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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.10.1994
Aktenzeichen: C-430/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Beschluß 91/482/EWG des Rates vom 25.07.1991 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 1
EWG-Vertrag Art. 136
Beschluß 91/482/EWG des Rates vom 25.07.1991 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Art. 30 Abs. 8 Anhang II
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Im Rahmen der Zulassung von Waren mit Ursprung in den überseeischen Ländern und Gebieten zur Einfuhr in die Gemeinschaft frei von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung beginnt die den Gemeinschaftsbehörden nach Artikel 30 Absatz 8 des Anhangs II des Beschlusses 91/482 des Rates zur Entscheidung über die Anträge auf Abweichung von den für diese Waren geltenden Ursprungsregeln gesetzte Frist von sechzig Werktagen, mit deren Ablauf der Antrag als angenommen gilt, zu laufen, sobald ein in formaler Hinsicht vollständiger Antrag, der also die nach Artikel 30 Absatz 1 Unterabsatz 2 in Verbindung mit Artikel 30 Absatz 2 erforderlichen Angaben enthält, beim Vorsitzenden des Ausschusses für Ursprungsfragen eingegangen ist, so daß dieser Ausschuß und die Kommission inhaltlich darüber entscheiden können, ob dem Antrag stattzugeben oder ob er abzulehnen ist. Damit die Frist zu laufen beginnen kann, ist es nicht erforderlich, daß die Kommission annimmt, die gemachten Angaben rechtfertigten den Antrag, da die Frage, ob ein Antrag formal vollständig ist, von dessen inhaltlicher Prüfung zu unterscheiden ist. Die Kommission ist nicht daran gehindert, zusätzliche Angaben zu verlangen, doch kann die Frist hierdurch weder unterbrochen noch verlängert werden.

Hieraus folgt, daß ein Beschluß der Kommission, mit dem diese nach Ablauf der Frist von sechzig Werktagen einen im Zeitpunkt seines Eingangs in formaler Hinsicht vollständigen Abweichungsantrag abweist, rechtswidrig ist, da er erlassen wurde, obwohl die Kommission wegen Zeitablaufs hierzu nicht mehr befugt war; der Beschluß ist somit für nichtig zu erklären.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 26. OKTOBER 1994. - KOENIGREICH DER NIEDERLANDE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UEBERSEEISCHE LAENDER UND GEBIETE - URSPRUNGSWAREN - ABWEICHUNGEN. - RECHTSSACHE C-430/92.

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich der Niederlande hat mit Klageschrift, die am 23. Dezember 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(92) 2655 endg. der Kommission vom 6. November 1992, mit dem die von den Niederländischen Antillen beantragte Abweichung von der Bestimmung des Begriffs der Ursprungswaren in bezug auf bespielte Videokassetten des Codes 8524 der Kombinierten Nomenklatur abgelehnt wurde (nachstehend: der angefochtene Beschluß).

2 Gestützt auf Artikel 136 EWG-Vertrag erließ der Rat zuletzt am 25. Juli 1991 den Beschluß 91/482/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 263, S. 1, Berichtigung im ABl. 1991, L 331, S. 23; nachstehend: der ÜLG-Beschluß). Artikel 101 Absatz 1 dieses Beschlusses sieht vor, daß "Waren mit Ursprung in den ÜLG... frei von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung zur Einfuhr in die Gemeinschaft zugelassen [sind]".

3 Die Bestimmung des Begriffs "ÜLG-Ursprungswaren" ist in Titel I des Anhangs II des ÜLG-Beschlusses enthalten. Gemäß Artikel 1 dieses Anhangs gilt ein Erzeugnis als Ursprungsware der ÜLG, wenn es dort entweder vollständig hergestellt oder gewonnen oder in ausreichendem Masse be- oder verarbeitet worden ist.

