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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.09.2003
Aktenzeichen: C-452/01
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, EWR-Abkommen
Vorschriften:
EG-Vertrag Art. 73b | |
EG-Vertrag Art. 73c | |
EG-Vertrag Art. 73d | |
EG-Vertrag Art. 73f | |
EG-Vertrag Art. 73g | |
EWR-Abkommen Art. 40 | |
EWR-Abkommen Anhang XII |
1. Nationale Vorschriften, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, müssen im Fall einer Transaktion zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) anhand von Artikel 40 und Anhang XII dieses Abkommens beurteilt werden, die dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen von Artikel 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) aufweisen.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich nämlich, dass die Vorschriften, nach denen Beschränkungen des Kapitalverkehrs und die dadurch bewirkte Diskriminierung untersagt sind, in den Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens - unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder der Gemeinschaft oder der EFTA handelt - mit denen identisch sind, die das Gemeinschaftsrecht für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten aufstellt. Die nationalen Maßnahmen über den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken sind daher der Anwendung der genannten Vorschriften nicht in stärkerem Maße entzogen als im Gemeinschaftsrecht.
( vgl. Randnrn. 28, 32, Tenor 1 )
2. Artikel 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) sowie die Artikel 73c, 73d, 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Artikel 57 EG bis 60 EG) verwehren es nicht, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von der Erteilung einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht wird. Sie verbieten es jedoch, dass diese Genehmigung in jedem Fall versagt wird, wenn der Erwerber die betreffenden Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und im Betrieb seinen Wohnsitz hat.
( vgl. Randnr. 54, Tenor 2 )
Urteil des Gerichtshofes vom 23. September 2003. - Margarethe Ospelt und Schlössle Weissenberg Familienstiftung. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof - Österreich. - Freier Kapitalverkehr - Artikel 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) - Artikel 40 und Anhang XII des EWR-Abkommens - Verfahren der vorherigen Genehmigung beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke - Zulässigkeit - Voraussetzungen. - Rechtssache C-452/01.
Parteien:
In der Rechtssache C-452/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof in der bei diesem anhängigen Beschwerdesache
Margarethe Ospelt
und
Schlössle Weissenberg Familienstiftung
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 6 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG) sowie der Artikel 73b bis 73d, 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG bis 60 EG)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet (Berichterstatter), M. Wathelet, R. Schintgen und C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, P. Jann und V. Skouris, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr, J. N. Cunha Rodrigues und A. Rosas,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau Ospelt und der Schlössle Weissenberg Familienstiftung, vertreten durch Rechtsanwalt C. Hopp,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, vertreten durch A. Entner-Koch als Bevollmächtigte,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch I. Holten als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und M. Patakia als Bevollmächtigte,
- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch E. Wright und D. Sif Tynes als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Ospelt und der Schlössle Weissenberg Familienstiftung, vertreten durch C. Hopp, der österreichischen Regierung, vertreten durch P. Kustor und H. Kraft als Bevollmächtigte, der norwegischen Regierung, vertreten durch I. Holten, der Kommission, vertreten durch G. Braun und M. Patakia, und der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch E. Wright und D. Sif Tynes, in der Sitzung vom 7. Jänner 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April 2003
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 22. November 2001, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 6 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG) sowie der Artikel 73b bis 73d, 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG bis 60 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines von Frau Ospelt und der Schlössle Weissenberg Familienstiftung (im Folgenden: Stiftung) geführten Verfahrens gegen einen Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission des Landes Vorarlberg (Österreich), mit dem die Veräußerung eines Frau Ospelt gehörenden Grundstücks an die Stiftung untersagt wurde, da die nach dem Recht des Landes Vorarlberg erforderlichen Voraussetzungen für den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nicht gegeben seien.
Rechtlicher Rahmen
Das Gemeinschaftsrecht und das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
3 Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag lautet:
Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten."
4 Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag bestimmt:
Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten."
5 In Artikel 73c Absatz 1 EG-Vertrag heißt es:
Artikel 73b berührt nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien... bestehen."
6 Artikel 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) bestimmt:
Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten."
