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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: C-442/00
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 80/987/EWG, Königliches Gesetzesdekret Nr. 1/1995 (Statut der Arbeitnehmer) (Spanien)


Vorschriften:

EGV Art. 234
Richtlinie 80/987/EWG Art. 1
Königliches Gesetzesdekret Nr. 1/1995 (Statut der Arbeitnehmer) (Spanien)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung, der zu den Grundrechten gehört, steht einer nationalen Regelung entgegen, wonach die salarios de tramitación", ein Betrag, der den während des Verfahrens über die Anfechtung der Kündigung geschuldeten Arbeitsentgelt entspricht, auf das die Arbeitnehmer, denen rechtswidrig gekündigt worden ist, Anspruch haben, bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht als Ansprüche im Sinne der Artikel 1 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie 80/987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers betrachtet und von der Garantieeinrichtung nur dann übernommen werden, wenn sie durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt sind, während dies bei in einem Güteverfahren anerkannten Ansprüchen nicht der Fall ist. Dieser Ausschluss kann nicht nach Artikel 10 der Richtlinie als zur Vermeidung von Mißbräuchen notwendige Maßnahme gerechtfertigt werden, da das Güterverfahren überwacht wird und sich nicht für betrügerische Handlungen eignet.

( vgl. Randnrn. 33-40, Tenor 1 )

2. Ist eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden, so kann, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, der Gleichheitssatz nur derart gewahrt werden, dass die Vergünstigungen, die die Mitglieder der begünstigten Gruppe erhalten, auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe erstreckt werden.

Daher hat das nationale Gericht eine innerstaatliche Regelung außer Anwendung zu lassen, die unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz Ansprüche von Arbeitnehmern, denen rechtswidrig gekündigt worden ist, auf Arbeitsentgelt während des Verfahrens über die Anfechtung der Kündigung, die in einem Güterverfahren vor einem Gericht vereinbart und von diesem genehmigt worden sind, vom Begriff Arbeitsentgelt" im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 80/987 des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ausnimmt. Es muss auf die Mitglieder der durch diese diskriminierende Unterscheidung benachteiligten Gruppe die für Beschäftigte im Lohn- oder Gehaltsverhältnis anwendbare Regelung anwenden, deren Ansprüche gleicher Art, die jedoch durch eine gerichtiche Entscheidung zugebilligt worden sind, nach der nationalen Definition des Begriffes Arbeitsentgelt" in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

( vgl. Randnrn. 42, 44, Tenor 2 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Dezember 2002. - Ángel Rodríguez Caballero gegen Fondo de Garantía Salarial (Fogasa). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha - Spanien. - Sozialpolitik - Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers - Richtlinie 80/987/EWG - Geltungsbereich - Begriff 'Ansprüche' - Begriff 'Arbeitsentgelt' - 'Salarios de tramitación' - Durch die Garantieeinrichtung sichergestellte Zahlung - Zahlung, die vom Erlass einer gerichtlichen Entscheidung abhängig ist. - Rechtssache C-442/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-442/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha (Spanien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Ángel Rodríguez Caballero

gegen

Fondo de Garantía Salarial (Fogasa)

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, der Richter C. Gulmann und V. Skouris sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric (Berichterstatterin),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der spanischen Regierung, vertreten durch M. López-Monís Gallego als Bevollmächtigte,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von K. Smith, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Martínez del Peral als Bevollmächtigte,

- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch D. Sif Tynes als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Juni 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2000, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit des Klägers Rodríguez Caballero gegen den Fondo de Garantía Salarial (Garantiefonds für Arbeitsentgelt, im Folgenden: Fogasa), wegen dessen Weigerung, im Rahmen seiner subsidiären Haftung die salarios de tramitación" zu zahlen, die zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber in einem Güteverfahren vor einem Gericht wegen der rechtswidrigen Kündigung des Klägers vereinbart worden waren.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt: Diese Richtlinie gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind."

