Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: C-447/05
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 2454/93


Vorschriften:

EG Art. 234
Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 Anhang 11
Ein Vorgang, bei dem verschiedene Teile zusammengesetzt werden, stellt eine wesentliche Be- oder Verarbeitung dar; ein solcher Vorgang kann als ursprungsbegründend angesehen werden, wenn er aus technischer Sicht und im Hinblick auf die Definition der betreffenden Ware die entscheidende Herstellungsstufe bildet, auf der die Bestimmung der verwendeten Bestandteile konkretisiert wird und auf der der Ware ihre besonderen qualitativen Eigenschaften verliehen werden.

Indes kann es bei der Vielzahl der unter den Begriff der Montage fallenden Vorgänge Sachverhalte geben, bei denen sich der Ursprung einer Ware nicht anhand technischer Kriterien bestimmen lässt. In diesen Fällen ist hilfsweise das Kriterium des durch die Montage geschaffenen Mehrwerts heranzuziehen.

Insoweit muss die Kommission im Rahmen des Wertungsspielraums, über den sie beim Erlass der erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des Zollkodex der Gemeinschaft, insbesondere der den Ursprung der Waren betreffenden Maßnahmen, verfügt, allgemeine Bestimmungen erlassen, die aus Gründen der Rechtssicherheit die Gesamtsituation eines Industriesektors dauerhaft berücksichtigen und folglich nicht durch die besondere Situation eines bestimmten Unternehmens dieses Sektors in einem bestimmten Zeitpunkt beeinflusst werden können.

So kann die Heranziehung des Kriteriums des Mehrwerts dadurch gerechtfertigt sein, dass die Kommission die große Vielfalt der Vorgänge berücksichtigt, die in dem gesamten in Rede stehenden Industriesektor unter den Begriff der Montage fallen.


Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

8. März 2007

"Zollkodex der Gemeinschaft - Durchführungsmaßnahmen - Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 - Anhang 11 - Nichtpräferenzieller Ursprung von Waren - Fernsehempfangsgeräte - Begriff der wesentlichen Be- oder Verarbeitung - Kriterium des Wertzuwachses - Gültigkeit"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-447/05 und C-448/05

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour d'appel de Paris (Frankreich) mit Entscheidungen vom 18. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Dezember 2005, in den Verfahren

Thomson Multimedia Sales Europe (C-447/05),

Vestel France (C-448/05)

gegen

Administration des douanes et droits indirects

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters E. Juhász, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Thomson Multimedia Sales Europe, vertreten durch F. Goguel, avocat,

- der Vestel France, vertreten durch F. Goguel, avocat, und P. de Baere, advocaat,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und G. Le Bras als Bevollmächtigte,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. White und K. Beal als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Gültigkeit der in Spalte 3 des Anhangs 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 1) enthaltenen Bestimmungen zu Tarifposition 8528 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: streitige Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93).

2 Diese Ersuchen ergehen in Rechtsstreitigkeiten über den Ursprung von Fernsehempfangsgeräten, wie sie in den verbindlichen Auskünften über den Ursprung (im Folgenden: VAU) beschrieben sind, die die französische Administration des douanes et droits indirects (im Folgenden: Zollverwaltung) im Jahr 2003 auf Antrag der Thomson Sales Europe, vormals Thomson Multimedia Sales Europe (im Folgenden: Thomson) und der Vestel France (im Folgenden: Vestel) erteilte.

Rechtlicher Rahmen

Der Zollkodex der Gemeinschaften

3 Art. 24 in Abschnitt 1 ("Nichtpräferenzieller Ursprung") des Titels II Kapitel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) bestimmt:

"Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt."

4 Nach Art. 249 des Zollkodex der Gemeinschaften werden die erforderlichen Durchführungsvorschriften zu diesem Zollkodex von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erlassen.

Die Verordnung Nr. 2454/93

5 Art. 39 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 lautet:

"Für die in Anhang 11 genannten hergestellten Waren gelten als Be- oder Verarbeitungen, die gemäß Artikel 24 des Zollkodex [der Gemeinschaften] den Ursprung verleihen, die in Spalte 3 des genannten Anhangs aufgeführten Be­- oder Verarbeitungen.

..."

