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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.1995
Aktenzeichen: C-440/93
Rechtsgebiete: Richtlinie 65/65/EWG, Richtlinie 75/318/EWG, Richtlinie 75/319/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 65/65/EWG Art. 4 Abs. 2 Nr. 8a
Richtlinie 75/318/EWG Dritter Teil des Anhangs
Richtlinie 75/319/EWG Art. 1
Richtlinie 75/319/EWG Art. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

In Anbetracht des wesentlichen Ziels der Richtlinie 65/65 über Arzneispezialitäten, das im Schutz der öffentlichen Gesundheit besteht, und um zu vermeiden, daß dadurch, daß die Genehmigung für das Inverkehrbringen bereits zugelassenen Arzneispezialitäten gleichender Erzeugnisse in vereinfachten Verfahren erteilt wird, die Interessen von Innovationsfirmen beeinträchtigt werden, ist Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 87/21 geänderten Fassung, der für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten in bestimmten Fällen ein abgekürztes Verfahren vorsieht und die Zulässigkeitsvoraussetzungen hierfür festlegt, dahin auszulegen, daß die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen auf dem Inlandsmarkt im abgekürzten Verfahren nicht im Ermessen der hierfür zuständigen nationalen Behörde steht, wenn die genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfuellt sind.

Eine solche Genehmigung darf daher nicht erteilt werden, wenn die zur Begründung eines Genehmigungsantrags vorgelegten Angaben und Unterlagen keine eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen gemäß den Anforderungen des zweiten und des dritten Teils des Anhangs der Richtlinie 75/318 über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneispezialitäten enthalten und wenn diese Unterlagen keine Sachverständigenberichte enthalten, die den Anforderungen der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 75/319 über Arzneispezialitäten genügen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 5. OKTOBER 1995. - THE QUEEN GEGEN LICENSING AUTHORITY OF THE DEPARTMENT OF HEALTH UND NORGINE LTD, EX PARTE SCOTIA PHARMACEUTICALS LTD. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH. - ARZNEIMITTEL - INVERKEHRBRINGEN - ABGEKUERZTES VERFAHREN. - RECHTSSACHE C-440/93.

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice, Queen' s Bench Division, Divisional Court, hat mit Beschluß vom 8. November 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 1993, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369) in der durch die Richtlinie 87/21/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 (ABl. 1987, L 15, S. 36) geänderten Fassung zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen (im folgenden: Genehmigung) von Arzneispezialitäten im abgekürzten Verfahren betrifft.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Scotia Pharmaceuticals Ltd (im folgenden: Scotia) und der Medicines Control Agency (im folgenden: MCA) wegen einer der Firma Norgine Ltd (im folgenden: Norgine), einem Konkurrenzunternehmen von Scotia, im abgekürzten Verfahren nach der Richtlinie 65/65 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels.

3 Der Arzneimittelsektor ist seit 1965 schrittweise auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden. Die erste in diesem Bereich erlassene Richtlinie, die Richtlinie 65/65, hat die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten zum Gegenstand. In ihrer ersten Begründungserwägung wird ausgeführt, daß alle "Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Arzneispezialitäten... in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen [müssen]". In der zweiten Begründungserwägung heisst es weiter: "Dieses Ziel muß... mit Mitteln erreicht werden, die die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit pharmazeutischen Erzeugnissen innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen können."

4 Nach Artikel 3 der Richtlinie dürfen Arzneispezialitäten erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn eine Genehmigung dafür erteilt worden ist. Artikel 4 der Richtlinie enthält eine Auflistung der Unterlagen, die einem Genehmigungsantrag zwingend beizufügen sind. Unter diesen Unterlagen sind in Nummer 8 genannt:

"8. Ergebnisse von Versuchen

° physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Art;

° pharmakologischer und toxikologischer Art;

° ärztlicher oder klinischer Art."

5 Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65 sieht für bestimmte Fälle ein abgekürztes Verfahren vor. Die Voraussetzungen, unter denen von diesem Verfahren Gebrauch gemacht werden kann, sind durch die Richtlinie 87/21 geändert worden.

