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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: C-431/05
Rechtsgebiete: TRIPs-Übereinkommen


Vorschriften:

TRIPs-Übereinkommen Art. 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

11. September 2007

"Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation - Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens - Patente - Mindestdauer des Schutzes - Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die eine kürzere Dauer vorsehen - Art. 234 EG - Zuständigkeit des Gerichtshofs - Unmittelbare Wirkung"

Parteien:

In der Rechtssache C-431/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Supremo Tribunal de Justiça (Portugal) mit Entscheidung vom 3. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2005, in dem Verfahren

Merck Genéricos - Produtos Farmacêuticos Ldª

gegen

Merck & Co. Inc.,

Merck Sharp & Dohme Ldª

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), A. Rosas, K. Lenaerts, P. Kuris, E. Juhász und J. Klucka sowie der Richter K. Schiemann, G. Arestis, U. Lõhmus, E. Levits und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Merck Genéricos - Produtos Farmacêuticos Ldª, vertreten durch F. Bívar Weinholtz, advogado,

- der Merck & Co. Inc. und der Merck Sharp & Dohme Lda, vertreten durch R. Subiotto, solicitor, und durch R. Polónio de Sampaio, advogado,

- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. Negrão als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dashwood, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Martenczuk und M. Afonso als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 33 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPs-Übereinkommen) in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), das am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet und durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigt wurde (im Folgenden: WTO-Übereinkommen).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Merck Genéricos - Produtos Farmacêuticos Lda (im Folgenden: Merck Genéricos) einerseits sowie der Merck & Co. Inc. (im Folgenden: M & Co.) und der Merck, Sharp & Dohme Lda (im Folgenden: MSL) andererseits wegen der Merck Genéricos vorgeworfenen Verletzung eines Patents, dessen Inhaberin M & Co. in Portugal ist.

Rechtlicher Rahmen

Das WTO-Übereinkommen und das TRIPs-Übereinkommen

3 Das WTO-Übereinkommen und das TRIPs-Übereinkommen, das integraler Bestandteil des ersteren ist, sind am 1. Januar 1995 in Kraft getreten. Nach Art. 65 Abs. 1 des TRIPs-Übereinkommens war allerdings kein WTO-Mitglied verpflichtet, dieses Übereinkommen vor Ablauf einer allgemeinen Frist von einem Jahr, d. h. vor dem 1. Januar 1996, anzuwenden.

4 Art. 33 ("Schutzdauer") des TRIPs-Übereinkommens im Abschnitt 5 ("Patente") von Teil II, der die Normen betreffend die Verfügbarkeit, den Umfang und die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums enthält, bestimmt:

"Die erhältliche Schutzdauer endet nicht vor dem Ablauf einer Frist von 20 Jahren, gerechnet ab dem Anmeldetag."

Nationales Recht

5 Art. 7 des Kodex über das gewerbliche Eigentum (Código da Propriedade Industrial), der durch das Dekret Nr. 30.679 vom 24. August 1940 angenommen wurde (im Folgenden: Kodex über das gewerbliche Eigentum von 1940), bestimmt, dass die Rechte aus dem Patent nach 15 Jahren seit Erteilung wieder frei verfügbar werden.

6 Ein neuer Kodex über das gewerbliche Eigentum, der mit dem Gesetzesdekret Nr. 16/95 vom 24. Januar 1995 angenommen wurde (im Folgenden: Kodex über das gewerbliche Eigentum von 1995), trat am 1. Juni 1995 in Kraft.

7 Art. 94 dieses Kodex bestimmte, dass die Gültigkeit des Patents 20 Jahre gerechnet ab dem Anmeldetag beträgt.

8 Art. 3 des Gesetzesdekrets Nr. 16/95 enthielt jedoch folgende Übergangsbestimmung:

"Die Patente, die vor Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzesdekrets angemeldet wurden, behalten die Gültigkeitsdauer, die ihnen Art. 7 des Kodex über das gewerbliche Eigentum [von 1940] verleiht."

9 Jener Art. 3 wurde später durch Art. 2 des Gesetzesdekrets Nr. 141/96 vom 23. August 1996, das am 12. September 1996 in Kraft trat, ohne Rückwirkung aufgehoben.

10 Art. 1 dieses Gesetzesdekrets lautet:

"Die Patente, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzesdekrets Nr. 16/95 vom 24. Januar 1995 angemeldet wurden, die am 1. Januar 1996 galten oder die nach diesem Datum erteilt wurden, sind durch Art. 94 des Kodex über das gewerbliche Eigentum [von 1995] geregelt."

