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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.09.2007
Aktenzeichen: C-439/05 P
Rechtsgebiete: Richtlinie 2001/18/EG, Entscheidung 2003/653/EG


Vorschriften:

Richtlinie 2001/18/EG
Entscheidung 2003/653/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

13. September 2007(*)

"Rechtsmittel - Richtlinie 2001/18/EG - Entscheidung 2003/653/EG - Absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt - Art. 95 Abs. 5 EG - Von einer Harmonisierungsmaßnahme abweichende einzelstaatliche Bestimmungen, die durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und durch ein spezifisches Problem für einen Mitgliedstaat gerechtfertigt sind - Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-439/05 P und C-454/05 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingereicht am 7. und 16. Dezember 2005,

Land Oberösterreich, vertreten durch G. Hörmanseder als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt F. Mittendorfer,

Republik Österreich, vertreten durch H. Dossi und A. Hable als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführer,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker und M. Patakia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Klucka (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2007,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Mai 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihren Rechtsmitteln beantragen das Land Oberösterreich und die Republik Österreich die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz vom 5. Oktober 2005, Land Oberösterreich und Republik Österreich/Kommission (T-366/03 und T-235/04, Slg. 2005, II-4005, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/653/EG der Kommission vom 2. September 2003 über die einzelstaatlichen Bestimmungen zum Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen im Land Oberösterreich, die von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG mitgeteilt wurden (ABl. L 230, S. 34, im Folgenden: streitige Entscheidung), abgewiesen hatte.

Rechtlicher Rahmen

2 Mit dem Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist, wurde Art. 100a des EG-Vertrags wesentlich geändert und als Art. 95 EG nummeriert. Art. 95 Abs. 4 bis 6 EG bestimmt:

"(4) Hält es ein Mitgliedstaat, wenn der Rat oder die Kommission eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat, für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit.

(5) Unbeschadet des Absatzes 4 teilt ein Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder die Kommission für erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mit.

(6) Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten nach den Mitteilungen nach den Absätzen 4 und 5, die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

Trifft die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keine Entscheidung, so gelten die in den Absätzen 4 und 5 genannten einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt.

Die Kommission kann, sofern dies aufgrund des schwierigen Sachverhalts gerechtfertigt ist und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der in diesem Absatz genannte Zeitraum gegebenenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs Monaten verlängert wird."

3 Die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106, S. 1) wurde gestützt auf Art. 95 EG erlassen. Gemäß ihrem Art. 1 bezweckt sie die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten sowie den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zum einen bei der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (im Folgenden: GVO) in die Umwelt zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen in der Europäischen Gemeinschaft und zum anderen beim Inverkehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten in der Gemeinschaft.

4 Mit der genannten Richtlinie ist ein System von Anmeldungen und Genehmigungen eingeführt worden, denen nach ihrem Art. 4 Abs. 3 eine Einzelfallprüfung der möglichen schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die unmittelbar oder mittelbar durch den Gentransfer von GVO auf andere Organismen auftreten können, vorangeht.

5 Die Zustimmungen für das Inverkehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten, die vor dem 17. Oktober 2002 nach der Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15) erteilt worden sind, können vor dem 17. Oktober 2006 im vereinfachten Verfahren nach Art. 17 Abs. 2 bis 9 der Richtlinie 2001/18 erneuert werden.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6 Am 13. März 2003 unterrichtete die Republik Österreich die Kommission vom Entwurf eines Gesetzes des Landes Oberösterreich, das die Gentechnik verbietet (Oberösterreichisches Gentechnik-Verbotsgesetz 2002, im Folgenden: mitgeteilte Maßnahme). Dieser Entwurf sah ein Verbot des Anbaus von Saat- und Pflanzgut, das aus GVO besteht oder GVO enthält, sowie der Zucht und des Freilassens von transgenen Tieren zu Zwecken der Jagd und der Fischerei vor. Mit der Mitteilung wurde der Zweck verfolgt, eine Befreiung von den Bestimmungen der Richtlinie 2001/18 nach Art. 95 Abs. 5 EG zu erlangen. Sie stützte sich auf einen von W. Müller verfassten Bericht mit dem Titel "GVO-freie Bewirtschaftungsgebiete: Konzeption und Analyse von Szenarien und Umsetzungsschritten" (im Folgenden: Müller-Bericht).

7 Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, im Folgenden: EFSA), die von der Kommission mit der Frage der Beweiskraft der von der Republik Österreich angeführten wissenschaftlichen Unterlagen befasst worden war, gelangte in ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2003 im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass diese Unterlagen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse enthielten, die ein Verbot von GVO im Land Oberösterreich rechtfertigen würden.

8 Daraufhin erließ die Kommission die streitige Entscheidung. Nach dieser hat die Republik Österreich weder neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt noch bewiesen, dass ein spezifisches Problem für das Land Oberösterreich besteht, das sich erst nach der Verabschiedung der Richtlinie 2001/18 ergeben hätte und das die Einführung der mitgeteilten Maßnahme notwendig erscheinen ließe. Mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 5 EG nicht erfüllt seien, lehnte die Kommission den Antrag der Republik Österreich auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

9 Das Land Oberösterreich erhob mit Klageschrift, die am 3. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen T-366/03 in das Register eingetragen.

