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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.1994
Aktenzeichen: C-426/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 9
EWG-Vertrag Art. 12
EWG-Vertrag Art. 16
EWG-Vertrag Art. 34
EWG-Vertrag Art. 36
EWG-Vertrag Art. 95
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Da Kontrollen, die systematisch an der Grenze des Ausfuhrmitgliedstaats durchgeführt werden, um die Zusammensetzung und die Qualität von Magermilchpulver zu überprüfen, das im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats denaturiert oder zu Mischfutter verarbeitet werden soll und aus diesem Grund beihilfefähig ist, weder in der einschlägigen Gemeinschaftsregelung ° nämlich Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Verordnung Nr. 1624/76 in ihrer sich aus der Verordnung Nr. 1726/79 ergebenden Fassung und Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 ° vorgesehen noch durch eines der durch Artikel 36 EWG-Vertrag anerkannten Erfordernisse gerechtfertigt sind, stellen sie durch Artikel 34 EWG-Vertrag verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Ausfuhrbeschränkungen im Handel zwischen Mitgliedstaaten dar.

Dagegen sind Grenzkontrollen mit dem gleichen Zweck zulässig, wenn sie nur stichprobenweise erfolgen.

2. Eine Gebühr, die von einem Mitgliedstaat anläßlich von Grenzkontrollen bei der Ausfuhr von Magermilchpulver, das in einem anderen Mitgliedstaat zu Mischfutter verarbeitet werden soll, erhoben wird, obwohl diese Kontrollen in den Verordnungen Nrn. 1624/76 und 1725/79 keine Grundlage haben, stellt eine nach den Artikeln 9 und 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie Ausfuhrzölle dar, auch wenn sie den tatsächlichen Kosten der jeweiligen Kontrolle entspricht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 22. JUNI 1994. - BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND GEGEN DEUTSCHES MILCH-KONTOR GMBH. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESVERWALTUNGSGERICHT - DEUTSCHLAND. - BEIHILFE FUER MAGERMILCHPULVER - SYSTEMATISCHE GRENZKONTROLLEN - MASSNAHMEN GLEICHER WIRKUNG - UNTERSUCHUNGSKOSTEN - ABGABEN GLEICHER WIRKUNG. - RECHTSSACHE C-426/92.

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) hat mit Beschluß vom 27. August 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 2 Absätze 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1624/76 der Kommission vom 2. Juli 1976 über besondere Bestimmungen für die Zahlung der Beihilfe für Magermilchpulver, das im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats denaturiert oder zu Mischfutter verarbeitet wird (ABl. L 180, S. 9), in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1726/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 (ABl. L 199, S. 10), nach der Auslegung des Artikels 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1725/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 über die Durchführungsbestimmungen zur Gewährung von Beihilfen für zu Mischfutter verarbeitete Magermilch und für zur Kälberfütterung bestimmtes Magermilchpulver (ABl. L 199, S. 1) und nach der Auslegung der Artikel 9, 12, 16 und 95 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Deutsches Milch-Kontor GmbH (nachstehend: DMK) und den deutschen Behörden (dem Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft, nachstehend: BEF) über die Belastung mit den Kosten für die systematischen Grenzkontrollen bei der Ausfuhr von Magermilchpulver, für das Ausfuhrbeihilfen gewährt wurden, durch die DMK nach Italien.

3 Die Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13) bestimmt in ihrem Artikel 10 Absatz 1, daß für Magermilchpulver, das für Futterzwecke verwendet wird, Beihilfen gewährt werden, wenn es gewisse Bedingungen erfuellt.

4 Der Rat hat gemäß Absatz 2 dieses Artikels die Verordnung (EWG) Nr. 986/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke (ABl. L 169, S. 4) erlassen.

5 Im allgemeinen wird diese Beihilfe in dem Mitgliedstaat gewährt, in dem das Magermilchpulver zu Futterzwecken verwendet oder zu Mischfutter verarbeitet wird. Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 986/68 ermächtigt die Mitgliedstaaten auch zur Gewährung der Beihilfe für Magermilchpulver, das zwar in ihrem Hoheitsgebiet hergestellt, aber im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats denaturiert oder verarbeitet wird. In diesem Fall bestimmen sich die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe nach der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79. Die Mitgliedstaaten haben von dieser Möglichkeit nur für die Ausfuhr von Magermilchpulver nach Italien - mit Wirkung vom 15. Juli 1976 ° Gebrauch gemacht.