7 In Anhang XII wird die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178, S. 5) auf den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR) für anwendbar erklärt. Anhang I dieser Richtlinie, der eine Nomenklatur für den Kapitalverkehr aufstellt, die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs behalten hat (vgl. Urteil vom 16. März 1999 in der Rechtssache C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 21), bestimmt, dass dieser Begriff u. a. Geschäfte umfasst, mit denen Gebietsfremde Immobilieninvestitionen im Gebiet eines Mitgliedstaats vornehmen.
8 Artikel 6 des EWR-Abkommens sieht u. a. vor, dass die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrages in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt [werden], die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat".
Die österreichischen Vorschriften
9 Gemäß Artikel VII der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974 (BGBl. Nr. 444) sind Regelungen, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im Interesse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen wird, der Landesgesetzgebung vorbehalten.
10 Für das Land Vorarlberg bestimmt das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vom 23. September 1993 (LGBl. 1993/61) in der Fassung späterer Änderungen (LGBl. 1995/11, 1996/9, 1997/21 und 1997/85, im Folgenden: VGVG) in seinem § 1:
(1) Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt der Verkehr mit
a) land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken,
b) Baugrundstücken,
c) Grundstücken, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben.
...
(3) Ziel des Gesetzes ist es,
a) land- und forstwirtschaftliche Grundstücke bäuerlichen Familienbetrieben im Interesse einer Verbesserung ihrer strukturellen Verhältnisse entsprechend den natürlichen Gegebenheiten des Landes zu erhalten,
...
c) eine möglichst breite, sozial erträgliche und der Größe des Landes entsprechende Streuung des Grundeigentums zu erhalten und
d) den Grunderwerb durch Ausländer, die nicht durch das Recht der Europäischen Union Inländern gleichgestellt sind, Beschränkungen zu unterwerfen."
11 § 3 Absatz 1 VGVG sieht vor:
Soweit sich dies aus dem Recht der Europäischen Union ergibt, gelten vorbehaltlich des Abs. 2 die Regelungen über den Grunderwerb durch Ausländer nicht für
...
e) Personen und Gesellschaften zum Zwecke von Direktinvestitionen, Immobilieninvestitionen und sonstigen Geschäften des Kapitalverkehrs."
12 In § 4 Absatz 1 VGVG heißt es:
Der Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken bedarf der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn er eines der nachstehenden Rechte zum Gegenstand hat:
a) das Eigentum,
b) das Baurecht...,
c) das Gebrauchsrecht oder das Fruchtnießungsrecht,
d) das Pachtrecht an landwirtschaftlichen Betrieben,
..."
13 § 5 VGVG lautet:
(1) Der Rechtserwerb darf nur genehmigt werden,
a) - im Falle landwirtschaftlicher Grundstücke - wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht und der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet und im Betrieb auch seinen ständigen Wohnsitz hat oder, soweit ein solches nicht in Frage kommt, er der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht,
b) - im Falle forstwirtschaftlicher Grundstücke - wenn er dem Interesse der Forstwirtschaft im Besondern und dem allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse nicht widerspricht,
...
(2) Die Voraussetzungen des Abs. 1 sind insbesondere dann nicht erfuellt, wenn
a) das Grundstück ohne wichtigen Grund der landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde,
...
c) anzunehmen ist, dass das Grundstück nur zur Bildung oder Vergrößerung von Großgrundbesitz oder von Jagdgebieten erworben wird,
d) anzunehmen ist, dass die Selbstbewirtschaftung längerfristig nicht gesichert ist oder die zur Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse nicht vorliegen,
e) die im Zuge eines Agrarverfahrens erzielte günstige Bodenbesitzgestaltung ohne zwingenden Grund wieder gestört würde,
..."
14 Nach § 11 VGVG bedarf eine ganze Reihe von Rechtserwerben keiner Genehmigung, so z. B. solche zwischen Verwandten oder Verschwägerten in gerader Linie oder solche durch gesetzliche Erben im Wege der Erbfolge oder aufgrund eines Vermächtnisses.