4 Die Voraussetzungen, die erfuellt sein müssen, damit Waren als ausreichend in den ÜLG be- oder verarbeitet anzusehen sind, sind in Artikel 3 des genannten Anhangs niedergelegt. Für eine Reihe von Waren verweist diese Bestimmung jedoch auf Anhang 2 zu Anhang II, wo für jede einzelne von ihnen das Ausmaß der Be- oder Verarbeitungen präzisiert wird, die an Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft vorgenommen werden müssen, um der hergestellten Ware die Ursprungseigenschaft zu verleihen.

5 Artikel 30 des Anhangs II sieht Abweichungen von diesen Ursprungsregeln vor, durch die Waren, die nach den genannten Vorschriften nicht als Ursprungswaren anzusehen wären, doch dieser Status verliehen werden kann. Artikel 30 Absatz 1 bestimmt:

"Abweichungen von diesem Anhang können genehmigt werden, wenn die Entwicklung bestehender oder die Ansiedlung neuer Industrien dies rechtfertigen.

Der Mitgliedstaat oder gegebenenfalls die zuständigen Behörden des betreffenden ÜLG unterrichten die Gemeinschaft und fügen die gemäß Absatz 2 erstellten Unterlagen zur Begründung bei.

Die Gemeinschaft gibt allen Anträgen statt, die im Sinne dieses Artikels hinreichend begründet sind ° insbesondere in Fällen, in denen eine wesentlichen Be- oder Verarbeitung von dem antragstellenden ÜLG vorgenommen wird ° und die nicht zu schweren Schäden für einen Industriezweig der Gemeinschaft führen können."

In Absatz 2 sind die Punkte aufgezählt, zu denen der antragstellende Mitgliedstaat oder das antragstellende ÜLG insbesondere Angaben zu machen hat. Dieser Absatz verweist auf ein in Anhang 9 zu Anhang II vorgesehenes Formblatt, das vom Antragsteller auszufuellen ist.

6 Artikel 30 Absatz 8 bestimmt:

"a) Der Rat und die Kommission treffen alle erforderlichen Maßnahmen, damit so bald wie möglich, spätestens jedoch sechzig Werktage nach Eingang des Antrags beim Vorsitzenden des Ausschusses für Ursprungsfragen, ein Beschluß gefasst wird. In diesem Zusammenhang ist der Beschluß 90/523/EWG sinngemäß auf die ÜLG anwendbar.

b) Kommt innerhalb der in Buchstabe a) genannten Frist kein Beschluß zustande, so gilt der Antrag als angenommen."

7 Der Beschluß 90/523/EWG des Rates vom 8. Oktober 1990 über das Verfahren für Abweichungen von den im Protokoll Nr. 1 zum Vierten AKP°EWG-Abkommen niedergelegten Ursprungsregeln (ABl. L 290, S. 33), auf den der zitierte Absatz 8 Buchstabe a verweist, sieht in Artikel 2 vor, daß der Vertreter der Kommission dem mit der Verordnung (EWG) Nr. 802/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung (ABl. L 148, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1769/89 (ABl. L 174, S. 11), eingesetzten Ausschuß für Ursprungsfragen innerhalb von zwanzig Arbeitstagen nach Eingang eines Antrags auf Abweichung beim EWG-Kopräsidenten des AKP°EWG-Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen den Entwurf eines gemeinsamen Standpunkts unterbreitet. Die Stellungnahme des Ausschusses wird mit der Mehrheit gegeben, die nach Artikel 148 Absatz 2 EWG-Vertrag erforderlich ist. Die Kommission erlässt den gemeinsamen Standpunkt der Gemeinschaft, wenn er mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmt.

