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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: C-456/01 P
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke
Vorschriften:
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke Art. 4 | |
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke Art. 7 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 29. April 2004. - Henkel KGaA gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr.40/94 - Dreidimensionale Tablettenform eines Wasch- oder Geschirrspülmittels - Absolutes Eintragungshindernis - Unterscheidungskraft. - Verbundene Rechtssachen C-456/01 P und C-457/01 P.
Parteien:
In den verbundenen Rechtssachen C-456/01 P und C-457/01 P
Henkel KGaA mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Osterrieth, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend zwei Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Zweite Kammer) vom 19. September 2001 in den Rechtssachen T-335/99 (Henkel/HABM [rot-weiße rechteckige Tablette], Slg. 2001, II-2581) und T-336/99 (Henkel/HABM [grün-weiße rechteckige Tablette], Slg. 2001, II-2589) wegen Aufhebung dieser Urteile,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch D. Schennen und S. Laitinen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagter im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, J.-P. Puissochet, R. Schintgen und der Richterin F. Macken (Berichterstatterin),
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 2. Oktober 2003, in der die Henkel KGaA durch Rechtsanwalt C. Osterrieth und das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) durch D. Schennen und A. von Mühlendahl als Bevollmächtigte vertreten war,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom
6. November 2003,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1. Die Henkel KGaA (im Folgenden: Henkel) hat mit Rechtsmittelschriften, die am 26. November 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 49 der EGSatzung des Gerichtshofes Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts erster Instanz vom 19. September 2001 in den Rechtssachen T335/99 (Henkel/HABM [rot-weiße rechteckige Tablette], Slg. 2001, II2581, im Folgenden: Urteil T335/99) und T336/99 (Henkel/HABM [grün-weiße rechteckige Tablette], Slg. 2001, II2589, im Folgenden: Urteil T336/99) (zusammen im Folgenden: angefochtene Urteile) eingelegt, mit denen das Gericht ihre Klagen auf Aufhebung der Entscheidungen der Dritten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: HABM) vom 21. September 1999 (Sachen R 70/19993 und R 71/19993) abgewiesen hat. Mit diesen Entscheidungen hatte die Beschwerdekammer die Beschwerden zurückgewiesen, die Henkel gegen die Zurückweisung ihrer Anmeldung dreidimensionaler Tablettenformen als Gemeinschaftsmarken für verschiedene Warenklassen, u. a. für Wasch- und Geschirrspülmittel, erhoben hatte (im Folgenden: streitige Entscheidungen).
2. Mit Beschluss des Präsidenten der Sechsten Kammer vom 2. Juni 2003 sind die Rechtssachen C456/01 P und C457/01 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Rechtlicher Rahmen
3. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) lautet wie folgt:
Gemeinschaftsmarken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
4. Artikel 7 der Verordnung lautet:
1. Von der Eintragung ausgeschlossen sind
a) Zeichen, die nicht unter Artikel 4 fallen,
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,
...
3. Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b), c) und d) finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
5. Am 15. Dezember 1997 und am 8. Januar 1998 meldete Henkel beim HABM zwei Tabletten, von denen die eine aus einer unteren weißen und einer oberen roten Schicht (Rechtssache T335/99) und die andere aus einer unteren weißen und einer oberen grünen Schicht (Rechtssache T336/99) bestehen, in dreidimensionaler Form als Gemeinschaftsmarke an.
6. Die Waren, für die die Eintragung begehrt wird, gehören zur Klasse 3 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung und entsprechen folgender Beschreibung: Wasch- und Geschirrspülmittel in Tablettenform.
7. Mit Entscheidungen vom 3. Februar 1999 wies der Prüfer des HABM diese Anmeldungen zurück, da die angemeldeten Marken keine Unterscheidungskraft besäßen und daher nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht eintragungsfähig seien.