11 Der gegenwärtig geltende Kodex über das geistige Eigentum wurde durch das Gesetzesdekret Nr. 36/2003 vom 5. März 2003 angenommen. Art. 99 des Kodex bestimmt:

"Dauer

Die Gültigkeit des Patents beträgt 20 Jahre gerechnet ab dem Anmeldetag."

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

12 Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, wie er sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, kann wie folgt zusammengefasst werden.

13 M & Co. ist Inhaberin des portugiesischen Patents Nr. 70.542, das am 4. Dezember 1979 angemeldet und am 8. April 1981 erteilt wurde. Dieses Patent mit der Bezeichnung "Verfahren zur Zubereitung von Aminosäurederivaten als Bluthochdruckmittel" bezieht sich auf ein Verfahren zur Zubereitung einer Arzneimittelverbindung, die den Wirkstoff Enalapril enthält. Das daraus hervorgegangene Arzneimittel wurde seit dem 1. Januar 1985 unter der Marke RENITEC vermarktet. Eine Lizenz zur Nutzung dieses Patents einschließlich der Befugnis zu seiner Verteidigung wurde MSL erteilt.

14 1996 brachte Merck Genéricos ein Arzneimittel unter der Marke ENALAPRIL MERCK auf den Markt, das sie zu erheblich unter den Preisen des Arzneimittels der Marke RENITEC liegenden Preisen vermarktet und für das sie bei der Werbung gegenüber Ärzten versicherte, es handele sich um das gleiche Arzneimittel wie RENITEC.

15 M & Co. und MSL erhoben Klage gegen Merck Genéricos und beantragten, diese zu verurteilen, es zu unterlassen, das betreffende Produkt unter der Marke ENALAPRIL MERCK oder jeder anderen Handelsbezeichnung ohne ausdrückliche und förmliche Genehmigung von M & Co. und MSL nach Portugal einzuführen, es dort zu vermarkten oder es auszuführen, sowie den Klägerinnen die durch ihr rechtswidriges Verhalten entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

16 Zu ihrer Verteidigung führte Merck Genéricos u. a. an, dass die Schutzdauer des Patents Nr. 70.542 abgelaufen sei, da die in Art. 7 des Kodex über das gewerbliche Eigentum von 1940, der nach der Übergangsregelung des Art. 3 des Gesetzesdekrets Nr. 16/95 anwendbar sei, vorgesehene Frist von 15 Jahren am 9. April 1996 verstrichen sei.

17 M & Co. und MSL erwiderten, dass das betreffende Patent nach Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens erst am 4. Dezember 1999 abgelaufen sei.

18 In erster Instanz wurde die Klage von M & Co. und MSL abgewiesen. In der Berufungsinstanz verurteilte das Tribunal da Relação de Lisboa (Berufungsgericht Lissabon) Merck Genérico jedoch, M & Co. und MSL wegen der Verletzung des Patents Nr. 70.542 zu entschädigen, da dieses Patent nach Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens, der unmittelbare Wirkung habe, am 9. April 2001 und nicht am 9. April 1996 abgelaufen sei.

19 Merck Genéricos legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) ein und machte u. a. geltend, dass Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens keinerlei unmittelbare Wirkung habe.

20 Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der Kodex über das gewerbliche Eigentum von 1995, insbesondere sein Art. 94, der die Mindestdauer der Gültigkeit von Patenten auf 20 Jahre festlege, im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

21 Folglich sei aufgrund von Art. 7 des Kodex über das gewerbliche Eigentum von 1940 zu entscheiden, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Patent am 8. April 1996 abgelaufen sei.

22 Sei indessen Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens, der eine Schutzdauer von mindestens 20 Jahren für Patente vorsehe, anwendbar, so sei der Rechtsstreit anders zu entscheiden, da M & Co. und MSL dann zu Recht den Schutz des im Ausgangsverfahren fraglichen Patents verlangten.

23 Hierzu stellt das Supremo Tribunal de Justiça fest, dass Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens nach den Grundsätzen des portugiesischen Rechts über die Auslegung völkerrechtlicher Übereinkünfte unmittelbare Wirkung in dem Sinne habe, dass sich ein Einzelner gegenüber einem anderen in einem Rechtsstreit auf diese Vorschrift berufen könne.

24 Das vorlegende Gericht erinnert außerdem daran, dass sich der Gerichtshof in Bezug auf die Auslegung der Vorschriften des TRIPs-Übereinkommens auf dem Gebiet der Marken bereits für zuständig erklärt habe, wenn diese auf Situationen Anwendung fänden, die sowohl dem nationalen Recht als auch dem Gemeinschaftsrecht unterlägen (Urteile vom 16. Juni 1998, Hermès, C-53/96, Slg. 1998, I-3603, und vom 14. Dezember 2000, Dior u. a., C-300/98 und C-392/98, Slg. 2000, I-11307).

