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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 01.12.2005
Aktenzeichen: C-447/04
Rechtsgebiete: Richtlinie 2000/26/EG


Vorschriften:

Richtlinie 2000/26/EG Art. 4 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C-447/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landesgericht Innsbruck (Österreich) mit Entscheidung vom 30. September 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2004, in dem Verfahren

Autohaus Ostermann GmbH

gegen

VAV Versicherungs AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), des Richters R. Schintgen, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Klucka,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts über die Absicht des Gerichtshofes, nach Artikel 104 § 3 Absatz 2 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) (ABl. L 181, S. 5).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Autohaus Ostermann GmbH, der Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Ostermann), und der VAV Versicherungs AG, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: VAV), hinsichtlich der Kosten eines Verfahrens zur Regelung der Folgen eines Verkehrsunfalls.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Die achtzehnte Begründungserwägung der Richtlinie 2000/26 lautet:

"Außer der Sicherstellung der Präsenz eines Beauftragten des Versicherungsunternehmens im Wohnsitzstaat des Geschädigten sollte das spezifische Recht des Geschädigten auf zügige Bearbeitung des Anspruchs gewährleistet werden. Die nationalen Rechtsvorschriften müssen deshalb angemessene, wirksame und systematische finanzielle oder gleichwertige administrative Sanktionen - wie Anordnungen in Verbindung mit Bußgeldern, regelmäßige Berichterstattung an Aufsichtsbehörden, Kontrollen vor Ort, Veröffentlichungen im nationalen Gesetzblatt sowie in der Presse, Suspendierung der Tätigkeiten eines Unternehmens (Verbot des Abschlusses neuer Verträge während eines bestimmten Zeitraums), Bestellung eines Sonderbeauftragten der Aufsichtsbehörden, der zu überprüfen hat, ob der Geschäftsbetrieb unter Einhaltung der versicherungsrechtlichen Vorschriften erfolgt, Widerruf der Zulassung zur Ausübung von derartigen Versicherungsgeschäften und Sanktionen für Direktoren und Mitglieder der Geschäftsleitung - vorsehen, die dann gegen das Versicherungsunternehmen des Schädigers festgesetzt werden können, wenn dieses oder sein Beauftragter seiner Verpflichtung zur Vorlage eines Schadenersatzangebots innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt. Die Anwendung sonstiger, für angemessen erachteter Maßnahmen - insbesondere nach den für die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen geltenden Rechtsvorschriften - wird dadurch nicht berührt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Haftung sowie der erlittene Sach- oder Personenschaden nicht streitig ist, so dass das Versicherungsunternehmen innerhalb der vorgeschriebenen Frist ein mit Gründen versehenes Angebot unterbreiten kann. Ein solches Schadenersatzangebot muss schriftlich und unter Angabe der Gründe erfolgen, auf denen die Beurteilung der Haftung und des Schadens beruht."

4. Die Richtlinie 2000/26 bestimmt in ihrem Artikel 1 mit der Überschrift "Anwendungsbereich":

"(1) Mit dieser Richtlinie werden besondere Vorschriften für Geschädigte festgelegt, die ein Recht auf Entschädigung für einen Sach- oder Personenschaden haben, der bei einem Unfall entstanden ist, welcher sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten ereignet hat und der durch die Nutzung eines Fahrzeugs verursacht wurde, das in einem Mitgliedstaat versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat.

...

(2) Die Artikel 4 und 6 finden nur Anwendung bei Unfällen, die von einem Fahrzeug verursacht wurden, das

a) bei einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat des Geschädigten versichert ist und

b) seinen gewöhnlichen Standort in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat des Geschädigten hat.

..."

5. Artikel 4 der Richtlinie 2000/26 mit der Überschrift "Schadenregulierungsbeauftragte" bestimmt:

"...

(6) Die Mitgliedstaaten sehen die durch angemessene, wirksame und systematische finanzielle oder gleichwertige administrative Sanktionen bewehrte Verpflichtung vor, dass innerhalb von drei Monaten nach dem Tag, an dem der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch entweder unmittelbar beim Versicherungsunternehmen des Unfallverursachers oder bei dessen Schadenregulierungsbeauftragten angemeldet hat,

a) vom Versicherungsunternehmen des Unfallverursachers oder von dessen Schadenregulierungsbeauftragten ein mit Gründen versehenes Schadenersatzangebot vorgelegt wird, sofern die Eintrittspflicht unstreitig ist und der Schaden beziffert wurde, oder

b) vom Versicherungsunternehmen, an das ein Antrag auf Schadenersatz gerichtet wurde, oder von dessen Schadenregulierungsbeauftragten eine mit Gründen versehene Antwort auf die in dem Antrag enthaltenen Darlegungen erteilt wird, sofern die Eintrittspflicht bestritten wird oder nicht eindeutig feststeht oder der Schaden nicht vollständig beziffert worden ist.

Die Mitgliedstaaten erlassen Bestimmungen, um sicherzustellen, dass für die dem Geschädigten vom Versicherungsunternehmen angebotene bzw. ihm gerichtlich zugesprochene Schadenersatzsumme Zinsen gezahlt werden, wenn das Angebot nicht binnen drei Monaten vorgelegt wird.

