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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.09.1998
Aktenzeichen: C-413/96
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1697/79


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 Art. 2 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, ist dahin auszulegen, daß, wenn sich bei einer nachträglichen Kontrolle herausstellt, daß die Anmeldung einer Ware zum freien Verkehr einen Tarifierungsirrtum enthält, und wenn die Erhebung der Zölle für die Waren der Position, in die die betreffende Ware hätte eingereiht werden müssen, zwar zur Zeit der Annahme der Anmeldung ausgesetzt, zur Zeit der Feststellung des Irrtums aber wiedereingeführt worden war, die Zollbehörden bei der Neuberechnung des zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Zollbetrags die fragliche Aussetzung nicht berücksichtigen dürfen.

Da die Zollaussetzung zur Zeit der Annahme der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr nur im Rahmen von Plafonds gewährt worden war, beruht die Regelung auf der möglichst genauen Einhaltung der festgesetzten Plafonds. Wollte man eine nachträgliche Überschreitung der Plafonds im Fall der Neueinstufung von Waren aufgrund der Feststellung eines Irrtums, der dem Importeur bei der Tarifierung einer Ware unterlaufen ist, akzeptieren, so müsste diese Überschreitung unabhängig von Menge und Wert der betreffenden Waren akzeptiert werden. Diese Auslegung würde sowohl der Verordnung, die die Plafonds aufstellt, als auch der Verordnung, die die Erhebung der Zölle wiedereinführt, ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Ausserdem könnte die Möglichkeit, die nachträgliche Überschreitung der Plafonds zu beantragen, zu Mißbräuchen führen.

2 Hat die Kommission nach Befassung des Ausschusses für den Zollkodex in einer an einen Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung festgestellt, daß der Erlaß von Eingangsabgaben nach der Verordnung Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben in einem bestimmten Fall nicht gerechtfertigt war, ohne rechtliche oder tatsächliche Ausführungen zu der Frage zu machen, ob für die Nacherhebung der betreffenden Eingangsabgaben eine Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 1697/79 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, bestand, so kann ein nationales Gericht, gegebenenfalls unter Einhaltung des Verfahrens des Artikels 177 des Vertrages, über diese Frage entscheiden.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 24. September 1998. - Skatteministeriet gegen Sportgoods A/S. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Højesteret - Dänemark. - Zollrecht - Entstehung einer Zollschuld - Nacherhebung von Eingangsabgaben - Erlaß von Eingangsabgaben. - Rechtssache C-413/96.

Entscheidungsgründe:

1 Der Höjesteret hat mit Entscheidung vom 20. Dezember 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1; im folgenden: streitige Verordnung), und über die rechtliche Wirkung einer von der Kommission nach Befassung des Ausschusses für den Zollkodex erlassenen Entscheidung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Skatteministeriet (dänisches Steuerministerium) und der Sportgoods A/S, einer Gesellschaft dänischen Rechts, wegen der Nacherhebung von Einfuhrzöllen für fünf Lose Fußballschuhe aus Thailand.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3896/89 des Rates vom 18. Dezember 1989 zur Anwendung allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern im Jahr 1990 (ABl. L 383, S. 1) und Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3831/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur Anwendung allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern im Jahr 1991 (ABl. L 370, S. 1), die durch die Verordnung (EWG) Nr. 3587/91 des Rates vom 3. Dezember 1991 (ABl. L 341, S. 1) für 1992 verlängert wurde, gilt eine Zollaussetzung für die in Anhang I genannten Waren im Rahmen von festen zollfreien Beträgen und Plafonds.

4 Unter diesen Waren werden die Waren mit Ursprung in Thailand genannt, die unter die Tarifpositionen 6402 ("Andere Schuhe mit Laufsohlen und Oberteil aus Kautschuk oder Kunststoff") und 6403 ("Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk, Kunststoff, Leder oder rekonstituiertem Leder und Oberteil aus Leder") des Gemeinsamen Zolltarifs fallen.

5 Gemäß Artikel 7 der Verordnungen Nrn. 3896/89 und 3831/90, der zu Abschnitt II über die Verwaltung der Gemeinschaftszollplafonds gehört, kann, sobald die Einzelplafonds auf Gemeinschaftsebene erreicht sind, die Anwendung der Zollsätze bei der Einfuhr der betreffenden Waren mit Ursprung in jedem der betreffenden Länder und Gebiete jederzeit wiedereingeführt werden.