6 Anhang 11 der Verordnung Nr. 2454/93 bestimmt:

"KN-Code

Warenbezeichnung

Be- oder Verarbeitungen von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft, die den Ursprung verleihen

(1)

(2)

(3)

...

ex 8528

...

Fernsehempfangsgeräte (ausgenommen Videotuner, Videomonitoren und Videoprojektoren), auch in einem Gehäuse mit einem Rundfunkempfangsgerät, einem Tonaufzeichnungs- oder Wiedergabegerät kombiniert

...

Herstellen, bei dem der aufgrund der Montagevorgänge und gegebenenfalls der Verwendung von Ursprungswaren erworbene Wert mindestens 45 v. H. des Ab-Werk-Preises der Geräte beträgt

Ist die 45 v. H.-Regel nicht erfüllt, so haben die Geräte ihren Ursprung in dem Land, in dem der Ab-Werk-Preis der Teile mehr als 35 v. H. des Ab-Werk-Preises der Geräte beträgt.

Ist die 35 v. H.-Regel in zwei Ländern erfüllt, so gilt als Ursprungsland das Land, in dem die Teile mit dem höchsten Vomhundertsatz ihren Ursprung haben"

Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

Rechtssache C-447/05

7 Thomson vermarktet in Frankreich Fernsehempfangsgeräte, die in Polen unter Verwendung von aus diesem Land und aus anderen Ländern stammenden Teilen hergestellt werden. Die Kathodenstrahlröhren stammen aus Korea und machen 42,43 % des Ab-Werk-Preises der Fernsehempfangsgeräte aus. Die aus Polen stammenden Bestandteile der Fernsehempfangsgeräte und die dort erfolgten Herstellungsprozesse machen 31,49 % des Ab-Werk-Preises aus.

8 Auf Antrag von Thomson erteilte die Zollverwaltung am 11. Juli 2003 auf der Grundlage von Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 34 der Verordnung Nr. 2454/93 und deren Anhang 11 eine VAU, nach der Korea Ursprungsland dieser Fernsehempfangsgeräte ist.

9 Thomson hält die streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 im Hinblick auf Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften für ungültig. Sie rief daher das Tribunal d'instance du 7e arrondissement de Paris an und beantragte, diese VAU für nichtig zu erklären und festzustellen, dass Polen das Ursprungsland der fraglichen Geräte ist.

10 Das Tribunal d'instance wies diese Klage mit Urteil vom 8. Juni 2004 ab; Thomson legte dagegen bei der Cour d'appel de Paris Berufung ein. Dieses Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit der streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93. Es hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Anhang 11 der Verordnung Nr. 2454/93 ungültig, weil er insoweit gegen Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften verstößt, als er dazu führt, dass Korea als Ursprung eines Fernsehempfangsgeräts angesehen wird, das unter den im Verfahren beschriebenen Umständen in Polen hergestellt wurde?

Rechtssache C-448/05

11 Vestel vermarktet in Frankreich Fernsehempfangsgeräte, die in der Türkei unter Verwendung von aus diesem Land und aus anderen Ländern stammenden Teilen hergestellt werden. Die Kathodenstrahlröhren stammen aus China und machen 43,1141 % des Ab-Werk-Preises der Fernsehempfangsgeräte aus. Die aus der Türkei stammenden Bestandteile der Fernsehempfangsgeräte und die dort erfolgten Herstellungsprozesse machen 38,47 % des Ab-Werk-Preises aus.

12 Auf Antrag von Vestel erteilte die Zollverwaltung am 24. März 2003 auf der Grundlage von Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 34 der Verordnung Nr. 2454/93 und deren Anhang 11 eine VAU, nach der China Ursprungsland dieser Fernsehempfangsgeräte ist.

13 Vestel hält die streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 im Hinblick auf Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften für ungültig. Sie rief daher das Tribunal d'instance du 7e arrondissement de Paris an und beantragte, diese VAU für nichtig zu erklären und festzustellen, dass die Türkei das Ursprungsland der fraglichen Geräte ist.