8 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, daß die Regierung der Niederländischen Antillen mit Schreiben vom 27. Mai 1992 beim Vorsitzenden des Ausschusses für Ursprungsfragen über die Ständige Vertretung der Niederlande bei den Gemeinschaften einen Abweichungsantrag im Sinne des Artikels 30 des Anhangs II des ÜLG-Beschlusses stellte. Dieser Antrag, der am 1. Juni 1992 beim Adressaten einging, betraf bespielte Videokassetten, die in Curaçao unter Verwendung von aus Korea, Japan und den Vereinigten Staaten eingeführten Materialien hergestellt und dann in die Gemeinschaft und in die Vereinigten Staaten ausgeführt werden sollten. Dem Antrag war das in Anhang 9 zu Anhang II des ÜLG-Beschlusses vorgesehene, ausgefuellte Formblatt beigefügt, er verwies auf die positiven Auswirkungen der geplanten Investition für die Wirtschaft der Antillen und nannte die Gründe, weshalb der Ursprungsregel für die Fertigware nicht entsprochen werden kann.

9 In der Folge dieses Antrags übermittelte die Kommission dem Ausschuß für Ursprungsfragen ein Schreiben, in dem sie Bedenken äusserte, die insbesondere dahin gingen, daß es sich bei dem fraglichen Erzeugnis um eine sensible Ware handele und daß die in den Niederländischen Antillen vorzunehmenden Tätigkeiten anscheinend nur eine relativ geringfügige Verarbeitung darstellen würden. Ausserdem wies sie den Ausschuß für Ursprungsfragen darauf hin, daß die in dem Beschluß vorgesehene Frist von sechzig Werktagen am 1. Juni 1992 zu laufen begonnen habe.

10 Mit Schreiben vom 31. Juli 1992 teilte die Kommission der niederländischen Regierung mit, daß bestimmte Fragen zu klären seien, bevor eine Entscheidung über den Abweichungsantrag ergehen könne. Sie wies ausserdem darauf hin, daß die Frist von sechzig Werktagen zu laufen beginnen werde, sobald sie hinreichende Angaben zu diesen Fragen erhalten habe.

11 Mit Schreiben vom 18. August 1992 verwies die niederländische Regierung die Kommission hinsichtlich einiger der in dem Schreiben vom 31. Juli 1992 aufgeworfenen Punkte auf die Angaben in dem dem Abweichungsantrag beigefügten Formblatt und stellte fest, daß die Ausführungen der Kommission die inhaltliche Beurteilung des Antrags beträfen. Ausserdem gab der Vertreter der niederländischen Regierung in der Sitzung des Ausschusses für Ursprungsfragen vom 7. Oktober 1992 eine Erklärung dahin ab, daß die Frist von sechzig Werktagen am 31. August 1992 abgelaufen und der Abweichungsantrag als stillschweigend angenommen anzusehen sei.

12 Mit dem an die Niederlande und die Niederländischen Antillen gerichteten angefochtenen Beschluß lehnte die Kommission den in Rede stehenden Antrag auf Abweichung ab.

13 Die niederländische Regierung macht in ihrer Klageschrift in erster Linie geltend, der oben zitierte Artikel 30 Absatz 8 des Anhangs II des ÜLG-Beschlusses sehe keine Möglichkeit vor, die Frist von sechzig Werktagen zu verlängern; diese sei im übrigen voll ausreichend, um es dem Ausschuß für Ursprungsfragen und der Kommission zu erlauben, zusätzliche Informationen anzufordern. Der Antrag sei dem Vorsitzenden des Ausschusses für Ursprungsfragen am 1. Juni 1992 zugegangen und mit Ablauf der in Rede stehenden Frist, also lange vor dem 6. November 1992, dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, als stillschweigend angenommen anzusehen.

14 Die Kommission hingegen macht geltend, gemäß dem oben zitierten Artikel 30 Absatz 1 Unterabsatz 3 müssten die Abweichungsanträge hinreichend begründet sein, um bearbeitet werden zu können; erst von dem Zeitpunkt an, in dem die Anträge alle Angaben enthielten, die die Gemeinschaft zu ihrer Prüfung benötige, beginne die fragliche Frist zu laufen. Im vorliegenden Fall habe der von der Regierung der Niederländischen Antillen eingereichte Antrag nicht alle erforderlichen Angaben enthalten.