6 Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung braucht der Antragsteller die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen oder der ärztlichen oder klinischen Versuche nicht vorzulegen, wenn er "unter eingehender Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, die gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 75/318/EWG vorgelegt werden", nachweisen kann, "daß der Bestandteil oder die Bestandteile der Arzneispezialität allgemein medizinisch verwendet werden und eine anerkannte Wirksamkeit sowie einen annehmbaren Grad an Sicherheit aufweisen".

7 Nach Artikel 5 der Richtlinie 65/65 wird die Genehmigung u. a. dann versagt, wenn die Angaben und Unterlagen zur Begründung des Antrags nicht den Bestimmungen des Artikels 4 entsprechen.

8 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 75/318/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 1) verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Angaben und Unterlagen, die gemäß Artikel 4 Absatz 2 Nrn. 3, 4, 6, 7 und 8 der Richtlinie 65/65 dem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen einer Arzneispezialität beizufügen sind, von den Antragstellern entsprechend dem Anhang der Richtlinie 75/318 vorgelegt werden. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung gelten die Verpflichtungen aus Absatz 1 sinngemäß, wenn ein Genehmigungsantrag im abgekürzten Verfahren gestellt und auf die Vorlage bibliographischer Unterlagen gestützt wird.

9 Während der Anhang der Richtlinie 75/318 im einzelnen bestimmt, welche Angaben und Unterlagen dem Genehmigungsantrag beizufügen sind, werden die Aufgabe und die Pflichten der Sachverständigen, die diese Angaben und Unterlagen erstellen, durch die Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13) geregelt.

10 Artikel 1 der Richtlinie 75/319 verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, damit die in Artikel 4 Absatz 2 Nrn. 7 und 8 der Richtlinie 65/65 aufgeführten Angaben und Unterlagen von Sachverständigen mit der erforderlichen fachlichen oder beruflichen Eignung erstellt werden, bevor sie den zuständigen Behörden vorgelegt werden. Nach Artikel 2 Buchstaben b und c der Richtlinie 75/319 haben die Sachverständigen ihre gemäß der Richtlinie 75/318 getroffenen Feststellungen zu beschreiben und

"die eventuelle Verwendung der in Artikel 4 Unterabsatz 2 Nummer 8 Buchstaben a) und b) der Richtlinie 65/65/EWG genannten bibliographischen Unterlagen nachzuweisen, und zwar nach Maßgabe der Richtlinie 75/318/EWG".

11 Dem Vorlagebeschluß ist zu entnehmen, daß Scotia im Vereinigten Königreich eine 1988 erteilte Genehmigung für ein Erzeugnis mit der Bezeichnung "Epogam" besitzt, mit dem das endogene Ekzem behandelt wird. Das Unternehmen besitzt weiterhin zwei 1990 erteilte Genehmigungen für Epogam-Kapseln für Kinder und für ein Erzeugnis mit der Bezeichnung "Efamast", das zur Behandlung von Mastalgie dient. Diese drei Genehmigungen wurden in dem in der Richtlinie 65/65 vorgesehenen normalen Genehmigungsverfahren erteilt.

12 1992 erteilte die MCA der Firma Norgine für den britischen Markt eine Genehmigung für ein Arzneimittel mit der Bezeichnung "Unigam", das zur Behandlung der Symptome des endogenen Ekzems sowie der zyklischen und der azyklischen Mastalgie dient. Dieser Genehmigungsantrag wurde im "abgekürzten" Verfahren gemäß Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung geprüft.

13 Zwischen allen Parteien des Ausgangsverfahrens ist unstreitig, daß die Unterlagen, die Norgine zur Begründung des Genehmigungsantrags vorlegte, nicht wissenschaftliche Veröffentlichungen zu jedem der Tests enthielten, die nach dem Anhang der Richtlinie 75/318, auf den Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung Bezug nimmt, vorgeschrieben sind. Nach Auffassung der MCA verfügt die Genehmigungsbehörde jedoch über ein Ermessen, aufgrund dessen sie von den Anforderungen der Richtlinie abweichen darf. Bei der Genehmigung für Unigam habe sie von diesem Ermessen ordnungsgemäß Gebrauch gemacht.