10 Die Republik Österreich erhob mit Klageschrift, die am 13. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofs einging, ebenfalls Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Diese Klage wurde unter dem Aktenzeichen C-492/03 in das Register eingetragen.

11 Mit Beschluss vom 8. Juni 2004 verwies der Gerichtshof die Rechtssache C-492/03 an das Gericht. Diese Rechtssache wurde unter dem Aktenzeichen T-235/04 in das Register eingetragen.

12 Mit Entscheidung des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. Februar 2005 wurden die Rechtssachen T-366/03 und T-235/04 nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

13 Das Gericht hat die vom Land Oberösterreich erhobene Klage als zulässig angesehen. Das Land sei von der streitigen Entscheidung individuell betroffen, weil diese einen Rechtsakt des Landes betreffe und es daran hindere, seine eigenen, ihm durch die österreichische Verfassungsordnung zugewiesenen Befugnisse nach seinem Gutdünken auszuüben. Ferner sei das Land Oberösterreich unmittelbar von dieser Entscheidung betroffen, auch wenn diese sich an die Republik Österreich richte; denn die Republik Österreich verfüge bei der Weiterleitung an das genannte Land über keinen Entscheidungsspielraum.

14 Das Gericht hat die vier vorgebrachten Klagegründe wie folgt zurückgewiesen.

15 Zum ersten Klagegrund, der Verletzung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, hat das Gericht insbesondere die Ansicht vertreten, dass die Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil vom 20. März 2003, Dänemark/Kommission (C-3/00, Slg. 2003, I-2643) zur Rechtfertigung der Unanwendbarkeit dieses Grundsatzes im Verfahren nach Art. 95 Abs. 4 EG auf das Verfahren nach Art. 95 Abs. 5 EG übertragbar seien. Im letztgenannten Verfahren könne ein Mitgliedstaat ebenfalls beantragen, nationale Vorschriften, die von einer auf Gemeinschaftsebene beschlossenen Harmonisierungsmaßnahme abwichen, zu billigen. Ferner würden die in Art. 95 Abs. 4 und 5 EG vorgesehenen Verfahren beide vom antragstellenden Mitgliedstaat eingeleitet, der sich zu der von ihm beantragten Entscheidung äußern könne. Beide Verfahren müssten im Interesse des antragstellenden Mitgliedstaats und des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts rasch abgeschlossen werden.

16 In den Randnrn. 41 bis 44 des angefochtenen Urteils hat das Gericht Folgendes festgestellt:

"41 Entgegen dem Vorbringen der Kläger ermöglicht die Tatsache, dass das Verfahren gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG noch im Entwurfsstadium befindliche innerstaatliche Maßnahmen betrifft, es nicht, dieses Verfahren von dem in Absatz 4 des genannten Artikels vorgesehenen derart abzugrenzen, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens darauf anwendbar wäre. Insoweit können die Kläger nicht geltend machen, dass das Gebot der Schnelligkeit bei der Prüfung einer innerstaatlichen Maßnahme, die noch nicht in Kraft getreten sei, weniger schwer wiege, so dass die Kommission leicht die Frist von sechs Monaten, die in Artikel 95 Absatz 6 EG vorgesehen sei, zur Durchführung einer kontradiktorischen Auseinandersetzung verlängern könne.

42 Erstens steht diesem Argument der Wortlaut von Artikel 95 Absatz 6 EG entgegen. Zum einen gilt dieser unterschiedslos für Anträge auf Ausnahmegenehmigung, die in Kraft befindliche innerstaatliche Maßnahmen gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG betreffen, und solche Anträge, die Maßnahmen im Entwurfsstadium betreffen, auf die Artikel 95 Absatz 5 EG anwendbar ist. Zum anderen kann die Kommission von ihrer Befugnis zur Verlängerung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist, die in Unterabsatz 3 dieser Bestimmung vorgesehen ist, nur Gebrauch machen, wenn die Schwierigkeit der gestellten Frage dies erfordert und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht. Somit erweist sich, dass es Art. 95 Absatz 6 Unterabsatz 3 EG der Kommission nicht erlaubt, die sechsmonatige Entscheidungsfrist zu dem einzigen Zweck zu verlängern, eine Anhörung des Mitgliedstaats zu ermöglichen, der ihr einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG vorgelegt hat.

43 Zweitens entspricht das Argument der Kläger nicht der Systematik von Artikel 95 Absatz 5 EG. Der Umstand, dass diese Bestimmung eine einzelstaatliche Maßnahme betrifft, die noch nicht in Kraft ist, verringert nicht das Interesse daran, dass die Kommission rasch über den vorgelegten Antrag auf Ausnahmegenehmigung entscheidet. Denn der rasche Abschluss dieses Verfahrens ist von den Verfassern des [EG-]Vertrags zur Wahrung des Interesses des antragstellenden Mitgliedstaats, Klarheit über die anzuwendenden Vorschriften zu haben, sowie im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts gewollt.

