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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: C-429/02
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit


Vorschriften:

EGV Art. 49
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Art. 1 Buchst. b
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Art. 10 Abs. 1
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Art. 11 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Große) vom 13. Juli 2004. - Bacardi France SAS, vormals Bacardi-Martini SAS gegen Télévision française 1 SA (TF1), Groupe Jean-Claude Darmon SA und Girosport SARL. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Frankreich. - Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt 49 EG) - Richtlinie 89/552/EWG - Grenzüberschreitendes Fernsehen - Fernsehen - Werbung - Nationale Maßnahme, die die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke verbietet, soweit es sich dabei um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung bestimmter Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind - 'Loi Evin'. - Rechtssache C-429/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-429/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der französischen Cour de cassation in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Bacardi France SAS , früher Bacardi-Martini SAS,

gegen

Télévision française 1 SA (TF1),

Groupe Jean-Claude Darmon SA,

Girosport SARL

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23) sowie des Artikels 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), A. Rosas, C. Gulmann, J.-P. Puissochet und J. N. Cunha Rodrigues, der Richter R. Schintgen und S. von Bahr sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Bacardi France SAS, vertreten durch C. Niedzielski und J.-M. Cot, avocats,

- der Télévision française 1 SA (TF1), vertreten durch L. Bousquet und O. Sprung, avocats,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von K. Beal, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. van Lier als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Bacardi France SAS, vertreten durch J.-M. Cot, der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli-Surrans, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji, und der Kommission, vertreten durch H. van Lier und W. Wils als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 25. November 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

11. März 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Die französische Cour de cassation hat mit Urteil vom 19. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 27. November 2002, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23) sowie von Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Bacardi France SAS, früher Bacardi-Martini SAS (im Folgenden: Bacardi), einerseits und der Télévision française 1 SA (im Folgenden: TF1), der Groupe Jean-Claude Darmon SA (im Folgenden: Darmon) und der Girosport SARL (im Folgenden: Girosport) andererseits, in dem Bacardi diesen drei Gesellschaften untersagen lassen will, auf ausländische Vereine Druck dahin auszuüben, dass diese Werbung für von Bacardi hergestellte alkoholische Getränke auf Werbetafeln an den Veranstaltungsorten binationaler Sportereignisse, die im Gebiet anderer Mitgliedstaaten stattfinden, ablehnen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Durch die Richtlinie 89/552 sollen die Beschränkungen der freien Erbringung von Dienstleistungen zur Sendung von Fernsehprogrammen abgeschafft werden. Sie stellt hierzu den Grundsatz des freien Empfangs und der freien Ausstrahlung von grenzüberschreitenden Fernsehsendungen auf und koordiniert die Rechtsvorschriften, die dafür in den verschiedenen Mitgliedstaaten in Bereichen wie dem der Fernsehwerbung gelten. Nach dem durch diese Richtlinie eingeführten System hat der Ursprungsmitgliedstaat grenzüberschreitende Sendungen Regeln zu unterwerfen und zu kontrollieren und dabei die Mindestregeln der Richtlinie einzuhalten. Dagegen sind die Empfangsmitgliedstaaten in den durch die Richtlinie koordinierten Bereichen grundsätzlich nicht mehr zuständig.

Begriffsbestimmungen

4. In Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/552 wird Fernsehwerbung definiert als jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Fernsehen von einem öffentlich-rechtlichen oder privaten Veranstalter gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern.

Grundlegende Vorschriften

5. Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Richtlinie 89/552 sieht vor:

Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, [die] in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind.

6. Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie 89/552 bestimmt:

Die Fernsehwerbung muss als solche klar erkennbar und durch optische und/oder akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein.

7. Artikel 11 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 89/552 sieht vor, dass [d]ie Fernsehwerbung... zwischen den Sendungen eingefügt werden [muss].

8. Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 lautet:

Bei Sendungen, die aus eigenständigen Teilen bestehen, oder bei Sportsendungen und Sendungen über ähnlich strukturierte Ereignisse und Darbietungen mit Pausen kann die Werbung nur zwischen die eigenständigen Teile oder in die Pausen eingefügt werden.

Nationale Rechtsvorschriften

Grundlegende Vorschriften

9. Mit dem Gesetz Nr. 91-32 vom 10. Januar 1991 über die Bekämpfung des Missbrauchs von Tabak und Alkohol (Loi relative à la lutte contre le tabagisme et l'alcoolisme), der so genannten Loi Evin (JORF vom 12. Januar 1991, S. 615, im Folgenden: Loi Evin), wurden u. a. die Artikel L. 17 bis L. 21 des Gesetzes über den Getränkeausschank (Code des débits de boissons) geändert, die die Werbung für alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 % beschränken.

10. Nach diesen Bestimmungen ist die direkte oder indirekte Fernsehwerbung für alkoholische Getränke verboten; dieses Verbot wurde auch in Artikel 8 des Dekrets Nr. 92-280 vom 27. März 1992 zur Durchführung von Artikel 27 des Gesetzes vom 30. September 1986 über die Kommunikationsfreiheit und zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze der Regelung für Werbung und Sponsoring (Décret pris pour l'application de l'article 27 de la loi relative à la liberté de communication et fixant les principes généraux concernant le régime applicable à la publicité et au parrainage, JORF vom 28. März 1992, S. 4313) aufgenommen.

11. Andere Formen der Werbung sind dagegen nach der französischen Regelung erlaubt. So ist es z. B. zulässig, in der Presse, im Radio (außer zu bestimmten Zeiten) oder auf Plakaten und Schildern, so u. a. auch auf den Werbetafeln von Sportanlagen, für alkoholische Getränke zu werben.

12. Eine Zuwiderhandlung gegen die Loi Evin wird im französischen Strafrecht als délit (Vergehen) behandelt.

Verfahrensvorschriften

13. Nach Artikel 42 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 86-1067 vom 30. September 1986 über die Kommunikationsfreiheit (Loi relative à la liberte de communication), der so genannten Loi Leótard (JORF vom 1. Oktober 1986, S. 11755), hat der Conseil superieur de l'audiovisuel (Aufsichtsgremium für die audiovisuellen Medien, im Folgenden: CSA) die Anwendung der Loi Evin zu überwachen. Dabei kann der CSA die Verbreiter von Fernsehdienstleistungen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen auffordern und, falls sie den für sie geltenden Erfordernissen nicht nachkommen, Verwaltungssanktionen gegen sie verhängen. Außerdem kann der CSA wegen jeder von diesen Verbreitern begangenen Zuwiderhandlung den Procureur de la Republique (Staatsanwaltschaft) anrufen.

Durchführungsbestimmungen

14. Die französischen Behörden, d. h. der CSA und das Ministerium für Jugend und Sport, sowie die französischen Fernsehanstalten erarbeiteten 1995 einen im Bulletin officiel du ministère de la Jeunesse et des Sports veröffentlichten Verhaltenskodex über die Auslegung der Vorschriften der Loi Evin in ihrer Anwendung auf Fernsehübertragungen (Direktübertragungen oder Übertragungen von Aufzeichnungen) von im Ausland stattfindenden Sportereignissen, bei denen, z. B. auf Werbetafeln oder Trikots der Sportler, Werbung für alkoholische Getränke zu sehen ist und es somit zu indirekter Fernsehwerbung für alkoholische Getränke im Sinne dieses Gesetzes kommen kann.

