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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.05.2005
Aktenzeichen: C-43/04
Rechtsgebiete: Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, UStG


Vorschriften:

Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern Art. 25
UStG § 2 a.F.
UStG § 24 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 26. Mai 2005. - Finanzamt Arnsberg gegen Stadt Sundern. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 25 - Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger - Verpachtung von Jagdbezirken im Rahmen einer gemeindlichen Forstbewirtschaftung - Begriff "landwirtschaftliche Dienstleistungen". - Rechtssache C-43/04.

Parteien:

In der Rechtssache C43/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Februar 2004, in dem Verfahren

Finanzamt Arnsberg

gegen

Stadt Sundern

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet, A. La Pergola, J. Malenovský und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der deutschen Regierung, vertreten durch C.D. Quassowski und A. Tiemann als Bevollmächtigte,

- der griechischen Regierung, vertreten durch E. Svolopoulou und K. Marinou als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und K. Gross als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stadt Sundern und dem Finanzamt Arnsberg über die Anwendung der in dem genannten Artikel vorgesehenen gemeinsamen landwirtschaftlichen Pauschalregelung auf die Verpachtung von Jagdbezirken im Rahmen einer gemeindlichen Forstbewirtschaftung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 25 der Sechsten Richtlinie mit der Überschrift Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger bestimmt:

(1) Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Artikel 24 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Artikel anwenden.

(2) Im Sinne dieses Artikels gelten als

- landwirtschaftlicher Erzeuger ein Steuerpflichtiger, der seine Tätigkeit im Rahmen eines nachstehend definierten Betriebs ausübt;

- landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder Fischereibetrieb die Betriebe, die in dem einzelnen Mitgliedstaat im Rahmen der in Anhang A genannten Erzeugertätigkeiten als solche gelten;

- Pauschallandwirt ein landwirtschaftlicher Erzeuger, der unter die in Absatz 3 und den folgenden Absätzen vorgesehene Pauschalregelung fällt;

- landwirtschaftliche Erzeugnisse die Gegenstände, die aus den in Anhang A aufgeführten Tätigkeiten hervorgehen und die von den landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetrieben des einzelnen Mitgliedstaats erzeugt werden;

- landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden;

...

(5) Die in Absatz 3 vorgesehenen Pauschalausgleich-Prozentsätze werden auf den Preis - ohne Steuer -... angewendet... Dieser Ausgleich schließt jeden weiteren Vorsteuerabzug aus.

...

(9) Jeder Mitgliedstaat hat die Möglichkeit, bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger von der Pauschalregelung auszunehmen, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Artikel 24 Absatz 1 keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt.

...

4. In Anhang B der Richtlinie mit der Überschrift Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen heißt es:

Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:

...

- Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken

...

Nationale Regelung

5. § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sieht in seiner zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung vor:

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers....

...

(3) Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

6. § 24 UStG bestimmt:

(1) Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze wird die Steuer vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1. für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf fünf vom Hundert,

...

3. für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 auf neun vom Hundert

der Bemessungsgrundlage.... Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf fünf vom Hundert, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf neun vom Hundert der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt....

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;

2....

Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind....

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

...

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7. Von 1994 bis 1999 bezog die Stadt Sundern Einnahmen aus Holzverkäufen und Forstbenutzung sowie aus der Verpachtung von Eigenjagdbezirken. Da sie diese Verpachtungen als Umsätze im Sinne der Pauschalregelung des § 24 UStG behandelte, erklärte sie insoweit keine Umsatzsteuer.

8. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die in Rede stehenden Jagdbezirksverpachtungen nicht zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen im Sinne dieser Bestimmung zu rechnen seien, sondern nach der allgemeinen Steuerregelung mit dem Regelsteuersatz zu versteuern seien. Es verlangte daher von der Stadt Sundern die Zahlung von Umsatzsteuer auf die aus diesen Verpachtungen bezogenen Einnahmen.

9. Die Stadt Sundern erhob gegen die entsprechenden Steuerbescheide Klage beim Finanzgericht. Dieses gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Verpachtung der Jagdbezirke weder im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes noch im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art im Sinne von § 2 Absatz 3 UStG erfolge. Sie gehe nämlich nicht über eine bloße Vermögensverwaltung hinaus.

