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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.12.1995
Aktenzeichen: C-45/94
Rechtsgebiete: Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge, EGV


Vorschriften:

Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge Art. 25
EGV Art. 9
EGV Art. 12
EGV Art. 95
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 6 Absatz 2 des Protokolls Nr. 2 zur Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals, wonach die in den spanischen Gebieten Kanarische Inseln, Ceuta und Melilla bestehenden Zölle schrittweise in der gleichen Zeitfolge und nach den gleichen Bedingungen abgeschafft werden, wie es in den Artikeln 30, 31 und 32 der Beitrittsakte vorgesehen ist, also bis spätestens 1. Januar 1993, ist so auszulegen, daß er neben den Zöllen im eigentlichen Sinn, die in ihm ausdrücklich erwähnt sind, auch auf Abgaben mit zollgleicher Wirkung Anwendung findet. Dieses Ergebnis gilt sowohl für in die genannten Gebiete eingeführte Waren aus Spanien als auch für Waren aus dem übrigen Zollgebiet der Gemeinschaft.

2. Die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals und das Protokoll Nr. 2 zu dieser Akte in Verbindung mit den Artikeln 9 und 12 EG-Vertrag oder 4 Buchstabe a EGKS-Vertrag oder mit Artikel 95 EG-Vertrag stehen der Erhebung einer Abgabe durch einen Mitgliedstaat entgegen, die, obwohl sie der Form nach eine interne Abgabe ist, entweder aufgrund des Inhalts der Regelungen, mit denen sie eingeführt wird, oder aufgrund der Art und Weise ihrer Erhebung durch die Verwaltung geeignet ist, die eingeführten Waren oder bestimmte Gruppen dieser Waren, nicht aber die örtlichen Waren derselben Gruppe zu treffen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 7. Dezember 1995. - Cámara de Comercio, Industria y Navegación de Ceuta gegen Ayuntamiento de Ceuta. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de Andalucía - Spanien. - Freier Warenverkehr - Akte über den Beitritt des Königreichs Spanien - In Ceuta und Melilla anwendbare Rechtsvorschriften - Abgabe mit zollgleicher Wirkung. - Rechtssache C-45/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Superior de Justicia Andalusien hat mit Beschluß vom 16. Dezember 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Februar 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 25 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge vom 12. Juni 1985 (ABl. L 302, S. 23; im folgenden: Beitrittsakte) sowie des Protokolls Nr. 2 zu dieser Akte in Verbindung mit den Bestimmungen des EWG-, jetzt EG-Vertrags und des EGKS-Vertrags über den freien Warenverkehr zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Cámara de Comercio, Industria y Navegación de Ceuta (Kammer für Handel, Industrie und Schiffahrt Ceuta) und dem Ayuntamiento de Ceuta (Stadt Ceuta) wegen Nichtigerklärung einer am 24. September 1991 von der Stadt Ceuta erlassenen Gemeindesatzung über die endgültige Einführung der Produktions- und Einfuhrabgabe (Arbitrio) in der Stadt Ceuta (Boletín oficial de Ceuta vom 25. September 1991, S. 143).

3 Ceuta und Melilla sind spanische Gebiete an der Küste Nordafrikas, die einen besonderen Status haben.

4 In Artikel 25 der Beitrittsakte ist bestimmt:

"(1) Die Verträge sowie die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane gelten für die Kanarischen Inseln sowie für Ceuta und Melilla vorbehaltlich der Ausnahmen, die in den Absätzen 2 und 3 sowie in den übrigen Bestimmungen dieser Akte getroffen werden.

(2) Die Bedingungen, unter denen die Bestimmungen des EWG- und des EGKS-Vertrags über den freien Warenverkehr sowie die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane über Zollbestimmungen und die Handelspolitik auf die Kanarischen Inseln und auf Ceuta und Melilla Anwendung finden, sind im Protokoll Nr. 2 geregelt.

..."