44 Zum letztgenannten Punkt ist zu betonen, dass zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des zwingenden Charakters und der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts die in Artikel 95 Absätze 4 und 5 EG vorgesehenen Verfahren beide darauf abzielen, sicherzustellen, dass kein Mitgliedstaat eine innerstaatliche Regelung anwendet, die von den harmonisierten Vorschriften abweicht, ohne zuvor die Billigung der Kommission erhalten zu haben. Unter diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich die Regelung, die auf die gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen anwendbar ist, nicht signifikant von der Regelung, die auf die noch im Entwurfsstadium befindlichen, gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen anwendbar ist. Denn nach beiden Verfahren sind die fraglichen Maßnahmen so lange nicht anwendbar, wie die Kommission noch keine Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung erlassen hat. Im Rahmen von Artikel 95 Absatz 5 EG ergibt sich dies schon aus der Natur der betreffenden Maßnahmen, die sich noch im Entwurfsstadium befinden. Bei Artikel 95 Absatz 4 EG ergibt es sich aus dem Gegenstand des Verfahrens, das er vorsieht. Der Gerichtshof hat nämlich darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben, wirkungslos wären, wenn die Mitgliedstaaten befugt blieben, einseitig eine einzelstaatliche Regelung anzuwenden, die davon abweicht. Ein Mitgliedstaat ist somit zur Anwendung gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG mitgeteilter einzelstaatlicher Vorschriften erst befugt, wenn er von der Kommission eine Billigungsentscheidung erhalten hat (vgl. zu dem entsprechenden Verfahren gemäß Artikel 100a Absatz 4 EG-Vertrag Urteile des Gerichtshofs vom 17. Mai 1994 [Frankreich/Kommission, C-41/93], Slg. 1994, I-1829, Randnrn. 29 und 30, und vom 1. Juni 1999 [Kortas, C-319/97], Slg. 1999, I-3143, Randnr. 28)."

17 Zum zweiten Klagegrund, der Verletzung der Begründungspflicht, hat das Gericht insbesondere festgestellt, dass die Kommission detaillierte und eingehende Ausführungen gemacht habe, die es dem Adressaten der streitigen Entscheidung ermöglicht hätten, von deren tatsächlichen und rechtlichen Gründen Kenntnis zu nehmen, und dem Gericht ermöglichten, seine Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle wahrzunehmen.

18 Hierzu hat es in Randnr. 56 des angefochtenen Urteils Folgendes ausgeführt:

"Die Kommission hat sich nämlich bei der Ablehnung des Antrags der Republik Österreich auf drei Hauptpunkte gestützt. Sie hat zunächst festgestellt, dass dieser Mitgliedstaat nicht nachgewiesen habe, dass die mitgeteilte Maßnahme im Hinblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt gerechtfertigt sei (Begründungserwägungen 63 bis 68 der [streitigen] Entscheidung). Die Kommission hat außerdem die Auffassung vertreten, dass die mitgeteilte Maßnahme nicht durch ein spezifisches Problem der Republik Österreich gerechtfertigt sei (Begründungserwägungen 70 und 71 der [streitigen] Entscheidung). Schließlich hat die Kommission das Vorbringen der österreichischen Behörden, die einzelstaatlichen Maßnahmen seien durch das Vorsorgeprinzip gerechtfertigt, mit der Begründung zurückgewiesen, dieses Vorbringen sei zu allgemein und es mangele ihm an Substanz (Begründungserwägungen 72 und 73 der [streitigen] Entscheidung)."

19 Zum dritten Klagegrund, der Verletzung des Art. 95 Abs. 5 EG, hat das Gericht in den Randnrn. 65 bis 67 des angefochtenen Urteils Folgendes festgestellt:

"65 In der [streitigen] Entscheidung hat die Kommission die Argumente der Republik Österreich zum Nachweis des Vorliegens eines spezifischen Problems im Sinne von Artikel 95 Absatz 5 EG mit der Begründung verworfen, dass sich aus der Mitteilung klar ergebe, dass die kleinbetrieblich strukturierte Landwirtschaft gewiss keine Besonderheit des Landes Oberösterreich sei, sondern in allen Mitgliedstaaten vorkomme. Die Kommission hat sich auch die Ergebnisse der EFSA zu Eigen gemacht, wonach zum einen '[d]ie vorgelegten wissenschaftlichen Nachweise ... keine oder nur lokal begrenzte wissenschaftliche Daten zu den Folgen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit bereits vorhandener oder künftiger Kulturen oder Tiere [enthalten]' und zum anderen 'keine Nachweise darüber vorgelegt [wurden], dass dieses Gebiet Österreichs über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfügt, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würde, als sie für Österreich insgesamt oder für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt wird' (Begründungserwägungen 70 und 71 der [streitigen] Entscheidung).

66 Es ist festzustellen, dass die Kläger keine Beweismittel vorgelegt haben, die es erlauben würden, die Stichhaltigkeit dieser Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens eines spezifischen Problems zu bezweifeln, sondern dass sie sich darauf beschränkt haben, die kleinbetriebliche Struktur der Landwirtschaft zu unterstreichen und die Bedeutung der ökologischen Landwirtschaft im Land Oberösterreich zu betonen.