8. Mit den streitigen Entscheidungen bestätigte die Dritte Beschwerdekammer des HABM die Entscheidungen des Prüfers mit der Begründung, es fehle den angemeldeten Gemeinschaftsmarken an der nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 gebotenen Unterscheidungskraft, weil ihre konkrete Form keine Hinweisfunktion für Verbraucher oder Endabnehmer hinsichtlich der Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware entfalte. Eine dreidimensionale Form müsse eine hinreichend einprägsame Originalität aufweisen, die aus dem verkehrsüblichen Rahmen falle.
Das Verfahren vor dem Gericht und die angefochtenen Urteile
9. Mit Klageschriften, die am 26. November 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat Henkel zwei Klagen auf Aufhebung der streitigen Entscheidungen erhoben.
10. Mit dem Urteil T335/99 hat das Gericht entschieden, dass die Beschwerdekammer des HABM zu Recht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die angemeldete dreidimensionale Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 besitze. Begründet hat es dies wie folgt:
41 Im vorliegenden Fall besteht die Marke, deren Eintragung begehrt wird, aus der Form und der Farbgebung einer Waschmittel- oder einer Geschirrspülmitteltablette, d. h. der Gestaltung der Ware selbst.
42 Aus Artikel 4 der Verordnung Nr. 40/94 ergibt sich, dass sowohl die Form der Ware als auch die Farben zu den Zeichen gehören, die eine Gemeinschaftsmarke sein können. Daraus, dass eine Kategorie von Zeichen allgemein geeignet ist, eine Marke auszumachen, folgt jedoch nicht, dass die zu dieser Kategorie gehörenden Zeichen im Hinblick auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung notwendig Unterscheidungskraft gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 haben.
43 Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Bei Marken, die eine Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird, ihrer Herkunft nach zulassen, ist die Unterscheidungskraft zu bejahen. Dabei ist es nicht notwendig, dass die Marke genaue Angaben über die Identität des Herstellers der Ware oder des Erbringers der Dienstleistungen vermittelt. Es genügt vielmehr, dass sie den angesprochenen Verkehrskreisen eine Unterscheidung der mit ihr bezeichneten Ware oder Dienstleistung von den Waren oder Dienstleistungen anderer betrieblicher Herkunft ermöglicht und den Schluss zulässt, dass alle mit ihr bezeichneten Waren oder Dienstleistungen unter der Kontrolle des Inhabers dieser Marke hergestellt, vertrieben oder geliefert bzw. erbracht worden sind, der für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-39/97, Slg. 1998, I-5507, Randnr. 28).
44 Dem Wortlaut des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ist zu entnehmen, dass das in diesem Artikel bezeichnete Eintragungshindernis schon bei einem Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht greift. Es ist daher im Wege einer Prognose und ohne Berücksichtigung der etwaigen Benutzung des Zeichens im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 zu prüfen, ob die angemeldete Marke es den angesprochenen Verkehrskreisen zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung ermöglicht, die fraglichen Waren von denjenigen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden.
45 Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Markenkategorien. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, sind somit keine anderen als die für die übrigen Markenkategorien geltenden.
46 Im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Fall einer dreidimensionalen Marke, die aus der Form und den Farben der Ware selbst besteht, die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise nicht notwendig die gleiche ist wie bei einer Wort-, Bild- oder dreidimensionalen Marke, die nicht aus der Form der Ware besteht. Während nämlich diese Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen gewöhnlich unmittelbar als herkunftskennzeichnende Zeichen wahrgenommen werden, gilt nicht notwendig das Gleiche für den Fall, dass das Zeichen mit dem äußeren Erscheinungsbild der Ware selbst übereinstimmt.
47 Die Beschwerdekammer hat, was die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise angeht, zu Recht darauf hingewiesen, dass die Waren, für die die Marke im vorliegenden Fall angemeldet worden ist, nämlich Wasch- und Geschirrspülmittel in Tablettenform, weit verbreitete Konsumgüter seien. Die von diesen Waren angesprochenen Verkehrskreise sind alle Verbraucher. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke ist daher auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-210/96, Gut Springenheide und Tusky, Slg. 1998, I-4657, Randnrn. 30 bis 32).