4 Nach Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie lässt diese das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte Arbeitnehmer", Arbeitgeber", Arbeitsentgelt", erworbenes Recht" und Anwartschaftsrecht" unberührt.

5 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfuellten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen."

6 Nach Artikel 4 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten die in Artikel 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen, indem sie sie auf das Arbeitsentgelt für einen bestimmten Zeitraum beschränken oder eine Hoechstgrenze festsetzen.

7 Gemäß Artikel 10 Buchstabe a steht [d]iese Richtlinie... nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen,... die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen".

Das spanische Recht

8 Nach Artikel 26 Absatz 1 des Königlichen Gesetzesdekrets Nr. 1/1995 vom 24. März 1995 zur Billigung des neu gefassten Textes des Estatuto de los Trabajadores (Statut der Arbeitnehmer, BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654, im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) gelten als Arbeitsentgelt alle wirtschaftlichen Vorteile, die Arbeitnehmer in Geld oder in natura als Gegenleistung für Tätigkeiten erhalten, die sie aufgrund des Arbeitsverhältnisses für fremde Rechnung verrichten, soweit diese Vorteile die tatsächliche Arbeit unabhängig von der Form des Arbeitsentgelts oder die der Arbeit gleichzustellenden Ruhezeiten entgelten.

9 Artikel 33 Absatz 1 des Arbeitnehmerstatuts bestimmt:

Der Fondo de Garantía Salarial ist eine selbständige, dem Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit unterstellte öffentliche Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit und Klagebefugnis im Hinblick auf die Erfuellung ihrer Aufgaben. Er zahlt den Arbeitnehmern den Betrag des Arbeitsentgelts, das ihnen im Zeitpunkt der Insolvenz, der Zahlungseinstellung, des Konkurses oder Vergleichs der Arbeitgeber zusteht.

Im Sinne des vorhergehenden Absatzes gilt als Arbeitsentgelt der als solches im Güteverfahren oder in der gerichtlichen Entscheidung anerkannte Betrag in allen in Artikel 26 Absatz 1 genannten Fällen sowie die ergänzende Entschädigung im Rahmen der ,salarios de tramitación, die das zuständige Gericht gegebenenfalls zugesprochen hat, wobei der Fondo in keinem Fall, zusammen oder getrennt, einen höheren Betrag zahlen kann, als er sich aus der Multiplizierung des doppelten täglichen Mindestlohns mit der Zahl der Tage des ausstehenden Arbeitsentgelts ergibt, mit einer Hoechstgrenze von 120 Tagen."

10 Nach Artikel 33 Absatz 4 des Arbeitnehmerstatuts übernimmt der Fonds die in den vorhergehenden Absätzen erwähnten Pflichten nach Prüfung des Vorgangs im Hinblick auf dessen Rechtmäßigkeit.

11 Artikel 56 Absätze 1 und 2 des Arbeitnehmerstatuts sieht vor:

1. Wird die Kündigung für rechtswidrig erklärt, so kann der Arbeitgeber binnen fünf Tagen von der Zustellung des Urteils an zwischen der Wiedereinstellung des Arbeitnehmers mit Zahlung der ,salarios de tramitación im Sinne des Buchstaben b dieses Absatzes und der Zahlung der folgenden wirtschaftlichen Zuwendungen wählen, die in diesem Urteil festzusetzen sind:

a) einer Entschädigung von 45 Tagesentgelten je Dienstjahr, wobei Zeiten von weniger als einem Jahr proratarisch auf Monatsbasis bis zu höchstens 42 Monatssätzen abgerechnet werden;

b) eines Betrages in Höhe der Summe der entgangenen Arbeitsentgelte vom Zeitpunkt der Kündigung bis zur Zustellung des Urteils, das die Kündigung für rechtswidrig erklärte, oder bis der Arbeitnehmer eine andere Arbeit angenommen hat, wenn dies vor diesem Urteil erfolgt ist und der Arbeitgeber die empfangenen Beträge nachweist, damit sie von den ,salarios de tramitación abgezogen werden können.