..."

6. Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 2000/26 mit der Überschrift "Umsetzung" sieht ferner vor:

"Die Mitgliedstaaten können im Einklang mit dem Vertrag Bestimmungen beibehalten oder einführen, die für den Geschädigten günstiger sind als die Bestimmungen, die zur Umsetzung dieser Richtlinie erforderlich sind."

Nationales Recht

7. Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz vom 19. August 1994 (BGBl. Nr. 651/1994 in seiner geänderten und in BGBl. I Nr. 11/2002 veröffentlichten Fassung, im Folgenden: KHVG) sieht in seinem § 29a vor:

"(1) Der Versicherer oder sein gemäß § 12a VAG [Versicherungsaufsichtsgesetz] bestellter Schadenregulierungsbeauftragter sind verpflichtet, dem geschädigten Dritten innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem dieser ihm das Schadenereignis angezeigt hat, die Ersatzleistung anzubieten, wenn diese dem Grunde und der Höhe nach nicht bestritten wird.

(2) Bestreiten der Versicherer oder sein Schadenregulierungsbeauftragter die Pflicht zur Erbringung einer Ersatzleistung oder sind die Erhebungen zur Feststellung der Ersatzpflicht innerhalb der in Abs. 1 angeführten Frist noch nicht abgeschlossen, so haben sie dies gegenüber dem geschädigten Dritten innerhalb der in Abs. 1 angeführten Frist schriftlich zu begründen.

...

(4) Kommen der Versicherer oder sein Schadenregulierungsbeauftragter ihrer Pflicht gemäß Abs. 1 und 2 nicht nach, so gebühren dem geschädigten Dritten die gesetzlichen Verzugszinsen spätestens ab dem Zeitpunkt des Ablaufes der Frist gemäß Abs. 1."

Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfrage

8. Am 3. Februar 2004 ereignete sich im Stadtgebiet von Innsbruck ein Verkehrsunfall, an dem zwei Kraftfahrzeuge mit österreichischen amtlichen Kennzeichen beteiligt waren. Die Eigentümerin eines dieser beiden Fahrzeuge ließ es bei Ostermann reparieren, der sie ihre Ansprüche gegen VAV abtrat. Diese ist ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in Wien.

9. Mit Schreiben des Vertreters von Ostermann vom 19. Februar 2004 wurde VAV aufgefordert, bis zum 2. März 2004 verschiedene Beträge zu zahlen, und zwar 2 206,39 Euro Reparaturkosten, 156 Euro Sachverständigenkosten, 36 Euro unfallkausale Nebenspesen und die Kosten des Vertreters von Ostermann.

10. Da VAV innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht reagierte, erließ das Bezirksgericht Innsbruck am 19. März 2004 auf Klage von Ostermann einen Zahlungsbefehl über 2 407,39 Euro zuzüglich 5,5 % Zinsen seit dem 2. März 2004. Dieser Zahlungsbefehl wurde VAV am 23. März 2004 zugestellt; diese hatte jedoch einige Tage davor die Überweisung des gesamten Hauptsachenbetrags auf das Konto des Vertreters von Ostermann vorgenommen, wo er am 24. März 2004 gutgeschrieben wurde.

11. Da der Hauptsachenbetrag von VAV gezahlt worden war, wurde die Klage vor dem Bezirksgericht Innsbruck auf die Frage der Kosten des Verfahrens beschränkt. Dieses Gericht hat mit Entscheidung vom 18. Juni 2004 VAV die Kosten in Höhe von 531,01 Euro mit der Begründung auferlegt, dass die Haftpflichtversicherer nach ständiger Rechtsprechung über eine angemessene Frist von 10 bis 14 Kalendertagen verfügten, um den Schaden zu regulieren; innerhalb dieser Frist könne der Anspruchsteller bei ordnungsgemäßer Sachbearbeitung eine Befriedigung seiner Ansprüche durch das Versicherungsunternehmen erwarten. Die von VAV erhobene Einrede, dass ihr nach § 29a Absatz 1 KHVG eine Frist von drei Monaten für die Schadenregulierung zustehe, wurde von dem Gericht zurückgewiesen.

12. VAV legte Rekurs beim Landesgericht Innsbruck ein. Sie beantragte die Abänderung der Entscheidung des Bezirksgerichts Innsbruck dahin, dass Ostermann Kosten in Höhe von 404,02 Euro auferlegt werden. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung dieser Entscheidung.

13. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die §§ 41 ff. der Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO) im Wesentlichen das Erfolgsprinzip normierten, wonach die unterliegende Partei dem obsiegenden Gegner die Kosten des Verfahrens zu erstatten habe. Nach § 45 ZPO habe jedoch der Kläger, selbst wenn seine Klage begründet sei, die Kosten von VAV zu tragen, sofern dieser durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort anerkannt habe.