5 Gemäß Artikel 1 Absatz 2 des Protokolls Nr. 2 gehören die Kanarischen Inseln sowie Ceuta und Melilla nicht zum Zollgebiet der Gemeinschaft.

6 In Artikel 6 des Protokolls ist bestimmt:

"(1) Waren mit Ursprung im Zollgebiet der Gemeinschaft sind nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 bei ihrer Einfuhr nach den Kanarischen Inseln oder nach Ceuta und Melilla von Zöllen und von Abgaben gleicher Wirkung befreit.

(2) Die auf den Kanarischen Inseln sowie in Ceuta und Melilla bestehenden Zölle und die auf den Kanarischen Inseln bestehende 'arbitrio insular ° tarifa general' genannte Abgabe werden gegenüber Waren mit Ursprung im Zollgebiet der Gemeinschaft schrittweise in der gleichen Zeitfolge und nach den gleichen Bedingungen abgeschafft wie in den Artikeln 30, 31 und 32 der Beitrittsakte vorgesehen.

..."

7 Nach Artikel 31 der Beitrittsakte werden die Einfuhrzölle bis spätestens 1. Januar 1993 abgebaut.

8 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß bis 1991 in Ceuta eine Gemeindeabgabe auf die Einfuhr von Waren erhoben wurde.

9 Um diese Abgaben nach dem Beitritt des Königreichs Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften beibehalten zu können, beschloß der spanische Gesetzgeber, sie auf in Ceuta hergestellte Güter auszudehnen. Zu diesem Zweck erließ er das Gesetz Nr. 8/1991 vom 25. März 1991 zur Genehmigung der städtischen Produktions- und Einfuhrabgabe (Arbitrio) in Ceuta und Melilla (Boletín oficial del Estado 1991, Nr. 73 vom 26. März 1991, S. 9418).

10 Zur Durchführung dieses Gesetzes erließ die Stadt Ceuta die genannte Gemeindesatzung vom 24. September 1991.

11 Die Cámara de Comercio, Industria y Navegación de Ceuta ist der Ansicht, daß diese Satzung rechtswidrig sei; sie hat daher beim Tribunal Superior de Justicia Andalusien Nichtigkeitsklage erhoben.

12 Das Tribunal Superior de Justicia Andalusien ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts voraussetze; es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Erlauben Artikel 25 Absatz 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien zu den Europäischen Gemeinschaften und das Protokoll Nr. 2 zu dieser Akte in Verbindung mit den Bestimmungen des EWG-, jetzt EG-Vertrags und des EGKS-Vertrags über den freien Warenverkehr nach 1991 die Erhebung einer Abgabe wie der in dem spanischen Gesetz Nr. 8/1991 vom 25. März 1991 zur Genehmigung der Produktions- und Einfuhrabgabe in den Städten Ceuta und Melilla, die so ausgestaltet ist, daß sie zum "fast völligen Fehlen einer zusätzlichen Abgabenbelastung der internen Umsätze" führt und gleichzeitig die tatsächliche Abgabenbelastung der Einfuhren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft aufrechterhält?

13 Zunächst sind die anwendbaren Artikel der Beitrittsakte, sodann die Bestimmungen des EG- und EGKS-Vertrags über den freien Warenverkehr zu untersuchen.

Zur Beitrittsakte

14 In bezug auf die Bestimmungen des EG- und EGKS-Vertrags über den freien Warenverkehr macht die Beklagte des Ausgangsverfahrens geltend, daß die Beitrittsakte der Beibehaltung einer zollgleichen Abgabe in Ceuta nicht entgegenstehe. Zwar seien die Abgaben gleicher Wirkung in Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls Nr. 2 ausdrücklich erwähnt; in Artikel 6 Absatz 2, auf den Absatz 1 wegen der Bedingungen für die dort vorgesehene Befreiung von Zöllen und Abgaben verweise, seien jedoch nur die Zölle und eine besondere Abgabe auf den Kanarischen Inseln genannt.