14 Nach Auffassung des Divisional Court hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ab; er hat dem Gerichtshof daher folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Darf eine zuständige nationale Behörde nach der Richtlinie 65/65/EWG in einem Fall wie dem vorliegenden aufgrund eines nach Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65/EWG des Rates in der durch die Richtlinie 87/21/EWG des Rates geänderten Fassung gestellten Antrags das Inverkehrbringen eines Arzneimittels genehmigen, obwohl die zur Begründung des Antrags vorgelegten Angaben und Unterlagen

a) keine eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen gemäß den Anforderungen des zweiten und des dritten Teils des Anhangs der Richtlinie 75/318/EWG

oder

b) keine Sachverständigenberichte enthalten, die den Anforderungen der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 75/319/EWG genügen?

15 Der vorstehend beschriebenen Regelung ist zu entnehmen, daß die einschlägigen Richtlinien alle zur Begründung eines Genehmigungsantrags vorzulegenden wissenschaftlichen und bibliographischen Informationen aufführen sowie die Aufgabe der Sachverständigen und die Voraussetzungen festlegen, unter denen das abgekürzte Verfahren anwendbar ist.

16 Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung darf das abgekürzte Verfahren angewandt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die Kriterien der allgemeinen medizinischen Verwendung, einer anerkannten Wirksamkeit und eines annehmbaren Grades an Sicherheit erfuellt sind. Jedoch sind die zur Untermauerung angeführten wissenschaftlichen Veröffentlichungen in diesem Fall gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 75/318 vorzulegen.

17 Das abgekürzte Verfahren schwächt somit in keiner Weise die Anforderungen ab, denen die Arzneispezialitäten in bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit genügen müssen, sondern soll lediglich die für einen Genehmigungsantrag erforderliche Vorbereitungszeit dadurch verkürzen, daß der Antragsteller von der Verpflichtung zur Durchführung der in Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 der Richtlinie genannten Versuche entbunden wird. An die Stelle dieser Verpflichtung tritt jedoch die, durch eine eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen nachzuweisen, daß die im Anhang der Richtlinie 75/318 beschriebenen Versuche zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt worden sind und den Nachweis erbracht haben, daß der Bestandteil oder die Bestandteile der Arzneispezialität die in Artikel 4 genannten Kriterien erfuellen.

18 Ebensowenig werden durch die Anwendung des abgekürzten Verfahrens die Verpflichtungen der Sachverständigen aus den Artikeln 1 und 2 der Richtlinie 75/319 gelockert. Obgleich die Verpflichtung zur Durchführung der Versuche in diesem Verfahren durch die Verpflichtung ersetzt wird, in bibliographischer Form sämtliche Ergebnisse der von anderen Sachverständigen durchgeführten Versuche darzulegen, bleiben der Analytiker, der Pharmakologe und der Kliniker gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 75/319 zur Vorlage von Berichten mit den dort genannten Angaben verpflichtet. Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c dieser Richtlinie müssen die Sachverständigen ausserdem die eventuelle Verwendung der in Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 genannten bibliographischen Unterlagen nachweisen.

19 Das Vereinigte Königreich und die Kommission vertreten die Ansicht, damit das abgekürzte Verfahren nach Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung praktisch wirksam werden könne, sei der zuständigen Behörde ein Ermessen hinsichtlich der Feststellung zuzuerkennen, inwieweit ein Antragsteller den im Anhang der Richtlinie 75/318 aufgeführten Anforderungen durch Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen genügt hat. Bei einer engeren Auslegung der genannten Bestimmung verlöre die Ausnahme, nach der eine Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen zulässig ist, ihrer Ansicht nach jede praktische Bedeutung.

20 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.