10. Das Finanzamt legte Revision beim Bundesfinanzhof ein. Es machte geltend, die in Rede stehenden Bezirke seien gemäß § 2 Absatz 3 UStG im Rahmen des forstwirtschaftlichen Betriebes der Stadt Sundern verpachtet worden, doch sei diese Verpachtung kein landwirtschaftlicher Umsatz im Sinne von § 24 UStG. Folglich müsse die Verpachtung der Regelbesteuerung unterliegen.

11. Der Bundesfinanzhof fragt sich, ob seine Rechtsprechung, wonach die Verpachtung von Jagdbezirken nicht von der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger erfasst wird, sondern der Regelbesteuerung unterliegt, mit Artikel 25 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist, wenn die Grundstücke, mit denen das Jagdrecht verbunden ist, zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehören. Er hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:

1. Dürfen oder müssen die Mitgliedstaaten, die die in Artikel 25 der [Sechsten] Richtlinie... vorgesehene gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger in ihr innerstaatliches Recht übernommen haben, die Pauschallandwirte im Ergebnis von der Zahlung von Umsatzsteuer freistellen?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Gilt dies nur für die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für landwirtschaftliche Dienstleistungen oder auch für sonstige Umsätze des Pauschallandwirts, oder unterliegen die sonstigen Umsätze der allgemeinen Regelung der [Sechsten] Richtlinie...?

Was folgt daraus für die Verpachtung einer Jagd durch einen Pauschallandwirt?

Vorbemerkungen

12. Vorab ist festzustellen, dass die genaue Bedeutung der ersten Frage und ihr Zusammenhang mit der zweiten Frage nicht klar aus dem Vorlagebeschluss hervorgehen.

13. Doch kann die erste Frage dahin verstanden werden, dass mit ihr geklärt werden soll, ob ein Mitgliedstaat, der nach Artikel 25 der Sechsten Richtlinie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auf landwirtschaftliche Erzeuger die gemeinsame Pauschalregelung anzuwenden, die Verpflichtung hat, diese Landwirte der genannten Regelung zu unterwerfen, wenn sie von dieser Regelung erfasste Umsätze tätigen, oder ob es sich eher um ein Recht handelt.

14. Die zweite Frage besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Zum einen fragt das vorlegende Gericht, ob die von dem Pauschallandwirt getätigten Umsätze, bei denen es sich nicht um die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen handelt, der gemeinsamen Pauschalregelung unterliegen. Zum anderen möchte das Gericht wissen, ob die Verpachtung von Jagdbezirken eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne von Artikel 25 der Sechsten Richtlinie darstellt.

15. Die erste Frage, wie sie in Randnummer 13 des vorliegenden Urteils ausgelegt wird, braucht nur dann beantwortet zu werden, wenn der zweite Teil der zweiten Frage zu bejahen ist.

16. Unter diesen Umständen ist die Reihenfolge der Fragen umzukehren, und es sind zunächst die beiden Teile der zweiten Frage und anschließend gegebenenfalls die erste Frage zu prüfen.

Zum ersten Teil der zweiten Frage

17. Mit dem ersten Teil seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 25 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Absatz 2 dieses Artikels definiert sind, gilt und ob die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung unterliegen.

18. Die deutsche und die griechische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften schlagen vor, diese Frage zu bejahen.

19. Der Gerichtshof hatte in der Rechtssache, die zum Urteil vom 15. Juli 2004 (C321/02, Harbs, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) geführt hat, bereits Gelegenheit, sich zum Verhältnis zwischen der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger und der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung zu äußern.

20. Aus diesem Urteil ergibt sich, dass andere Umsätze als die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen im Sinne von Artikel 25 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes tätigt, weiter der allgemeinen Regelung der Sechsten Richtlinie unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Harbs, Randnrn. 31 und 36).

21. Folglich ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass Artikel 25 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Absatz 2 dieses Artikels definiert sind, gilt und dass die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Regelung dieser Richtlinie unterliegen.

Zum zweiten Teil der zweiten Frage

22. Mit dem zweiten Teil seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verpachtung von Jagdbezirken durch einen Pauschallandwirt eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne von Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Anhang B der Richtlinie, in dem die landwirtschaftlichen Dienstleistungen aufgeführt sind, darstellt.