15 Wird die Genehmigung versagt, so wird das Rechtsgeschäft über den Erwerb nach § 25 VGVG rückwirkend rechtsunwirksam.
Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
16 Frau Ospelt, eine Staatsangehörige des Fürstentums Liechtenstein, ist Eigentümerin einer 43 532 m2 großen Liegenschaft in Zwischenwasser im Land Vorarlberg. Zu dieser Liegenschaft gehört ein Schloss, in dem Frau Ospelt wohnt. Die meisten anderen Flurstücke dieses Besitztums sind an Landwirte verpachtete landwirtschaftliche Flächen. Bei weiteren Flurstücken handelt es sich um forstwirtschaftliche Flächen.
17 Am 16. April 1998 wurde die gesamte Liegenschaft mit notarieller Urkunde der Stiftung gewidmet, die ihren Sitz im Fürstentum Liechtenstein hat und deren Erstbegünstigte Frau Ospelt ist. Zweck des Rechtsakts war die Verhinderung einer erblichen Aufteilung dieses Familienbesitzes. Die Stiftung erklärte, sie wolle die Grundstücke weiterhin denselben Landwirten wie bisher verpachten.
18 Am 22. April 1998 wurde die nach § 4 Absatz 1 VGVG erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung (im Folgenden: vorherige Genehmigung) bei der Grundverkehrs-Landeskommission des Landes Vorarlberg beantragt. Diese lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für den Erwerb durch Ausländer nicht erfuellt seien.
19 Auch der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (Österreich), bei dem Frau Ospelt und die Stiftung Berufung einlegten, versagte mit Bescheid vom 19. Oktober 1998 die vorherige Genehmigung, da die Stiftung ebenso wie Frau Ospelt keine Landwirtschaft betreibe und dies auch in Zukunft nicht beabsichtige und da eine solche Transaktion nicht im Einklang mit den im öffentlichen Interesse liegenden Zielen des VGVG hinsichtlich der Erhaltung und Schaffung wirtschaftlich lebensfähiger kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe stehe. Dieser Versagungsgrund gelte auch dann, wenn die Liegenschaft wie im vorliegenden Fall schon vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet worden sei.
20 Gegen diesen Bescheid erhoben Frau Ospelt und die Stiftung Beschwerde an den österreichischen Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 26. September 2000 die Behandlung der Beschwerde ab und verwies sie an den Verwaltungsgerichtshof.
21 Dieser führt in seinem Vorlagebeschluss aus, der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-302/97 (Konle, Slg. 1999, I-3099) festgestellt, dass bei Baugrundstücken Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs zu raumplanerischen Zielen zulässig seien. Der Gerichtshof habe jedoch zum einen noch nicht geklärt, ob Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit auch durch Ziele gerechtfertigt werden könnten, die mit einem im Interesse des Landwirtschaftssektors eingeführten und land- und forstwirtschaftliche Grundstücke betreffenden System vorheriger Genehmigungen wie dem hier vorliegenden angestrebt würden. Zum anderen habe der Gerichtshof in seinem Urteil Konle auch nicht geprüft, ob ein solches System vorheriger Genehmigungen, das vom Vorarlberger Landesgesetzgeber seit jeher für notwendig gehalten und nicht diskriminierend angewandt werde, im Hinblick auf die genannten Ziele als erforderlich angesehen werden könne.
22 Daher hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind Artikel 12 EG (früher Artikel 6 EG-Vertrag) und Artikel 56 ff. EG (früher Artikel 73b ff. EG-Vertrag) so auszulegen, dass Regelungen, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im allgemeinen Interesse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, im Hinblick auf die in einer anzuwendenden Rechtsvorschrift der Europäischen Union garantierten Grundfreiheiten, insbesondere die Freiheit des Kapitalverkehrs, auch gegenüber Mitgliedstaaten des EWR im Sinne von dritten Ländern" gemäß Artikel 56 Absatz 1 EG zulässig sind?
2. Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
Sind Artikel 12 EG und Artikel 56 ff. EG so auszulegen, dass dadurch, dass die Beschwerdeführer sich unter Anwendung des VGVG beim Verkehr von landwirtschaftlichen Grundstücken schon vor der Einverleibung des Eigentumsrechts im Grundbuch einem Genehmigungsverfahren" zu stellen hatten, gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen wird und die Beschwerdeführer in einer durch auch gegenüber Mitgliedstaaten des EWR im Sinne von dritten Ländern" gemäß Artikel 56 Absatz 1 EG anzuwendenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union garantierten Grundfreiheit verletzt wurden?