48 Die Wahrnehmung der Marke durch die angesprochenen Verkehrskreise wird zunächst durch den Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers beeinflusst, der je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I-3819, Randnr. 26). Hierzu hat die Beschwerdekammer zu Recht die Auffassung vertreten, dass der Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers in Bezug auf Form und Farben von Wasch- und Geschirrspülmitteln, bei denen es sich um Waren des täglichen Verbrauchs handelt, nicht hoch ist.
49 Um beurteilen zu können, ob die Kombination von Form und Farbgebung der streitigen Tabletten im Verkehr als Herkunftshinweis wahrgenommen werden kann, ist der von dieser Kombination hervorgerufene Gesamteindruck zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/95, SABEL, Slg. 1997, I-6191, Randnr. 23), was nicht unvereinbar damit ist, die einzelnen verwendeten Gestaltungselemente nacheinander zu prüfen.
50 Die dreidimensionale Form, deren Eintragung beantragt worden ist... zählt zu den geometrischen Grundformen und stellt für Wasch- und Geschirrspülmittel eine der nahe liegenden Formen dar.
51 Was das Vorhandensein zweier Schichten... angeht, so sind die angesprochenen Verkehrskreise bei Reinigungsmitteln an das Vorliegen verschiedenfarbiger Bestandteile gewöhnt. Pulver, die der herkömmlichen Aufmachung dieser Waren entsprechen, sind meistens grau oder hellbeige und wirken fast weiß. Sie enthalten oft Teilchen von einer oder mehreren anderen Farben. Die Klägerin und die übrigen Reinigungsmittelhersteller stellen in ihrer Werbung heraus, dass diese Teilchen das Vorhandensein verschiedener Wirkstoffe verkörperten. Die farbigen Teilchen weisen somit, ohne dass sie deshalb als beschreibende Angabe im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 angesehen werden können, auf bestimmte Eigenschaften der Ware hin. Daraus, dass dieses Eintragungshindernis nicht greift, kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die farbigen Bestandteile der angemeldeten Marke notwendig Unterscheidungskraft verliehen. Die Unterscheidungskraft ist nämlich zu verneinen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise, wie im vorliegenden Fall, dazu veranlasst werden, das Vorhandensein der farbigen Elemente als Andeutung bestimmter Eigenschaften der Ware und nicht als Hinweis auf ihre Herkunft aufzufassen. Die Möglichkeit allein, dass es den Verbrauchern gleichwohl zur Gewohnheit wird, die Waren an ihren Farben zu erkennen, genügt nicht, um das Eintragungshindernis des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 aus dem Weg zu räumen. Eine solche Entwicklung der Wahrnehmung des Zeichens im Verkehr kann, sofern sie feststeht, nur im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 Berücksichtigung finden.
...
53... Die Verwendung von Grundfarben wie Blau oder Grün ist bei Reinigungsmitteln üblich und sogar typisch. Der Rückgriff auf andere Grundfarben, wie Rot oder Gelb, gehört zu den nahe liegenden Abwandlungen der typischen Aufmachung dieser Waren.
54 Daraus folgt, dass die angemeldete dreidimensionale Marke aus einer Kombination nahe liegender und für die fragliche Ware typischer Gestaltungselemente besteht.
...
56 Angesichts des durch die Form und die farbliche Gestaltung der streitgegenständlichen Tablette hervorgerufenen Gesamteindrucks ermöglicht die angemeldete Marke es den angesprochenen Verkehrskreisen zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung nicht, die fraglichen Waren von solchen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden.
57 Die im Wege einer Prognose und unabhängig von ihrer Benutzung im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 festgestellte fehlende Eignung der angemeldeten Marke, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen, wird auch nicht durch die mehr oder weniger große Zahl ähnlicher Tabletten beeinflusst, die es auf dem Markt bereits gibt. Im vorliegenden Fall braucht daher nicht entschieden zu werden, ob die Unterscheidungskraft der Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung oder zu dem der tatsächlichen Eintragung zu beurteilen ist.