6 Artikel 9 der Verordnung Nr. 3896/89 und der Verordnung Nr. 3831/90 (verlängert durch die Verordnung Nr. 3587/91), der zu demselben Abschnitt gehört, bestimmt:

"(1) Die Kommission beschließt die Wiedereinführung der Zollsätze gegenüber dem einen oder anderen der in Artikel 1 Absatz 2 genannten Länder und Gebiete unter den in den Artikeln 7 und 8 vorgesehenen Bedingungen durch Verordnung.

In solchen Fällen beschließen Spanien und Portugal die Wiedereinführung der Erhebung der Zölle gegenüber Drittländern zu dem betreffenden Zeitpunkt.

(2) Die Kommission kann auch noch nach dem 31. Dezember [1990 für die Verordnung Nr. 3896/89 und 1992 für die Verordnung Nr. 3831/90, verlängert durch die Verordnung Nr. 3587/91] durch Verordnung Maßnahmen zur Beendigung von Anrechnungen auf die eine oder andere Präferenzmenge treffen, wenn diese Grenzen insbesondere infolge von Richtigstellungen bei in dem Zeitraum gemäß Artikel 1 Absatz 1 tatsächlich durchgeführten Einfuhren überschritten worden sind.

Der Mitgliedstaat, der solche Korrekturen durchführt, teilt der Kommission die betreffenden Anrechnungsbeträge mit. Die Kommission informiert darüber sofort die anderen Mitgliedstaaten."

7 So wurde die Erhebung der Einfuhrzölle für Waren der Tarifpositionen 6402 und 6403 mit Ursprung in Thailand ab 3. bzw. 27. März 1992 wiedereingeführt, und zwar durch die Verordnung (EWG) Nr. 513/92 der Kommission vom 28. Februar 1992 zur Wiedereinführung der Erhebung der Zölle für die Waren der KN-Codes 6401, 6402, 6404 und 6405 90 10 mit Ursprung in Thailand, für die die in der Verordnung Nr. 3831/90 vorgesehenen Zollpräferenzen gewährt werden (ABl. L 55, S. 88), und die Verordnung (EWG) Nr. 719/92 der Kommission vom 23. März 1992 zur Wiedereinführung der Erhebung der Zölle für die Waren des KN-Codes 6403 mit Ursprung in Thailand, für die die in der Verordnung Nr. 3831/90 vorgesehenen Zollpräferenzen gewährt werden (ABl. L 78, S. 9).

8 Hinsichtlich der Nacherhebung von Zöllen bestimmte Artikel 2 Absatz 1 der streitigen Verordnung, die zur Zeit der Einfuhren galt:

"(1) Stellen die zuständigen Behörden fest, daß die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet wurden, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, vom Abgabenschuldner ganz oder teilweise nicht angefordert worden sind, so fordern sie die nicht erhobenen Abgaben nach.

..."

Der Ausgangsrechtsstreit

9 Die Firma Sportgoods führte vom 1. März 1990 bis zum 20. Januar 1992 fünf Lose Sportschuhe mit Oberteil aus Kunststoff ein, die als "Andere Schuhe mit Laufsohlen und Oberteil aus Kautschuk oder Kunststoff: Sportschuhe: andere" in die Unterposition 6402 19 00 der zu diesem Zeitpunkt geltenden Kombinierten Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs hätten eingereiht werden müssen; diese ergab sich aus Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1; im folgenden: Kombinierte Nomenklatur), der durch die Verordnungen (EWG) Nr. 2886/89 der Kommission vom 2. August 1989 (ABl. L 282, S. 1), Nr. 2472/90 der Kommission vom 31. Juli 1990 (ABl. L 247, S. 1) und Nr. 2587/91 der Kommission vom 26. Juli 1991 (ABl. L 259, S. 1) geändert wurde.

10 Aufgrund eines Irrtums des Spediteurs, der für Rechnung der Firma Sportgoods handelte, wurden die fünf Lose jedoch in den Anmeldungen zum zollrechtlich freien Verkehr als "Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk, Kunststoff, Leder oder rekonstituiertem Leder und Oberteil aus Leder: Sportschuhe: andere" in die Unterposition 6403 19 00 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht.