6 In Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79 sind zwei Kontrollen vorgesehen, um zu überprüfen, ob eine Ausfuhrbeihilfe zu zahlen ist. Die erste, die die Zusammensetzung und die Qualität des Magermilchpulvers betrifft, erfolgt im Ausfuhrstaat. Mit der zweiten, die im Verarbeitungsstaat (Italien) erfolgt, wird überprüft, ob das Erzeugnis tatsächlich zur Herstellung von Futtermitteln verwendet wurde.

7 Die erste Kontrolle ist diejenige, die in Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 vorgesehen ist.

8 Bezueglich der zweiten Kontrolle bestimmt Nr. 2 dieses Artikels 10, daß

"... die vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Kontrollbestimmungen zumindest folgende Bedingungen erfuellen [müssen]:

...

b) Die Kontrollen der betreffenden Betriebe finden an Ort und Stelle statt und betreffen vor allem die Fabrikationsbedingungen...

c) Diese Kontrollen werden häufig und unangemeldet durchgeführt. Sie werden mindestens einmal alle 14 Tage durchgeführt, an denen Verarbeitungsvorgänge stattfinden. Im übrigen wird ihre Häufigkeit insbesondere unter Berücksichtigung des Umfangs des im betreffenden Betrieb verwendeten Magermilchpulvers und der Häufigkeit der gründlichen Kontrolle seiner Buchhaltung gemäß Buchstabe d) festgelegt.

...

d) Die unter Buchstabe c) genannten Kontrollen werden durch eine genaue und unangemeldete Kontrolle der Geschäftsunterlagen und der Bestandsbuchführung... ergänzt."

9 Die DMK führt Magermilchpulver, das sie in Deutschland aufkauft, nach Italien aus; das Magermilchpulver ist dazu bestimmt, im Empfängerstaat zu Mischfutter verarbeitet zu werden. Der Transport erfolgt mit Lastkraftwagen, die jeweils eine Partie von etwa 25 Tonnen befördern.

10 Das BEF kontrollierte die Beihilfefähigkeit des von der DMK nach Italien ausgeführten Magermilchpulvers nach der Verordnung Nr. 986/68.

11 Hierzu ließ das BEF von der Ausfuhrzollstelle aus jeder Lkw-Ladung eine Probe ziehen, die anschließend untersucht wurde. Aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen wurden die Kontrollen zusammen mit der Erledigung der anderen Ausfuhrformalitäten durch den im Rahmen der Amtshilfe eingeschalteten deutschen Zoll durchgeführt.

12 Das BEF stellte der DMK die Kosten der Untersuchung der gezogenen Proben von 112 DM je Probe in Rechnung, wobei es als Rechtsgrundlage § 12 der deutschen Beihilfenverordnung-Magermilch heranzog. Dementsprechend ergingen in der Zeit vom 29. April bis zum 8. September 1980 für 152 Proben Kostenbescheide über insgesamt 17 081,28 DM.

13 Die DMK erhob gegen diese Bescheide Klage, die vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in erster Instanz durch Gerichtsbescheid vom 20. April 1983 abgewiesen wurde.

14 Auf die dagegen eingelegte Berufung hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof die angefochtenen Kostenbescheide mit Urteil vom 5. Juni 1989 auf. Zur Begründung stellte er fest, daß nach Artikel 10 Nr. 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1725/79 nur eine stichprobenartige Kontrolle vorgeschrieben sei. Da der Ausführer das Magermilchpulver aus technischen Gründen nicht in grösseren Partien als jeweils 25 t befördern könne, werde durch die systematische Kontrolle jeder Partie eine von den Gemeinschaftsvorschriften nicht vorgesehene Kontrolldichte erreicht. Ausserdem werde die DMK durch die Belastung mit den Kosten für die Kontrollen gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern benachteiligt, die Magermilchpulver aus anderen Mitgliedstaaten nach Italien exportierten. Angesichts der geringen Gewinne in der Milchwirtschaft seien die vom BEF geforderten Kosten von 112 DM je 25 t nicht mehr normale Kosten von Kontrollen im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 15. September 1982 in der Rechtssache 233/81 (Denkavit Futtermittel, Slg. 1982, 2933).

