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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.08.1995
Aktenzeichen: C-43/94 P
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 10 des Anhangs VII
EWG/EAG BeamtStat Art. 71
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Beamte hat gemäß Artikel 71 des Statuts beim Dienstantritt unter den in Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts festgelegten Voraussetzungen Anspruch auf die Zahlung von Tagegeld, unabhängig davon, ob der Betroffene zuvor in Anwendung der Bestimmungen für die sonstigen Bediensteten beim Dienstantritt als Hilfskraft oder als Bediensteter auf Zeit derartige Entschädigungen erhalten hat.

Die in Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts aufgestellte Voraussetzung für die Zahlung von Tagegeld, daß der Beamte seinen Wohnsitz ändern musste, um seinen statutarischen Verpflichtungen nachzukommen, bezieht sich auf den Wohnsitz, an dem der Betroffene den Mittelpunkt seiner Interessen behält, so daß der Beamte Anspruch auf Tagegeld hat, wenn er an diesem bisherigen Wohnsitz nicht länger wohnen kann. Mit diesem Tagegeld sollen nämlich die Unannehmlichkeiten des Beamten auf Probe ausgeglichen werden, die sich aus der Unsicherheit des Beschäftigungsverhältnisses ergeben, die schon zuvor im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Hilfskraft oder Bediensteter auf Zeit unter Beibehaltung des Mittelpunkts der Interessen am bisherigen Wohnsitz während dieser verschiedenen Dienstverhältnisse bestanden haben kann.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 11. AUGUST 1995. - EUROPAEISCHES PARLAMENT GEGEN PHILIPPE VIENNE. - BEAMTE - TAGEGELD - KUMULIERUNG. - RECHTSSACHE C-43/94 P.

Entscheidungsgründe:

1 Das Europäische Parlament (im folgenden: Parlament) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 1. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 49 der EG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 30. November 1993 in der Rechtssache T-15/93 (Vienne/Parlament, Slg. 1993, II-1327) eingelegt, soweit darin die Entscheidung des Parlaments vom 2. Februar 1993, durch die das Parlament die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen hat, mit der er beantragt hatte, ihm für seine gesamte Probezeit und für einen Monat nach deren Ablauf das Tagegeld nach Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften zu gewähren, aufgehoben und das Parlament verurteilt worden ist, dem Kläger 170 239 BFR zuzueglich Verzugszinsen zu zahlen.

2 Nach dem angefochtenen Urteil liegt der Rechtssache folgender Sachverhalt zugrunde:

"1 Der Kläger, der seinerzeit in Brüssel-Anderlecht wohnte, wurde am 1. November 1990 vom Europäischen Parlament... als Hilfskraft mit einem Vertrag auf unbestimmte Dauer eingestellt und in Luxemburg dienstlich verwendet. Er bezog auf der Grundlage des Artikels 69 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Beschäftigungsbedingungen) das in Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) vorgesehene Tagegeld. Bei seiner Einstellung nahm der Kläger in Messancy nahe der belgisch-luxemburgischen Grenze Wohnung, um dem Wohnsitzerfordernis gemäß den Artikeln 54 der Beschäftigungsbedingungen und 20 des Statuts nachzukommen, während seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder in Anderlecht blieben.

2 Am 1. Januar 1991 wurde der Kläger vom Parlament als Bediensteter auf Zeit mit einem Vertrag auf unbestimmte Dauer eingestellt, der eine Probezeit von sechs Monaten vorsah. Er bezog auf der Grundlage von Artikel 25 der Beschäftigungsbedingungen weiterhin das vorgenannte Tagegeld, das ihm von diesem Zeitpunkt an für die Dauer seiner Probezeit, d. h. sechs Monate lang, gezahlt wurde.

3 Am 16. Dezember 1991 wurde der Kläger vom Parlament als Beamter auf Probe der Besoldungsgruppe B 5 eingestellt und weiter in Luxemburg dienstlich verwendet. Nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit im Oktober 1992 schickte sich der Kläger an, den Wohnsitz seiner Familie in Anderlecht aufzugeben.