11 Da für die letztgenannte Unterposition zur Zeit der Annahme der Anmeldung der Ware zum zollrechtlich freien Verkehr Zollpräferenzen im Rahmen der in den Verordnungen Nrn. 3896/89 und 3831/90 vorgesehenen Plafonds bestanden, wurde bei der Einfuhr der fraglichen Schuhe Zoll weder erhoben noch entrichtet.

12 Ende 1992 entdeckte die Told- og Skatteregion (regionale Zoll- und Steuerbehörde) Horsens bei einer Kontrolle die unrichtige Tarifierung in den fünf Anmeldungen. Da die Zollbefreiungen zu diesem Zeitpunkt für die Unterposition, in der die fraglichen Waren hätten angemeldet werden müssen, nicht mehr galten, erhob die dänische Verwaltung für die fünf Lose insgesamt 217 249,40 DKR Zoll nach.

13 Nachdem diese Entscheidung am 27. Mai 1993 von der Told- og Skattestyrelse (nationale Direktion für Zoll- und Steuerangelegenheiten) bestätigt worden war, verklagte die Firma Sportgoods das Skatteministeriet vor dem Östre Landsret.

14 Der Östre Landsret setzte das schriftliche Verfahren aus, damit die Kommission um Stellungnahme zu der Frage gebeten werden konnte, ob der Erlaß der Einfuhrabgaben gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175, S. 1), die zu jenem Zeitpunkt galt, in diesem Fall gerechtfertigt war.

15 Die Kommission verneinte diese Frage durch Entscheidung C(94) 1854 endg. vom 18. Juli 1994, in der sie feststellte, daß der Erlaß der Eingangsabgaben in diesem besonderen Fall nicht gerechtfertigt war.

16 Der Östre Landsret führte dagegen im Urteil vom 22. September 1995 aus, daß für die fragliche Nacherhebung keine Rechtsgrundlage bestehe, da Artikel 2 Absatz 1 der streitigen Verordnung sich nicht auf falsche Angaben der Tarifposition beziehe, die keine finanziellen Auswirkungen hätten.

17 Das Skatteministeriet legte gegen dieses Urteil Berufung beim Höjesteret ein. Dieser ist der Auffassung, daß der Rechtsstreit Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwerfe, und hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:

1. Ist Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. 1979, L 197, S. 1), dahin auszulegen, daß eine Nacherhebung nur in dem Fall möglich ist, daß eine Differenz im Betrag entstanden ist, nicht dagegen im Fall unrichtiger Angaben der Tarifposition, die keine finanziellen Auswirkungen gehabt haben?

2. Ist die Wendung "die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten" in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 des Rates dahin auszulegen, daß

- die tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Behörden eine Anmeldung, die eine unrichtige Tarifposition enthält, annehmen, dafür entscheidend sind, ob ein Betrag geschuldet war,

oder dahin, daß

- die tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Behörden feststellen, daß eine Anmeldung eine unrichtige Tarifposition enthält, dafür entscheidend sind, ob ein Betrag geschuldet war?

3.a) Welche rechtliche Wirkung hat eine Entscheidung, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Befassung des Ausschusses für den Zollkodex an einen Mitgliedstaat richtet, nachdem dieser den Ausschuß um eine Entscheidung darüber ersucht hat, ob der Erlaß von Eingangsabgaben unter genauer angegebenen Umständen gerechtfertigt ist, und in der die Kommission und der Ausschuß entscheiden, daß dieser Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, die Eingangsabgaben zu erlassen, um die es in dem von ihm an den Ausschuß gerichteten Ersuchen ging?

b) Ist es mit den in der Antwort auf die Frage 3 a beschriebenen rechtlichen Wirkungen vereinbar, wenn ein Gericht in dem betreffenden Mitgliedstaat in einem Urteil entscheidet, daß keine Rechtsgrundlage für eine Nacherhebung der Eingangsabgaben bestand?