Zur ersten Frage
23 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Vorschriften wie die des VGVG, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, für den Fall, dass die Artikel 6 sowie 73b bis 73d, 73f und 73g EG-Vertrag ihrer Anwendung auf derartige Transaktionen zwischen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten nicht entgegenstehen, im Hinblick auf dieselben Artikel auch bei Transaktionen zwischen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten und solchen eines Drittlandes zulässig sein können. Angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und des Wortlauts der Vorlagefragen scheint das vorlegende Gericht das Fürstentum Liechtenstein, das Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (im Folgenden: EFTA) ist, demnach implizit als Drittland im Sinne des Artikels 73b EG-Vertrag anzusehen.
24 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 222 EG-Vertrag (jetzt Artikel 295 EG) zwar die Befugnis der Mitgliedstaaten nicht in Frage stellt, eine Regelung für den Erwerb von Grundeigentum zu schaffen, die spezielle Maßnahmen für Transaktionen vorsieht, die land- und forstwirtschaftliche Grundstücke betreffen, dass aber auch für eine solche Regelung die grundlegenden Normen des Gemeinschaftsrechts und namentlich die Vorschriften über die Nichtdiskriminierung, die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr gelten (in diesem Sinne auch Urteil vom 6. November 1984 in der Rechtssache 182/83, Fearon, Slg. 1984, 3677, Randnr. 7, und Urteil Konle, Randnrn. 7 und 22). Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass die Tragweite nationaler Maßnahmen, die den Erwerb von Grundeigentum regeln, im Hinblick auf die Bestimmungen des Vertrages über den Kapitalverkehr zu beurteilen ist (in diesem Sinne auch Urteil vom 5. März 2002 in den Rechtssachen C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Reisch u. a., Slg. 2002, I-2157, Randnrn. 28 bis 31).
25 Im Übrigen bestimmt das EWR-Abkommen, zu dessen Parteien u. a. die Republik Österreich seit dem 1. Jänner 1994 und das Fürstentum Liechtenstein seit dem 1. Mai 1995 (Beschluss des EWR-Rates Nr. 1/95 vom 10. März 1995 über das Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum für das Fürstentum Liechtenstein, ABl. L 86, S. 58) gehören, in seinem Artikel 40, dass [i]m Rahmen dieses Abkommens... der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes [unterliegt]".
26 In Anhang XII des EWR-Abkommens, der die Durchführungsbestimmungen zu dessen Artikel 40 enthält, werden die Richtlinie 88/361 und deren Anhang I auf den EWR für anwendbar erklärt.
27 Die Bestimmungen von Artikel 40 und Anhang XII des EWR-Abkommens sind im Ausgangsverfahren, in dem es um eine Transaktion zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des Abkommens geht, anwendbar. Der Gerichtshof kann sie auslegen, da er von einem Gericht eines Mitgliedstaats zu der Tragweite befragt wird, die ein Abkommen, das integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, in diesem Staat hat (vgl. Urteile vom 15. Juni 1999 in der Rechtssache C-321/97, Andersson und Wåkerås-Andersson, Slg. 1999, I-3551, Randnrn. 26 bis 31, und vom 15. Mai 2003 in der Rechtssache C-300/01, Salzmann, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 65).
28 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Vorschriften, nach denen Beschränkungen des Kapitalverkehrs und die dadurch bewirkte Diskriminierung untersagt sind, in den Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens - unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder der Gemeinschaft oder der EFTA handelt - mit denen identisch sind, die das Gemeinschaftsrecht für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten aufstellt. Die nationalen Maßnahmen über den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken sind daher der Anwendung der genannten Vorschriften nicht in stärkerem Maße entzogen als im Gemeinschaftsrecht.