15 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

16 Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich eine Regelung, die sich auf Zölle bezieht, ohne ausdrücklich die Abgaben gleicher Wirkung zu erwähnen, nach ihrem Zweck so verstanden werden, daß sie auch die letzteren erfasst (siehe insbesondere Urteil vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache C-260/90, Leplat, Slg. 1992, I-643, Randnr. 15).

17 Zweck des Artikels 6 Absatz 2 des Protokolls Nr. 2 ist es, die Bedingungen näher zu regeln, unter denen das in Artikel 6 Absatz 1 vorgeschriebene Ergebnis, die Befreiung von Zöllen und von Abgaben gleicher Wirkung, erreicht werden soll.

18 Artikel 6 Absatz 2 ist daher so auszulegen, daß er sowohl auf Abgaben gleicher Wirkung als auch auf Zölle im eigentlichen Sinn Anwendung findet.

19 Daher mussten die in Ceuta bestehenden Zölle und die Abgaben gleicher Wirkung gemäß Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 schrittweise im gleichen Tempo und unter den gleichen Bedingungen abgeschafft werden, wie es in den Artikeln 30, 31 und 32 der Beitrittsakte vorgesehen ist, also bis spätestens 1. Januar 1993.

20 Dieses Ergebnis gilt sowohl für nach Ceuta eingeführte Waren aus Spanien als auch für Waren aus dem übrigen Zollgebiet der Gemeinschaft (Urteil vom 9. August 1994 in den Rechtssachen C-363/93 und C-407/93 bis C-411/93, Lancry u. a., Slg. 1994, I-3957).

21 Artikel 95 EG-Vertrag findet gemäß Artikel 25 der Beitrittsakte in Ceuta Anwendung.

Die Auslegung der Bestimmungen über den freien Warenverkehr

22 Die Beklagte und die spanische Regierung machen geltend, daß der Arbitrio keine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll sei, sondern eine nichtdiskriminierende interne Steuer, denn mit ihr würden sowohl eingeführte als auch örtliche Waren belastet.

23 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß das nationale Gericht in seinem Vorlagebeschluß folgende Feststellung getroffen hat:

"Die Einführung der Abgabe auf die örtliche 'Produktion' von Gütern in Ceuta ist nur ein Vorwand für die Beibehaltung der Einfuhrabgabe, die 1991 hatte abgeschafft werden müssen. Die genannte Produktionsabgabe ist so ausgestaltet, daß sie im Verhältnis zum Weiterbestehen der Einfuhrabgabe, die der spanische Gesetzgeber beibehalten will, praktisch unerheblich ist."

24 Diese Feststellung stützt sich u. a. auf folgende Feststellung in einem vor der Genehmigung der fraglichen Gemeindesatzung von der Generaldirektion für Abgaben erstellten Bericht:

"Der Gesetzgeber hat eine Abgabenstruktur geschaffen, die in der Praxis zum fast völligen Fehlen einer zusätzlichen Abgabenbelastung der internen Umsätze führen dürfte, wenn man berücksichtigt, daß die industrielle Verarbeitung oder Produktion in den Städten Ceuta und Melilla sehr gering ist, so daß die Abgabe überwiegend die Einfuhr von Waren nach Ceuta und Melilla treffen würde. Dies wiederum würde zu einem besseren Schutz der ° weitgehend von der Abgabe befreiten ° nationalen Erzeugung führen und eine Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung ermöglichen, da der Handel mit eingeführten Waren eine der charakteristischsten Tätigkeiten dieser Städte darstellt."

25 Im Vorlagebeschluß ist jedoch nicht angegeben, aus welchen Gründen die nationale Verwaltung zu dieser Feststellung gelangte; auch wird dort nicht die Bedeutung des Ausdrucks "fast völlig" erläutert, der sich sowohl in den Berichten der zuständigen Verwaltung als auch in der Vorlagefrage findet.