Zur ersten und zweiten Frage

18 Die erste und die zweite Frage des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 2 Absatz 1 der zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens anwendbaren streitigen Verordnung dahin auszulegen ist, daß, wenn sich bei einer nachträglichen Kontrolle herausstellt, daß die Anmeldung einer Ware zum freien Verkehr einen Tarifierungsirrtum enthält, und wenn die Erhebung der Zölle für die Waren der Position, in die die betreffende Ware hätte eingereiht werden müssen, zwar zur Zeit der Annahme der Anmeldung ausgesetzt, zur Zeit der Feststellung des Irrtums aber wiedereingeführt worden war, die Zollbehörden bei der Neuberechnung des zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldetenen Zollbetrags die bei der Annahme der Erklärung vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände berücksichtigen müssen, oder dahin, daß sie in einem solchen Fall von den bei der Feststellung des Tarifierungsirrtums vorliegenden Umständen ausgehen müssen.

19 Nach Auffassung des Skatteministeriet sind für das Bestehen einer Zollschuld und die Nacherhebung die tatsächlichen und rechtlichen Umstände maßgebend, die zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem die zuständigen Behörden feststellen, daß eine Anmeldung eine falsche Position enthält.

20 Nach Auffassung der Firma Sportgoods konnte dagegen keine Zollschuld entstehen, da zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung der Waren mit Ursprung in Thailand zum freien Verkehr unter der Unterposition 6402 19 00 der Kombinierten Nomenklatur eine Zollbefreiung galt, so daß für die Nacherhebung der Zölle keine rechtliche Grundlage bestehe.

21 Nach Auffassung der Kommission ist entscheidend für das Entstehen der Zollschuld die Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr. Sei wie im vorliegenden Fall das Entstehen der Schuld festgestellt worden, so sei die Verwaltung nach Artikel 2 Absatz 1 der streitigen Verordnung grundsätzlich verpflichtet, den Zoll nachzuerheben, der gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Wiedereinführung des gewöhnlichen Zolles hätte erhoben werden müssen.

22 Somit sind nacheinander der für die Bestimmung der Höhe der Zollschuld maßgebende Zeitpunkt, die Anwendung der Vorschriften über die allgemeinen Zollpräferenzen und gegebenenfalls die Verpflichtung zur Nacherhebung der nicht erhobenen Zölle zu prüfen.

Der für die Bestimmung der Höhe der Zollschuld maßgebende Zeitpunkt

23 Eine Einfuhrzollschuld entsteht nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 3 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld (ABl. L 201, S. 15), die zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens galt, u. a. zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr durch die zuständigen Behörden.

24 Ausserdem ergibt sich aus Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 79/695/EWG des Rates vom 24. Juli 1979 zur Harmonisierung der Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (ABl. L 205, S. 19), die zur Zeit der Einfuhren der Waren galt, daß unbeschadet besonderer Bestimmungen im Rahmen allgemeiner oder spezifischer Gemeinschaftsregelungen die Eingangsabgaben nach den zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung geltenden Sätzen und Beträgen erhoben werden und daß derselbe Zeitpunkt maßgebend ist für die Bestimmung der sonstigen Erhebungsgrundlagen sowie für die Anwendung der übrigen Vorschriften, die für die Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr gelten.

25 Folglich müssen die Zollbehörden, wenn sie bei einer Kontrolle feststellen, daß die Anmeldung einer Ware zum zollrechtlich freien Verkehr einen Tarifierungsirrtum enthält, grundsätzlich die notwendigen Maßnahmen treffen, um die zur Zeit der Annahme der Anmeldung nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldetenen Zollbeträge unter Berücksichtigung der ihnen vorliegenden neuen Informationen neu zu berechnen.

Die Anwendung der Vorschriften über die allgemeinen Zollpräferenzen

26 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnungen Nrn. 3896/89 und 3831/90 wurde eine Zollaussetzung zur Zeit der Annahme der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr nur im Rahmen von festen zollfreien Beträgen und Plafonds gewährt.

27 Nach den Bestimmungen des Abschnitts II dieser Verordnungen wurde die Erhebung der Zollschuld, selbst wenn diese zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr entstand, in den Grenzen der in diesen Verordnungen festgesetzten Plafonds ausgesetzt. Sobald diese Plafonds für die betreffenden Waren erreicht waren, konnte die Erhebung der Zölle wiedereingeführt werden.