15 Im Hinblick auf diese unterschiedlichen Standpunkte stellt sich die Frage der Auslegung des Artikels 30 Absatz 8 Buchstabe a des Anhangs II des ÜLG-Beschlusses, wonach die Frist von sechzig Werktagen nach "Eingang des Antrags beim Vorsitzenden des Ausschusses für Ursprungsfragen" zu laufen beginnt.

16 Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, daß es für den Beginn der Frist von sechzig Werktagen ausreicht, daß der Antrag beim Vorsitzenden des genannten Ausschusses eingegangen ist, vorausgesetzt jedoch, daß der Antrag in formaler Hinsicht vollständig ist.

17 Artikel 30 Absatz 1 Unterabsatz 2 in Verbindung mit Artikel 30 Absatz 2 des Anhangs II präzisiert, wann ein Antrag als formal vollständig anzusehen ist. Dem Antrag müssen zur Begründung dienende Unterlagen beigefügt sein, die möglichst vollständige Angaben, insbesondere zu verschiedenen in Absatz 2 aufgeführten Fragen, enthalten. Diese Angaben sind von dem antragstellenden Mitgliedstaat oder dem antragstellenden ÜLG mittels des in Anhang 9 zu Anhang II vorgesehenen Formblatts zu machen.

18 Dieses Formblatt enthält 21 Felder, die vom antragstellenden Land auszufuellen sind. Die verlangten Angaben betreffen insbesondere die Handelsbezeichnung, die Tarifierung und den Wert der zu verwendenden Vormaterialien mit Ursprung in Drittländern, AKP-Staaten, der EWG und den ÜLG, die Be- oder Verarbeitung, die in diesen Ländern vorgenommen werden soll, den Mehrwert aufgrund dieser Be- oder Verarbeitung, das voraussichtliche Jahresvolumen der Ausfuhren in die Gemeinschaft, den Wert der Fertigware ab Werk, die Gründe, weshalb der Ursprungsregel für die Fertigware nicht entsprochen werden kann, den Wert der vorgenommenen oder geplanten Investitionen, die geplante Beschäftigungszahl, die Dauer der beantragten Abweichung und schließlich die Lösungsmöglichkeiten zur künftigen Vermeidung der Notwendigkeit einer Abweichung.

19 Für den Beginn der Frist von sechzig Werktagen ist es also ausreichend, daß der Antrag die verlangten Angaben in formaler Hinsicht vollständig enthält, so daß der Ausschuß für Ursprungsfragen und die Kommission inhaltlich darüber entscheiden können, ob dem Antrag stattzugeben oder ob er abzulehnen ist. Damit die Frist zu laufen beginnen kann, ist es also nicht erforderlich, daß die Kommission annimmt, die gemachten Angaben rechtfertigten den Antrag. Die Frage, ob ein Antrag formal vollständig ist, ist nämlich von dessen inhaltlicher Prüfung zu unterscheiden.

20 Wenn der Antrag in dem dargelegten Sinn formal vollständig ist und die in Rede stehende Frist zu laufen begonnen hat, ist die Entscheidung darüber, ob dem Antrag stattzugeben ist oder ob er abzulehnen ist, innerhalb dieser Frist zu treffen. Die betreffenden Bestimmungen hindern die Kommission jedoch nicht daran, zusätzliche Angaben zu verlangen ° wodurch die Frist jedoch weder unterbrochen noch verlängert werden kann ° und, wenn diese Angaben nicht rechtzeitig gemacht werden, aufgrund der ihr vorliegenden Informationen zu entscheiden. Wird jedoch innerhalb dieser Frist kein Beschluß erlassen, so gilt der Antrag gemäß Artikel 30 Absatz 8 Buchstabe b als angenommen.

21 Diese Auslegung wird durch die Tatsache gestützt, daß die genannte Frist im Rahmen der Assoziierungsregelung erstmals durch den ÜLG-Beschluß vom 25. Juli 1991 eingeführt wurde.

