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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.2002
Aktenzeichen: C-435/00
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 4055/86


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern steht dem entgegen, dass in einem Mitgliedstaat unterschiedliche Hafenabgaben für innerstaatliche oder innergemeinschaftliche Verbindungen und für Verbindungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland angewendet werden, wenn dieser Unterschied nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Es stellt folglich eine gegen diesen Artikel 1 verstoßende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, wenn durch einen Mitgliedstaat von Passagieren auf Schiffen, die einen Hafen eines Drittlandes anlaufen oder als endgültigen Bestimmungsort haben, andere Hafenabgaben erhoben werden als von den Passagieren der Schiffe mit Bestimmungsort im Inland oder in den Mitgliedstaaten, ohne dass eine Korrelation zwischen diesem Unterschied und den Kosten der Hafendienstleistungen besteht, die diesen Passagiergruppen zugute kommen.

( vgl. Randnrn. 24, 26, Tenor 1-2 )

2. Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern lässt nicht zu, dass für Fahrten nach Häfen in Drittländern Hafenabgaben erhoben werden, die sich nach die Entfernung oder die geografische Lage dieser Häfen betreffenden Kriterien ändern, wenn der Unterschied zwischen diesen Abgaben nicht durch Unterschiede in der Behandlung der Reisenden wegen ihres Bestimmungsortes oder ihres Herkunftsortes objektiv gerechtfertigt ist.

( vgl. Randnr. 29, Tenor 3 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 14. November 2002. - Geha Naftiliaki EPE und andere gegen NPDD Limeniko Tameio DOD/SOU und Elliniko Dimosio. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Dioikitiko Protodikeio Rodou - Griechenland. - Verkehr - Seeverkehr - Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkung - Für alle Dienstleistungserbringer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit geltende nationale Regelung, die zwischen innerstaatlichem oder innergemeinschaftlichem Verkehr und Verkehr nach Drittstaaten unterscheidet. - Rechtssache C-435/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-435/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Dioikitiko Protodikeio Rodou (Griechenland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Geha Naftiliaki EPE,

Total Scope NE,

Stavros Georgios,

Afoi Charalampis OE,

Anastasios Charalampis,

Nikolaos Sarlis,

Dimitrios Kattidenios,

Antonios Charalampis,

Vasileios Dimitrakopoulos

gegen

Limeniko Tameio Dodekanisou

und

Elliniko Dimosio

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1, und Berichtigung, ABl. 1987, L 93, S. 17)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet (Berichterstatter) sowie des Richters C. Gulmann, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Geha Naftiliaki EPE, der Total Scope NE, des Stavros Georgios, der Afoi Charalampis OE, des Anastasios Charalampis und des Nikolaos Sarlis, vertreten durch E. Bakaloumas, dikigoros,

- des Limeniko Tameio Dodekanisou, vertreten durch I. Stamoulis, dikigoros,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia und B. Mongin als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juli 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Dioikitiko Protodikeio Rodou (Erstinstanzliches Verwaltungsgericht Rhodos) hat mit Beschluss vom 10. Juli 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 27. November 2000, nach Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1, und Berichtigung, ABl. 1987, L 93, S. 17) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Geha Naftiliaki EPE, der Total Scope NE, Stavros Georgios, der Afoi Charalampis OE, Anastasios Charalampis, Nikolaos Sarlis, Dimitrios Kattidenios, Antonios Charalampis sowie Vasileios Dimitrakopoulos und dem Limeniko Tameio Dodekanisou (im Folgenden: Hafenkasse des Dodekanes) sowie dem griechischen Staat. Die Fragen beziehen sich darauf, dass nach den griechischen Rechtsvorschriften für Reisende nach Häfen von Drittländern höhere Hafengebühren festgesetzt werden.

Der rechtliche Rahmen

Die gemeinschaftsrechtliche Regelung

3 Verordnung Nr. 4055/86 bestimmt:

Artikel 1

(1) Der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern gilt für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Dienstleistungsnehmers.

(2) Diese Verordnung gilt auch für außerhalb der Gemeinschaft ansässige Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und für Linienreedereien mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft, die von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats kontrolliert werden, sofern deren Schiffe in diesem Mitgliedstaat nach den dort geltenden Rechtsvorschriften registriert sind.