14 Das Tribunal d'instance wies diese Klage mit Urteil vom 8. Juni 2004 ab; Vestel legte dagegen bei der Cour d'appel de Paris Berufung ein. Dieses Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit der streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93. Es hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Anhang 11 der Verordnung Nr. 2454/93 ungültig, weil er insoweit gegen Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften verstößt, als er dazu führt, dass China als Ursprung eines Fernsehempfangsgeräts angesehen wird, das unter den im Verfahren beschriebenen Umständen in der Türkei hergestellt wurde?

15 Mit Beschluss vom 7. März 2006 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C-447/05 und C-448/05 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Zu den Vorlagefragen

16 Das vorlegende Gericht möchte mit seinen Fragen wissen, ob die streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 ungültig sind, soweit danach der aufgrund der Montagevorgänge und gegebenenfalls der Verwendung von Ursprungswaren erworbene Wert mindestens 45 % des Ab-Werk-Preises der Fernsehempfangsgeräte betragen muss, damit deren Herstellung ihnen den Ursprung in dem Land verleiht, in dem diese Montage erfolgt.

17 Thomson und Vestel (im Folgenden: Klägerinnen) machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie ein nach Ansicht der Klägerinnen "quantitatives" Kriterium des Wertzuwachses herangezogen habe, das mit den "qualitativen" Kriterien des Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften unvereinbar sei, die ihr vom Rat der Europäischen Union zur Durchführung der Bestimmungen dieses Zollkodex verliehenen Befugnisse überschritten.

18 Vorab ist festzustellen, dass die Frage der Gültigkeit der streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 in Rechtsstreitigkeiten aufgeworfen worden ist, in denen die Rechtmäßigkeit von VAU in Frage gestellt wird, die in Polen bzw. in der Türkei montierte Fernsehempfangsgeräte betreffen. Diese VAU waren im Jahr 2003 von in Frankreich ansässigen Unternehmen beantragt worden, die wissen wollten, welches im Sinne der Regeln der Art. 22 bis 26 des Zollkodex der Gemeinschaften der nichtpräferenzielle Ursprung dieser Geräte ist.

19 Diese Anträge waren nicht auf die Feststellung des Präferenzursprungs im Sinne von Art. 27 des Zollkodex der Gemeinschaften gerichtet und dienten also nicht dazu, festzustellen, ob für die fraglichen Waren Zollpräferenzmaßnahmen gelten, die in Abkommen vorgesehen sind, die die Europäische Gemeinschaft mit bestimmten Ländern oder Gruppen von Ländern geschlossen hat.

20 Daher reicht der Umstand, dass die Republik Polen und die Republik Türkei im Zeitpunkt der Erteilung der fraglichen VAU in ihren Zollbeziehungen mit den Europäischen Gemeinschaften eine Sonderstellung innehatten, für sich allein nicht aus, um die Erheblichkeit der Fragen des vorlegenden Gerichts in Zweifel zu ziehen.

21 Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass nach Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, Ursprungsware des Landes ist, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.

22 Dieser Artikel greift den Wortlaut von Art. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 802/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung (ABl. L 148, S. 1) auf, die vor Inkrafttreten des Zollkodex der Gemeinschaften galt. In Auslegung dieser Verordnung hat der Gerichtshof entschieden, dass sich aus diesem Art. 5 ergibt, dass das entscheidende Kriterium dasjenige der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung ist (Urteil vom 13. Dezember 1989, Brother International, C-26/88, Slg. 1989, 4253, Randnr. 15).

23 Zweitens ist daran zu erinnern, dass Art. 249 des Zollkodex der Gemeinschaften eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, die es der Kommission erlaubt, die Anwendungsmodalitäten dieses Zollkodex zu erlassen (Urteil vom 11. November 1999, Söhl & Söhlke, C-48/98, Slg. 1999, I-7877, Randnr. 35).

24 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die Kommission befugt ist, alle für die Durchführung einer Grundverordnung erforderlichen oder zweckmäßigen Maßnahmen zu ergreifen, soweit diese nicht gegen die Grundverordnung oder die Anwendungsregeln des Rates verstoßen (vgl. u. a. Urteil Söhl & Söhlke, Randnr. 36).