25 Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber auf dem Gebiet der Patente folgende Vorschriften erlassen hat:

- Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1),

- Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227, S. 1), ein Bereich, der ausdrücklich von Art. 27 Abs. 3 Buchst. b des TRIPs-Übereinkommens erfasst sei, und

- Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213, S. 13).

26 Das vorlegende Gericht ist daher der Auffassung, der Gerichtshof sei auch für die Auslegung der Vorschriften des TRIPs-Übereinkommens über Patente, darunter Art. 33 des Übereinkommens, zuständig.

27 Es räumt jedoch ein, dass dieser Standpunkt anfechtbar sei, da die Akte des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Patente im Gegensatz zu den Gemeinschaftsregelungen über Marken nur bestimmte präzise Bereiche beträfen.

28 Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal de Justiça das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften für die Auslegung von Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens zuständig?

2. Falls die erste Frage bejaht wird: Müssen die nationalen Gerichte diese Vorschrift in bei ihnen anhängigen Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer der Parteien anwenden?

Zu den Vorlagefragen

29 Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es das Gemeinschaftsrecht einem nationalen Gericht verwehrt, Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit unmittelbar anzuwenden.

30 Vorab ist daran zu erinnern, dass nach Art. 300 Abs. 7 EG "[d]ie nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen ... für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich [sind]".

31 Das WTO-Übereinkommen, zu dem das TRIPs-Übereinkommen gehört, ist von der Gemeinschaft unterzeichnet und sodann mit dem Beschluss 94/800 genehmigt worden. Nach ständiger Rechtsprechung sind deshalb die Vorschriften des TRIPs-Übereinkommens fortan integraler Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung (vgl. u. a. Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C-344/04, Slg. 2006, I-403, Randnr. 36, und vom 30. Mai 2006, Kommission/Irland, C-459/03, Slg. 2006, I-4635, Randnr. 82). Im Rahmen dieser Rechtsordnung ist der Gerichtshof zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Übereinkommens zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 30. April 1974, Haegeman, 181/73, Slg. 1974, 449, Randnrn. 4 bis 6, und vom 30. September 1987, Demirel, 12/86, Slg. 1987, 3719, Randnr. 7).

32 Das WTO-Übereinkommen wurde von der Gemeinschaft und allen ihren Mitgliedstaaten aufgrund einer geteilten Zuständigkeit geschlossen; dabei wurden, wie der Gerichtshof bereits in Randnr. 24 des Urteils Hermès ausgeführt hat, ihre jeweiligen Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsparteien nicht zwischen ihnen aufgeteilt.

33 Da das TRIPs-Übereinkommen von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten aufgrund einer geteilten Zuständigkeit geschlossen wurde, ist folglich der Gerichtshof, wenn er gemäß den Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere Art. 234 EG, angerufen wird, dafür zuständig, die in dieser Weise von der Gemeinschaft übernommenen Verpflichtungen zu bestimmen und hierzu die Vorschriften des TRIPs-Übereinkommens auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dior u. a., Randnr. 33).

34 Wie der Gerichtshof darüber hinaus bereits entschieden hat, unterliegen der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die von den Gerichten hierzu getroffenen Maßnahmen nicht dem Gemeinschaftsrecht, soweit es sich um einen Bereich handelt, in dem die Gemeinschaft noch keine Rechtsvorschriften erlassen hat und der somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt; folglich gebietet es das Gemeinschaftsrecht nicht, schließt es aber auch nicht aus, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats dem Einzelnen das Recht zuerkennt, sich unmittelbar auf eine Bestimmung des TRIPs-Übereinkommens zu berufen, oder die Gerichte verpflichtet, diese Bestimmung von Amts wegen anzuwenden (vgl. Urteil Dior u. a., Randnr. 48).

35 Wird dagegen festgestellt, dass eine Gemeinschaftsregelung in dem betreffenden Bereich besteht, findet das Gemeinschaftsrecht Anwendung, was die Verpflichtung umfasst, soweit wie möglich eine dem TRIPs-Übereinkommen entsprechende Auslegung vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dior u. a., Randnr. 47), ohne dass der fraglichen Bestimmung des Übereinkommens jedoch eine unmittelbare Wirkung zuerkannt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Dior u. a., Randnr. 44).