...

(4) Als Dienstleistungsverkehr in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern im Sinne dieser Verordnung gelten die nachstehenden Dienstleistungen, wenn sie gewöhnlich gegen Entgelt erbracht werden:

a) Innergemeinschaftlicher Schiffsverkehr:

die Beförderung von Personen oder Gütern auf dem Seewege zwischen einem Hafen eines Mitgliedstaats und einem Hafen oder einer Offshore-Anlage eines anderen Mitgliedstaats;

b) Verkehr mit Drittländern:

die Beförderung von Personen oder Gütern auf dem Seeweg zwischen den Häfen eines Mitgliedstaats und den Häfen oder Offshore-Anlagen eines Drittlandes.

...

Artikel 6

(1) Befinden sich die Staatsangehörigen oder die Reedereien eines Mitgliedstaates im Sinne von Artikel 1 Absätze 1 und 2 in der Lage oder drohen sie in die Lage zu geraten, dass sie keine wirksame Möglichkeit haben, am Seeverkehr mit einem bestimmten Drittland teilzunehmen, so teilt der betreffende Mitgliedstaat dies den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission so bald wie möglich mit.

...

Artikel 7

Der Rat kann im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages diese Verordnung auf Staatsangehörige eines Drittlandes ausdehnen, die Seeverkehrsleistungen erbringen und in der Gemeinschaft ansässig sind.

...

Artikel 9

Solange die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs nicht aufgehoben sind, wendet jeder Mitgliedstaat solche Beschränkungen ohne Unterscheidung nach der Staatszugehörigkeit oder dem Sitz derjenigen an, die Dienstleistungen im Sinne des Artikels 1 Absätze 1 und 2 erbringen.

...

Artikel 12

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft."

Die innerstaatliche Regelung

4 Artikel 6 des Gesetzes Nr. 2399/1996 (FEK A' 90) in der bei Erlass der im Ausgangsverfahren angefochtenen Bescheide geltenden Fassung bestimmt:

(1) Für jeden Passagier, der an Bord eines Seebeförderungsmittels geht und einen Bestimmungsort im Inland oder im Ausland hat, wird eine besondere Abgabe zugunsten des staatlichen Trägers der Verwaltung und des Betriebs des Einschiffungshafens erhoben, die eine Gegenleistung für die Modernisierung und die Verbesserung der Hafenanlagen und -einrichtungen, die Nutzung des Hafens und andere damit verwandte Zwecke darstellt, die mit der Verbesserung der Dienstleistungen für die Reisenden zusammenhängen.

(2) Die Abgabe besteht aus einem prozentualen Zuschlag zum Preis der Schiffskarte oder aus einem festen Betrag in Drachmen, je nach Bestimmungshafen des Reisenden, Art der Reise, Schiffskategorie etc., und wird wie folgt festgelegt:

A. Für Passagiere auf Fahrgastschiffen, Fahrgast- und Fahrzeugtransportschiffen jeder Art und Tragfluegelschiffen inländischer Linien in Höhe von 5 % des Preises der Schiffskarten.

B. Für Passagiere auf Fahrgastschiffen sowie Fahrgast- und Fahrzeugtransportschiffen unter griechischer oder ausländischer Flagge von Auslandslinien:

a) eine feststehende Abgabe in Höhe von 5 000 GRD für jeden Passagier mit Bestimmungsort in irgendeinem Hafen des Auslands mit Ausnahme der Länder der Europäischen Union, Zyperns, Albaniens, Russlands, der Ukraine, Moldawiens und Georgiens am Schwarzen Meer;

...

e) ein Betrag in Höhe von 30 % des Aufkommens aus der feststehenden Abgabe, die im vorstehenden Buchstaben dieses Absatzes vorgesehen ist, wird von den betreffenden Hafenkassen an die NAT (Naftiko Apomachiko Tameio; Schifffahrtsversorgungskasse) nach den Verfahren abgeführt, die in den für die NAT geltenden diesbezüglichen Vorschriften vorgesehen sind.