25 Zudem verfügt die Kommission bei der Ausübung der ihr vom Rat zur Durchführung von Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften verliehenen Befugnisse über einen Beurteilungsspielraum, um die abstrakten Begriffe dieser Bestimmung im Hinblick auf besondere Be- und Verarbeitungsvorgänge präzisieren zu können (vgl. Urteil vom 23. März 1983, Cousin u. a., 162/82, Slg. 1983, 1101, Randnr. 17).

26 Zur Frage, ob ein Vorgang, bei dem verschiedene Teile zusammengesetzt werden, eine wesentliche Be- oder Verarbeitung darstellt, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass ein solcher Montagevorgang als ursprungsbegründend angesehen werden kann, wenn er aus technischer Sicht und im Hinblick auf die Definition der betreffenden Ware die entscheidende Herstellungsstufe bildet, auf der die Bestimmung der verwendeten Bestandteile konkretisiert wird und auf der der Ware ihre besonderen qualitativen Eigenschaften verliehen werden (Urteile vom 31. Januar 1979, Yoshida, 114/78, Slg. 1979, 151, und Brother International, Randnr. 19).

27 Der Gerichtshof hat indes entschieden, dass es bei der Vielzahl der unter den Begriff der Montage fallenden Vorgänge Sachverhalte geben kann, bei denen sich der Ursprung einer Ware nicht anhand technischer Kriterien bestimmen lässt. In diesen Fällen ist hilfsweise das Kriterium der durch die Montage erzielten Wertschöpfung heranzuziehen (Urteil Brother International, Randnr. 20).

28 Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Erheblichkeit dieses Kriteriums im Übrigen durch das Internationale Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren (Übereinkommen von Kyoto), von dem mehrere Anlagen mit dem Beschluss 77/415/EWG des Rates vom 3. Juni 1977 (ABl. L 166, S. 1 und 3) im Namen der Gemeinschaft angenommen wurden, bestätigt wird. In den Anmerkungen zu Norm 3 der Anlage D.1 dieses Übereinkommens heißt es, dass das Kriterium der wesentlichen Verarbeitung in der Praxis in der Regel des prozentualen Wertanteils zum Ausdruck kommen kann, wenn der Prozentsatz des Wertes der verwendeten Waren oder der Prozentsatz des Wertzuwachses eine bestimmte Höhe erreicht (Urteil Brother International, Randnr. 21).

29 Außerdem ist hervorzuheben, dass der Rat durch seinen Beschluss 94/800/EG vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) u. a. das der am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Schlussakte beigefügte Übereinkommen über Ursprungsregeln (ABl. L 336, S. 144) angenommen hat, nach dem bei der Ausarbeitung dieser Regeln das Wertprozentsatzkriterium herangezogen werden kann.

30 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die internationalen Übereinkommen von ihrem Inkrafttreten an einen integralen Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung bilden (vgl. u. a. Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C-344/04, Slg. 2006, I-403, Randnr. 36). Nach ständiger Rechtsprechung sind Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Übereinkommen auszulegen (vgl. u. a. Urteil vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica/Rat, C-76/00 P, Slg. 2003, I-79, Randnr. 57).

31 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Rückgriff auf das Kriterium des Wertzuwachses für sich allein nicht mit Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaften unvereinbar ist und dass die Kommission allein damit nicht die ihr nach Art. 249 dieses Zollkodex zustehenden Durchführungsbefugnisse überschritten hat.

32 Der Vortrag der Klägerinnen ist so zu verstehen, dass sie außerdem geltend machen, dass die Situation im Industriesektor der Herstellung von Fernsehempfangsgeräten es zulasse, den Ursprung dieser Waren anhand technischer Kriterien nach dem Montagevorgang zu bestimmen, und dass die Kommission daher nicht wie in den streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 geschehen auf das Kriterium des Wertzuwachses zurückgreifen könne, das nur Hilfscharakter habe.

33 Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Kommission zur Durchführung der Verordnung Nr. 802/68 die Verordnung (EWG) Nr. 2632/70 vom 23. Dezember 1970 über die Bestimmung des Ursprungs von Rundfunk- und Fernsehempfangsgeräten (ABl. L 279, S. 35) erlassen hatte; deren Bestimmungen zum Kriterium des Wertzuwachses wurden im Wesentlichen in die streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 übernommen.