4 Ab dem 16. Dezember 1991 erhielt der Kläger in seiner Eigenschaft als Beamter auf Probe wiederum das vorgenannte Tagegeld, und zwar für einen Zeitraum von 128 Tagen, also bis zum 21. April 1992. Damit begrenzte die Verwaltung den gesamten Zeitraum, in dem sie ihm das Tagegeld gewährte, auf zwölf Monate (oder 365 Tage), wobei sie folgende Berechnung vornahm:

° gesamter Zeitraum der Gewährung vor der Ernennung des Klägers

° als Hilfskraft vom 5. November 1990 bis 31. Dezember 1990 (zwei Monate oder 57 Tage),

° als Bediensteter auf Zeit vom 1. Januar 1991 bis 30. Juni 1991 (sechs Monate oder 180 Tage),

also acht Monate oder 237 Tage

° verbleibender Rest bei einer Hoechstdauer von 12 Monaten (oder 365 Tagen):

365 Tage ° 237 Tage = 128 Tage.

5 Aus der Abrechnung der Dienstbezuege des Klägers für Juni 1992 ging erstmals hervor, daß die Zahlung des Tagegeldes rückwirkend ab 22. April 1992 eingestellt worden war. Auf die Bitte des Klägers bei der Abrechnungsstelle um mündliche Erläuterungen dazu wurde ihm erklärt, daß es eine Verwaltungspraxis des Generalsekretariats des Parlaments gebe, nach der die verschiedenen Zeiträume zusammengezählt würden, die der Empfänger als Hilfskraft, als Bediensteter auf Zeit und als Beamter auf Probe zurückgelegt habe; somit zahle die Verwaltung das Tagegeld nur für höchstens zwölf Monate.

6 Mit Schreiben vom 7. Juli 1992, das am 13. Juli 1992 in das Register des Generalsekretariats des Parlaments eingetragen wurde, legte der Kläger gegen die Abrechnung seiner Bezuege für Juni 1992 Beschwerde ein, mit der er die Zahlung des Tagegeldes bis 15. Oktober 1992 (Dauer seiner Probezeit und ein Monat nach deren Ablauf) verlangte. Hierbei berief sich der Kläger insbesondere auf den Wortlaut des Artikels 10 des Anhangs VII des Statuts und machte geltend, daß die Praxis des Parlaments, die Gesamtdauer für die Zahlung des Tagegeldes unter Berücksichtigung der verschiedenen früheren Dienstverhältnisse auf ein Jahr zu begrenzen, weder dem Wortlaut noch dem Geist des Statuts entspreche. Er machte ferner geltend, daß das Tagegeld gewährt werde, damit der Beamte die aussergewöhnlichen Kosten tragen könne, die die gleichzeitige Unterhaltung zweier Wohnsitze mit sich bringe. Des weiteren führte er aus, daß die beanstandete Begrenzung bei anderen Gemeinschaftsorganen nicht vorgenommen werde und somit die Beamten des Parlaments durch die einschlägige Praxis des Generalsekretariats benachteiligt würden.

7 Mit Schreiben vom 3. Dezember 1992 teilte der Generalsekretär des Parlaments dem Kläger mit, daß seine Beschwerde zur Zeit geprüft werde und daß die aufgeworfene Frage dem Kollegium der Verwaltungschefs vorgelegt worden sei, um eine einheitliche Lösung zu suchen, da das Problem bei den verschiedenen betroffenen Organen unterschiedlich gehandhabt werde.