26 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß es dem nationalen Gericht obliegt, alle Tatfragen, die für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache erheblich sind, zu klären sowie die Bedeutung der nationalen Bestimmungen und die Art und Weise ihrer Anwendung zu beurteilen. Der Gerichtshof kann jedoch die Vorlagefragen auf verschiedene Fallgestaltungen beziehen und für jede von ihnen die gemeinschaftsrechtlichen Kriterien angeben, die das nationale Gericht anzuwenden hat.

27 In der vorliegenden Rechtssache ist insbesondere zu prüfen, ob die streitige Abgabe unter die Artikel 9 und 12 EG-Vertrag, denen Artikel 4a EGKS-Vertrag entspricht, oder unter Artikel 95 EG-Vertrag fällt.

28 Nach ständiger Rechtsprechung stellt jede den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne der Artikel 9, 12, 13 und 16 des Vertrages dar. Eine solche Belastung fällt jedoch nicht unter diese rechtliche Qualifizierung, wenn sie Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung ist, die Gruppen von Waren systematisch nach objektiven Kriterien betrifft, die unabhängig von der Herkunft der Waren gelten (in diesem Sinn Urteil vom 5. Mai 1982 in der Rechtssache 15/81, Schul, Slg. 1982, 1409).

29 Artikel 95, der den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen dadurch gewährleisten soll, daß jede Form des Schutzes, die aus einer Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierenden inländischen Abgabenerhebung folgen könnte, beseitigt wird, soll die vollkommene Wettbewerbsneutralität der inländischen Abgabenerhebung für inländische und eingeführte Waren gewährleisten. Das in ihm enthaltene Verbot greift daher immer dann ein, wenn eine abgabenrechtliche Maßnahme geeignet ist, die Einfuhr von Gütern aus anderen Mitgliedstaaten zugunsten inländischer Waren zu erschweren (Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnrn. 24 und 25).

30 Daher hat das nationale Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden zunächst zu prüfen, ob mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die in Rede stehende Abgabe vorschreiben, in transparenter Weise eine allgemeine Regelung eingeführt wird, die nach objektiven Kriterien unterschiedslos auf örtliche Waren und auf Einfuhren anwendbar ist. Sodann muß es prüfen, ob die Anwendung dieser Bestimmungen diesen Anforderungen entspricht.

31 Das vorlegende Gericht führt hierzu im Vorlagebeschluß folgendes aus: "Es kann auch nicht geltend gemacht werden, daß es sich um eine Abgabe handelt, die Teil eines inländischen Abgabensystems ist, das hinsichtlich der mit ihm auferlegten Belastung die eingeführten Waren den [im Gebiet der Stadt] hergestellten Waren gleichstellt."

32 Insoweit geht aus den Akten hervor, daß die streitige nationale Regelung voneinander getrennte Systeme für eingeführte Erzeugnisse einerseits und für örtliche Waren anderseits vorsieht.

33 Diese Trennung kann zwar dafür sprechen, daß es sich um zwei unterschiedliche Abgabensysteme handelt, sie allein erlaubt jedoch nicht den Schluß, daß Artikel 95 des Vertrages im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

34 Aufgrund dieser Trennung könnte die Regelung jedoch so schwer durchschaubar sein, daß es dem nationalen Gericht unmöglich wäre, mit Sicherheit festzustellen, ob die eingeführten Waren und die örtlichen Waren nach objektiven Kriterien unabhängig von ihrer Herkunft ein und derselben Abgabe unterliegen.

35 Es ist auch möglich, daß die Anwendung der streitigen Regelungen durch die zuständigen nationalen Behörden diesen Anforderungen nicht entspricht. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Verwaltung systematisch von einer Befugnis zur Befreiung der örtlichen Erzeugung Gebrauch macht.

36 Daher muß das nationale Gericht prüfen, ob die Abgabe, obwohl sie der Form nach eine interne Abgabe ist, in Wirklichkeit für eingeführte Waren eine zollgleiche Belastung darstellt.