C. Für Passagiere, die an Rundreisen (Kreuzfahrten) mit Passagierschiffen für Touristen (Kreuzfahrtschiffen) unter griechischer oder ausländischer Flagge teilnehmen:

a) eine feststehende Gebühr in Höhe von 50 GRD für jeden Passagier, der an einer eintägigen Kreuzfahrt zwischen griechischen Häfen teilnimmt, für jeden Hafen, den das Schiff anläuft. Erstreckt sich die eintägige Kreuzfahrt auch auf einen Hafen im Ausland, so wird je nach Lage des Falles im letzten Hafen die feststehende Gebühr entrichtet, die in diesem Absatz unter B.a, B.b und B.c vorgesehen ist.

...

(4) Die Abgabe wird auf den Schiffskarten vermerkt, und für ihre Einziehung sind die Aussteller der Schiffskarten verantwortlich, d. h. die Schiffsagenturen, die Reisebüros und entsprechende Unternehmen. Der für einen Kalendermonat jeweils eingezogene Betrag ist von den für die Einziehung Verantwortlichen innerhalb der ersten zehn Tage des folgenden Monats auf das bei der Bank von Griechenland geführte Sonderkonto für den berechtigten staatlichen Träger der Verwaltung und des Betriebs des Hafens mit dem alleinigen Vermerk ,Durchführung von Arbeiten im Interesse der Reisenden zusammen mit einer Aufstellung einzuzahlen, aus der sich die Zahl der ausgegebenen Schiffskarten nach Klassen und der zu zahlende Geldbetrag ergibt. Diese Beträge sind ausschließlich für Arbeiten im Interesse der Reisenden bestimmt.

(5) Die für die Einziehung verantwortlichen Unternehmen haften gesamtschuldnerisch und in vollem Umfang neben den abgabepflichtigen Passagieren für die Entrichtung der Abgabe....

(6) Die Festlegung der als Hafenabgabe geschuldeten Beträge erfolgt durch Rechtsakt des Kollegialorgans des öffentlichen Trägers der Verwaltung und des Betriebs des Hafens...."

Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen

5 Die Firmen Geha Naftiliaki EPE und Total Scope NE sind Reeder der Tragfluegelschiffe Fl. Marianna" bzw. Fl. Zeus". Die Schiffseigentümergemeinschaft Anastasios Charalampis, Nikolaos Sarlis, Dimitrios Kattidenios, Antonios Charalampis und Vasileios Dimitrakopoulos ist Reeder des Tragfluegelschiffs Iviskos"; ihre Schiffsagentin ist die Firma Afoi Charalampis OE.

6 Diese drei Schiffe führen Fahrten vom Hafen Rhodos in die Türkei mit Rückkehr am selben Tag durch. Im Juni 1996 beförderten sie 4 067 Tagespassagiere und 3 703 Transitpassagiere.

7 Mit Bescheid vom 1. August 1996 stellte die Hafenkasse des Dodekanes die Nichtzahlung von Hafenabgaben unter anderem zu Lasten des Stavros Georgios, des Vertreters der Geha Naftiliaki EPE und der Total Scope NE, und zu Lasten der Afoi Charalampis OE fest. Dieser Feststellungsbescheid wurde am 5. August 1996 durch den Regionaldirektor des Dodekanes bestätigt.

8 Mit ihrer beim vorlegenden Gericht erhobenen Klage beantragen die Kläger des Ausgangsverfahrens die Aufhebung der in der vorstehenden Randnummer genannten Entscheidungen sowie die Erstattung bestimmter als Hafenabgaben gezahlter Beträge.

9 In der Begründung ihrer Klage machen sie geltend, die im Ausgangsverfahren streitigen Hafenabgabenbeträge seien nicht ordnungsgemäß berechnet worden. Sie sind der Auffassung, dass diese Abgaben gemäß Artikel 6 Absatz 2 Punkt A des Gesetzes Nr. 2399/1996 erhoben werden müssten, d. h. in Höhe von 5 % des Preises der Schiffskarte, und nicht gemäß Artikel 6 Absatz 2 Punkt B Buchstabe a dieses Gesetzes, der einen Betrag von 5 000 GRD pro Passagier vorsehe, da die betroffenen Schiffe von Reisebüros in Vollcharter zur Durchführung von Tagesausfluegen von Rhodos in die Türkei gechartert worden seien und der Bestimmungsort dieser Schiffe Rhodos, d. h. ein Hafen im Inland, und nicht die Türkei gewesen sei.