67 Insbesondere haben die Kläger nichts vorgebracht, um die Ergebnisse der EFSA zu widerlegen, nach denen die Republik Österreich nicht nachgewiesen habe, dass das Gebiet des Landes Oberösterreich über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfüge, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würde, als sie für Österreich insgesamt oder für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt wird. Als sie in der mündlichen Verhandlung dazu aufgefordert wurden, sich zum Umfang des von GVO ausgehenden Problems im Gebiet des Landes Oberösterreich zu äußern, waren die Kläger nicht in der Lage, anzugeben, ob das Vorhandensein solcher Organismen überhaupt festgestellt worden war. Das Land Oberösterreich hat klargestellt, dass die Erlassung der mitgeteilten Maßnahme auf der Befürchtung beruhte, das Auftreten von GVO wegen des angekündigten Ablaufs einer Vereinbarung hinnehmen zu müssen, gemäß der die Mitgliedstaaten sich zeitweilig verpflichtet hätten, keine Zustimmungen betreffend solche Organismen mehr zu erteilen. Solche Erwägungen sind wegen ihres allgemeinen Charakters nicht geeignet, die konkreten Beurteilungen zu erschüttern, die in der [streitigen] Entscheidung enthalten sind."

20 In Randnr. 69 des angefochtenen Urteils hat das Gericht Folgendes ausgeführt:

"Da die von Artikel 95 Absatz 5 EG aufgestellten Voraussetzungen kumulativ sind, reicht es aus, dass eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, um den Antrag auf Ausnahmegenehmigung zurückzuweisen... Da es den Klägern nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass eine der von Artikel 95 Absatz 5 EG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt ist, vermag der dritte Klagegrund mangels Begründetheit nicht durchzudringen, ohne dass es erforderlich wäre, über die übrigen Rügen und Argumente zu entscheiden."

21 Zum vierten Klagegrund, der Verletzung des Vorsorgeprinzips, hat das Gericht festgestellt, dass ein solcher Klagegrund ins Leere gehe, weil die Kommission über einen auf Art. 95 Abs. 5 EG gestützten Antrag zu befinden gehabt habe und entschieden habe, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Artikels nicht vorgelegen hätten. Da das Gericht im Rahmen des dritten Klagegrunds die streitige Entscheidung für fehlerfrei befunden hatte, hat es in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission den ihr vorgelegten Antrag nur habe ablehnen können.

Zum Rechtsmittel

22 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006 sind die beiden Rechtsmittelverfahren zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

23 Das Land Oberösterreich und die Republik Österreich machen zwei Rechtsmittelgründe geltend, die im Wesentlichen zum einen die Nichtbeachtung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens und zum anderen einen Verstoß gegen Art. 95 Abs. 5 EG betreffen.

Zum Rechtsmittelgrund in Bezug auf den Anwendungsbereich des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

24 Die Rechtsmittelführer werfen dem Gericht vor, dass es die Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil Dänemark/Kommission zur Unanwendbarkeit des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens in den Fällen des Art. 95 Abs. 4 EG übernommen habe, obwohl es im vorliegenden Fall um Art. 95 Abs. 5 EG gehe. Es bestehe ein erheblicher Unterschied zwischen einer nationalen Vorschrift, für die eine Ausnahmegenehmigung nach Art. 95 Abs. 4 EG beantragt werde, da diese nationale Vorschrift bereits in Geltung stehe und damit den Binnenmarkt zumindest beeinträchtige, und einer erst als Entwurf vorliegenden einzelstaatlichen Vorschrift, für die eine Ausnahmegenehmigung nach Art. 95 Abs. 5 EG beantragt werde.

25 Zum einen machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht verweise in Randnr. 44 des angefochtenen Urteils auf eine Rechtsprechung zu Art. 100a EG-Vertrag. Diese Vorschrift habe nicht zwischen der Beibehaltung bestehender und der Einführung neuer einzelstaatlicher Vorschriften unterschieden, während heute eine solche Unterscheidung in den Abs. 4 und 5 des Artikels 95 EG getroffen werde.

26 Zum anderen tragen sie vor, dass sich die durch Art. 95 Abs. 5 EG erfassten Sachverhalte von den durch Art. 95 Abs. 4 erfassten unterschieden, da es sich dabei um eine einzelstaatliche Maßnahme im Entwurfsstadium handle und das Interesse des funktionierenden Binnenmarkts daher keine besonders schnelle Durchführung des Verfahrens gebiete, so dass die Kommission leicht die Sechsmonatsfrist nach Art. 95 Abs. 6 EG zur Durchführung einer kontradiktorischen Auseinandersetzung verlängern könne.

27 Die Kommission erwidert hierauf, dass das Gericht unter Hinweis auf die in Randnr. 44 des angefochtenen Urteils zitierte Rechtsprechung nur einen Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung herangezogen habe, der die Abs. 4 und 5 des Art. 95 EG betreffe, nämlich dass in beiden durch diese Vorschriften erfassten Fällen ein Mitgliedstaat von einer Harmonisierungsmaßnahme nicht ohne vorherige Zustimmung der Kommission abweichen dürfe. Selbst wenn ein Gesetz noch nicht über das Entwurfsstadium hinausgelangt sei, könne durchaus ein Interesse an schnellstmöglicher Klärung bestehen.