...
59 Demgemäß ist die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete dreidimensionale Marke keine Unterscheidungskraft hat.
60 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer aus der Form der Ware selbst bestehenden dreidimensionalen Marke nicht strenger sind als diejenigen, die für andere Kategorien von Marken gelten.
61 Die Erwägungen, die die Beschwerdekammer zu der Feststellung veranlasst haben, dass der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehlt, rechtfertigen nämlich die gleiche Schlussfolgerung im Hinblick auf die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft, die für alle Marken unabhängig davon gelten, ob es sich um Wort-, Bild- oder dreidimensionale Marken handelt.
11. In dem Urteil T336/99 ist das Gericht zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Die Randnummern 38 bis 58 des Urteils haben im Wesentlichen den gleichen Wortlaut wie die Randnummern 40 bis 52 und 54 bis 61 des Urteils T335/99, die in der vorstehenden Randnummer wiedergegeben sind.
12. Daher hat das Gericht mit den angefochtenen Urteilen die Klagen von Henkel gegen die streitigen Entscheidungen abgewiesen.
Die Rechtsmittel
13. Henkel beantragt, die angefochtenen Urteile und die streitigen Entscheidungen aufzuheben und dem HABM die Kosten aufzuerlegen.
14. Das HABM beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen und Henkel die Kosten aufzuerlegen.
15. Ein Antrag der Reckitt Benckiser NV auf Zulassung als Streithelferin, der am 6. Mai 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, ist vom Präsidenten des Gerichtshofes mit Beschluss vom 9. Januar 2003 zurückgewiesen worden.
16. Henkel macht zur Begründung der Rechtsmittel geltend, dass das Gericht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 rechtsfehlerhaft ausgelegt habe. Dieser einzige Rechtsmittelgrund gliedert sich im Wesentlichen in drei Rügen, die
- die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken,
- die Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers und
- den Zeitpunkt betreffen, zu dem die Unterscheidungskraft dieser Marken zu beurteilen ist.
17. Das HABM ist der Ansicht, dass das Gericht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 in den beiden angefochtenen Urteilen nicht rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewendet habe.
Zur ersten Rüge des Rechtsmittelgrundes bezüglich der Unterscheidungskraft einer Marke
Vorbringen der Parteien
18. Henkel macht erstens geltend, dass das Gericht mit der Feststellung, es handele sich bei den verwendeten rechteckigen Tablettenformen um nahe liegende Formen, ein unzutreffendes Kriterium für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke herangezogen habe. Im vorliegenden Fall hätte es sich auf die Prüfung beschränken müssen, ob die Merkmale dieser Tabletten sich von den gewöhnlichen Merkmalen solcher Erzeugnisse unterschieden oder aus technischen Gründen notwendig seien.
19. Falsch sei auch die Annahme des Gerichts, die verschiedenen Farben eines Wasch- oder Spülmittels würden nicht als Hinweis auf dessen Herkunft aufgefasst, sondern hätten für den Verbraucher lediglich die Bedeutung, dass verschiedene Wirkstoffe in dem Erzeugnis vorhanden seien. Der Verkehr sehe die Farbgebung als individuelles Gestaltungsmerkmal eines bestimmten Wasch- oder Spülmittels an.
20. In der Rechtssache C456/01 P trägt Henkel außerdem noch vor, das Gericht hätte bei seiner Untersuchung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht außer Acht lassen dürfen, dass Henkel das einzige Unternehmen sei, das die Farbe Rot für Reinigungsmittel verwende. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dieser Marke sei von Bedeutung, dass der Verkehr wegen der exklusiven Verwendung der Farbe Rot für die streitigen Erzeugnisse allein aufgrund dessen eine Zuordnung zum Markeninhaber vornehmen könne.