34 Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2632/70 kann die Montage von Rundfunk- und Fernsehempfangsgeräten je nach Art der zusammengebauten Geräte, der benutzten Einrichtungen und der Umstände, unter denen die Montage erfolgt, mehr oder weniger komplizierte Vorgänge umfassen. Im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung wird außerdem hervorgehoben, dass "nach dem augenblicklichen Stand der Technik auf diesem Industriesektor" die Montagevorgänge als solche im Allgemeinen noch keine bedeutende Herstellungsstufe im Sinne des Art. 5 der Verordnung Nr. 802/68 darstellen, dass es jedoch in bestimmten Fällen auch anders sein kann, z. B., wenn es sich um die Montage von Hochleistungsgeräten handelt oder wenn eine strenge Kontrolle der verwendeten Teile oder auch ein Zusammensetzen aller Einzelteile des Geräts erforderlich ist. Im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2632/70 wird hinzugefügt, dass die Vielfalt der Vorgänge, die unter den Begriff Montage fallen, es unmöglich macht, aufgrund eines technischen Maßstabs die Fälle festzulegen, in denen diese Vorgänge eine bedeutende Herstellungsstufe darstellen, und dass es unter diesen Voraussetzungen angebracht ist, sich an die durch die Montage eingetretene Wertsteigerung zu halten.

35 Diese Gründe sind geeignet, die Beibehaltung des Kriteriums des Wertzuwachses in den streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 zu rechtfertigen.

36 Die Kommission muss nämlich im Rahmen des Wertungsspielraums, über den sie beim Erlass der erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des Zollkodex der Gemeinschaft, insbesondere der den Ursprung der Waren betreffenden Maßnahmen, verfügt, allgemeine Bestimmungen erlassen, die aus Gründen der Rechtssicherheit die Gesamtsituation eines Industriesektors dauerhaft berücksichtigen und folglich nicht durch die besondere Situation eines bestimmten Unternehmens dieses Sektors in einem bestimmten Zeitpunkt beeinflusst werden können.

37 Unter diesen Umständen war die Heranziehung des Kriteriums des Wertzuwachses dadurch gerechtfertigt, dass die Kommission die große Vielfalt der Vorgänge berücksichtigte, die in dem gesamten in Rede stehenden Industriesektor unter den Begriff Montage fallen.

38 Im Übrigen haben die Klägerinnen in ihren schriftlichen Erklärungen selbst hervorgehoben, dass die Vorgänge der Montage der verschiedenen Bestandteile der Geräte, die Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, Teil eines komplexen Herstellungsprozesses sind. Zudem stützen die dem Gerichtshof vorgelegten Akten nicht die Annahme, dass dieser Prozess bei allen Herstellern von Fernsehempfangsgeräten gleich ist. Jedenfalls lässt sich aus ihnen nicht folgern, dass in dem gesamten in Rede stehenden Industriesektor unter den Begriff Montage keine große Vielfalt von Vorgängen fiele.

39 Vor diesem Hintergrund war es angesichts des Erfordernisses der einheitlichen Geltung des Zollrechts im gesamten Zollgebiet der Gemeinschaft notwendig, die abstrakten Begriffe der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung, die nach Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaft für sämtliche Waren gelten, für spezifische Produkte wie Fernsehempfangsgeräte durch Sondervorschriften zu konkretisieren, mit denen sich den verschiedenen Herstellungsprozessen dieser Geräte Rechnung tragen lässt. Folglich kann die Heranziehung eines eindeutigen und objektiven Kriteriums wie des Wertzuwachses, anhand dessen für solche komplex zusammengesetzten Waren bestimmt werden kann, worin die den Ursprung verleihende wesentliche Verarbeitung besteht, nicht rechtsfehlerhaft sein.