Der Arbeitgeber hat die Anmeldung des Arbeitnehmers bei der Sozialversicherung während der Zeit aufrechtzuerhalten , die den Arbeitsentgelten, auf die sich der vorhergehende Absatz bezieht, entspricht.

2. Hat der Arbeitgeber zwischen der Wiedereinstellung oder der Entschädigung zu wählen, so bleibt der Betrag im Sinne des Buchstaben b) des vorhergehenden Absatzes auf das Arbeitsentgelt beschränkt, das vom Zeitpunkt der Kündigung bis zum Zeitpunkt der gütlichen Einigung geschuldet wird, wenn der Arbeitgeber im Güteverfahren aufgrund dieser Einigung die Rechtswidrigkeit der Kündigung anerkennt, die in Buchstabe a) des vorhergehenden Absatzes vorgesehene Entschädigung anbietet und diese beim Juzgado de lo Social zur Verfügung des Arbeitnehmers binnen 48 Stunden nach Abschluss des Vergleichs hinterlegt."

12 Artikel 63 des Königlichen Gesetzesdekrets Nr. 2/1995 vom 7. April 1995 über die Billigung des geänderten Textes der Ley de Procedimiento laboral (Arbeitsgerichtsgesetz, BOE Nr. 86 vom 11. April 1995, S. 10695, im Folgenden: LPL) sieht vor dem gerichtlichen Verfahren ein Güteverfahren vor einer Verwaltungsstelle vor.

13 Artikel 84 LPL sieht nach Scheitern der Güteverhandlung vor dieser Stelle zwingend ein neues Güteverfahren vor dem zuständigen Gericht vor.

Der Ausgangsrechtsstreit

14 Dem Kläger, der für die Auslandsbeziehungen seines Arbeitgebers, der AB Diario de Bolsillo, SL, verantwortlich war, wurde von seinem Arbeitgeber am 30. März 1997 gekündigt. Das gerichtliche Verfahren gemäß Artikel 84 LPL wurde mit einem Vergleich abgeschlossen, in dem der Arbeitgeber zum einen die Rechtswidrigkeit der Kündigung anerkannte und zum anderen einräumte, dass er salarios de tramitación" vom Tag der Kündigung bis zum Tag des Abschlusses des Vergleichs und somit in Höhe von 136 896 ESP schulde.

15 Der Arbeitgeber zahlte die salarios de tramitación" nicht. Während des daraufhin eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens wurde der Arbeitgeber für zahlungsunfähig erklärt. Der Kläger beantragte daher beim Fogasa die Zahlung der salarios de tramitación". Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Fogasa vom 30. April 1998 abgelehnt.

16 Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Juzgado de lo Social (Arbeitsgericht) Nr. 2 Albacete (Spanien). Dieses Gericht wies die Klage mit Urteil vom 16. April 1999 mit der Begründung ab, dass Artikel 33 des Arbeitnehmerstatuts die subsidiäre Haftung des Fogasa für die salarios de tramitación" nur dann vorsehe, wenn diese vom zuständigen Gericht zugesprochen worden seien, nicht aber dann, wenn sie auf einem Vergleich zwischen den Parteien beruhten.

17 Der Kläger legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha ein.

Die Vorlagefragen

18 Im Vorlagebeschluss stellt das Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha fest, nach der Auslegung des Artikels 33 des Arbeitnehmerstatuts namentlich durch das spanische Tribunal Supremo hafte der Fogasa, wenn die Schuld im Güteverfahren vor einem Gericht oder einer Verwaltungseinrichtung anerkannt worden sei, nur für das gewöhnliche Arbeitsentgelt, nicht aber für die salarios de tramitación". Letztere fielen nur dann unter die Garantie für das Arbeitsentgelt, wenn sie in einer gerichtlichen Entscheidung anerkannt worden seien.

19 Das Gericht meint allerdings, in Bezug auf den subsidiären Eintritt des Fogasa gebe es keine vernünftigen Gründe für eine Unterscheidung zwischen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis auf salarios de tramitación" und solchen auf andere Entgelte.