15 Das BEF legte gegen dieses Urteil Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein.

16 Da sich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eine Reihe von Fragen zur Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften stellt, hat es unter Hinweis darauf, daß es als Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes gebunden ist, mit Beschluß vom 27. August 1992 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist Artikel 2 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1624/76 vom 2. Juli 1976 in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1726/79 vom 26. Juli 1979 dahin auszulegen, daß bei der Ausfuhr von in Deutschland hergestelltem Magermilchpulver nach Italien mittels Lastkraftwagen zum Zwecke der Mischfutterherstellung die zuständige Stelle von jeder Lkw-Ladung eine Probe ziehen und untersuchen lassen muß, um die in der Vorschrift genannte Bescheinigung erteilen zu können?

2) Welche Maßstäbe sind, wenn Frage 1 zu verneinen ist, Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1624/76 in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1726/79 in Verbindung mit Artikel 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1725/79 für die Beantwortung der Frage zu entnehmen, wie häufig beim Export von Magermilchpulver nach Italien mittels Lkw Probenahmen stattfinden müssen und dürfen?

3) Ist es mit dem Verbot von Abgaben mit zollgleicher Wirkung (Artikel 9, 12 und 16 EWG-Vertrag), dem Diskriminierungsverbot (Artikel 95 EWG -Vertrag) und sonstigem Gemeinschaftsrecht vereinbar, dem Exporteur aufgrund nationaler Rechtsvorschriften die vollen Kosten der ° ständigen oder gelegentlichen ° Untersuchungen aufzuerlegen?

17 Die ersten beiden Fragen betreffen zwei Aspekte ein- und desselben Problems. Sie sind daher gemeinsam zu prüfen.

Zur ersten und zur zweiten Frage

18 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79 vorgesehene Bescheinigung nur dann ausgestellt werden kann, wenn die zuständige Stelle bei der Ausfuhr des Magermilchpulvers von jeder Lkw-Ladung eine Probe hat ziehen und untersuchen lassen. Für den Fall, daß dies zu verneinen ist, wird zweitens gefragt, wie häufig diese Kontrollen stattfinden müssen.

19 Es ist festzustellen, daß die im Ausgangsverfahren streitigen systematischen Kontrollen an der Grenze durchgeführt werden.

20 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sind gesundheitsbehördliche Kontrollen an der Grenze ° namentlich wegen des mit ihnen verbundenen Zeitaufwands und der zusätzlichen Beförderungskosten, die sich durch sie für den Wirtschaftsteilnehmer ergeben können ° geeignet, die Einfuhren zu erschweren oder zu verteuern (Urteil vom 15. Dezember 1976 in der Rechtssache 35/76, Simmenthal, Slg. 1976, 1871, Randnr. 14).

21 Dies gilt grundsätzlich auch für andere Arten von Grenzkontrollen, insbesondere für eine nationale Regelung, die eine systematische Untersuchung der Waren beim Grenzuebertritt vorsieht (Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 190/87, Moormann, Slg. 1988, 4689, Randnr. 8).

22 Folglich stellt im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr jede systematische Kontrolle an der Grenze eine Beschränkung dar, die gegen die Artikel 30 und 34 EWG-Vertrag verstossen kann. Eine solche Kontrolle darf daher nur in begründeten Fällen stattfinden.

23 Diese Grundsätze sind in die Richtlinie 83/643/EWG des Rates vom 1. Dezember 1983 zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 359, S. 8) aufgenommen worden, die vom 1. Januar 1993 an durch die Verordnung (EWG) Nr. 2726/90 des Rates vom 17. September 1990 über das gemeinschaftliche Versandverfahren (ABl. L 262, S. 1) ersetzt wurde. Diese im Ausgangsverfahren nicht anwendbare, da nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erlassene Richtlinie sieht in ihrem Artikel 2 Absatz 1 in der Fassung der Richtlinie 91/342/EWG des Rates vom 20. Juni 1991 (ABl. L 187, S. 47) vor, daß die Grenzkontrollen ausser in begründeten Fällen in Form von Stichproben erfolgen. Wie der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 28. November 1989 in der Rechtssache C-186/88 (Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 3997, Randnr. 14) festgestellt hat, lässt die Richtlinie 83/643 keine Formalitäten oder Beschränkungen zu, die über die mit dem Grenzuebertritt jeder Ware gleich welcher Art verbundenen üblichen Erfordernisse hinausgehen.

