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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.08.1994
Aktenzeichen: C-447/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinie 85/384/EWG vom 10.06.1985


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Richtlinie 85/384/EWG vom 10.06.1985 Art. 11
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein 1966 von der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Aachen im Studiengang "Allgemeiner Hochbau" verliehenes Diplom kann den in Artikel 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr genannten Prüfungszeugnissen nicht gleichgestellt werden.

Die Voraussetzungen einer Anerkennung des fraglichen Diploms auf Gemeinschaftsebene sind nämlich nicht gegeben, da die anerkennungsfähigen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise jedes Mitgliedstaats in der in Kapitel III der Richtlinie enthaltenen ° der Wahrung erworbener Rechte auf dem Gebiet der Architektur dienenden ° Übergangsregelung abschließend aufgezählt sind, von den Prüfungszeugnissen deutscher Ingenieurschulen nach dieser Regelung nur die in den Studiengängen für Architektur ausgestellten anerkannt werden und das fragliche Diplom nicht in einem solchen Studiengang ausgestellt wurde.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 9. AUGUST 1994. - NICOLAS DREESSEN GEGEN CONSEIL NATIONAL DE L'ORDRE DES ARCHITECTES. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CONSEIL D'APPEL D'EXPRESSION FRANCAISE DE L'ORDRE DES ARCHITECTES - BELGIEN. - ANERKENNUNG VON BEFAEHIGUNGSNACHWEISEN AUF DEM GEBIET DER ARCHITEKTUR. - RECHTSSACHE C-447/93.

Entscheidungsgründe:

1 Der Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes, Lüttich (Belgien), hat mit Entscheidung vom 17. November 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 19. November 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 11 der Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 223, S. 15; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Nicolas Dreessen (Kläger) und dem Conseil national de l' ordre des architectes.

3 Der Kläger, der die belgische Staatsangehörigkeit besitzt und in Belgien wohnt, studierte an der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Aachen die Fachrichtung Hochbau. Am 16. Februar 1966 wurde ihm die Ingenieur-Urkunde verliehen, mit der er das Recht zur Führung der Bezeichnung "Ingenieur (grad.)" erhielt.

4 Vom 1. August 1966 bis 1991, also 25 Jahre lang, arbeitete der Kläger in Belgien als angestellter Architekt in verschiedenen Architektenbüros. Nachdem sein letzter Arbeitgeber in Konkurs gefallen war, beantragte er am 12. Dezember 1991 bei der Architektenkammer (Ordre des architectes) der Provinz Lüttich seine Eintragung in die von der Kammer geführte Architektenliste, um als selbständiger Architekt tätig werden zu können. Mit Entscheidung vom 29. April 1993 lehnte der Conseil de l' ordre des architectes der Provinz Lüttich seine Eintragung mit der Begründung ab, sein Diplom entspreche nicht einem in den Studiengängen für Architektur erteilten Diplom im Sinne der Richtlinie.

5 Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 25. Mai 1993 Klage beim Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes; er machte geltend, nach den Artikeln 11 Buchstabe a und 12 der Richtlinie habe er Anspruch auf die Eintragung in die Architektenliste.

6 Da die Entscheidung des Rechtsstreits nach Auffassung des Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängig war, setzte er mit Entscheidung vom 17. November 1993 das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Wie ist der Begriff der Studiengänge "Architektur/Hochbau" in Artikel 11 der Richtlinie 85/384/EWG für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur auszulegen? Ist für die Anwendung des Artikels 11 der Richtlinie ein 1966 von der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Aachen im Studiengang "Allgemeiner Hochbau" erteiltes Diplom einem im Studiengang "Architektur" erteilten Diplom gleichzusetzen?

7 Gemäß Artikel 10 der Richtlinie erkennt jeder Mitgliedstaat die in Artikel 11 genannten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise an, welche die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausstellen, die bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie im Besitz dieser Qualifikationen sind oder Studiengänge begonnen haben, die zum Erwerb solcher Diplome, Prüfungszeugnisse oder anderer Befähigungsnachweise spätestens am Ende des dritten Studienjahres nach dieser Bekanntgabe berechtigen, selbst wenn sie den Mindestanforderungen der in Kapitel II genannten Ausbildungsnachweise nicht genügen, und erkennt ihnen hinsichtlich des Zugangs zu den in Artikel 1 genannten Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung zu wie den Diplomen, Prüfungszeugnissen und Befähigungsnachweisen, die er selbst im Fachgebiet der Architektur ausstellt.

8 Nach Artikel 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich der Richtlinie gehören zu den Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen im Sinne des Artikels 10 in Deutschland insbesondere die vor dem 1. Januar 1973 in den Studiengängen für Architektur von den Ingenieurschulen ausgestellten Prüfungszeugnisse in Verbindung mit einer Bescheinigung der zuständigen Behörden, daß der Betreffende eine Prüfung aufgrund von Befähigungsnachweisen gemäß Artikel 13 bestanden hat.

9 Fraglich ist somit, ob die dem Kläger am 16. Februar 1966 in der Fachrichtung Hochbau, Abteilung Allgemeiner Hochbau, verliehene Ingenieur-Urkunde unter Artikel 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich fällt.

10 Die Richtlinie unterscheidet zwischen einer Dauerregelung für die Berufsbezeichnung "Architekt" (Kapitel II) und einer Übergangsregelung (Kapitel III), die der Wahrung erworbener Rechte auf dem Gebiet der Architektur dient.

11 Im Ausgangsverfahren ist die Übergangsregelung anwendbar. Hier sind die anerkennungsfähigen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise jedes Mitgliedstaats abschließend aufgezählt.

12 Von den Prüfungszeugnissen deutscher Ingenieurschulen werden nur die in den Studiengängen für Architektur ausgestellten anerkannt. Das Diplom des Klägers wurde jedoch nicht in einem solchen Studiengang ausgestellt.

13 Bereits nach dem Wortlaut des Artikels 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich der Richtlinie sind somit die Voraussetzungen einer Anerkennung des fraglichen Diploms auf Gemeinschaftsebene nicht gegeben.

14 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die früheren Ingenieurschulen, an denen keine Studiengänge für Architektur bestanden, seit 1971 in die Fachhochschulen einbezogen sind, deren Diplome unter die Anerkennungsregelung der Richtlinie fallen. Denn wenn diese Bezeichnung fehlerhaft oder lückenhaft war, so war es, worauf der Generalanwalt zu Recht hingewiesen hat, Sache des betroffenen Mitgliedstaats, d. h. der Bundesrepublik Deutschland, zur Berichtigung dieses Fehlers oder zur Füllung dieser Lücke eine Änderung der Richtlinie zu erwirken.

15 Demnach ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, daß ein 1966 von der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Aachen im Studiengang "Allgemeiner Hochbau" verliehenes Diplom den in Artikel 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich der Richtlinie genannten Prüfungszeugnissen nicht gleichgestellt werden kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Die Auslagen der deutschen und der spanischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem innerstaatlichen Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm vom Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes, Lüttich (Belgien), mit Entscheidung vom 17. November 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Ein 1966 von der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Aachen im Studiengang "Allgemeiner Hochbau" verliehenes Diplom kann den in Artikel 11 Buchstabe a vierter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr genannten Prüfungszeugnissen nicht gleichgestellt werden.

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