14. Treffe das Vorbringen von VAV zu, dass der Versicherer nach Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 jedenfalls über eine Bearbeitungsfrist von drei Monaten verfüge, so habe nach § 45 ZPO Ostermann die Kosten zu tragen. Sei dagegen dem Standpunkt von Ostermann der Vorzug zu geben und die genannte Bestimmung der Richtlinie dahin auszulegen, dass der Geschädigte seine Forderung früher fällig stellen und dem Versicherungsunternehmen innerhalb der Dreimonatsfrist eine angemessene Zahlungsfrist setzen könne, so habe VAV die Klageerhebung veranlasst und müsse daher die Kosten tragen.

15. Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Innsbruck beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 dahin auszulegen, dass dem in Anspruch genommenen Versicherungsunternehmen auch bei einer einfachen Sach- und Rechtslage immer eine Bearbeitungsfrist von drei Monaten zur Verfügung steht, oder dahin, dass es sich hiebei lediglich um eine "Fälligkeitsvorschrift" handelt, die eine frühere klagsweise Inanspruchnahme des Versicherungsunternehmens nach Setzung einer "angemessenen", auch innerhalb der Dreimonatsfrist gelegenen Zahlungsfrist nicht ausschließt?

Zur Vorabentscheidungsfrage

16. Der Gerichtshof hat in der Erwägung, dass die Beantwortung der vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, das vorlegende Gericht nach Artikel 104 § 3 Absatz 2 seiner Verfahrensordnung davon unterrichtet, dass er beabsichtigt, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, und den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

17. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.

18. Zunächst stellt die österreichische Regierung in Frage, dass der Gerichtshof dafür zuständig ist, die vorgelegte Frage zu beantworten. Die Richtlinie 2000/26 finde nämlich nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 auf jeden Schaden Anwendung, der bei einem Unfall entstanden sei, der sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten ereignet habe. Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens betreffe jedoch nur Österreich.

19. Insoweit ist festzustellen, dass sich der österreichische Gesetzgeber, wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/26 in nationales Recht dafür entschieden hat, rein nationale Sachverhalte und solche, die unter die Richtlinie fallen, gleichzubehandeln.

20. Der Gerichtshof hat wiederholt seine Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen bejaht, die Gemeinschaftsbestimmungen in Fällen betrafen, in denen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fiel, in denen aber die genannten Bestimmungen durch das nationale Recht für anwendbar erklärt worden waren (vgl. insbesondere Urteil vom 17. März 2005 in der Rechtssache C-170/03, Feron, Slg. 2005, I-2299, Randnr. 11 und die dort zitierte Rechtsprechung).

21. Daher ist die vorgelegte Frage zu beantworten.

22. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die es dem Geschädigten ermöglicht, das Versicherungsunternehmen zu verklagen, nachdem eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden ist, die innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Dreimonatsfrist liegt.

23. VAV ist der Ansicht, dass die vorgelegte Frage zu bejahen sei, während Ostermann, die österreichische Regierung und die deutsche Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften der entgegengesetzten Auffassung sind.

24. Insoweit ist festzustellen, dass der Zweck des Artikels 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 nicht darin besteht, wie dies VAV geltend macht, dem Versicherer eine angemessene Frist für die Schadensregulierung einzuräumen, sondern, wie sich aus der achtzehnten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt, darin, das spezifische Recht des Geschädigten auf zügige Bearbeitung des Anspruchs zu gewährleisten.

25. Dieser Zweck stimmt mit dem des Schutzes der Geschädigten überein, der bereits den Richtlinien zugrunde liegt, die die Richtlinie 2000/26 gemäß ihrer achten Begründungserwägung ergänzen will, nämlich der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 103, S. 1) sowie der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 (ABl. 1984, L 8, S. 17) und der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 (ABl. L 129, S. 33), die beide die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 1996 in der Rechtssache C-129/94, Ruiz Bernáldez, Slg. 1996, I-1829, Randnr. 18, und vom 30. Juni 2005 in der Rechtssache C-537/03, Candolin u. a., Slg. 2005, I-0000, Randnr. 18).

26. Diesem Zweck des Schutzes des Geschädigten liefe es zuwider, die in Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 vorgesehene Dreimonatsfrist in dem Sinne auszulegen, dass es für ihn auch bei einer einfachen Sach- und Rechtslage keine Möglichkeit gibt, eine Regulierung des Schadens durch den Versicherer vor Ablauf dieser Frist zu erreichen.

27. Im Übrigen würde die Auslegung, dass Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die es dem Geschädigten ermöglicht, die Zahlung binnen einer innerhalb der Dreimonatsfrist gelegenen angemessenen Frist zu verlangen, gegen Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie verstoßen, wonach die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem EG-Vertrag Bestimmungen beibehalten oder einführen können, die für den Geschädigten günstiger sind als die Bestimmungen, die zur Umsetzung der Richtlinie 2000/26 erforderlich sind.

28. Unter diesen Umständen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die es dem Geschädigten ermöglicht, das Versicherungsunternehmen zu verklagen, nachdem eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden ist, die innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Dreimonatsfrist liegt.

Kostenentscheidung:

Kosten

29. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 4 Absatz 6 der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die es dem Geschädigten ermöglicht, das Versicherungsunternehmen zu verklagen, nachdem eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden ist, die innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Dreimonatsfrist liegt.

Ende der Entscheidung

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