24 Bei der Prüfung der ersten und der zweiten Frage sind daher die oben genannten Grundsätze zu berücksichtigen.

25 Die im Ausgangsverfahren streitigen Kontrollen wurden eingeführt, um die Einhaltung der Gemeinschaftsregelung im Bereich der Ausfuhrbeihilfen für Magermilchpulver nachzuprüfen, das zur Verarbeitung zu Futtermitteln in einem anderen als dem Mitgliedstaat bestimmt ist, in dem es hergestellt wurde. Daher ist zu prüfen, ob sie in den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich vorgesehen sind.

26 Aus der Untersuchung der Regelung, auf die sich das vorlegende Gericht bezieht, d. h. von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79 sowie von Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79, ergibt sich nicht, daß die Kontrollen an der Grenze zu erfolgen haben.

27 Der genannte Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a sieht nämlich nur vor, daß das Magermilchpulver gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 zu kontrollieren ist. Dagegen heisst es in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c in bezug auf die Kontrolle im Empfängermitgliedstaat, daß das Magermilchpulver durch letzteren "unter Zoll- oder Verwaltungskontrolle mit gleichwertiger Sicherheit" zu stellen ist. Ausserdem ist darin vom "Tag der Erledigung der Ausfuhrzollförmlichkeiten" für das Magermilchpulver die Rede, ohne daß gesagt würde, daß der Ausfuhrmitgliedstaat beim Grenzuebertritt Kontrollen durchführen kann.

28 Was Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 anbelangt, so sind danach zweierlei Kontrollen vorgesehen, nämlich in Nr. 1 die Kontrolle des "Wasserhöchstgehalts" des Magermilchpulvers und in Nr. 2 die der "Verwendung von Magermilch und Magermilchpulver in unverarbeitetem Zustand oder in Form einer Mischung für die Herstellung von Mischfutter".

29 Die zweite Kontrolle muß verschiedene Mindestbedingungen erfuellen. Insbesondere muß die Zusammensetzung der Milch, der verwendeten Mischungen und des hergestellten Mischfutters kontrolliert werden (Artikel 10 Nr. 2 Buchstabe a); ferner muß die Kontrolle in den betreffenden Betrieben erfolgen (Nr. 2 Buchstabe b), und zwar mindestens einmal alle 14 Tage, an denen Verarbeitungsvorgänge stattfinden (Nr. 2 Buchstabe c), und sie ist durch eine genaue und unangemeldete Kontrolle der Geschäftsunterlagen und der Buchhaltung zu ergänzen ( Nr. 2 Buchstabe d).

30 In Artikel 10 Nr. 1 ist jedoch der Ort, an dem die Kontrollen zu erfolgen haben, nicht angegeben. Nr. 2 Buchstabe b dieses Artikels betrifft nur die Kontrollen in den verarbeitenden Betrieben.

31 Schließlich sind in Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79 die Angaben aufgezählt, die in der "von der zuständigen Stelle ausgestellten Bescheinigung" enthalten sein müssen, "aus der sich ergibt, daß sie die Einhaltung der Vorschriften gemäß Absatz 1 Buchstaben a) und b) gewährleistet hat". Zudem ist darin bestimmt, daß diese Bescheinigung von der Ausgangszollstelle aufzubewahren ist.

32 Nach dem genannten Artikel 2 Absatz 4 wird die Bescheinigung von der Ausgangszollstelle jedoch nicht ausgestellt, sondern nur aufbewahrt. Da in dieser Bestimmung zwischen der "zuständigen Stelle", die die Bescheinigung ausstellt, und der "Ausgangszollstelle", die sie aufbewahrt, unterschieden wird, ist offensichtlich, daß diese Bescheinigung vor der Ankunft der Ware an der Grenze ausgestellt wird.

33 Folglich wird in Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79 und in Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 nicht verlangt, daß die streitigen Kontrollen an der Grenze durchgeführt werden.

34 Da die streitigen Kontrollen an der Grenze systematisch durchgeführt werden, verstossen sie somit unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze gegen Artikel 34 EWG-Vertrag.