22 Mit dieser in den Artikeln 131 bis 136 EWG-Vertrag vorgesehenen Regelung über die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete wird diesen Ländern und Gebieten, deren wirtschaftliche und soziale Entwicklung die Regelung fördern soll, eine Vergünstigung gewährt, die sowohl in der Zollfreiheit für die aus den ÜLG stammenden Waren bei ihrer Einfuhr in die Gemeinschaft als auch in der Einführung von Abweichungen von den Ursprungsregeln durch Artikel 30 des Anhangs II des ÜLG-Beschlusses zum Ausdruck kommt, der in Absatz 1 Unterabsatz 3 insbesondere vorsieht, daß die Gemeinschaft "allen Anträgen statt[gibt], die... hinreichend begründet sind". Bei der Auslegung der Vorschriften über die Bestimmung des Begriffs der Ursprungswaren ist daher zu berücksichtigen, daß die Gemeinschaft den ÜLG und den Anträgen, die nicht zu schweren Schäden für einen Industriezweig der Gemeinschaft führen können, grundsätzlich wohlwollend gegenübersteht.

23 Im übrigen kann die in Rede stehende Frist nur zu dem Zweck eingeführt worden sein, daß die Anträge auf Abweichung von den Ursprungsregeln von den Gemeinschaftsbehörden effizient und schnell behandelt werden und daß die Rechtssicherheit gewährleistet ist.

24 Nur durch die hier vorgenommene Auslegung kann erreicht werden, daß durch Genehmigung oder Ablehnung des Antrags innerhalb der Frist rasch Klarheit geschaffen wird. Sie steht im übrigen mit dem Interesse der betroffenen ÜLG im Einklang, da diese im Fall der Ablehnung die Möglichkeit haben, entweder den ablehnenden Beschluß vom Gerichtshof überprüfen zu lassen oder schnell einen neuen Antrag einzureichen, der unter Beachtung der Hinweise in der Begründung des ablehnenden Beschlusses vervollständigt ist.

25 Hingegen führt die von der Kommission vorgeschlagene Auslegung dazu, daß es zu einer Verwechslung zwischen dem Zeitpunkt, in dem die genannte Frist zu laufen beginnt, und der inhaltlichen Prüfung des Antrags kommt. Sie ermöglicht es ausserdem den Gemeinschaftsbehörden, das Verfahren zu verschleppen, und sie lässt bis zum Erlaß der inhaltlichen Entscheidung Ungewißheit darüber bestehen, ob die Frist schon zu laufen begonnen hat. Solche Auswirkungen würden im Widerspruch zu den dargelegten Zwecken der Assoziierungsregelung und zu den Erfordernissen der Rechtssicherheit stehen.

26 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht, daß der in Rede stehende Antrag etwa in formaler Hinsicht unvollständig gewesen wäre; vielmehr zeigt sie, daß die Kommission, nachdem sie den Antrag schon inhaltlich zu prüfen begonnen hatte, Zweifel an seiner Berechtigung bekam und von den Betroffenen zusätzliche Auskünfte verlangte. Da durch dieses Ersuchen die Frist von sechzig Werktagen nicht unterbrochen werden konnte, musste der Antrag der Regierung der Niederländischen Antillen gemäß Artikel 30 Absatz 8 Buchstabe b mit Ablauf der genannten Frist als stillschweigend angenommen gelten.

27 Es ist demgemäß festzustellen, daß der angefochtene Beschluß rechtswidrig ist, da die Kommission wegen Zeitablaufs nicht mehr befugt war, den Antrag abzuweisen, nachdem ihm stillschweigend stattgegeben worden war; der Beschluß ist somit für nichtig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Der Beschluß C(92) 2655 endg. der Kommission vom 6. November 1992, mit dem die von den Niederländischen Antillen beantragte Abweichung von der Bestimmung des Begriffs der Ursprungswaren in bezug auf bespielte Videokassetten des Codes 8524 der Kombinierten Nomenklatur abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

2) Die Kommission trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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