10 Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen außerdem geltend, Tragfluegelschiffe unterlägen nicht der in Artikel 6 Absatz 2 Punkt B Buchstabe a des Gesetzes Nr. 2399/1996 vorgesehenen Abgabe, denn sie seien darin nicht besonders erwähnt, sondern der in Artikel 6 Absatz 2 Punkt A dieses Gesetzes vorgesehenen Abgabe.

11 Die Berechnung der Hafenabgaben nach dem Bestimmungsort des Schiffes schaffe eine Diskriminierung nicht nur zu ihren Lasten, sondern auch zu Lasten der Reisenden. Diese Diskriminierung sei aufgrund der internationalen Verpflichtungen der Hellenischen Republik verboten. Sie sei vor allem unvereinbar mit den Artikeln 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG), 62 EG-Vertrag (durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben) und 84 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 80 EG) sowie mit der Verordnung Nr. 4055/86.

12 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass der durch den Bescheid vom 1. August 1996 der Hafenkasse des Dodekanes festgestellte Betrag der Hafenabgaben zu Recht nach Artikel 6 Absatz 2 Punkt B Buchstabe a des Gesetzes Nr. 2399/1996 berechnet worden sei, denn im vorliegenden Fall sei Artikel 6 Absatz 2 Punkt C Buchstabe a dieses Gesetzes anzuwenden, da es sich um eintägige Kreuzfahrten handle.

13 Ebenfalls zu Recht sei die in Artikel 6 Absatz 2 Punkt B Buchstabe a des Gesetzes Nr. 2399/1996 vorgesehene Abgabe auf die mit den Tragfluegelschiffen Fl. Marianna", Fl. Zeus" und Iviskos" beförderten Reisenden angewendet worden.

14 Die im Ausgangsverfahren streitigen Hafenabgaben würden für die Nutzung der Häfen und zur Modernisierung und Verbesserung der Hafenanlagen erhoben. Diese Abgaben würden als Gegenleistung für eine spezifische Dienstleistung erhoben, die für die Schiffe, die die Häfen anliefen, und für deren Passagiere anlässlich der Nutzung dieser Anlagen erbracht werde, und sie würden an den mit der Verwaltung und dem Betrieb des Hafens betrauten staatlichen Träger gezahlt.

15 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Verordnung Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern ab 1. Januar 1987 führe.

16 Das Dioikitiko Protodikeio Rodou ist der Ansicht, dass die Anwendung dieser Verordnung auf das Ausgangsverfahren Schwierigkeiten aufwerfe, und hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 des Rates der Europäischen Union dahin auszulegen, dass es verboten ist, durch innerstaatliche Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern im Allgemeinen einzuführen, auch wenn diese Beschränkungen ohne Unterschied für alle Schiffe unabhängig davon eingeführt werden, ob diese von inländischen Dienstleistungserbringern oder von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten eingesetzt werden, und für alle Passagiere ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, oder ist er dahin auszulegen, dass es verboten ist, Beschränkungen durch innerstaatliche Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nur für die Erbringung von Dienstleistungen zwischen einem anderen Mitgliedstaat und einem Drittland einzuführen, und auf diese Weise den inländischen Beförderungsunternehmen, die Seeschifffahrt nach Drittländern betreiben, im Verhältnis zu den Beförderungsunternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten eine günstigere Behandlung vorbehalten ist?

2. Darf ein Mitgliedstaat bei den Passagieren der Schiffe, die einen Hafen eines Drittlandes (außerhalb der Europäischen Union) anlaufen oder als endgültigen Bestimmungsort haben, andere (höhere) Hafenabgaben erheben als bei Passagieren, deren Ziel Häfen im Inland oder in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, selbst wenn diese Abgaben auch in den beiden oben genannten Fällen bei allen Passagieren unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder der Nationalität der Schiffe erhoben werden, oder stellt eine solche Regelung etwa eine Beschränkung der freien Beförderung von Passagieren nach Drittländern aus dem Grund dar, dass die höhere Abgabe unter Umständen Auswirkungen auf die Wahl der Reiserouten hat und diese Regelung demzufolge mit Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 unvereinbar ist?