35 Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Kontrollen im Sinne von Artikel 36 EWG-Vertrag gerechtfertigt sind.

36 Die deutsche Regierung trägt vor, daß sie aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen an der Grenze durchgeführt worden seien. Jedenfalls stellten die systematischen Grenzkontrollen nur die Kehrseite eines Systems dar, dem freiwillig beigetreten werde und das für den Wirtschaftsteilnehmer Vorteile mit sich bringe.

37 Nach Auffassung der Kommission sind die Grenzkontrollen der einzige Weg zur Verhinderung von Betrügereien, die auf der Strecke zwischen dem Herstellungsbetrieb und dem verarbeitenden Unternehmen begangen werden könnten.

38 Diesen Argumenten ist nicht zu folgen.

39 Was erstens die wirtschaftlichen und praktischen Gründe angeht, so genügt der Hinweis, daß Artikel 36 nicht zur Rechtfertigung von ° selbst an sich zweckmässigen ° Regelungen oder Vorgehensweisen geltend gemacht werden kann, deren beschränkende Elemente ihre Ursache im wesentlichen in dem Bestreben finden, die Belastung der Verwaltung oder die öffentlichen Ausgaben zu vermindern, es sei denn, daß ohne diese Regelungen oder Vorgehensweisen diese Belastung oder diese Ausgaben deutlich die Grenzen dessen überschreiten würden, was vernünftigerweise verlangt werden kann (Urteil vom 20. Mai 1976 in der Rechtssache 104/75, De Peijper, Slg. 1976, 613, Randnr. 18). Überdies werden die Belastungen im vorliegenden Fall auf die Wirtschaftsteilnehmer abgewälzt.

40 Was zweitens die Einstufung der Kontrollen als Kehrseite der Vorteile aus einem freiwilligen Beitritt zu einem System der Ausfuhrbeihilfen betrifft, so genügt der Hinweis, daß systematische Kontrollen, die in den anwendbaren Gemeinschaftsbestimmungen nicht vorgesehen sind, keine solche Kehrseite darstellen können.

41 Was drittens das Bestreben betrifft, Betrügereien beim Transport im Hoheitsgebiet des Ausfuhrmitgliedstaats zu verhindern, ist darauf hinzuweisen, daß die nationalen Behörden zwar die von ihrer Rechtsordnung bereitgestellten geeigneten Mittel einsetzen können, um Verkürzungen der gemeinschaftsrechtlichen Abgaben zu verhindern. Anders liegen die Dinge jedoch, wenn das innerstaatliche Recht von Merkmalen ausgeht, die mit dem Garantie- und Beweissystem der Gemeinschaftsregelung nicht im Einklang stehen (Urteil vom 11. Februar 1971 in der Rechtssache 39/70, Fleischkontor, Slg. 1971, 49, Randnr. 5).

42 In der vorliegenden Rechtssache sind die systematischen Grenzkontrollen aber nicht mit den Vorschriften über den freien Warenverkehr und insbesondere mit Artikel 34 EWG-Vertrag vereinbar.

43 Ausserdem bieten die streitigen Grenzkontrollen, auch wenn sie geeignet sind, Betrügereien beim Transport im deutschen Hoheitsgebiet zu verhindern, keine Gewähr dafür, daß die Ware bei der Ankunft im Verarbeitungsunternehmen die Mindestbedingungen hinsichtlich der Zusammensetzung und der Qualität, die nach der Gemeinschaftsregelung erforderlich sind, noch erfuellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß Betrügereien während des Transports im Hoheitsgebiet des Durchfuhr- oder des Empfängerstaats selbst begangen werden.

44 Es ist jedoch hinzuzufügen, daß die Verhinderung von Betrügereien hinsichtlich der Qualität und der Zusammensetzung des Produkts, für das Ausfuhrbeihilfen gewährt werden, ein berechtigtes Interesse der Mitgliedstaaten darstellen. Folglich darf die Beibehaltung von Kontrollen der ausgeführten Partien an der Grenze nicht ausgeschlossen werden, sofern diese Kontrollen vereinzelt erfolgen.