Würdigung durch den Gerichtshof

28 Nach Art. 95 EG sind die Mitgliedstaaten, nachdem Maßnahmen zur Angleichung ihrer Vorschriften erlassen worden sind, verpflichtet, der Kommission die einzelstaatlichen Bestimmungen, die von diesen Maßnahmen abweichen, zum Zweck der Billigung mitzuteilen. Art. 95 Abs. 4 EG betrifft den Fall der Beibehaltung einzelstaatlicher Bestimmungen, die vor den Harmonisierungsmaßnahmen bestanden haben, und Art. 95 Abs. 5 EG den Fall abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen, die der Mitgliedstaat erlassen möchte.

29 Die in Art. 95 EG vorgesehenen Verfahren werden eröffnet, indem der Mitgliedstaat der Kommission abweichende einzelstaatliche Bestimmungen mitteilt, nehmen ihren Fortgang mit einer Phase, in der die Kommission die Unterlagen prüft, um festzustellen, ob die vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen, und enden mit der abschließenden Entscheidung, mit der die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen gebilligt oder untersagt werden. Die Kommission darf erst entscheiden, wenn sie sich vergewissert hat, dass die einzelstaatlichen Bestimmungen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, Deutschland/Kommission, C-512/99, Slg. 2003, I-845, Randnr. 44).

30 Zudem gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für das in Art. 95 Abs. 4 EG vorgesehene Verfahren in Anbetracht von dessen Besonderheiten der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht (Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 50).

31 Bei dem in Art. 95 Abs. 5 EG vorgesehenen Verfahren muss die Einführung neuer einzelstaatlicher Bestimmungen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat beruhen, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 57).

32 Das Erfordernis, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Untermauerung des Antrags vorzulegen, kann die Kommission insoweit dazu veranlassen, im Rahmen ihrer Beurteilung der Begründetheit dieses Antrags externe Sachverständige mit einer Stellungnahme zu den betreffenden Erkenntnissen zu beauftragen, die dann als Grundlage für die abschließende Entscheidung dient.

33 So hat die Kommission eingeräumt, sie sei im vorliegenden Fall nicht in der Lage gewesen, die im Müller-Bericht enthaltenen wissenschaftlichen Erkenntnisse allein zu bewerten und habe demzufolge vor einer Entscheidung nach Art. 95 Abs. 5 EG die EFSA um eine Stellungnahme gebeten.

34 Es muss allerdings geprüft werden, ob in einem solchen Fall der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens hätte angewandt werden müssen, wie die Rechtsmittelführer meinen, oder ob, wie in der Rechtssache Dänemark/Kommission für Art. 95 Abs. 4 EG entschieden wurde, der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht galt.

35 Insoweit verpflichtet der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, dessen Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat, die öffentliche Gewalt, die von einer Entscheidung betroffenen Personen vor deren Erlass anzuhören (Urteile vom 10. Juli 2001, Ismeri Europa/Rechnungshof, C-315/99 P, Slg. 2001, I-5281, Randnr. 28, und Dänemark/Kommission, Randnr. 45).

36 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, mit dem der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens eng verbunden ist, nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Mitgliedstaaten. In Bezug auf Letztere ist dieser Grundsatz im Rahmen von Verfahren anerkannt worden, die ein Gemeinschaftsorgan gegen den betroffenen Mitgliedstaat eingeleitet hat (vgl. u. a. Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 46). Der Rechtsprechung zufolge ist die Beachtung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der auch dann sichergestellt werden muss, wenn eine spezielle Regelung fehlt (vgl. u. a. Urteile vom 12. Februar 1992, Niederlande u. a./Kommission, C-48/90 und C-66/90, Slg. 1992, I-565, Randnr. 44, vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Kommission, C-288/96, Slg. 2000, I-8237, Randnr. 99, und vom 9. Juni 2005, Spanien/Kommission, C-287/02, Slg. 2005, I-5093, Randnr. 37).

37 Jedoch geht erstens aus dem Wortlaut von Art. 95 Abs. 5 EG nicht hervor, dass die Kommission verpflichtet ist, den antragstellenden Mitgliedstaat anzuhören, bevor sie ihre Entscheidung über die Billigung oder Ablehnung der betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen trifft. Die Verfasser des Vertrages haben unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Verfahrens in Art. 95 EG lediglich die Voraussetzungen, die für eine Entscheidung der Kommission erfüllt sein müssen, die Fristen, innerhalb deren die Kommission ihre Entscheidung treffen muss, und eventuelle Fristverlängerungen geregelt.

38 Ferner wird das in Art. 95 Abs. 5 EG vorgesehene Verfahren, übrigens ebenso wie das Verfahren nach Art. 95 Abs. 4 EG - wie in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils ausgeführt - nicht von einem Gemeinschaftsorgan oder einer einzelstaatlichen Einrichtung, sondern von einem Mitgliedstaat initiiert, da die Entscheidung der Kommission nur als Reaktion auf dessen Initiative getroffen wird. Bei seinem Antrag steht es dem Mitgliedstaat frei, sich zu den Bestimmungen zu äußern, deren Einführung er beantragt; dies geht ausdrücklich aus Art. 95 Abs. 5 EG hervor, wonach er die Gründe, die seinen Antrag rechtfertigen, anzugeben hat.