21 Erstens ist darauf hinzuweisen, daß das Ermessen der zuständigen Behörde beschränkt ist. Es bezieht sich zum einen auf die Stellungnahme, die gemäß der geltenden Regelung tätig werdende Sachverständige in ihrem Bericht zur Durchführbarkeit eines Versuchs abgeben. Denn die genannten Bestimmungen können nicht so ausgelegt werden, als schrieben sie in der Praxis nicht durchführbare Versuche vor. Zum anderen kann die zuständige Behörde von ihrem Ermessen bei der Prüfung der Frage Gebrauch machen, ob der Antragsteller, und somit der Sachverständige, der die Unterlagen für den Genehmigungsantrag erstellt hat, dem Stand der technischen Entwicklung und des wissenschaftlichen Fortschritts Rechnung getragen und sich vergewissert hat, daß die wissenschaftlichen Veröffentlichungen, auf deren Grundlage eine Genehmigung im abgekürzten Verfahren beantragt wird, noch dem neuesten Stand entsprechen.

22 Übereinstimmend mit den Parteien des Ausgangsverfahrens ist zweitens festzustellen, daß die Anwendung des abgekürzten Verfahrens die Ausnahme darstellt. Nur selten wird nämlich die für die Anwendung dieses Verfahrens erforderliche Dokumentation aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen gewonnen werden können. Daraus lässt sich jedoch kein Ermessen der zuständigen Behörden ableiten, das es ihnen erlaubte, die Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens abzuschwächen. Eine solche Auslegung würde dem wesentlichen Ziel der Richtlinie 65/65, dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, zuwiderlaufen.

23 Drittens ist es nach der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie 87/21 deren Hauptzweck, "jene Fälle noch genauer [zu bestimmen], in denen für die Genehmigung einer Arzneispezialität, die im wesentlichen einem bereits zugelassenen Erzeugnis gleicht, die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche und [der] ärztlichen oder klinischen Prüfungen nicht angegeben zu werden brauchen, wobei darauf zu achten ist, daß die Innovationsfirmen nicht benachteiligt werden". Dieses Ziel würde beeinträchtigt, wenn den nationalen Behörden unter Umständen, wie sie im Ausgangsfall vorliegen, ein Ermessen eingeräumt würde.

24 Nach alledem ist festzustellen, daß die Erteilung der Genehmigung im abgekürzten Verfahren nicht im Ermessen der zuständigen Behörde steht, wenn die allgemein zugänglichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen über einen durch den Anhang der Richtlinie 75/318 vorgeschriebenen Versuch lückenhaft sind. In einem solchen Fall sind die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung nicht erfuellt und eine Prüfung des Genehmigungsantrags im abgekürzten Verfahren scheidet aus.

25 Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65/EWG des Rates in der durch die Richtlinie 87/21/EWG geänderten Fassung ist deshalb dahin auszulegen, daß eine nationale Behörde, die für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen einer Arzneispezialität zuständig ist, eine solche Genehmigung nicht erteilen darf, wenn die zur Begründung eines Genehmigungsantrags vorgelegten Angaben und Unterlagen keine eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen gemäß den Anforderungen des zweiten und des dritten Teils des Anhangs der Richtlinie 75/318 enthalten und wenn diese Unterlagen keine Sachverständigenberichte enthalten, die den Anforderungen der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 75/319 genügen.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Die Auslagen der französischen Regierung, des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom High Court of Justice, Queen' s Bench Division, Divisional Court, mit Beschluß vom 8. November 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 4 Absatz 2 Nr. 8 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten in der durch die Richtlinie 87/21/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, daß eine nationale Behörde, die für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen einer Arzneispezialität zuständig ist, eine solche Genehmigung nicht erteilen darf, wenn die zur Begründung eines Genehmigungsantrags vorgelegten Angaben und Unterlagen keine eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen gemäß den Anforderungen des zweiten und des dritten Teils des Anhangs der Richtlinie 75/318/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneispezialitäten enthalten und wenn diese Unterlagen keine Sachverständigenberichte enthalten, die den Anforderungen der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten genügen.

Ende der Entscheidung

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