3. Wenn nein: Ist es möglich, dass die Hafenabgaben, die bei den Passagieren erhoben werden, deren Ziel Häfen von Drittländern sind, noch weiter je nach dem Drittland nach dem Kriterium der Entfernung zwischen den Häfen oder der geografischen Lage differenziert werden, oder verstößt eine solche innerstaatliche gesetzliche Regelung ebenfalls gegen die genannte Verordnung, weil sie eine Diskriminierung in Bezug auf den Seeverkehr nach einem bestimmten Drittland (oder Drittländern) und daher eine Beschränkung des Seeverkehrs, der nach diesem Land (diesen Ländern) betrieben wird, darstellt?

Zur ersten Frage

17 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat durch innerstaatliche Rechtsvorschriften Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern einführt, oder ob nach dieser Vorschrift nur die Beschränkungen verboten sind, die eine Diskriminierung zwischen inländischen Beförderungsunternehmen und den Beförderungsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten schaffen, die Seeschifffahrt nach Drittländern betreiben.

18 Die Hafenkasse des Dodekanes trägt vor, mit den im Ausgangsverfahren streitigen Hafenabgaben würden nicht Seeschifffahrtsgesellschaften, sondern von diesen beförderte Reisende belastet, und diese Abgaben fielen demzufolge nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 4055/86. Sie seien dazu bestimmt, die Ausgaben für die Errichtung und die Unterhaltung von Hafenanlagen sowie die Bereitstellung von Hafendienstleistungen im Allgemeinen zu decken. Sie stellten daher Gebühren dar, die mit Artikel 81 EG-Vertrag (jetzt Artikel 77 EG), dessen Gültigkeit durch eine Vorschrift des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts wie Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 nicht in Frage gestellt werden könne, vereinbar seien.

19 Wie die Kommission feststellt, wirkt sich die Erhöhung von Hafenabgaben jedoch unmittelbar und automatisch auf den Fahrpreis in der Weise aus, dass eine Differenzierung bei den von den Passagieren getragenen Abgaben automatisch auf die Kosten der Fahrt überwälzt wird. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Anwendung von differenzierten Hafenabgaben je nachdem, ob es sich um eine innerstaatliche oder eine innergemeinschaftliche Strecke handelt, einen nach der Verordnung Nr. 4055/86 verbotenen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (siehe Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93, Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 21, und - für Flughafenabgaben - vom 26. Juni 2001 in der Rechtssache C-70/99, Kommission/Portugal, Slg. 2001, I-4845).

20 Die Verordnung Nr. 4055/86, durch die alle Vorschriften des Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr auf den Seeverkehr zwischen Mitgliedstaaten anwendbar geworden sind (siehe Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 13), steht der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, die bewirkt, dass die Dienstleistung zwischen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu der Dienstleistung allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert wird, es sei denn, dass diese Regelung durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, und unter der Voraussetzung, dass die mit ihr getroffenen Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig sind (siehe Urteil Kommission/Portugal, Randnr. 28).

21 Da Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4055/86 den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in den innergemeinschaftlichen Verbindungen auf Verbindungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland ausgedehnt hat, sind auf die letztgenannten Verbindungen die Regeln anzuwenden, die für die Erstgenannten herausgearbeitet worden sind.

22 Demzufolge dürfen Seeschifffahrtsdienstleistungen zwischen dem Hafen von Rhodos und einem türkischen Hafen ohne objektive Rechtfertigung (siehe Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 16) nicht strengeren Voraussetzungen unterworfen werden als entsprechende Dienstleistungen zwischen dem Hafen Rhodos und den Häfen der Hellenischen Republik oder anderer Mitgliedstaaten.

23 Artikel 81 EG-Vertrag, auf den sich die Hafenkasse des Dodekanes beruft, steht der Anwendung der Verordnung Nr. 4055/86 keineswegs entgegen. Diese Vorschrift erlaubt einem Verkehrsunternehmer, beim Grenzübergang Abgaben oder Gebühren unter Berücksichtigung der hierdurch tatsächlich verursachten Kosten" in Rechnung zu stellen. Die Hafenkasse legt aber nicht dar, dass diese Kosten sich je nach den Bestimmungsorten in den gleichen Proportionen unterscheiden wie die im Ausgangsverfahren streitigen Hafenabgaben.