29 Zudem ist eines der Hauptziele des EWR-Abkommens die möglichst umfassende Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs im gesamten EWR, so dass der innerhalb des Gebietes der Gemeinschaft verwirklichte Binnenmarkt auf die EFTA-Staaten ausgeweitet wird. Im Hinblick darauf dienen mehrere Bestimmungen des genannten Abkommens dazu, eine möglichst einheitliche Auslegung des Abkommens im gesamten EWR sicherzustellen (vgl. Gutachten 1/92 vom 10. April 1992, Slg. 1992, I-2821). In diesem Rahmen ist es Sache des Gerichtshofes, darüber zu wachen, dass die Vorschriften des EWR-Abkommens, die im Wesentlichen mit denen des Vertrages identisch sind, innerhalb der Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden.
30 Diesem Ziel einer einheitlichen Anwendung der Vorschriften über den freien Kapitalverkehr innerhalb des EWR würde es widersprechen, wenn ein Staat wie die Republik Österreich, die Vertragsstaat dieses am 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Abkommens ist, nach seinem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 gestützt auf Artikel 73c EG-Vertrag Rechtsvorschriften beibehalten könnte, die diese Freiheit gegenüber einem anderen Vertragsstaat des Abkommens beschränken.
31 Daher können sich die Mitgliedstaaten seit dem 1. Mai 1995, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens in Bezug auf das Fürstentum Liechtenstein, in den von diesem Abkommen erfassten Bereichen gegenüber dem Fürstentum Liechtenstein nicht mehr auf Artikel 73c berufen. Folglich hat der Gerichtshof entgegen dem Vorbringen der österreichischen Regierung nicht nach dieser Bestimmung zu prüfen, ob die sich aus dem VGVG ergebenden Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs zwischen Österreich und Liechtenstein am 31. Dezember 1993 im Wesentlichen bereits in Kraft waren und deshalb nach diesem Artikel beibehalten werden durften.
32 Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Vorschriften wie die des VGVG, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, im Fall einer Transaktion zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des EWR-Abkommens anhand von Artikel 40 und Anhang XII dieses Abkommens beurteilt werden müssen, die dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen von Artikel 73b EG-Vertrag aufweisen.
Zur zweiten Frage
33 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Artikel 6, 73b bis 73d, 73f und 73g EG-Vertrag einem Verfahren der vorherigen Genehmigung, wie es das VGVG für Transaktionen in Bezug auf landwirtschaftliche Grundstücke vorsieht, entgegenstehen.
34 Maßnahmen, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zum Gegenstand haben (vgl. dazu Urteil Konle, Randnr. 39), können gleichwohl zulässig sein, wenn mit ihnen in nicht diskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird und wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen, d. h. geeignet sind, die Erreichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (in diesem Sinne auch Urteile Konle, Randnr. 40, und Salzmann, Randnr. 42). Da es sich um die Erteilung einer vorherigen Genehmigung handelt, müssen sich diese Maßnahmen zudem auf objektive und im Voraus bekannte Kriterien stützen, und jedem, der von einer solchen einschränkenden Maßnahme betroffen ist, muss der Rechtsweg offen stehen (in diesem Sinne auch Urteil vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache C-205/99, Analir u. a., Slg. 2001, I-1271, Randnr. 38).
35 Was erstens die Voraussetzung der Nichtdiskriminierung anbelangt, so ergibt sich aus § 3 VGVG, dass die Regelungen über den Grunderwerb durch Ausländer nicht für Personen und Gesellschaften zum Zwecke von... Immobilieninvestitionen und sonstigen Geschäften des Kapitalverkehrs" gelten, [s]oweit sich dies aus dem Recht der Europäischen Union ergibt". Diese Bestimmungen erfuellen das Gebot der Gleichbehandlung von österreichischen Erwerbern und Personen, die keine österreichischen Staatsangehörigen sind, ihren Wohnsitz in einem der Mitgliedstaaten haben und die vom Vertrag garantierten Freiheiten in Anspruch nehmen (in diesem Sinne auch Urteil Reisch u. a., Randnr. 34).