28 Da die Plafonds im vorliegenden Fall erreicht waren, wurde die Erhebung der Zölle für die Einfuhr der unter die Positionen 6402 und 6403 fallenden Waren mit Ursprung in Thailand am 3. bzw. 27. März 1992, also bevor der fragliche Tarifierungsirrtum festgestellt wurde, durch die Verordnungen Nrn. 513/92 und 719/92 wiedereingeführt.

29 Zwar war, wie aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 3896/89 (24. bis 27. Begründungserwägung) und der Verordnung Nr. 3831/90 (30. bis 33. Begründungserwägung) hervorgeht, eine Überschreitung der Plafonds bei der in diesen Verordnungen vorgesehenen Verwaltung der Plafonds wegen der gleichzeitigen Verantwortung verschiedener Behörden unvermeidlich.

30 Auch betrifft der Sachverhalt die blosse Neueinstufung einer bestimmten Anzahl von Fußballschuhen, für die sowohl in der Unterposition, die irrtümlich in der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr angegeben wurde, als auch in der Unterposition, in die sie hätten eingestuft werden müssen, zum Zeitpunkt der Annahme dieser Anmeldung eine Zollaussetzung vorgesehen war.

31 Das Problem ist jedoch im Kontext von Sinn und Zweck der betreffenden Regelung der Zollaussetzungen zu sehen, die auf der möglichst genauen Einhaltung der festgesetzten Plafonds beruht.

32 Wollte man eine nachträgliche Überschreitung der Plafonds im Fall der Neueinstufung von Waren aufgrund der Feststellung eines Irrtums, der dem Importeur bei der Tarifierung einer Ware unterlaufen ist, akzeptieren, nachdem der Plafond für die Unterposition, in die die Ware hätte eingereiht werden müssen, erreicht und die Erhebung der Einfuhrzölle für die betreffenden Waren wiedereingeführt worden war, so müsste diese Überschreitung unabhängig von Menge und Wert der betreffenden Waren und unabhängig davon akzeptiert werden, ob zur Zeit der Annahme der Anmeldung eine Zollaussetzung für die beiden in Rede stehenden Unterpositionen oder nur für eine von ihnen galt.

33 Diese Auslegung würde sowohl der Verordnung, die die Plafonds aufstellt, als auch der Verordnung, die die Erhebung der Zölle wiedereinführt, ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Ausserdem könnte die Möglichkeit, die nachträgliche Überschreitung der Plafonds zu beantragen, zu Mißbräuchen führen.

34 Folglich kann für die Einfuhr keine Zollaussetzung mehr gewährt werden, wenn zur Zeit der Neuberechnung der Zollbeträge der Plafond erreicht und die Erhebung der Zölle wiedereingeführt worden war.

35 Im übrigen kann eine Zollaussetzung, da sie keine Rückwirkung hat, einem Importeur nicht gewährt werden, wenn sie nach der Annahme der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr eingeführt worden ist.

Die Verpflichtung zur Nacherhebung nicht erhobener Zölle

36 Stellen die Zollbehörden, nachdem sie den Betrag der Zollschuld aufgrund der zur Zeit der Annahme der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr geltenden Zollsätze neu berechnet haben, fest, daß für die fragliche Einfuhr keine Zollaussetzung mehr gewährt werden kann, so sind die auf diese Weise neu berechneten Zölle als nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldet anzusehen.

37 Da diese Zölle vom Abgabenschuldner nicht angefordert worden sind, müssen die Zollbehörden entsprechend den Bestimmungen der streitigen Verordnung die nicht erhobenen Zölle nachfordern.

38 Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die erste und die zweite Frage wie folgt zu antworten: Artikel 2 Absatz 1 der zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens anwendbaren streitigen Verordnung ist dahin auszulegen, daß, wenn sich bei einer nachträglichen Kontrolle herausstellt, daß die Anmeldung einer Ware zum freien Verkehr einen Tarifierungsirrtum enthält, und wenn die Erhebung der Zölle für die Waren der Position, in die die betreffende Ware hätte eingereiht werden müssen, zwar zur Zeit der Annahme der Anmeldung ausgesetzt, zur Zeit der Feststellung des Irrtums aber wiedereingeführt worden war, die Zollbehörden bei der Neuberechnung des zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldetenen Zollbetrags die fragliche Aussetzung nicht berücksichtigen dürfen.