20 Nach spanischem Recht trete die Haftung des Fogasa für gewöhnliche Arbeitsentgeltsansprüche bereits ein, wenn diese in einem Vergleich beliebiger Art vor einem Gericht oder vor einer Verwaltungsbehörde anerkannt worden seien.

21 Der vor einem Gericht geschlossene Vergleich sei verbindlich und müsse von diesem genehmigt werden, das im Übrigen gehalten sei, die Parteien zu Verhandlungen aufzufordern. Zudem könne dieser Vergleich auch vom Fogasa angefochten werden, wenn dieser der Ansicht sei, dass er gegen das Gesetz oder gegen seine Interessen verstoße.

22 Der Eintritt der subsidiären Haftung des Fogasa setze voraus, dass nach einem Versuch, den im Güteverfahren erzielten Vergleich zu vollstrecken, ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der vorläufigen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führe, wobei der Fogasa in diesem Verfahren über ein besonderes Beteiligungsrecht zu dem Zweck verfüge, alle ihm erheblich erscheinenden Gesichtspunkte zu Gehör bringen zu können.

23 Der Fogasa könne zudem in einem mit Gründen versehenen Bescheid den Antrag des Arbeitnehmers auf subsidiäre Zahlung ablehnen, wenn er der Ansicht sei, dass der geschlossene Vergleich eine Gesetzesumgehung darstelle. Das sei auch dann möglich, wenn die Forderung aus dem Arbeitsverhältnis in einem Urteil anerkannt worden sei. Damit verfüge er über ausreichende Garantien, um Betrügereien zu verhindern.

24 Aufgrund dieser Erwägungen hat das Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die drei folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst der Begriff Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen" in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einen Anspruch wie den auf die salarios de tramitación", die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aufgrund der Rechtswidrigkeit einer Kündigung zu zahlen hat?

2. Müssen, falls dies bejaht wird, nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 80/987 Ansprüche von Arbeitnehmern durch gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidung festgestellt sein, oder umfassen diese Ansprüche all jene Lohn- und Gehaltsforderungen, die in irgendeinem anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahren anerkannt wurden, das gerichtlich überprüft werden kann, wie dies bei einem vor einem Gericht geschlossenen Vergleich der Fall ist, auf dessen Abschluss das Gericht bei den Parteien hinzuwirken hat, bevor es das streitige Verfahren eröffnet, und dessen Inhalt es zu genehmigen hat oder den es ablehnen kann, wenn es der Auffassung ist, dass er eine Partei erheblich benachteiligt oder eine Gesetzesumgehung darstellt, oder wenn es ihn für rechtsmissbräuchlich hält?

3. Falls unter den erwähnten Begriff Ansprüche von Arbeitnehmern" auch salarios de tramitación" fallen, die in einem vor Gericht geschlossenen Vergleich vereinbart und von diesem Gericht genehmigt wurden, kann dann das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht von der Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschrift, nach der diese Forderung aus dem Arbeitsverhältnis nicht von der Haftung der nationalen Garantieeinrichtung erfasst wird, absehen und Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie unmittelbar anwenden, wenn es diesen Artikel für klar, bestimmt und unbedingt hält?

Zur ersten und zur zweiten Frage

25 Mit der ersten und der zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Ansprüche auf salarios de tramitación" mit dem Begriff Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie fallen.

26 Vorab sei darauf hingewiesen, dass sich aus der Regelung der Artikel 1 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie ergibt, dass diese Richtlinie nur solche Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen betrifft, die sich auf das Arbeitsentgelt im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 beziehen.

27 Nach Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie obliegt die Bestimmung des Begriffes Arbeitsentgelt" und die Festlegung seines Inhalts dem nationalen Recht. Im vorliegenden Fall verweist die Richtlinie somit auf das spanische Recht.

28 Unter das Arbeitsentgelt, das die Fogasa zu tragen hat, fallen nach Artikel 33 des Arbeitnehmerstatuts in der Auslegung des Tribunal Supremo neben dem Arbeitsentgelt im Sinne von Artikel 26 Absatz 1 des Arbeitnehmerstatuts die salarios de tramitación" nur insoweit, als sie durch eine gerichtliche Entscheidung festgesetzt sind.