36 Allerdings nehmen diese Bestimmungen weder auf das EWR-Abkommen noch auf die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Einwohner der Vertragsstaaten dieses Abkommens ausdrücklich Bezug. Sie scheinen somit die Gleichstellung mit Inländern allein auf Personen mit Wohnsitz in den Mitgliedstaaten zu beschränken. Es ist daher nicht sicher, dass sie diskriminierenden Praktiken gegenüber Personen mit Wohnsitz in EFTA-Staaten, die Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, aber keine Mitglieder der Gemeinschaft sind, entgegenstehen können. Mangels anderer dem Gerichtshof vorliegender Anhaltspunkte ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob diese Rechtsvorschriften insoweit im Licht der übrigen Bestimmungen des § 3 und des gesamten VGVG in einer Weise ausgelegt werden können, die mit Artikel 40 des EWR-Abkommens vereinbar ist.
37 Was dagegen das Wohnsitzerfordernis nach § 5 Absatz 1 lit. a VGVG anbelangt, so steht fest, dass es im Rahmen einer gesetzlichen Regelung über das Eigentum an landwirtschaftlichen Grundstücken aufgestellt wurde, mit der spezifische Ziele der Erhaltung einer landwirtschaftlichen Bevölkerung und lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe verfolgt werden. Entgegen dem Vorbringen von Frau Ospelt und der Stiftung wird dabei nicht zwischen Inländern und Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder, umfassender, der Vertragsstaaten des EWR-Abkommens unterschieden. Daher hat es a priori keinen diskriminierenden Charakter (in diesem Sinne auch Urteil Fearon, Randnr. 10).
38 Was zweitens die Voraussetzung hinsichtlich der Ziele der fraglichen nationalen Maßnahmen anbelangt, so steht außer Zweifel, dass das VGVG im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt, mit denen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs gerechtfertigt werden können.
39 Zum einen stellen die Erhaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die Wahrung einer die Entwicklung lebensfähiger Betriebe sowie die harmonische Pflege des Raumes und der Landschaft ermöglichenden Aufteilung des Grundeigentums und die Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt und unter Vorbeugung gegen natürliche Gefahren im gesellschaftlichen Interesse liegende Ziele dar.
40 Zum anderen entsprechen diese Ziele, wie die österreichische Regierung und die Kommission ausführen, denen der gemeinsamen Agrarpolitik, die nach Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (jetzt Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe b EG) darauf abzielt, der landwirtschaftlichen Bevölkerung... eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten", und bei deren Gestaltung nach Absatz 2 Buchstabe a desselben Artikels die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die sich aus dem sozialen Aufbau der Landwirtschaft und den strukturellen und naturbedingten Unterschieden der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete ergibt", zu berücksichtigen ist.
41 Was drittens die Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass ein System vorheriger Genehmigungen in bestimmten Fällen erforderlich sein und in angemessenem Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen kann, wenn diese Ziele nicht durch weniger restriktive Maßnahmen, namentlich durch ein Meldesystem, erreicht werden können (in diesem Sinne auch Urteil vom 14. Dezember 1995 in den Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94, Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I-4821, Randnrn. 23 bis 28, Urteil Konle, Randnr. 44, und Urteil vom 4. Juni 2002 in der Rechtssache C-483/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-4781, Randnr. 46).
42 Das ist der Fall, wenn sich die nationalen Stellen bemühen, die Entwicklung der landwirtschaftlichen Bodenstrukturen zu beherrschen, indem sie sich Ziele wie die des VGVG setzen.
43 Das Ziel der Unterstützung und Entwicklung einer lebensfähigen Landwirtschaft im Hinblick auf Erwägungen sozialer Art und der Raumordnung impliziert nämlich die Beibehaltung der landwirtschaftlichen Bestimmung der zu diesem Gebrauch verwendeten Flächen und die Fortführung ihrer Bewirtschaftung unter zufrieden stellenden Bedingungen. In diesem Rahmen dient die von den zuständigen Stellen im Voraus ausgeübte Kontrolle nicht nur einem Informationsbedürfnis, sondern soll gewährleisten, dass die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke nicht die Einstellung ihrer Bewirtschaftung oder eine Nutzung, die ihre dauerhafte Verwendung für die Bedürfnisse der Landwirtschaft gefährden könnte, zur Folge hat.
