 zu bestimmen, welche Regelung auf den Auftrag anwendbar ist, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, und dabei insbesondere zu prüfen, welchen Referenznummern der CPC-Nomenklatur die Dienstleistungen entsprechen, aus denen sich dieser Auftrag zusammensetzt. Dabei erfasst Kategorie 20 des Anhangs IB dieser Richtlinie den Landverkehr, der ausdrücklich in Kategorie 2 des Anhangs IA der Richtlinie genannt wird, als solchen nicht.

Kostenentscheidung:

Kosten

67 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem Bundesvergabeamt anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Bundesvergabeamt mit Beschluss vom 29. September 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Regelung, die auf einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag anwendbar ist, der sich aus Dienstleistungen des Anhangs IA und aus Dienstleistungen des Anhangs IB der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zusammensetzt, richtet sich nicht nach dem Hauptgegenstand dieses Auftrags, sondern wird anhand des eindeutigen Kriteriums bestimmt, das Artikel 10 dieser Richtlinie aufstellt.

2. Im Rahmen der Vergabe eines Auftrags, der einem einheitlichen Zweck dient, sich jedoch aus mehreren Dienstleistungen zusammensetzt, nimmt die Einreihung der Dienstleistungen in die Anhänge IA und IB der Richtlinie 92/50 dieser nicht ihre praktische Wirksamkeit, sondern entspricht vielmehr dem System dieser Richtlinie. Übersteigt der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IB nach dieser Einreihung gemäß der CPC-Nomenklatur denjenigen der Dienstleistungen des Anhangs IA, so ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, die Dienstleistungen des Anhangs IB von dem betreffenden Auftrag abzutrennen und für sie getrennte Aufträge zu vergeben.

3. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage von Artikel 10 der Richtlinie 92/50 zu bestimmen, welche Regelung auf den Auftrag anwendbar ist, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, und dabei insbesondere zu prüfen, welchen Referenznummern der CPC-Nomenklatur die Dienstleistungen entsprechen, aus denen sich dieser Auftrag zusammensetzt. Dabei erfasst Kategorie 20 des Anhangs IB dieser Richtlinie den Landverkehr, der ausdrücklich in Kategorie 2 des Anhangs IA der Richtlinie genannt wird, als solchen nicht.

Ende der Entscheidung

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