29 Es ist jedoch die Frage gestellt, ob die Befugnis des nationalen Rechts, festzulegen, welche Leistungen zu Lasten der Garantieeinrichtung gehen, gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen unterliegt und ob das Königreich Spanien bei der Bestimmung des Begriffes Arbeitsentgelt" im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie diese Anforderungen beachtet hat.

30 Solche Anforderungen ergeben sich daraus, dass zum einen nach ständiger Rechtsprechung die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat, und dass zum anderen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen die Erfordernisse des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung beachten müssen. Sie müssen diese deshalb so weit wie möglich in Übereinstimmung mit diesen Erfordernissen anwenden (vgl. Urteile vom 24. März 1994 in der Rechtssache C-2/92, Bostock, Slg. 1994, I-955, Randnr. 16, und vom 13. April 2000 in der Rechtssache C-292/97, Karlsson u a., Slg. 2000, I-2737, Randnr. 37).

31 Fällt eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts, so hat der Gerichtshof, wenn er im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wird, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungskriterien an die Hand zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (Urteile vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 42, und vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-85/97, SFI, Slg. 1998, I-7447, Randnr. 29).

32 Zu den Grundrechten gehört insbesondere der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung. Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nur unterschiedlich behandelt werden, wenn eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. z. B. Urteile vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-189/01, Jippes, Slg. 2001, I-5689, Randnr. 129, und vom 23. November 1999 in der Rechtssache C-149/96, Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395, Randnr. 91).

33 Sowohl aus den Gründen des Vorlagebeschlusses als auch aus den schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung geht hervor, dass sich nach spanischem Recht alle Arbeitnehmer, denen rechtswidrig gekündigt worden ist, in dem Sinn in der gleichen Lage befinden, dass sie Anspruch auf salarios de tramitación" haben. Bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sieht jedoch Artikel 33 Absatz 1 des Arbeitnehmerstatuts für Arbeitnehmer, denen gekündigt worden ist, eine unterschiedliche Behandlung derart vor, dass der Fogasa nur die Erfuellung derjenigen Ansprüche auf die salarios de tramitación" sicherstellt, die durch gerichtliche Entscheidung festgesetzt worden sind.

34 Eine solche unterschiedliche Behandlung ist nur dann zulässig, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist.

35 Zur Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung beruft sich die spanische Regierung ausdrücklich auf Artikel 10 der Richtlinie und macht geltend, dass die fragliche Unterscheidung der Verhinderung von Missbräuchen dienen soll.

36 Zwar ermächtigt Artikel 10 der Richtlinie die Mitgliedstaaten, die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen. Aus den Erläuterungen im Vorlagebeschluss und den Erklärungen der spanischen Regierung zur Rolle des Fogasa geht jedoch hervor, dass dieser über ausreichende Garantien verfügt, um Betrügereien zu verhindern. Der Fogasa kann insbesondere stets durch mit Gründen versehenen Bescheid den Antrag des Arbeitnehmers auf subsidiäre Zahlung ablehnen, wenn er der Ansicht ist, dass der geschlossene Vergleich eine Gesetzesumgehung darstellt.

37 Im Übrigen geht aus den Gründen des Vorlagebeschlusses hervor, dass das Güteverfahren nach Artikel 84 LPL von einem Gericht, das den Vergleich zu genehmigen hat, genau überwacht wird.

38 Es ist daher keine zur Vermeidung von Missbräuchen notwendige Maßnahme im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie, dass die Erfuellung der Ansprüche auf salarios de tramitación" vom Fogasa nur dann übernommen wird, wenn diese durch gerichtliche Entscheidung festgesetzt worden sind.