8 Nachdem der Kläger am 28. Januar 1993 ein Erinnerungsschreiben an den Generalsekretär des Parlaments geschickt hatte, erhielt er am 2. Februar 1993 eine Entscheidung, durch die seine Beschwerde ausdrücklich zurückgewiesen wurde. Der Generalsekretär erklärte in dieser Entscheidung zunächst, er verfüge noch nicht über die Stellungnahmen der anderen Organe im Hinblick auf eine gemeinsame Lösung, und bemerkte sodann, daß die Bestimmungen des Artikels 10 des Anhangs VII des Statuts gemäß Artikel 25 der Beschäftigungsbedingungen auch auf die den Beschäftigungsbedingungen unterliegenden Bediensteten Anwendung fänden, so daß die Vorschriften über die Gewährung des Tagegeldes einheitlich und stimmig ausgelegt und angewendet werden müssten. Eine Hoechstdauer von einem Jahr für die Gewährung des Tagegeldes sei aber sowohl in Artikel 25 der Beschäftigungsbedingungen für die Bediensteten auf Zeit als auch in Artikel 65 der Beschäftigungsbedingungen für die Hilfskräfte vorgesehen, d. h. bei den sowohl in rechtlicher als auch in materieller Hinsicht unsichersten Beschäftigungsverhältnissen bei den Gemeinschaften. Letztlich ergebe sich aus all diesen Bestimmungen, daß die Gewährung des Tagegeldes als eine Maßnahme der ersten Hilfe gedacht sei, die eben vorübergehender Natur sei und ausserdem präsumtiven Charakter habe, da man von dem Betroffenen keinen Nachweis der entstandenen Kosten verlange. Die Zahlung dieses Betrages erfolge auch nicht nach Maßgabe der dienstrechtlichen Stellung des Empfängers; daher könne sie nicht über die in den Verordnungsvorschriften vorgesehene günstigste Grenze hinaus verlängert werden, nur weil sich die Art des Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Empfänger und dem Organ ändere."

3 Nach der Zurückweisung seiner Beschwerde durch das Parlament erhob Herr Vienne am 9. Februar 1993 beim Gericht Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Parlaments vom 2. Februar 1993 und auf Verurteilung des Parlaments zur Zahlung von 170 239 BFR zuzueglich Verzugszinsen.

4 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht dieser Klage stattgegeben.

5 Zur Stützung seines Rechtsmittels beruft sich das Parlament auf mehrere Rechtsmittelgründe, mit denen es Verstösse des Gerichts gegen das Gemeinschaftsrecht rügt. Das Parlament ist erstens der Ansicht, daß das angefochtene Urteil einen Rechtsfehler bei der Auslegung von Artikel 71 des Statuts enthalte, und macht zweitens mehrere Rechtsfehler bei der Anwendung von Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts geltend.

Zum Rechtsmittelgrund der falschen Auslegung von Artikel 71 des Statuts

6 In Artikel 71 des Statuts heisst es:

"Der Beamte hat nach den in Anhang VII festgelegten Regelungen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm beim Dienstantritt... entstanden sind."

7 Das Parlament wirft dem Gericht vor, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es den Begriff "Dienstantritt" in Artikel 71 des Statuts dahin ausgelegt habe, "daß er sich nur auf den Dienstantritt infolge der förmlichen Ernennung auf eine Beamtenstelle bezieht" (Randnr. 32 des Urteils).

8 Einen "Dienstantritt" gebe es nicht nur bei Beamten infolge ihrer förmlichen Ernennung, sondern auch bei Bediensteten auf Zeit und bei Hilfskräften; die Gewährung des Tagegeldes müsse daher an den allerersten Dienstantritt des Bediensteten bei den Gemeinschaften anknüpfen, damit das gleiche Tagegeld nicht zweimal derselben Person aus demselben Grund gewährt werde.

9 Das Gericht hat in Randnummer 32 seines Urteils folgende Auffassung vertreten:

"Artikel 71 des Status sieht... vor, daß der Beamte nach den in Anhang VII festgelegten Regelungen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die ihm u. a. 'beim Dienstantritt' entstanden sind. Das von einem Beamten ausgeuebte Amt lässt sich indessen rechtlich von dem von einem Bediensteten auf Zeit oder einer Hilfskraft ausgeuebten Amt unterscheiden, da sich die Betroffenen in einer unterschiedlichen dienstrechtlichen Stellung befinden (vgl. Urteil Sperber/Gerichtshof, a. a. O., Randnr. 8). Der vorgenannte Begriff 'Dienstantritt' kann demnach dahin ausgelegt werden, daß er sich nur auf den Dienstantritt infolge der förmlichen Ernennung auf eine Beamtenstelle bezieht."