44 Eine Kontrolle durch die nationalen Stellen nach der Veräußerung dieser Grundstücke böte nicht dieselben Sicherheiten. Sie könnte eine Veräußerung, die im Widerspruch zu dem genannten Ziel einer Fortführung der Bewirtschaftung stuende, nicht verhindern, und wäre daher für dieses Ziel nicht geeignet. Zudem könnten nachträgliche Eingriffe wie die Nichtigerklärung der Transaktion, Sanktionsmaßnahmen oder Räumungsentscheidungen nur von den Gerichten vorgenommen werden und würden zu Verzögerungen führen, die mit den Erfordernissen der Fortführung der Bewirtschaftung und der ordnungsgemäßen Bodennutzung nur schwer vereinbar wären. Dadurch würde die Rechtssicherheit beeinträchtigt, die eines der wesentlichen Anliegen jeder Regelung der Übertragung von Grundeigentum ist.
45 Während Kontrollmaßnahmen, die auf das Verbot der Errichtung von Zweitwohnsitzen nach der Veräußerung von Baugrundstücken abzielen, nach der Transaktion erfolgen können, ohne dieses Ziel zu beeinträchtigen (in diesem Sinne auch Urteil Reisch u. a., Randnrn. 37 bis 39), können mit nationalen Bestimmungen wie dem VGVG demnach nur dann die gesetzten Ziele erreicht werden, wenn die landwirtschaftliche Bestimmung der Flächen nicht unwiederbringlich beeinträchtigt wird. Unter diesen Umständen ist ein System vorheriger Genehmigungen im Grundsatz nicht zu beanstanden. Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits anerkannt, dass ein solches System im Bereich des Eigentumserwerbs nicht notwendigerweise gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt (vgl. Urteil Konle, Randnr. 45).
46 Allerdings darf der gewählte Mechanismus der vorherigen Genehmigung in seinen Modalitäten und inhaltlichen Voraussetzungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles erforderlich ist.
47 Eine der im VGVG aufgestellten Voraussetzungen entspricht diesen Anforderungen nicht vollständig.
48 Das VGVG beruht zwar auf Kriterien, die es den betroffenen Anlegern ermöglichen, von den konkreten und objektiven Umständen Kenntnis zu nehmen, unter denen ihrem Antrag stattgegeben wird (vgl. dazu Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 50), doch macht § 5 Absatz 1 lit. a VGVG den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von einer restriktiven Voraussetzung abhängig, die nicht in jedem Fall im Hinblick auf die mit dem VGVG verfolgten Ziele erforderlich ist.
49 Im Ausgangsverfahren wurde die Transaktion zwischen Frau Ospelt und der Stiftung nach § 5 Absatz 1 lit. a VGVG nicht genehmigt, da die Stiftung keinen landwirtschaftlichen Betrieb führe, überdies auch nicht die Absicht habe, dies zu tun, und weil der Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken in der Absicht, sie erneut an Landwirte zu verpachten, dem Ziel des VGVG widerspreche, zu gewährleisten, dass die Erwerber landwirtschaftlicher Grundstücke selbst die Betreiber seien. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat ausgeführt, dass diese Gründe auch dann gälten, wenn die betroffenen Grundstücke wie im Ausgangsfall vor der Transaktion von anderen Personen als dem Eigentümer bewirtschaftet worden seien. Die zuständige Stelle hat sich bei dieser Entscheidung offenbar darauf gestützt, dass die in § 5 Absatz 1 lit. a VGVG aufgestellte Voraussetzung, dass der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaften und im Betrieb auch seinen Wohnsitz haben muss, nicht erfuellt ist.
50 Wenn aber das VGVG von den nationalen Stellen so ausgelegt würde, dass es die Erteilung der vorherigen Genehmigung zur Eigentumsübertragung in jedem Fall von der Beachtung dieser Voraussetzung abhängig macht, dann ginge es über das hinaus, was zur Erreichung der mit ihm verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden Ziele erforderlich ist und müsste insoweit als mit dem freien Kapitalverkehr unvereinbar angesehen werden.