21. Zweitens macht Henkel geltend, die Tatsache, dass das Gericht vornehmlich darauf abstelle, dass es sich bei den Formen und Farben der betreffenden Tabletten um eine geometrische Grundform bzw. um Grundfarben handle, lege die Vermutung nahe, dass das Gericht in seine Überlegungen zur Unterscheidungskraft der Marke Gesichtspunkte eines etwaigen Freihaltebedürfnisses habe einfließen lassen, was in Widerspruch zu der Entscheidung im Urteil vom 4. Mai 1999 in den Rechtssachen C108/97 und C109/97 (Windsurfing Chiemsee, Slg. 1999, I2779) stehe.
22. Die hier als Marke angemeldete Form- und Farbkombination sei nicht freihaltebedürftig. Erstens könne der Hersteller die Form innerhalb bestimmter technischer Parameter frei bestimmen. Es sei technisch nicht zu erkennen, dass Wettbewerber funktionsfähige Tabletten nur in der Form herstellen könnten, die Gegenstand der vorliegenden Anmeldungen sei. Zweitens sei für die konkrete Farbgebung kein Freihaltebedürfnis zu erkennen. Wenn der Verbraucher jedoch auf eine solche farbliche Gestaltung treffe, werde er diese nicht als technisch zwingende Angabe verstehen, sondern als einen beliebigen und fantasievollen Ausdruck einer Produkt-Individualität. Daraus ergebe sich drittens, dass kein Freihaltebedürfnis der Eintragung einer bestimmten Form- und Farbkombination wie der im vorliegenden Fall entgegenstehe.
23. Das HABM macht erstens geltend, das Gericht habe zu Recht die angemeldeten Marken nicht als nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 schutzfähig angesehen, da die jeweils angemeldete dreidimensionale Marke aus einer Kombination nahe liegender und für die fragliche Ware typischer Gestaltungselemente bestehe, die es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht erlaubten, die beanspruchten Waren von solchen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden.
24. Daher müsse eine dreidimensionale Marke, die aus der Form einer Ware bestehe, fantasievoll, schöpferisch oder unüblich sein, um Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung zu haben. Allgemein übliche, nahe liegende oder banale Formen und Kombinationen von Formen und Farben hätten keine Unterscheidungskraft.
25. Bei einer Wasch- oder Geschirrspülmitteltablette stehe für den Verbraucher die Funktionalität im Vordergrund. Er fasse die rechteckige Form ebenso wie jede andere gleichermaßen einfache Form als die normale, natürliche Form einer solchen Tablette auf. Der Verbraucher mache sich über die genaue Zusammensetzung und Wirkung der Farbschichten der Tablette keine Gedanken, sondern werde allenfalls annehmen, dass es sich um zwei Substanzen unterschiedlicher Wirkung handle und nicht um ein Mittel zur Herkunftsidentifizierung. Die Form der Ware selbst habe nur in Ausnahmefällen die Funktion einer Herkunftsidentifizierung. Dies liege nicht an unterschiedlichen oder gar strengeren rechtlichen Kriterien. Es handle sich vielmehr um eine Erfahrungstatsache, die sich aus der Art und Weise ergebe, wie Verbraucher die betreffenden Produkte wahrnähmen.
26. Das Gericht habe in den angefochtenen Urteilen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken auch zu Recht deren Gesamteindruck zugrunde gelegt, was nicht nur nicht ausschließe, sondern vielmehr voraussetze, dass man die einzelnen Gestaltungselemente gesondert betrachte. Dies entspreche gerade bei dreidimensionalen Marken der Prüfungspraxis des HABM.
27. Durch die Anmeldung solcher banalen und einfachen Warenformen könne daher keine Priorität für eine Gemeinschaftsmarke gesichert werden; derartige Wasch- und Geschirrspülmitteltabletten seien nur und erst dann schutzfähig, wenn sie sich infolge intensiver Benutzung als Zeichen eines bestimmten Herstellers gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 durchgesetzt hätten.