10 Hierzu ist festzustellen, daß sich die Kostenerstattung für die Beamten, die Bediensteten auf Zeit und die Hilfskräfte nach verschiedenen Bestimmungen richtet. So regelt Artikel 71 des Statuts nur die Kostenerstattung für die Beamten. Die Beschäftigungsbedingungen enthalten die Bestimmungen über die Erstattung der Kosten der Bediensteten auf Zeit und der Hilfskräfte. Artikel 22 der Beschäftigungsbedingungen sieht ausdrücklich vor, daß der Bedienstete auf Zeit Anspruch hat "auf Erstattung der Kosten, die ihm beim Dienstantritt... entstanden sind", und erklärt u. a. Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts für anwendbar. Gemäß Artikel 69 der Beschäftigungsbedingungen erhält auch die Hilfskraft das in dieser Bestimmung vorgesehene Tagegeld. Jeder der drei Dienstantritte führt somit unter den in der jeweiligen Bestimmung genannten Bedingungen zu einem Anspruch auf Tagegeld. Das Gericht hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, daß sich Artikel 71 des Statuts nur auf den Dienstantritt der Beamten bezieht.

11 Das Parlament kann sich nicht auf das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1960 in den Rechtssachen 27/59 und 39/59 (Campolongo/Hohe Behörde, Slg. 1960, 821) berufen. Der darin aufgestellte Grundsatz der funktionellen Einheit der Gemeinschaften kann nicht auf aufeinanderfolgende Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Organ angewandt werden. In der Rechtssache Campolongo hat es der Gerichtshof abgelehnt, einem Antrag auf eine Wiedereinrichtungsbeihilfe stattzugeben, da diese Wiedereinrichtung zugleich eine Einrichtung bei einem anderen Organ darstellte, das dem Betroffenen bereits eine Entschädigung zum Ausgleich für dasselbe Geschehnis gezahlt hatte. Dagegen handelt es sich in der vorliegenden Rechtssache bei den verschiedenen Dienstantritten um aufeinanderfolgende Geschehnisse, von denen jedes eine Kostenerstattung rechtfertigt.

12 Dieser Rechtsmittelgrund greift somit nicht durch.

Zu den Rechtsmittelgründen, mit denen Rechtsfehler bei der Anwendung von Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts gerügt werden

13 In Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts heisst es:

"Weist ein Beamter nach, daß er seinen Wohnsitz ändern muß, um seinen Verpflichtungen aus Artikel 20 des Statuts nachzukommen, so hat er für die in Absatz 2 bestimmte Dauer Anspruch auf ein Tagegeld..."

14 Das Parlament ist erstens der Ansicht, daß das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es die Zahlung des Tagegeldes von der Bedingung abhängig gemacht habe, daß keine Einrichtungsbeihilfe gewährt worden sei, oder diese Bedingung nicht angewandt habe. Entweder sei das Gericht zu Recht davon ausgegangen, daß sich eine solche Bedingung aus Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts ergebe, habe aber ihre Anwendung im Fall von Herrn Vienne unterlassen, der entgegen den Angaben im Urteil und ausweislich in den Akten enthaltener Schriftstücke eine Einrichtungsbeihilfe erhalten habe, oder das Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß sich diese Bedingung aus Artikel 10 des Anhangs VII ergebe. Das Parlament nimmt insoweit auf Randnummer 27 des angefochtenen Urteils Bezug.

15 Das Gericht hat in Randnummer 27 seines Urteils folgendes ausgeführt:

"Einleitend ist festzustellen, daß sich der vorliegende Rechtsstreit auf die Frage beschränkt, ob der Kläger in seiner Eigenschaft als Beamter auf Probe, der noch nicht umgezogen ist und noch keine Einrichtungsbeihilfe erhalten hat, für den letzten Teil seiner Probezeit und für einen Monat nach deren Ablauf Anspruch auf die Zahlung des in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b des Anhangs VII des Statuts vorgesehenen Tagegeldes hat. Die Artikel 25 und 69 der Beschäftigungsbedingungen ° insbesondere die darin vorgesehenen zeitlichen Schranken ° sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar; diese Artikel galten nämlich für die Zahlung des Tagegeldes in der Zeit vor dem in Rede stehenden Zeitraum."

16 Die Auslegung, die das Parlament Randnummer 27 des Urteils zu geben versucht, ist falsch, da das Gericht dort keine Bedingung für die Gewährung des Tagegeldes aufstellt. Der Satzteil, in dem die Einrichtungsbeihilfe erwähnt wird und der nur tatsächliche Feststellungen enthält, die im Rahmen eines Rechtsmittels nicht angefochten werden können, hat rein darstellenden Charakter. Die einzige Rechtsfrage, auf die sich Randnummer 27 bezieht, ist die, welche Bestimmung auf die Gewährung des Tagegeldes für die Beamten auf Probe anwendbar ist.