23. Die deutsche Regierung und die Kommission meinen, dass diese Frage zu verneinen sei, da die Verpachtung von Jagdbezirken nicht in Anhang B der Sechsten Richtlinie genannt werde. Sie heben hervor, dass Artikel 25 der Richtlinie als Ausnahme eng ausgelegt werden müsse.

24. Insoweit gilt, dass bei der Bestimmung der Bedeutung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sowohl deren Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (Urteile vom 15. Oktober 1992 in der Rechtssache C162/91, Tenuta il Bosco, Slg. 1992, I5279, Randnr. 11, und Harbs, Randnr. 28). Außerdem ergibt sich aus den Erfordernissen der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts wie auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass den Begriffen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Bestimmung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, normalerweise in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung zu geben ist, die unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Vorschrift und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Zieles zu ermitteln ist (vgl. u. a. Urteile vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11, und vom 17. März 2005 in der Rechtssache C170/03, Feron, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26).

25. Die von der deutschen Regierung und der Kommission vertretene Auslegung wird durch den Wortlaut der in Rede stehenden Vorschriften, durch den Zusammenhang, in dem sie stehen, und durch die mit der gemeinsamen Pauschalregelung verfolgten Ziele bekräftigt.

26. Zunächst ist festzustellen, dass nach Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie und nach ihrem Anhang B als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen gelten, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere die Vermietung normalerweise in [land]wirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken. Die Verpachtung von Jagdbezirken wird in diesen Vorschriften nicht ausdrücklich genannt und erfüllt auch nicht die darin aufgestellten Voraussetzungen.

27. Was sodann den Zusammenhang angeht, in dem diese Vorschriften stehen, so betreffen diese eine Sonderregelung, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung der Sechsten Richtlinie darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Abweichung oder Ausnahme von einer allgemeinen Regel eng auszulegen (vgl. u. a. Urteile vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C399/93, Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I4515, Randnr. 23, und vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C5/01, Belgien/Kommission, Slg. 2002, I11991, Randnr. 56). Ebenso wie die anderen Sonderregelungen der Sechsten Richtlinie darf die genannte Regelung also nur insoweit angewandt werden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist (vgl. Urteil Harbs, Randnr. 27).

28. Was schließlich die Prüfung der mit der gemeinsamen Pauschalregelung verfolgten Ziele betrifft, so ist daran zu erinnern, dass diese Regelung einem Vereinfachungserfordernis entspricht. Wie sich aus Randnummer 29 des Urteils Harbs ergibt, soll sie die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch ausgleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen.

29. Die Anwendung der gemeinsamen Pauschalregelung beruht nicht auf einem einzigen Kriterium, das sich auf die formale Eigenschaft als landwirtschaftlicher Erzeuger bezieht, sondern hängt auch von der Art der Geschäfte ab, die dieser tätigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Harbs, Randnr. 31). Eine Auslegung des in Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie enthaltenen Begriffes landwirtschaftliche Dienstleistungen dahin gehend, dass darunter auch eine Verpachtung wie die Verpachtung von Jagdbezirken fällt, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dient und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel bezieht, entspräche weder der Art noch dem Ziel der genannten Regelung.

30. Verpachtet daher in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens ein landwirtschaftlicher Erzeuger Jagdbezirke, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass er eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne von Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Anhang B der Richtlinie erbringt.

31. Demnach ist auf den zweiten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit Anhang B der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Verpachtung von Jagdbezirken durch einen Pauschallandwirt keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne dieser Richtlinie darstellt.

32. In Anbetracht der Antwort auf den zweiten Teil der zweiten Frage braucht die erste Frage aus den in den Randnummern 12 bis 16 des vorliegenden Urteils genannten Gründen nicht beantwortet zu werden.

Kosten

33. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Artikel 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Absatz 2 dieses Artikels definiert sind, gilt und dass die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Regelung dieser Richtlinie unterliegen.

2. Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388 in Verbindung mit Anhang B der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Verpachtung von Jagdbezirken durch einen Pauschallandwirt keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne dieser Richtlinie darstellt.

Ende der Entscheidung

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