45 Auf die ersten beiden Fragen ist daher zu antworten, daß Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Verordnung Nr. 1624/76 in der Fassung der Verordnung Nr. 1726/79 und Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 in Verbindung mit Artikel 34 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, daß sie es nicht gestatten, systematische Grenzkontrollen durchzuführen, um nachzuprüfen, ob Magermilchpulver, das in einem anderen Mitgliedstaat zu Mischfutter verarbeitet werden soll, hinsichtlich der Zusammensetzung und der Qualität die Voraussetzungen erfuellt, von denen die Gewährung von Ausfuhrbeihilfen abhängt. Die genannten Bestimmungen stehen Grenzkontrollen nicht entgegen, sofern sie stichprobenweise erfolgen.

Zur dritten Frage

46 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die den Ausführern auferlegten Kosten für die systematischen Grenzkontrollen gegen die Artikel 9, 12 und 16 EWG-Vertrag verstossende Abgaben zollgleicher Wirkung oder diskriminierende inländische Abgaben im Sinne von Artikel 95 EWG-Vertrag darstellen.

47 Die deutsche Regierung weist darauf hin, daß die fraglichen Gebühren im Vergleich zu den tatsächlichen Kosten der Kontrolle weder überzogen noch geeignet seien, die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer von den Geschäften, die sie durchführen wollten, abzuhalten. Daher erfuellten sie die Voraussetzungen, die der Gerichtshof in seinem Urteil Denkavit (a. a. O.) aufgestellt habe. Ausserdem stellten sie das Entgelt für einen dem Ausführer tatsächlich geleisteten Dienst dar, dessen Höhe diesem Dienst angemessen sei, und sie brächten ihm einen Vorteil, indem sie seinen Anspruch auf die Gewährung der Ausfuhrbeihilfe im Grundsatz und der Höhe nach absicherten. Da die Kontrollkosten sowohl bei der Ausfuhr nach Italien als auch bei der Einfuhr nach Deutschland und bei der Verarbeitung des Erzeugnisses im deutschen Hoheitsgebiet verlangt würden, stuenden die fraglichen Gebühren nicht in Widerspruch zu den Artikeln 9, 12, 16 oder 95 EWG-Vertrag.

48 Die Kommission schließt sich der Auffassung der deutschen Regierung an. Die streitigen Kontrollen seien im Gemeinschaftsrecht nicht abschließend geregelt. Das Gemeinschaftsrecht enthalte auch keine Bestimmung darüber, wer die Kosten trage. Folglich könnten die Mitgliedstaaten diese Kosten im Rahmen der vom Gerichtshof im Urteil Denkavit (a. a. O.) gesetzten Grenzen den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern auferlegen. Da diese Grenzen im Ausgangsrechtsstreit nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts nicht überschritten seien, seien die streitigen Kosten mit den Verordnungen Nrn. 1624/76 und 1725/79 vereinbar. Um nicht in die Kategorie der Abgaben mit zollgleicher Wirkung zu fallen, müssten die Gebühren jedoch den vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 18/87 (Kommission/Deutschland, Slg. 1988, 5427, Randnr. 8) aufgestellten Voraussetzungen genügen, d. h. sie müssten vom Gemeinschaftsrecht im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft vorgesehen sein, sie müssten für alle betroffenen Erzeugnisse obligatorisch und einheitlich sein, und sie dürften nicht die tatsächlichen Kosten der Kontrollen, mit denen sie zusammenhingen, übersteigen.

49 Die DMK vertritt eine gegenteilige Auffassung. Die Kontrollen könnten dem Ausführer nicht zugute kommen, da er nicht der Empfänger der Beihilfe sei, sondern nur als "Briefträger" für deren Übermittlung auftrete. Zudem sei die den Gebühren entsprechende finanzielle Belastung zu hoch und geeignet, die Wirtschaftsteilnehmer von der Durchführung der Geschäfte abzuhalten. Schließlich verstießen die Kontrollkosten, soweit sie den Ausführern angelastet würden, gegen den Gleichheitssatz, da die Situation in den anderen Mitgliedstaaten anders sei; sie sei auch in Deutschland selbst anders, was Magermilchpulver betreffe, das zu anderen Zwecken als der Futterherstellung nach Italien ausgeführt werde.

50 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt jede den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinn ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne der Artikel 9, 12, 13 und 16 des Vertrages dar, selbst wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben wird (siehe insbesondere Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 158/82, Kommission/Dänemark, Slg. 1983, 3573, Randnr. 18).