24 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 dem entgegensteht, dass in einem Mitgliedstaat unterschiedliche Hafenabgaben für innerstaatliche oder innergemeinschaftliche Verbindungen und für Verbindungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland angewendet werden, wenn dieser Unterschied nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Zur zweiten Frage

25 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob ein Mitgliedstaat in Anbetracht von Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 von Passagieren auf Schiffen, die einen Hafen eines Drittlandes anlaufen oder als endgültigen Bestimmungsort haben, andere Hafenabgaben erheben darf als von den Passagieren der Schiffe, deren Bestimmungsort im Inland oder in anderen Mitgliedstaaten liegt, wenn diese Abgaben unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Passagiere oder der von den Schiffen geführten Flagge angewendet werden.

26 Auf diese Frage ist in Anbetracht der in den Randnummern 19 bis 24 dieses Urteils dargelegten Erwägungen zu antworten, dass es eine gegen Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 verstoßende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, wenn von Passagieren auf Schiffen, die einen Hafen eines Drittlandes anlaufen oder als endgültigen Bestimmungsort haben, andere Hafenabgaben erhoben werden als von den Passagieren der Schiffe mit Bestimmungsort im Inland oder in den Mitgliedstaaten, ohne dass eine Korrelation zwischen diesem Unterschied und den Kosten der Hafendienstleistungen besteht, die diesen Passagiergruppen zugute kommen.

Zur dritten Frage

27 Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 zulässt, dass für Fahrten, deren Ziel Häfen von Drittländern sind, Hafenabgaben erhoben werden, die sich nach die Entfernung oder die geografische Lage dieser Häfen betreffenden Kriterien ändern.

28 Ein Kriterium, bei dem auf die Entfernung oder die geografische Lage des Zielhafens abgestellt wird, kann für sich allein die Erhebung unterschiedlicher Hafengebühren nicht rechtfertigen. Nur das Vorliegen objektiver Unterschiede zwischen den Dienstleistungen, die von den Verkehrsunternehmen gegenüber den Passagieren erbracht werden, kann einen solchen Unterschied rechtfertigen (siehe in diesem Sinne die Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 16, und Kommission/Portugal, Randnr. 36).

29 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 nicht zulässt, dass für Fahrten nach Häfen in Drittländern Hafenabgaben erhoben werden, die sich nach die Entfernung oder die geografische Lage dieser Häfen betreffenden Kriterien ändern, wenn der Unterschied zwischen diesen Abgaben nicht durch Unterschiede in der Behandlung der Reisenden wegen ihres Bestimmungsortes oder ihres Herkunftsortes objektiv gerechtfertigt ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Dioikitiko Protodikeio Rodou mit Beschluss vom 10. Juli 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern steht dem entgegen, dass in einem Mitgliedstaat unterschiedliche Hafenabgaben für innerstaatliche oder innergemeinschaftliche Verbindungen und für Verbindungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland angewendet werden, wenn dieser Unterschied nicht objektiv gerechtfertigt ist.

2. Es stellt eine gegen Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 verstoßende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, wenn von Passagieren auf Schiffen, die einen Hafen eines Drittlandes anlaufen oder als endgültigen Bestimmungsort haben, andere Hafenabgaben erhoben werden als von den Passagieren der Schiffe mit Bestimmungsort im Inland oder in den Mitgliedstaaten, ohne dass eine Korrelation zwischen diesem Unterschied und den Kosten der Hafendienstleistungen besteht, die diesen Passagiergruppen zugute kommen.

3. Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86 lässt nicht zu, dass für Fahrten nach Häfen in Drittländern Hafenabgaben erhoben werden, die sich nach die Entfernung oder die geografische Lage dieser Häfen betreffenden Kriterien ändern, wenn der Unterschied zwischen diesen Abgaben nicht durch Unterschiede in der Behandlung der Reisenden wegen ihres Bestimmungsortes oder ihres Herkunftsortes objektiv gerechtfertigt ist.

Ende der Entscheidung

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