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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 12.07.1993
Aktenzeichen: C-429/92
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung EuGH, EWG-Vertrag


Vorschriften:

Verfahrensordnung EuGH Art. 91 § 3
EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine gemäß Artikel 177 und 178 des Vierten AKP°EWG-Abkommens von Lomé erlassene Entscheidung der Kommission, die an einen Mitgliedstaat gerichtet ist und diesen ermächtigt, für einen bestimmten Zeitraum die Einfuhren frischer Bananen mit Ursprung in bestimmten Drittländern, die Parteien des genannten Abkommens sind, zu beschränken, stellt gegenüber den Produzenten und Importeuren der genannten Produkte eine Maßnahme von allgemeiner Geltung dar, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen entfaltet. Sie betrifft sie nicht wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände und individualisiert sie daher nicht in ähnlicher Weise wie den Adressaten, so daß sie sie nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages betrifft.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 12. JULI 1993. - ASSOCIATION BANANIERE CAMEROUNAISE "ASSOBACAM" UND COMPAGNIE FRUITIERE IMPORT GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BANANEN - ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION, MIT DER EIN MITGLIEDSTAAT ZUM ERLASS VON SCHUTZMASSNAHMEN ERMAECHTIGT WIRD - NICHTIGKEITSKLAGE - UNZULAESSIGKEIT. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-429/92 UND C-25/93.

Entscheidungsgründe:

1 Die kamerunische Bananengesellschaft "Assobacam" mit Sitz in Douala (Kamerun) und die Compagnie fruitière import mit Sitz in Marseille (Frankreich) haben mit Klageschriften, die am 23. Dezember 1992 und 29. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag die Nichtigerklärung der Entscheidung 92/554/EWG der Kommission vom 2. Dezember 1992 über die Ermächtigung der Französischen Republik zur Einführung von Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Bananen mit Ursprung in der Republik Kamerun und der Republik Côte d' Ivoire (ABl. L 355, S. 37) beantragt.

2 Gemäß Artikel 177 Absatz 1 und Artikel 178 Absatz 3 des am 15. Dezember 1989 in Lomé unterzeichneten Vierten AKP°EWG-Abkommens (ABl. 1991, L 229, S. 1) kann die Gemeinschaft bestimmte Schutzmaßnahmen, die im Hinblick auf Inhalt und Form besonderen Bedingungen unterliegen, treffen oder die Mitgliedstaaten dazu ermächtigen.

3 Am 29. November 1992 ersuchte die französische Regierung die Kommission um die Ermächtigung zum Erlaß der in den oben genannten Vorschriften vorgesehenen Schutzmaßnahmen, um die Einfuhren von Bananen mit Ursprung in Kamerun und Côte d' Ivoire zu beschränken.

4 Mit Entscheidung vom 2. Dezember 1992 ermächtigte die Kommission die Französische Republik, im Monat Dezember 1992 die Einfuhren von frischen Bananen des KN-Codes ex 0803 00 10 mit Ursprung in Kamerun und Côte d' Ivoire auf die Höhe der Mengen zu beschränken, die aus diesen Ländern im Laufe der Dezembermonate der drei letzten Jahre eingeführt wurden.

5 Die kamerunische Bananengesellschaft "Assobacam", in der die Bananenproduzenten Kameruns zusammengeschlossen sind, Klägerin in der Rechtssache C-429/92, und die Compagnie fruitière import, Klägerin in der Rechtssache C-25/93, die mit der Vermarktung der Bananenproduktion von drei kamerunischen Produzenten in Frankreich und Europa beauftragt ist, haben die vorliegenden Klagen erhoben, weil sie der Auffassung sind, die Entscheidung der Kommission sei rechtswidrig.

6 Die Kommission hat gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit gegen diese Klagen erhoben.

7 Mit Beschluß vom 23. März 1993 hat der Präsident des Gerichtshofes die Verbindung der Rechtssachen C-429/92 und C-25/93 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung angeordnet.

8 Mit Beschluß vom 25. März 1993 hat der Präsident des Gerichtshofes die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

9 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit der Klagen vor allem mit dem Argument, die Klägerinnen seien durch die angegriffene Entscheidung nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages individuell betroffen, da es sich dabei um eine Maßnahme von allgemeiner und abstrakter Geltung handele. Die Klägerinnen seien durch die Entscheidung auch nicht unmittelbar betroffen, die der Französischen Republik keinerlei Verpflichtung auferlege, sondern sich darauf beschränke, zur Einschränkung der Einfuhren von Bananen mit Ursprung in Kamerun und Côte d' Ivoire zu ermächtigen, und der Französischen Republik freistelle, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen oder nicht.

10 Die Klägerinnen tragen dagegen vor, bei der streitigen Entscheidung handele es sich nicht um eine Maßnahme von allgemeiner und abstrakter Geltung. Sie betreffe ausschließlich die Bananenproduzenten Kameruns und von Côte d' Ivoire. Nach Meinung der Klägerinnen sind alle Bananenproduzenten Kameruns und von Côte d' Ivoire, d. h. ein bestimmter Kreis von Rechtssubjekten, deren Zahl und Identität vollständig und leicht zu bestimmen seien, unmittelbar und individuell von der angegriffenen Entscheidung betroffen, die als ein Bündel oder eine Reihe von Einzelentscheidungen betrachtet werden könne.

11 Gemäß Artikel 91 § 3 der Verfahrensordnung wird über einen nach § 1 dieses Artikels gestellten Antrag mündlich verhandelt, sofern der Gerichtshof nichts anderes bestimmt.

12 Da die Akten alle für seine Entscheidung erforderlichen Angaben enthalten, hat der Gerichtshof beschlossen, ohne Eröffnung der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

13 Gemäß Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages hängt die Zulässigkeit einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, die von einem einzelnen erhoben wird, der nicht Adressat dieser Entscheidung ist, davon ab, daß er von der Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen ist.

14 Da die Klägerinnen nicht Adressaten der streitigen Entscheidung sind, ist zu prüfen, ob diese sie unmittelbar und individuell betrifft.

15 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann ein Dritter nur dann individuell von einer an eine andere Person gerichteten Entscheidung betroffen sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (vgl. insbesondere Urteil vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 206/87, Lefebvre/Kommission, Slg. 1989, 275; Beschluß vom 15. März 1989 in der Rechtssache 191/88, Co-Frutta/Kommission, Slg. 1989, 793).

16 Es steht jedoch fest, daß die angegriffene Entscheidung bezweckt, die Französische Republik zu ermächtigen, für einen bestimmten Zeitraum die Einfuhren frischer Bananen mit Ursprung in Kamerun und Côte d' Ivoire zu beschränken. Sie stellt sich somit gegenüber den Importeuren, Produzenten und Reifungsunternehmen für Bananen als eine Maßnahme von allgemeiner Geltung dar, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen entfaltet.

17 Daraus folgt, daß die angegriffene Entscheidung die Klägerinnen, ebenso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in der gleichen Situation befindet, nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer auf dem Sektor der Produktion und der Einfuhren von Bananen aus Kamerun und Côte d' Ivoire betrifft.

18 Unter diesen Umständen sind die Klagen als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen. Die Französische Republik, Streithelferin, trägt gemäß Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

1) Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

3) Die Französische Republik, Streithelferin, trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 12. Juli 1993

Ende der Entscheidung

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