51 Es ist daran zu erinnern, daß die Abschaffung der Zölle und der Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten ein grundlegendes Prinzip des Gemeinsamen Marktes darstellt, das für sämtliche Erzeugnisse und Handelswaren gilt, so daß jede Ausnahme, die übrigens eng auszulegen wäre, klar und eindeutig angeordnet sein muß (Urteile vom 13. November 1964 in den Rechtssachen 90/63 und 91/63, Kommission/Großherzogtum Luxemburg und Königreich Belgien, Slg. 1964, 1329, 1347, und vom 20. April 1978 in den Rechtssachen 80/77 und 81/77, Commissionaires Réunis, Slg. 1978, 927, Randnr. 24).

52 In seinem Urteil Denkavit vom 15. September 1982 (a. a. O., Randnr. 13) hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß Artikel 10 der Verordnung Nr. 1725/79 es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, die Kosten der nach dieser Vorschrift durchgeführten Kontrollen aufgrund seiner nationalen Rechtsvorschriften dem betroffenen Unternehmen aufzuerlegen, wenn die von diesem Unternehmen geschuldeten Beträge den normalen Kosten von Kontrollen dieser Art entsprechen und ihrer Höhe nach nicht geeignet sind, die Unternehmen von der Durchführung der Geschäfte abzuhalten, die durch die Gewährung der Beihilfe gefördert werden sollen.

53 Dieser Grundsatz gilt nur für Kontrollen, die im Einklang mit den Verordnungen Nrn. 1624/76 und 1725/79 durchgeführt werden. Wie jedoch in der Antwort auf die ersten beiden Fragen festgestellt, ist diese Voraussetzung im Ausgangsrechtsstreit nicht erfuellt, da die streitigen Kontrollen systematisch an der Grenze erfolgen.

54 Obwohl die streitigen Gebühren den tatsächlichen Kosten der Kontrollen entsprechen, stellen sie daher mangels Rechtsgrundlage nach den Artikeln 9 und 12 EWG-Vertrag verbotene Abgaben mit gleicher Wirkung wie Ausfuhrzölle dar.

55 Da die Vorschriften über Abgaben gleicher Wirkung und diejenigen über diskriminierende inländische Abgaben nicht nebeneinander angewendet werden können (siehe insbesondere Urteil vom 11. März 1992 in den Rechtssachen C-78/90 bis C-83/90, Compagnie commerciale de l' oüst, Slg. 1992, I-1847, Randnr. 22), braucht über die Vereinbarkeit der streitigen Gebühren mit Artikel 95 EWG-Vertrag nicht entschieden zu werden.

56 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, daß eine Gebühr, die anläßlich der oben genannten systematischen Grenzkontrollen erhoben wird, eine nach den Artikeln 9 und 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie Ausfuhrzölle darstellt, auch wenn sie den tatsächlichen Kosten der jeweiligen Kontrolle entspricht.

Kostenentscheidung:

Kosten

57 Die Auslagen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 27. August 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1624/76 der Kommission vom 2. Juli 1976 über besondere Bestimmungen für die Zahlung der Beihilfe für Magermilchpulver, das im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats denaturiert oder zu Mischfutter verarbeitet wird, in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1726/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 und Artikel 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1725/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 über die Durchführungsbestimmungen zur Gewährung von Beihilfen für zu Mischfutter verarbeitete Magermilch und für zur Kälberfütterung bestimmtes Magermilchpulver in Verbindung mit Artikel 34 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie es nicht gestatten, systematische Grenzkontrollen durchzuführen, um nachzuprüfen, ob Magermilchpulver, das in einem anderen Mitgliedstaat zu Mischfutter verarbeitet werden soll, hinsichtlich der Zusammensetzung und der Qualität die Voraussetzungen erfuellt, von denen die Gewährung von Ausfuhrbeihilfen abhängt. Die genannten Bestimmungen stehen Grenzkontrollen nicht entgegen, sofern sie stichprobenweise erfolgen.

2) Eine Gebühr, die anläßlich der oben genannten systematischen Grenzkontrollen erhoben wird, stellt eine nach den Artikeln 9 und 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie Ausfuhrzölle dar, auch wenn sie den tatsächlichen Kosten der jeweiligen Kontrolle entspricht.

Ende der Entscheidung

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