39 Zudem muss die Kommission in der Lage sein, innerhalb der ihr gesetzten Fristen die erforderlichen Auskünfte zu erhalten, ohne den antragstellenden Mitgliedstaat erneut anhören zu müssen, bevor sie ihre Entscheidung trifft (vgl. in Bezug auf das Verfahren nach Art. 95 Abs. 4 EG, für das die gleichen Fristen gelten wie für das Verfahren nach Art. 95 Abs. 5 EG, Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 48).

40 Es ist darauf hinzuweisen, dass die abweichenden einzelstaatlichen Bestimmungen nach Art. 95 Abs. 6 Unterabs. 2 EG als gebilligt gelten, wenn die Kommission innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Entscheidung trifft. Außerdem kann nach Art. 95 Abs. 6 Unterabs. 3 EG der genannte Zeitraum nicht verlängert werden, wenn Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht.

41 Die Verfasser des Vertrages wollten sowohl im Interesse des beantragenden Mitgliedstaats als auch im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts für einen raschen Abschluss des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens sorgen. Dieses Ziel wäre nur schwer mit dem Erfordernis eines längeren Informations- und Meinungsaustauschs vereinbar.

42 Schließlich wollte das Gericht mit der Erwähnung der Rechtsprechung zu Art. 100a Abs. 4 EG-Vertrag in Randnr. 44 des angefochtenen Urteils lediglich herausstreichen, dass es eine Voraussetzung dafür gibt, dass der Mitgliedstaat von einer auf Gemeinschaftsebene erlassenen Harmonisierungsmaßnahme abweichen darf, nämlich dass er zuvor die Billigung durch die Kommission einzuholen hat. Diese Voraussetzung gilt im Rahmen der Bestimmungen des Art. 95 Abs. 4 und 5 EG weiter; denn sie muss sowohl von dem Mitgliedstaat, der eine bereits in Kraft befindliche Regelung nach Art. 95 Abs. 4 EG anzeigt, als auch von dem Mitgliedstaat erfüllt werden, der einen Gesetzentwurf nach Art. 95 Abs. 5 EG mitteilt. Für die Maßnahmen, die unter diese beiden Absätze fallen, gelten - wie die Generalanwältin in Nr. 85 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat - die gleichen Grundsätze.

43 Letztlich besteht in Anbetracht der Besonderheiten des in Art. 95 Abs. 5 EG vorgesehenen Verfahrens, der Ähnlichkeiten, die dieses mit dem in Art. 95 Abs. 4 EG vorgesehenen Verfahren aufweist, und des diesen beiden Absätze gemeinsamen Ziels, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, eine Befreiung von den Harmonisierungsmaßnahmen zu erlangen, kein Anlass, sich für eine andere Lösung als die zu entscheiden, die für Art. 95 Abs. 4 EG gefunden wurde. Folglich ist die Kommission nicht verpflichtet, vor ihrer Entscheidung nach Art. 95 Abs. 5 EG den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zu beachten (vgl. in diesem Sinne für Art. 95 Abs. 4 EG Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 50).

44 Das Gericht hat daher zu Recht angenommen, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht auf das in Art. 95 Abs. 5 EG vorgesehene Verfahren angewendet werden musste.

45 Der auf die Nichtbeachtung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens gestützte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen Art. 95 Abs. 5 EG

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

46 Die Rechtsmittelführer machen zunächst geltend, dass sich das angefochtene Urteil bei der Prüfung des Klagegrundes einer Vertragsverletzung nur mit dem Tatbestandselement des spezifischen Problems befasse und das Gericht demzufolge den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe.

47 Die Republik Österreich trägt ergänzend vor, dass die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse ein Kernelement des Art. 95 Abs. 5 EG seien. Das Gericht habe auch bei der Prüfung, ob für den Mitgliedstaat ein spezifisches Problem vorliege, die Frage der Koexistenz von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen, die Unzulänglichkeit der Bewertung der Risiken und das Vorsorgeprinzip nicht außer Betracht lassen dürfen. Die Kommission habe keine erschöpfende wissenschaftliche Risikobewertung vorgenommen, habe auch dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht Rechnung getragen und sei schließlich ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen.

48 Die Rechtsmittelführer beanstanden ferner die Ausführungen in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils, weil das Fehlen eines spezifischen Problems im Sinne des Art. 95 Abs. 5 EG im vorliegenden Fall mit dem fehlenden Nachweis von GVO im Land Oberösterreich begründet worden sei. Das angefochtene Urteil stehe insoweit in Widerspruch zu der Verpflichtung, beim Erlass von Vorschriften auf der Grundlage des Art. 95 EG in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau auszugehen.

49 Die Republik Österreich trägt ergänzend vor, die Kommission und das Gericht hätten, indem sie die Voraussetzungen des Vorliegens des spezifischen Problems zu eng ausgelegt hätten, die Risiken und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse unzulänglich bewertet und das Vorsorgeprinzip außer Acht gelassen hätten, den Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich beeinflusst und die Interessen der Republik Österreich verletzt.