15. Dieser Verhaltenskodex verlangt, ohne rechtsverbindlich zu sein, dass bei im Ausland stattfindenden binationalen Sportereignissen - im Kodex andere Ereignisse genannt - die französischen Sender und jeder dem französischen Recht unterliegende Dritte (im Folgenden alle zusammen: französische Sender), die nicht die Kontrolle über die Bedingungen der Fernsehaufnahmen haben, alle verfügbaren Maßnahmen ergreifen müssen, um zu verhindern, dass Marken alkoholischer Getränke im Fernsehen zu sehen sind. So haben die französischen Sender beim Erwerb der Übertragungsrechte ihre ausländischen Partner von den Anforderungen des französischen Rechts und den Regeln des Verhaltenskodexes zu unterrichten. Außerdem müssen sie sich je nach ihren tatsächlichen Möglichkeiten vor der Übertragung der Sportveranstaltung beim Inhaber der Übertragungsrechte über die Werbemaßnahmen am Ort des Sportereignisses erkundigen. Schließlich haben sie die verfügbaren technischen Verfahren anzuwenden, um zu verhindern, dass Werbetafeln für alkoholische Getränke im Fernsehen gezeigt werden.

16. Was hingegen die im Ausland stattfindenden multinationalen Sportereignisse angeht, so setzen sich die französischen Sender nicht dem Verdacht der stillschweigenden Billigung von auf dem Bildschirm erscheinender Werbung aus, solange sie Fernsehbilder ausstrahlen, bei denen sie keine Kontrolle über die Aufnahmebedingungen haben.

17. Der Verhaltenskodex in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung definierte multinationale Sportereignisse als Ereignisse, bei denen die Fernsehbilder, da sie in viele Länder übertragen werden, nicht als hauptsächlich an das französische Fernsehpublikum gerichtet angesehen werden können. Binationale Ereignisse sind demgegenüber andere im Ausland stattfindende Veranstaltungen als die im Rahmen des vorigen Falles genannten, bei denen sich die Übertragung speziell an das französische Publikum richtet.

18. Neben der Erarbeitung des Verhaltenskodexes hat der CSA bei den französischen Sendern darauf hingewirkt, dass diese entweder die Beseitigung von Werbetafeln für alkoholische Getränke verlangen oder völlig auf die Übertragung des betreffenden Sportereignisses verzichten. In mindestens einem Fall ging der CSA so weit, dass er die Staatsanwaltschaft anrief, damit diese Strafverfolgungen gegen einen französischen Sender einleitet.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

19. Bacardi ist eine französische Gesellschaft und gehört zur internationalen Gruppe Bacardi-Martini, die in den meisten Ländern der Welt zahlreiche alkoholische Getränke, darunter den Rum Bacardi, den Wermut Martini und den Pastis Duval, herstellt und vertreibt.

20. Darmon und Girosport sind Gesellschaften, die für Rechnung von TF1 die Rechte zur Fernsehübertragung von Fußballspielen aushandeln.

21. Bacardi macht geltend, Darmon und Girosport hätten auf ausländische Vereine Druck dahin ausgeübt, dass diese den Marken von Bacardi den Zugang zu den im Bereich der Stadien angebrachten Werbetafeln verwehrten. Sie hat daher Darmon, Girosport und TF1 verklagt und beantragt, ihnen aufzugeben, dieses Verhalten wegen Unvereinbarkeit mit Artikel 59 EG-Vertrag zu unterlassen.

22. Nach Zurückweisung dieses Antrags sowohl in der ersten als auch in der Berufungsinstanz legte Bacardi Kassationsbeschwerde ein.

23. Die Cour de cassation hat Zweifel, ob die französische Regelung über das Verbot der Fernsehwerbung für in Frankreich vertriebene alkoholische Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind (im Folgenden: im Ausgangsverfahren streitige Fernsehwerbungsregelung); sie hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989, die so genannte Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen, in ihrer vor der Richtlinie 97/36/EG vom 30. Juni 1997 geltenden Fassung innerstaatlichen Rechtsvorschriften wie den Artikeln L. 17 bis L. 21 des französischen Code des débits de boissons und Artikel 8 des Dekrets Nr. 92-280 vom 27. März 1992 entgegen, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke unter Strafandrohung verbieten, unabhängig davon, ob die Getränke aus dem Inland oder aus anderen Mitgliedstaaten der Union stammen und ob es sich um Werbespots im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie (direkte Werbung) oder um indirekte Werbung in der Form handelt, dass im Fernsehen Tafeln mit Werbung für alkoholische Getränke sichtbar werden, ohne dass dies jedoch Schleichwerbung im Sinne von Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie darstellt?