36 Die Beantwortung der Frage, welcher der beiden in den Randnrn. 34 und 35 des vorliegenden Urteils ins Auge gefassten Fälle angesichts des Bereichs, zu dem die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bestimmung des TRIPs-Übereinkommens gehört, vorliegt, impliziert die Prüfung der Frage der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten.

37 Diese letztere Frage erfordert eine einheitliche Antwort auf Gemeinschaftsebene, die nur der Gerichtshof geben kann.

38 Mithin besteht ein klares Interesse der Gemeinschaft daran, dass der Gerichtshof als zuständig für die Auslegung von Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens angesehen wird, um darüber zu entscheiden, wie ihn das vorlegende Gericht hier ersucht, ob das Gemeinschaftsrecht es verwehrt, dieser Bestimmung eine unmittelbare Wirkung zuzuerkennen.

39 Unter Berücksichtigung der in den Randnrn. 34 und 35 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen Grundsätze ist daher zu prüfen, ob in dem speziellen Bereich, zu dem Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens gehört, d. h. dem der Patente, eine Gemeinschaftsregelung existiert.

40 Es ist festzustellen, dass dies beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht der Fall ist.

41 Unter den vom vorlegenden Gericht angeführten Gemeinschaftsakten betrifft nämlich nur die Richtlinie 98/44 den eigentlichen Bereich der Patente. Diese Richtlinie regelt jedoch nur ein punktuelles und isoliertes Gebiet in diesem Bereich, nämlich die Patentfähigkeit biotechnologischer Erfindungen, das außerdem vom Gegenstand des Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens völlig verschieden ist.

42 Die Verordnung Nr. 2100/94 errichtet eine gemeinschaftliche Sortenschutzregelung, die sich, wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge bemerkt und die Kommission eingeräumt hat, der Regelung für den Patentschutz nicht gleichstellen lässt. So sieht Art. 19 der Verordnung eine Schutzdauer von 25 Jahren oder sogar 30 Jahren nach Erteilung des Schutzes vor.

43 Schließlich ist zur Verordnung Nr. 1768/92, neben der außerdem die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. L 198, S. 30) angeführt werden kann, daran zu erinnern, dass ein solches Zertifikat bezweckt, die Länge des Zeitraums zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für die betreffenden Erzeugnisse und der Genehmigung für das Inverkehrbringen auszugleichen, indem sie in bestimmten Fällen einen ergänzenden Zeitraum für den Patentschutz vorsieht (vgl. zur Verordnung Nr. 1768/92 Urteil vom 21. April 2005, Novartis u. a., C-207/03 undC-252/03, Slg. 2005, I-3209, Randnr. 2).

44 Das ergänzende Zertifikat betrifft weder den nationalen und daher eventuell unterschiedlichen Umfang des Schutzes aus dem Patent noch spezifisch die Dauer des Patents als solche, das der Regelung durch das nationale Recht, aufgrund dessen es erworben wurde, unterworfen bleibt.

45 Dies ergibt sich aus Art. 5 der beiden genannten Verordnungen, wonach "das Zertifikat dieselben Rechte wie das Grundpatent [gewährt] und ... denselben Beschränkungen und Verpflichtungen [unterliegt]", sowie aus Art. 13 Abs. 1 der Verordnung, der vorsieht, dass "[d]as Zertifikat ... ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents [gilt]".

46 Somit ist festzustellen, dass die Gemeinschaft ihre Zuständigkeiten im Bereich der Patente noch nicht oder, zumindest auf interner Ebene, bisher in zu geringem Umfang ausgeübt hat, als dass angenommen werden könnte, dass dieser Bereich derzeit unter das Gemeinschaftsrecht fällt.

47 Unter Berücksichtigung des in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen Grundsatzes ist daraus zu folgern, dass es den Mitgliedstaaten, da Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens in einen Bereich fällt, in dem diese im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich zuständig bleiben, freisteht, dieser Bestimmung unmittelbare Wirkung zuzuerkennen oder nicht.

48 Daher ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass es das Gemeinschaftsrecht beim gegenwärtigen Stand der Gemeinschaftsregelungen auf dem Gebiet der Patente einem nationalen Gericht nicht verwehrt, Art. 33 des TRIPs-Übereinkommens unter den im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen unmittelbar anzuwenden.

Kostenentscheidung:

Kosten

49 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Beim gegenwärtigen Stand der Gemeinschaftsregelungen auf dem Gebiet der Patente verwehrt es das Gemeinschaftsrecht einem nationalen Gericht nicht, Art. 33 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), das am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet und durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt wurde, unter den im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen unmittelbar anzuwenden.

Ende der Entscheidung

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