50 Die Kommission entgegnet hierauf, dass mit der Frage, ob das Gericht den Sachverhalt des bei ihm anhängigen Rechtsstreits richtig beurteilt habe, geklärt werden solle, ob das Gericht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen habe, und nicht, ob es einen Verfahrensfehler wegen unzureichender Begründung begangen habe.

51 Das Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Schutz der Umwelt gehörten keinesfalls zu den Voraussetzungen eines spezifischen Problems, sondern ständen gleichberechtigt neben diesem, da alle in Art. 95 Abs. 5 EG aufgestellten Voraussetzungen kumulativ seien. Daher habe das Gericht die Klage zu Recht abgewiesen, nachdem es festgestellt habe, dass die Voraussetzung des Bestehens eines spezifischen Problems nicht erfüllt sei.

52 Was das Vorsorgeprinzip angehe, so habe das Gericht in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils zu Recht die Gründe dargelegt, weshalb der auf einen Verstoß gegen dieses Prinzip gestützte Klagegrund zurückgewiesen worden sei. Die Republik Österreich habe diesen Teil des Urteils nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich und substantiiert, angegriffen.

53 Sowohl die Ausführungen über angebliche Unterlassungen der Kommission im Verfahren der Prüfung des Antrags als auch das Vorbringen zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs trügen nichts zur Beantwortung der Frage bei, ob das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet sei. Das Vorbringen zur Beachtung des rechtlichen Gehörs sei mangels jeglicher Substantiierung unzulässig, zumindest offensichtlich unbegründet, da das rechtliche Gehör der Republik Österreich im Verfahren vor dem Gericht in keiner Weise eingeschränkt gewesen sei.

54 Die Rechtsmittelführer sind schließlich der Auffassung, dass der von ihnen als Verfahrensfehler geltend gemachte Mangel auf einem Wertungsfehler beruhe und daher auch eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts darstelle. Der Begriff "spezifisch" dürfe nicht mit dem Begriff "einzigartig" gleichgesetzt werden. Bei den Problemen im Sinne von Art. 95 Abs. 5 EG müsste es sich um besonders gelagerte Probleme handeln, aber keinesfalls um einzigartige Probleme, die nur in bestimmten Mitgliedstaaten oder nur in einer bestimmten Region vorkämen. Da das Gericht die Bedeutung des Begriffs "spezifisch" verkannt habe, habe es rechtswidrigerweise unterlassen, sich mit den anderen Tatbestandsmerkmalen des Art. 95 Abs. 5 EG auseinanderzusetzen, und dadurch insoweit das Gemeinschaftsrecht verletzt.

55 Die Kommission entgegnet hierauf, das Gericht habe sich gar nicht im Einzelnen mit dem Tatbestandsmerkmal des spezifischen Problems auseinanderzusetzen brauchen. Die Rechtsmittelführer hätten der ihnen nach Art. 95 Abs. 5 EG obliegenden Beweispflicht nicht genügt, weil sie ihr Vorbringen auf die kleinbetriebliche Struktur der Landwirtschaft und die Bedeutung der ökologischen Landwirtschaft beschränkt hätten. Eine Abweichung von der Richtlinie 2001/18/EG im Rahmen des spezifischen Problems sei gerechtfertigt, wenn ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem bestehe, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich mache, als sie nach der genannten Richtlinie für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt werde. Hierfür hätten die Rechtsmittelführer aber nicht den notwendigen Beweis erbracht.

Würdigung durch den Gerichtshof

56 An erster Stelle ist festzustellen, dass die Rechtmäßigkeit von gemäß Art. 95 Abs. 5 EG mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen eng verknüpft ist mit der Bewertung der vom antragstellenden Mitgliedstaat vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

57 Nach dieser Vorschrift muss die Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen, die von einer Harmonisierungsmaßnahme abweichen, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat gestützt werden, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt; außerdem müssen die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mitgeteilt werden (Urteil vom 21. Januar 2003, Deutschland/Kommission, Randnr. 80).

58 Diese Voraussetzungen sind kumulativ und müssen daher gleichzeitig erfüllt sein; andernfalls sind die abweichenden einzelstaatlichen Bestimmungen von der Kommission abzulehnen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, Deutschland/Kommission, Randnr. 81).

59 Dass die genannten Voraussetzungen kumulativ sind, ist von den Beteiligten im vorliegenden Verfahren nicht bestritten worden.

60 Ferner haben die Rechtsmittelführer in ihren Rechtsmittelschriftsätzen das angefochtene Urteil vor allem insoweit angegriffen, als das Gericht ihre Argumente verworfen hat, die sich auf die von der Kommission vorgenommenen Bewertungen hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des Vorliegens eines spezifischen Problems für den antragstellenden Mitgliedstaat beziehen.