2. Sind Artikel 49 EG und der Grundsatz des freien Verkehrs von Fernsehsendungen in der Union dahin auszulegen, dass sie es nicht zulassen, dass eine nationale Regelung, wie sie sich aus den Artikeln L. 17 und L. 21 des französischen Code des débits de boissons und Artikel 8 des Dekrets Nr. 92-280 vom 27. März 1992 ergibt und die aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke unter Strafandrohung verbietet, unabhängig davon, ob die Getränke aus dem Inland oder aus anderen Mitgliedstaaten der Union stammen und ob es sich um Werbespots im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie oder um indirekte Werb ung in der Form handelt, dass im Fernsehen Tafeln mit Werbung für alkoholische Getränke sichtbar werden, ohne dass diese jedoch Schleichwerbung im Sinne von Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie darstellt, bewirkt, dass die mit der Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen betrauten Wirtschaftsteilnehmer

a) auf die Verbreitung von in Frankreich oder in anderen Ländern der Union produzierten Fernsehprogrammen, wie insbesondere die Weiterverbreitung von Sportereignissen, verzichten, wenn darin verbotene Werbung im Sinne des französischen Code des débits de boissons erscheint,

b) oder diese Verbreitung nur unter der Voraussetzung vornehmen, dass in den Sendungen keine verbotene Werbung im Sinne des französischen Code des débits de boissons erscheint, womit sie den Abschluss von Werbeverträgen über alkoholische Getränke verhindern, unabhängig davon, ob diese Getränke aus dem Inland oder aus anderen Mitgliedstaaten der Union stammen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage: Verpflichtung zur Gewährleistung des freien Empfangs und der freien Weiterverbreitung von Fernsehsendungen

24. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Richtlinie 89/552 es einem Mitgliedstaat verwehrt, die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke zu verbieten, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind.

Es fragt in diesem Zusammenhang, ob eine solche indirekte Fernsehwerbung als Fernsehwerbung im Sinne der Artikel 1 Buchstabe b, 10 und 11 der Richtlinie 89/522 anzusehen ist.

25. Hierzu ist daran zu erinnern, dass Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Richtlinie 89/552 die Mitgliedstaaten verpflichtet, den freien Empfang zu gewährleisten und die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen zu behindern, die in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind. In den Artikeln 10 bis 21 der Richtlinie werden die Vorschriften über die Fernsehwerbung harmonisiert.

26. Nach der Definition in Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/552 ist Fernsehwerbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Fernsehen von einem öffentlich-rechtlichen oder privaten Veranstalter gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. Nach Artikel 10 Absatz 1 dieser Richtlinie muss [d]ie Fernsehwerbung... als solche klar erkennbar und durch optische und/oder akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein. Artikel 11 der Richtlinie sieht in Absatz 1 Satz 1 vor, dass [d]ie Fernsehwerbung... zwischen den Sendungen eingefügt werden [muss] , und in Absatz 2, dass [b]ei Sendungen, die aus eigenständigen Teilen bestehen, oder bei Sportsendungen und Sendungen über ähnlich strukturierte Ereignisse und Darbietungen mit Pausen... die Werbung nur zwischen die eigenständigen Teile oder in die Pausen eingefügt werden [kann].

27. Für das Ausgangsverfahren ist aus den vom Generalanwalt in den Nummern 48 bis 52 seiner Schlussanträge dargelegten Gründen festzustellen, dass die indirekte Fernsehwerbung für alkoholische Getränke in der Form, dass während der Übertragung von Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind, keine individualisierbare, im Fernsehen gesendete Äußerung, durch die der Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen gefördert werden soll, darstellt. Aus offensichtlichen Gründen ist es nicht möglich, diese Werbung nur in den Pausen zwischen den verschiedenen Teilen der Fernsehsendung zu zeigen. Die Bilder von Werbetafeln, die im Hintergrund der übertragenen Bilder nach den Erfordernissen der Übertragung in unregelmäßiger und unvorhersehbarer Weise sichtbar werden, sind nämlich im Rahmen der Übertragung nicht individualisierbar.