Zur dritten Frage

39 Das Skatteministeriet trägt vor, die Kommission habe in ihrer Entscheidung vom 18. Juli 1994 implizit entschieden, daß eine Rechtsgrundlage für die Nacherhebung der betreffenden Zölle bestehe; diese Entscheidung binde die nationalen Gerichte, so daß es diesen verwehrt sei, das Fehlen einer solchen Rechtsgrundlage festzustellen.

40 Die Kommission führt, unterstützt von der Firma Sportgoods, aus, sie habe in der Entscheidung vom 18. Juli 1994 nicht zu der Frage Stellung genommen, ob es eine Rechtsgrundlage für die Nacherhebung der Einfuhrzölle gebe; dies sei aber eine gesonderte Voraussetzung für den Anspruch auf Erstattung oder Erlaß des Zolles nach der Verordnung Nr. 1430/79. Somit hindere nichts die nationalen Gerichte, die streitige Verordnung auszulegen und gegebenenfalls festzustellen, daß es an einer solchen Rechtsgrundlage fehle. Diese Feststellung komme nicht einer Ungültigkeitserklärung der Entscheidung der Kommission gleich.

41 Zum einen genügt die Feststellung, daß die Kommission, wie sie selbst vorträgt, in ihrer Entscheidung vom 18. Juli 1994 nicht zu der Frage Stellung genommen hat, ob es eine Rechtsgrundlage für die Nacherhebung der betreffenden Zölle gemäß der streitigen Verordnung gibt. Die Entscheidung enthält nämlich keine rechtlichen oder tatsächlichen Ausführungen zu dieser Frage, die alle Organe des Bestimmungsmitgliedstaats einschließlich seiner Gerichte binden würden.

42 Zum anderen ergibt sich die Verpflichtung der Zollbehörden zur Nacherhebung nicht erhobener Zölle aus der streitigen Verordnung. Im vorliegenden Fall brauchte die Kommission nicht durch eine Entscheidung zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine Rechtsgrundlage dafür bestand, eine derartige Nacherhebung aufgrund dieser Verordnung vorzunehmen.

43 Auf die dritte Frage ist somit wie folgt zu antworten: Hat die Kommission nach Befassung des Ausschusses für den Zollkodex in einer an einen Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung festsgestellt, daß der Erlaß von Eingangsabgaben nach der Verordnung Nr. 1430/79 in einem bestimmten Fall nicht gerechtfertigt war, ohne rechtliche oder tatsächliche Ausführungen zu der Frage zu machen, ob für die Nacherhebung der betreffenden Eingangsabgaben eine Rechtsgrundlage in der streitigen Verordnung bestand, so kann ein nationales Gericht, gegebenenfalls unter Einhaltung des Verfahrens des Artikels 177 des Vertrages, über diese Frage entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Höjesteret mit Entscheidung vom 20. Dezember 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, ist dahin auszulegen, daß, wenn sich bei einer nachträglichen Kontrolle herausstellt, daß die Anmeldung einer Ware zum freien Verkehr einen Tarifierungsirrtum enthält, und wenn die Erhebung der Zölle für die Waren der Position, in die die betreffende Ware hätte eingereiht werden müssen, zwar zur Zeit der Annahme der Anmeldung ausgesetzt, zur Zeit der Feststellung des Irrtums aber wiedereingeführt worden war, die Zollbehörden bei der Neuberechnung des zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldetenen Zollbetrags die fragliche Aussetzung nicht berücksichtigen dürfen.

2. Hat die Kommission nach Befassung des Ausschusses für den Zollkodex in einer an einen Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung festgestellt, daß der Erlaß von Eingangsabgaben nach der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben in einem bestimmten Fall nicht gerechtfertigt war, ohne rechtliche oder tatsächliche Ausführungen zu der Frage zu machen, ob für die Nacherhebung der betreffenden Eingangsabgaben eine Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 1697/79 bestand, so kann ein nationales Gericht, gegebenenfalls unter Einhaltung des Verfahrens des Artikels 177 EG-Vertrag, über diese Frage entscheiden.

Ende der Entscheidung

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