40 Der Umstand, dass sich die Kommission aus den genannten Gründen veranlasst sah, bei dieser Konkretisierung der Regeln zur Bestimmung des Ursprungs von Fernsehempfangsgeräten auf das Kriterium des Wertzuwachses zurückzugreifen, bedeutet keineswegs, dass dieses Kriterium als solches allgemein strenger als die allgemeinen Kriterien des Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaft wäre und dass diese Produkte stets schlechter gestellt wären als Produkte - selbst gleichartige -, auf die diese allgemeinen Kriterien oder andere Kriterien angewandt werden. Die Klägerinnen können mithin die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 nicht unter Berufung auf die Beurteilung in Frage stellen, zu der der Gerichtshof im Urteil Cousin u. a. in Bezug auf Bestimmungen einer Verordnung gelangte, deren diskriminierender Charakter sich daraus ergab, dass der Ursprung für ein Produkt nach strengeren Kriterien als für ein gleichartiges anderes Produkt bestimmt wurde.

41 Zudem ergibt sich aus den Akten nicht, dass dieses Kriterium des Wertzuwachses, wie von den Klägerinnen behauptet, schwieriger anzuwenden wäre als die allgemeinen Begriffe des Art. 24 des Zollkodex der Gemeinschaft. Es ist nicht vorgetragen worden, dass die mit den Anträgen auf Erteilung der VAU befasste Zollverwaltung auf Schwierigkeiten gestoßen wäre, als sie das in den streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 genannte Kriterium des Wertzuwachses auf die vorliegenden Fälle anwandte.

42 Zwar wird, wenn die Kathodenstrahlröhren, wie die Klägerinnen vortragen, inzwischen immer mindestens 35 % des Ab-Werk-Preises der Fernsehempfangsgeräte ausmachen, ihr Ursprung in den meisten Fällen den Ursprung dieser Geräte bestimmen. Doch wäre das Vorliegen der oben genannten Voraussetzung nur dann völlig ausgeschlossen, wenn die Kathodenstrahlröhren mindestens 55 % des Ab-Werk-Preises ausmachten. In den Fallgestaltungen, die vor dem vorlegenden Gericht vorgetragen wurden, ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Voraussetzung in keinem Fall vorliegen wird. Die Anwendung der streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 kann daher nicht zur Folge haben, dass der Ursprung der Fernsehempfangsgeräte mit dem der Kathodenstrahlröhren gleichgestellt wird.

43 Die fraglichen Bestimmungen sind allgemein gefasst und verleihen bei der Bestimmung des Ursprungs des betroffenen Produkts einem spezifischen Bestandteil desselben, wie ihn etwa die Kathodenstrahlröhre darstellt, keine ausschlaggebende Bedeutung. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen sind diese Bestimmungen daher nicht mit denen vergleichbar, die zum Urteil Yoshida führten und durch die einem der Bestandteile des in dieser Rechtssache betroffenen Produkts gerade eine solche Bedeutung verliehen wurde.

44 Wenn die von den Klägerinnen angesprochene Situation auf der Entwicklung der Techniken zur Herstellung von Fernsehempfangsgeräten beruht, wäre sie zudem lediglich durch die konkreten Umstände bedingt; wie aus den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, kann die Entwicklung der aktuellen Herstellungstechniken, wie etwa auf dem Gebiet der Plasmabildschirme, diese Situation gegebenenfalls wesentlich verändern. Folglich kann die Heranziehung des Kriteriums des Wertzuwachses nicht erfolgreich unter Berufung auf diese Situation beanstandet werden.

45 Schließlich ist der Anteil von 45 % des Ab-Werk-Preises der Geräte, dem nach den streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 der aufgrund von Montagevorgängen und gegebenenfalls der Verwendung von Ursprungswaren erworbene Wert mindestens entsprechen muss, damit die Herstellung den Geräten den Ursprung in dem Land verleiht, in dem diese Montage aus Vormaterialien mit Ursprung in mehreren Ländern erfolgt, ausreichend für die Annahme, dass diese Vorgänge zu einer spürbaren Erhöhung des Handelswerts des Endprodukts führen (vgl. in diesem Sinne Urteil Brother International, Randnr. 22). Ein solcher Prozentsatz erscheint daher nicht offensichtlich ermessensfehlerhaft.

46 Nach alledem ist zu antworten, dass die Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der streitigen Bestimmungen des Anhangs 11 der Verordnung Nr. 2454/93 berühren könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der in Spalte 3 des Anhangs 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften enthaltenen Bestimmungen zu Tarifposition 8528 der Kombinierten Nomenklatur berühren könnte.

Ende der Entscheidung

Zurück