39 Da keine weitere Begründung für die in Randnummer 33 des vorliegenden Urteils erwähnte unterschiedliche Behandlung angeführt worden ist, ist festzustellen, dass die unterschiedliche Behandlung einerseits von gewöhnlichen Lohn- und Gehaltsansprüchen sowie solche Ansprüche auf salarios de tramitación", die durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt sind, und andererseits von Ansprüchen auf salarios de tramitación", die nach einem Güteverfahren anerkannt sind, in dem Sinne, dass die Letztgenannten vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden, nicht überzeugend gerechtfertigt wurde.

40 Nach allem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Ansprüche auf salarios de tramitación" unabhängig davon als Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt betreffen, im Sinne der Artikel 1 Absatz 1 und 3 der Richtlinie zu betrachten sind, in welchem Verfahren sie festgestellt worden sind, wenn solche Ansprüche nach der maßgeblichen nationalen Regelung die Haftung der Garantieeinrichtung dann auslösen, wenn sie durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt sind, und wenn eine andere Behandlung solcher Ansprüche dann, wenn sie in einem Güteverfahren festgestellt wurden, nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Zur dritten Frage

41 Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es von der Anwendung einer nationalen Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art absehen kann, wenn diese in diskriminierender Weise solche Ansprüche auf salarios de tramitación" vom Begriff Arbeitsentgelt" im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ausnimmt, die nicht durch gerichtliche Entscheidung festgestellt sind.

42 Ist eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden, so kann, so lange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, der Gleichheitssatz nur derart gewahrt werden, dass die Vergünstigungen, die die Mitglieder der begünstigten Gruppe erhalten, auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe erstreckt werden.

43 In einem derartigen Fall ist das nationale Gericht gehalten, eine diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass es ihre vorherige Aufhebung durch den Gesetzgeber beantragen oder abwarten müsste, und auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe eben die Regelung anzuwenden, die für die übrigen Arbeitnehmer gilt (vgl. in Bezug auf das gleiche Entgelt für Männer und Frauen Urteile vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-184/89, Nimz, Slg. 1991, I-297, Randnrn. 18 bis 20, und 28. September 1994 in der Rechtssache C-408/92, Avdel Systems, Slg. 1994, I-4435, Randnr. 16).

44 Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das nationale Gericht eine innerstaatliche Regelung außer Anwendung zu lassen hat, die unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz Ansprüche auf salarios de tramitación", die in einem Güteverfahren vor einem Gericht vereinbart und von diesem genehmigt worden sind, vom Begriff Arbeitsentgelt" im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ausnimmt; es muss auf die Mitglieder der durch diese diskriminierende Unterscheidung benachteiligten Gruppe die auf Beschäftigte im Lohn- oder Gehaltsverhältnis anwendbare Regelung anwenden, deren Ansprüche gleicher Art nach der nationalen Definition des Begriffes Arbeitsentgelt" in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

Kostenentscheidung:

Kosten

45 Die Auslagen der spanischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, der Kommission, und der EFTA-Überwachungsbehörde, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha mit Beschluss vom 27. Oktober 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Ansprüche auf salarios de tramitación" sind unabhängig davon als Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt betreffen, im Sinne der Artikel 1 Absatz 1 und 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu betrachten, in welchem Verfahren sie festgestellt worden sind, wenn solche Ansprüche nach der maßgeblichen nationalen Regelung die Haftung der Garantieeinrichtung dann auslösen, wenn sie durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt sind, und wenn eine andere Behandlung solcher Ansprüche dann, wenn sie in einem Güteverfahren festgestellt wurden, nicht objektiv gerechtfertigt ist.

2. Das nationale Gericht hat eine innerstaatliche Regelung außer Anwendung zu lassen, die unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz Ansprüche auf salarios de tramitación", die in einem Güteverfahren vor einem Gericht vereinbart und von diesem genehmigt worden sind, vom Begriff Arbeitsentgelt" im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 80/987 ausnimmt; es muss auf die Mitglieder der durch diese diskriminierende Unterscheidung benachteiligten Gruppe die auf Beschäftigte im Lohn- oder Gehaltsverhältnis anwendbare Regelung anwenden, deren Ansprüche gleicher Art nach der nationalen Definition des Begriffes Arbeitsentgelt" in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

Ende der Entscheidung

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