51 Wenn nämlich in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens das Grundstück, das veräußert wird, zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht von dem Eigentümer, sondern von einem Landwirt als Pächter bewirtschaftet wird, dann steht eine solche Voraussetzung einer Transaktion in Form der Veräußerung an einen neuen Eigentümer entgegen, der den Betrieb ebenfalls nicht bewirtschaften und nicht auf dem Grundstück wohnen würde, sich aber verpflichtet hat, die Bedingungen der Bewirtschaftung des Grundstücks durch denselben Pächter beizubehalten. Durch die Beschränkung der Erwerbs- und Bewirtschaftungsmöglichkeiten auf Landwirte, die über hinreichende Mittel verfügen, um Eigentum an den betreffenden Grundstücken zu erwerben, hat diese Voraussetzung demnach zur Folge, dass die Pachtmöglichkeiten für Landwirte, die nicht über solche Mittel verfügen, eingeschränkt werden. Im Übrigen wird damit ausgeschlossen, dass juristische Personen einschließlich solcher, die Landwirtschaft betreiben sollen, ein landwirtschaftliches Grundstück erwerben können. Sie steht demnach beabsichtigten Veräußerungen entgegen, die als solche die landwirtschaftliche Nutzung und die weitere Bewirtschaftung von Grundstücken durch Landwirte oder juristische Personen wie Zusammenschlüsse von Landwirten in keiner Weise in Frage stellen.
52 Wie die Regierung des Fürstentums Liechtenstein geltend macht, könnten zudem andere Maßnahmen, die den freien Kapitalverkehr in geringerem Maße beeinträchtigten, zum gleichen Ziel des Erhalts einer lebensfähigen landwirtschaftlichen Bevölkerung beitragen. Die Veräußerung von landwirtschaftlichen Grundstücken an eine juristische Person könnte z. B. an besondere Verpflichtungen wie die langfristige Verpachtung des Grundstücks geknüpft werden. Ebenso wären Vorkaufsmechanismen zugunsten der Pächter denkbar, wonach, wenn Letztere nicht das Eigentum erwerben, Erwerbsmöglichkeiten für nicht selbst bewirtschaftende Eigentümer bestehen, die sich verpflichten, die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beizubehalten.
53 Allerdings sieht das VGVG in § 5 Absatz 1 lit. a vor, dass der Erwerb genehmigt werden kann, auch wenn die in den Randnummern 48 bis 52 des vorliegenden Urteils behandelte Voraussetzung nicht erfuellt ist, soweit dieser Erwerb der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht". Sofern das VGVG unter Heranziehung dieser Bestimmung von den nationalen Stellen dahin ausgelegt würde, dass die vorherige Genehmigung den Umständen entsprechend anderen Personen als Landwirten, die auf den betreffenden Grundstücken wohnen, erteilt werden kann, wenn sie die erforderlichen Garantien hinsichtlich der Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Grundstücke abgeben, dann beschränkte das VGVG den freien Kapitalverkehr nicht über das hinaus, was zur Erreichung seiner Ziele erforderlich ist.
54 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass die Artikel 73b bis 73d, 73f und 73g EG-Vertrag es nicht verwehren, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von der Erteilung einer vorherigen Genehmigung, wie sie das VGVG vorsieht, abhängig gemacht wird. Sie verbieten es jedoch, dass diese Genehmigung in jedem Fall versagt wird, wenn der Erwerber die betreffenden Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und im Betrieb seinen Wohnsitz hat.
Kostenentscheidung:
Kosten
55 Die Auslagen der österreichischen Regierung, der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und der norwegischen Regierung sowie der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. Oktober 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Vorschriften wie die des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes vom 23. September 1993 in seiner geänderten Fassung, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, müssen im Fall einer Transaktion zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 anhand von Artikel 40 und Anhang XII dieses Abkommens beurteilt werden, die dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen von Artikel 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) aufweisen.
2. Artikel 73b EG-Vertrag sowie die Artikel 73c, 73d, 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Artikel 57 EG bis 60 EG) verwehren es nicht, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von der Erteilung einer vorherigen Genehmigung, wie sie das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vorsieht, abhängig gemacht wird. Sie verbieten es jedoch, dass diese Genehmigung in jedem Fall versagt wird, wenn der Erwerber die betreffenden Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und im Betrieb seinen Wohnsitz hat.
Ende der Entscheidung
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