17 Dieser Rechtsmittelgrund ist folglich zurückzuweisen.

18 Das Parlament weist zweitens darauf hin, daß das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es die Auffassung zurückgewiesen habe, daß Herr Vienne kein Tagegeld habe erhalten können, da er die in Artikel 10 des Anhangs VII des Statuts vorgesehene Bedingung nicht erfuellt habe, nach der das Erfordernis der Änderung des Wohnsitzes nachgewiesen werden müsse. Herr Vienne habe bereits bei seinem ursprünglichen Dienstantritt den Wohnsitz geändert.

19 In Randnummer 31 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Ansicht vertreten, daß bei dieser Auffassung

"der kontinuierliche und dauerhafte Charakter der Entschädigungspflicht verkannt [wird], die die genannte Bestimmung den Organen gegenüber ihren Beamten auferlegt".

20 Diese Einschätzung des Gerichts ist nicht zu beanstanden.

21 Der Wohnsitz, der für die Anwendung von Artikel 10 des Anhangs VII zu berücksichtigen ist, ist derjenige, an dem der Betroffene den Mittelpunkt seiner Interessen behält. Um Anspruch auf das Tagegeld zu haben, reicht es aus, daß er an diesem bisherigen Wohnsitz nicht länger wohnen kann. Eine solche Auslegung ist deshalb geboten, weil mit dem Tagegeld die Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden sollen, die sich aus dem unsicheren Beschäftigungsverhältnis des Betroffenen ergeben. Wie das Gericht zu Recht festgestellt hat, dauert diese Unsicherheit über alle drei Zeiträume hinweg an, die im Statut und in den Beschäftigungsbedingungen unterschieden werden.

22 Der zweite auf Artikel 10 gestützte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

23 Das Parlament wirft dem Gericht schließlich vor, bei der Beurteilung des Zweckes des Tagegeldes einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es Artikel 9 des Anhangs VII des Statuts als Argument verwendet habe.

24 In Randnummer 34 des angefochtenen Urteils hat sich das Gericht wie folgt geäussert:

"Es erscheint vernünftig, den Betroffenen von einem Umzug abzuhalten, der, falls er nicht zum Beamten auf Lebenszeit ernannt wird, verfrüht gewesen wäre und nach Artikel 9 Absätze 1 und 2 des Anhangs VII des Statuts im Fall des Ausscheidens des Betroffenen aus dem Dienst zu einer doppelten Erstattung der Umzugskosten führen würde."

25 Nach Ansicht des Parlaments ist diese doppelte Erstattung bereits durch folgende in Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 des Anhangs VII des Statuts aufgestellte Bedingung ausgeschlossen:

"Der Umzug eines Beamten auf Lebenszeit muß innerhalb eines Jahres nach Ablauf seiner Probezeit durchgeführt werden."

26 Das Parlament legt diese Bestimmung dahin aus, daß der Beamte seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit abwarten müsse, bevor er einen Umzug durchführen könne, dessen Kosten ihm erstattet werden könnten. Die vom Gericht vorgenommene Auslegung von Artikel 9 weise Artikel 10 folglich einen Zweck zu, den er nicht besitze.

27 Es ist festzustellen, daß die Anwendung von Artikel 9 des Anhangs VII des Statuts nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Gleichwohl muß seine Auslegung zu einer Schlußfolgerung führen, die derjenigen, die das Parlament daraus ziehen will, entgegengesetzt ist. Absatz 3 Unterabsatz 1 dieses Artikels impliziert eindeutig, daß das Beschäftigungsverhältnis des Betroffenen bis zum Ablauf der Probezeit unsicher bleibt. Die Situation des Beamten ist nämlich erst nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit gefestigt.

28 Die richtige Auslegung von Artikel 9 Absatz 3 des Anhangs VII des Statuts liefert folglich nur ein zusätzliches Argument dafür, die Gewährung des Tagegeldes während dieses gesamten Zeitraums der Unsicherheit fortzusetzen.

29 Auch dieser Rechtsmittelgrund kann daher nicht durchgreifen.

30 Nach alledem ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Das Parlament trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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