61 In den Randnrn. 66 und 67 des angefochtenen Urteils hat das Gericht allerdings angenommen, dass die Rechtsmittelführer keine Beweismittel vorgelegt hätten, die es erlauben würden, die Stichhaltigkeit dieser Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens eines spezifischen Problems zu bezweifeln, und sich darauf beschränkt hätten, die kleinbetriebliche Struktur der Landwirtschaft zu unterstreichen sowie die Bedeutung der ökologischen Landwirtschaft im Land Oberösterreich zu betonen. Des Näheren hat es ausgeführt, dass die Rechtsmittelführer nichts vorgebracht hätten, um die Ergebnisse der EFSA zu widerlegen, nach denen die Republik Österreich nicht nachgewiesen habe, dass das Gebiet des Landes Oberösterreich über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfüge, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würde, als sie für Österreich insgesamt oder für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt werde. Nach Auffassung des Gerichts sind die von den Rechtsmittelführern vorgebrachten Erwägungen wegen ihres allgemeinen Charakters nicht geeignet, die konkreten Beurteilungen zu erschüttern, die in der streitigen Entscheidung enthalten sind.

62 In dieser Entscheidung hat die Kommission die Auffassung vertreten, die Republik Österreich habe nicht dargetan, dass ein spezifisches Problem im Sinne von Art. 95 Abs. 5 EG für das Gebiet von Oberösterreich bestehe, das sich erst nach Verabschiedung der Richtlinie 2001/18 ergeben hätte.

63 Die Entscheidung folgte auf die Stellungnahme der EFSA, wonach es an wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlte, die das Vorliegen eines spezifischen Problems belegten. Die EFSA nahm an, dass keine wissenschaftlichen Nachweise für das Bestehen eines ungewöhnlichen oder einzigartigen Ökosystems vorgelegt worden seien, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würde, als sie für Österreich insgesamt oder für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt werde. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Müller-Bericht keine neuen Daten enthalte, die die Bestimmungen der Richtlinie 2001/18 in Frage stellen könnten.

64 Insoweit ist nicht ersichtlich, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es darauf hinwies, dass die Ergebnisse der EFSA hinsichtlich des Fehlens wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Beleg für das Vorliegen eines spezifischen Problems von der Kommission berücksichtigt worden seien.

65 Im Übrigen hat das Gericht - entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer - die Bedeutung des Begriffs "spezifisch" im Sinne des Art. 95 Abs. 5 EG nicht verkannt, da es nicht angenommen hat, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift nur dann erfüllt seien, wenn das Vorliegen eines "einzigartigen" Problems, eines engeren Begriffs als der eines "spezifischen" Problems, nachgewiesen sei.

66 Insoweit hat das Gericht in dem angefochtenen Urteil die Ergebnisse der Kommission und die der EFSA übernommen, um festzustellen, dass die Republik Österreich keine Nachweise u. a. für das Bestehen "ungewöhnlicher" Ökosysteme vorgelegt habe.

67 In der deutschen Fassung der streitigen Entscheidung, die verbindlich ist, ist von einem "ungewöhnlichen Ökosystem" die Rede und in der auf Englisch abgefassten Stellungnahme der EFSA von "unusual ecosystems"; dadurch wird den in der deutschen Fassung der streitigen Entscheidung bzw. in der Stellungnahme der EFSA enthaltenen Begriffen "einzigartiges" und "unique" jede Bedeutsamkeit genommen.

68 Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass das Gericht insofern einen Rechtsfehler begangen hat, als es annahm, dass die Kläger keine Beweismittel vorgelegt hätten, die es erlauben würden, die Stichhaltigkeit der Beurteilung hinsichtlich des Fehlens wissenschaftlicher Erkenntnisse für das Vorliegen eines spezifischen Problems zu bezweifeln, und dass daher eine der in Art. 95 Abs. 5 EG vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen sei.

69 Schließlich brauchen die Voraussetzungen des Artikels 95 Absatz 5 EG der Rechtsprechung zufolge, da sie kumulativ vorliegen müssen, nicht alle geprüft zu werden, sofern feststeht, dass eine von ihnen nicht erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2003, Deutschland/Kommission, Randnr. 88).

70 Daher hat das Gericht, nachdem es angenommen hatte, dass die Voraussetzung des Vorliegens eines spezifischen Problems für den Mitgliedstaat nicht erfüllt sei, die Klagen zu Recht abgewiesen, ohne zu prüfen, ob die übrigen Voraussetzungen erfüllt waren.

71 Die Argumente der Rechtsmittelführer, die im Zusammenhang mit der Tatsache stehen, dass sich das Gericht auf die Prüfung der Voraussetzung des Vorliegens eines spezifischen Problems für den Mitgliedstaat beschränkt hat, und ihre Argumente, die sich auf den Anspruch auf rechtliches Gehör, die Begründungspflicht und die Verteidigungsrechte beziehen, sind demzufolge nicht stichhaltig.

72 Nach alledem hat das Gericht mit der Abweisung der Klagen nicht gegen Art. 95 Abs. 5 EG verstoßen.

73 Demzufolge greift der zweite Rechtsmittelgrund nicht durch, und die Rechtsmittel sind zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

74 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß ihrem Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Landes Oberösterreich und der Republik Österreich beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

2. Das Land Oberösterreich und die Republik Österreich tragen die Kosten.

Ende der Entscheidung

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