37 Ferner könnte die Verwendung der Worte "fast völlig" in der Vorlagefrage bedeuten, daß zwar der grösste Teil der örtlichen Erzeugung von der Abgabe befreit ist, ein kleiner Teil jedoch nicht. Unter diesen Umständen sind drei Fälle denkbar, von denen jeder andere Rechtsfolgen nach sich zieht.

38 Im ersten Fall wird die Abgabe, wenngleich der grösste Teil der örtlichen Erzeugung befreit ist, nach objektiven Kriterien erhoben, die in gleicher Weise für örtliche und eingeführte Waren gelten. Sie fällt dann unter Artikel 95 des Vertrages.

39 Im zweiten Fall gehören die nicht befreiten örtlichen Waren zu einer bestimmten Gruppe von Waren, so daß davon auszugehen ist, daß mit der Regelung zwei unterschiedliche Abgabensysteme eingeführt werden, von denen das eine auf die genannte Gruppe von örtlichen und eingeführten Waren anwendbar ist, das andere auf alle anderen Gruppen von eingeführten Waren. Während das erste System unter Artikel 95 fiele, würde mit dem zweiten eine Abgabe zollgleicher Wirkung eingeführt.

40 Im dritten Fall soll der Umstand, daß ein geringer Anteil der örtlichen Erzeugung nicht von der Abgabe befreit ist, nur der Verschleierung dessen dienen, daß in Wirklichkeit eine Abgabe zollgleicher Wirkung vorliegt.

41 Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Bedeutung der in seiner Frage verwendeten Worte "fast völlig" zu bestimmen und daraus im Lichte der vorstehenden Erwägungen die Konsequenzen zu ziehen.

42 Zu dem Vorbringen der spanischen Regierung und der Stadt Ceuta, daß der Gerichtshof bei seiner Auslegung des EG- und des EGKS-Vertrags die Randlage von Ceuta und die von der Gemeinschaft eingegangene Verpflichtung berücksichtigen müsse, die wirtschaftliche Entwicklung weniger begünstigter Regionen zu fördern, ist festzustellen, daß die Bestimmungen des EG- und des EGKS-Vertrags über den freien Warenverkehr in Ermangelung besonderer Abweichungen vorsehender Maßnahmen der Gemeinschaft in Ceuta in vollem Umfang anzuwenden sind.

43 Daher ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß die Beitrittsakte und das Protokoll Nr. 2 zu dieser Akte in Verbindung mit den Artikeln 9 und 12 EG-Vertrag oder 4 Buchstabe a EGKS-Vertrag oder mit Artikel 95 EG-Vertrag der Erhebung einer Abgabe durch einen Mitgliedstaat entgegenstehen, die, obwohl sie der Form nach eine interne Abgabe ist, entweder aufgrund des Inhalts der Regelungen, mit denen sie eingeführt wird, oder aufgrund der Art und Weise ihrer Erhebung durch die Verwaltung geeignet ist, die eingeführten Waren oder bestimmte Gruppen dieser Waren, jedoch nicht die örtlichen Waren derselben Gruppe zu treffen.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Die Auslagen der spanischen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia Andalusien mit Beschluß vom 16. Dezember 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge vom 12. Juni 1985 und das Protokoll Nr. 2 zu dieser Akte in Verbindung mit den Artikeln 9 und 12 EG-Vertrag oder 4 Buchstabe a EGKS-Vertrag oder mit Artikel 95 EG-Vertrag stehen der Erhebung einer Abgabe durch einen Mitgliedstaat entgegen, die, obwohl sie der Form nach eine interne Abgabe ist, entweder aufgrund des Inhalts der Regelungen, mit denen sie eingeführt wird, oder aufgrund der Art und Weise ihrer Erhebung durch die Verwaltung geeignet ist, die eingeführten Waren oder bestimmte Gruppen dieser Waren, nicht aber die örtlichen Waren derselben Gruppe zu treffen.

Ende der Entscheidung

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