28. Eine solche indirekte Fernsehwerbung ist also nicht als Fernsehwerbung im Sinne der Richtlinie 89/552 anzusehen und unterliegt dieser daher nicht.

29. Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Richtlinie 89/552 es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke zu verbieten, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind.

Eine solche indirekte Fernsehwerbung ist nicht als Fernsehwerbung im Sinne der Artikel 1 Buchstabe b, 10 und 11 der Richtlinie anzusehen.

Zur zweiten Frage: Freier Dienstleistungsverkehr

30. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) es einem Mitgliedstaat verwehrt, die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke zu verbieten, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind.

31. Artikel 59 EG-Vertrag verlangt die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs - selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten -, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-76/90, Säger, Slg. 1991, I-4221, Randnr. 12, und vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-58/98, Corsten, Slg. 2000, I-7919, Randnr. 33). Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gilt außerdem sowohl zugunsten des Dienstleistenden als auch des Dienstleistungsempfängers (in diesem Sinne Urteil vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 16),

32. Der freie Dienstleistungsverkehr kann jedoch in Ermangelung gemeinschaftlicher Harmonisierungsmaßnahmen durch nationale Regelungen beschränkt werden, die aus den in Artikel 56 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46 Absatz 1 EG) in Verbindung mit Artikel 66 EG-Vertrag (jetzt Artikel 55 EG) genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 60).

33. Dabei ist es Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, auf welchem Niveau sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit sicherstellen wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Sie können dies jedoch nur in dem vom Vertrag vorgegebenen Rahmen und insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit tun (Urteil vom 25. Juli 1991 in den Rechtssachen C-1/90 und C-176/90, Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivía, Slg. 1991, I-4151, Randnr. 16). Nach diesem Grundsatz müssen die getroffenen Maßnahmen geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile Säger, Randnr. 15, vom 23. November 1999 in den Rechtssachen C-369/96 und C-376/96, Arblade u. a., Slg. 1999, I-8453, Randnr. 35, Corsten, Randnr. 39, und vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C-390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I-607, Randnr.33).

34. Im Ausgangsverfahren sind, da keine gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen bestehen, nacheinander drei Punkte zu untersuchen, und zwar, ob eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Artikel 59 EG-Vertrag vorliegt, ob eine Fernsehwerbungsregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige möglicherweise nach Artikel 56 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 66 EG-Vertrag gerechtfertigt ist und ob diese Regelung verhältnismäßig ist.

35. Erstens ist festzustellen, dass eine Fernsehwerbungsregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikels 59 EG-Vertrag darstellt. Zum einen beschränkt sie nämlich insofern den freien Verkehr von Werbungsdienstleistungen, als die Eigentümer von Werbetafeln jede Werbung für alkoholische Getränke dann vorsorglich ablehnen müssen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Sportveranstaltung in Frankreich übertragen wird. Zum anderen unterbindet diese Regelung die Erbringung von Dienstleistungen, die in der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen bestehen. Die französischen Sender müssen nämlich jede Übertragung von Sportereignissen ablehnen, bei der Werbetafeln mit Werbung für in Frankreich vertriebene alkoholische Getränke zu sehen wären. Darüber hinaus können Veranstalter von außerhalb Frankreichs stattfindenden Sportereignissen die Übertragungsrechte nicht an französische Sender verkaufen, wenn bei der Ausstrahlung der diesen Sportereignissen gewidmeten Fernsehprogramme indirekte Fernsehwerbung für diese alkoholischen Getränke mit ausgestrahlt werden könnte.

36. In diesem Kontext kann, wie aus den Randnummern 28 und 29 des Urteils vom heutigen Tage in der Rechtssache C-262/02 (Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I-0000) hervorgeht, dem Vorbringen der französischen Regierung nicht gefolgt werden, mit dem sie zum einen auf technische Verfahren zum Maskieren von Fernsehbildern, mit denen Tafeln mit Werbung für alkoholische Getränke gezielt unkenntlich gemacht werden können, und zum anderen darauf hinweist, dass die fragliche französische Fernsehwerbungsregelung in nicht diskriminierender Weise nicht nur in Frankreich hergestellte, sondern auch aus jedem anderen Land stammende alkoholische Getränke betreffe. Denn es gibt zwar solche technische Verfahren, doch würden den französischen Sendern durch ihre Verwendung hohe zusätzliche Kosten entstehen. Im Übrigen kommt es für den freien Dienstleistungsverkehr nur auf den Ursprung der jeweiligen Dienstleistung an.

37. Zweitens ist festzustellen, dass mit einer Fernsehwerbungsregelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen, wie der Generalanwalt in Nummer 69 seiner Schlussanträge dargelegt hat, ein Zweck verfolgt wird, der sich auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Artikel 56 Absatz 1 EG-Vertrag bezieht. Maßnahmen, die die Möglichkeiten der Werbung für alkoholische Getränke einschränken und damit zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs beitragen sollen, dienen nämlich dem Schutz der öffentlichen Gesundheit (Urteile vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 152/78, Kommission/Frankreich, Slg. 1980, 2299, Randnr. 17, Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivía, Randnr. 15, und vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-405/98, Gourmet International Products, Slg. 2001, I-1795, Randnr. 27).

38. Drittens ist außerdem festzustellen, dass eine Fernsehwerbungsregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles des Gesundheitsschutzes zu gewährleisten. Sie geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die Regelung begrenzt nämlich die Fälle, in denen Werbetafeln für alkoholische Getränke im Fernsehen gezeigt werden können, und ist daher geeignet, die Verbreitung entsprechender Werbebotschaften zu beschränken, wodurch die Zahl der Gelegenheiten, bei denen die Fernsehzuschauer zum Konsumieren alkoholischer Getränke angeregt werden könnten, verringert wird.

39. In diesem Zusammenhang ist, wie aus den Randnummern 33 bis 39 des Urteils Kommission/Frankreich vom heutigen Tage hervorgeht, das Vorbringen der Kommission und der Regierung des Vereinigten Königreichs zurückzuweisen, mit dem diese dartun wollen, dass die betreffende Regelung unverhältnismäßig sei.

40. Zu dem einzigen Argument von Bacardi, das nicht schon im Urteil Kommission/Frankreich vom heutigen Tage behandelt worden ist und wonach die im Ausgangsverfahren streitige Fernsehwerbungsregelung inkonsequent sei, weil sie nicht Werbung für alkoholische Getränke erfasse, die im Hintergrund auf Filmkulissen zu sehen sei, genügt der Hinweis darauf, dass diese Frage den Mitgliedstaaten vorbehalten ist und dass es deren Sache ist, zu entscheiden, auf welchem Niveau sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit sicherstellen wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll (Urteil Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivía, Randnr. 16).

41. Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 59 EG-Vertrag es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke zu verbieten, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

42. Die Auslagen der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

auf die ihm von der Cour de cassation mit Urteil vom 19. November 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke zu verbieten, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind.

Eine solche indirekte Fernsehwerbung ist nicht als Fernsehwerbung im Sinne der Artikel 1 Buchstabe b, 10 und 11 der Richtlinie anzusehen.

2. Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, die Fernsehwerbung für im Inland vertriebene alkoholische Getränke zu verbieten, soweit es sich um indirekte Fernsehwerbung in der Form handelt, dass während der Übertragung von in anderen Mitgliedstaaten stattfindenden binationalen Sportveranstaltungen Werbetafeln auf dem Bildschirm zu sehen sind.

Ende der Entscheidung

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