28. Zweitens trägt das HABM vor, der von Henkel vertretenen Auslegung des Begriffes Freihaltebedürfnis im Sinne der früheren deutschen Rechtsprechung habe der Gerichtshof in seinem Urteil Windsurfing Chiemsee eine eindeutige Absage erteilt.
29. Die Beschreibung der Entwicklung der Wasch- und Geschirrspülmittel und des Marktes dieser Waren durch Henkel würde für die Annahme eines Freihaltebedürfnisses sprechen (jedoch nicht im Sinne der genannten Rechtsprechung), zeigten diese Tatsachen doch, wie sehr die einzelnen Mitbewerber von Anfang an Wasch- und Geschirrspülmitteltabletten in scheibenförmiger und rechteckiger Form sowie mit einer zweiten, farbig eingefärbten Schicht verwendet hätten.
Würdigung durch den Gerichtshof
30. Nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 40/94 können Gemeinschaftsmarken alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
31. Wie sich aus dem genannten Artikel ergibt, können sowohl die Form der Ware als auch die Farben zu den Zeichen gehören, die eine Gemeinschaftsmarke sein können. Daher kann ein Zeichen, das sich aus der dreidimensionalen Form einer Wasch- oder Geschirrspülmitteltablette und der Farbgebung dieser Tablette zusammensetzt, grundsätzlich eine Marke sein, sofern die beiden in der vorgenannten Randnummer aufgeführten Voraussetzungen erfuellt sind.
32. Wie das Gericht jedoch in Randnummer 42 des Urteils T335/99 und in Randnummer 40 des Urteils T336/99 zu Recht festgestellt hat, bedeutet die allgemeine Markenfähigkeit eines Zeichens im Sinne von Artikel 4 der Verordnung Nr. 40/94 nicht, dass dieses Zeichen im Hinblick auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung notwendig Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung hat.
33. Nach der letztgenannten Bestimmung sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.
34. Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 bedeutet, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. zu Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken [ABl. 1989, L 40, S. 1], der mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b übereinstimmt, das Urteil vom 8. April 2003 in den Rechtssachen C53/01 bis C55/01, Linde u. a., Slg. 2003, I3161, Randnr. 40).
35. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder empfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (Urteile Linde u. a., Randnr. 41, und vom 12. Februar 2004 in der Rechtssache C363/99, Koninklijke KPN Nederland, Slg. 2004, I0000, Randnr. 34).
36. Insoweit ergibt sich aus der Begründung der angefochtenen Urteile, dass das Gericht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht rechtsfehlerhaft ausgelegt hat.
37. Das Gericht hat nämlich im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofes das Fehlen der Unterscheidungskraft der in Rede stehenden Marken zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden sind, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise, d. h. im vorliegenden Fall der Gesamtheit der Verbraucher, beurteilt.
38. Weiterhin hat das Gericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, nicht anders sind als die für die übrigen Markenkategorien geltenden. Es hat jedoch im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Kriterien festgestellt, dass eine dreidimensionale Marke, die aus der Form oder den Farben der Ware selbst bestehe, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werde wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen bestehe, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig sei. In der Tat schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke als diejenige einer Wort- oder Bildmarke nachzuweisen (in diesem Sinne Urteile Linde u. a., Randnr. 48, und vom 12. Februar 2004 in der Rechtssache C218/01, Henkel, Slg. 2004, I0000, Randnr. 52).
39. Je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher ist zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 fehlt. Nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfuellt, besitzt auch Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (vgl. zu der gleichlautenden Bestimmung in Artikel 3 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104 das Urteil Henkel, Randnr. 49).
40. Infolgedessen hat das Gericht mit dem Hinweis, dass die angemeldeten Marken keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 besäßen, keinen Rechtsfehler im Hinblick auf diese Bestimmung und die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes begangen.
41. Bei der vom Gericht vorgenommenen konkreten Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall handelt es sich um die Würdigung von Tatsachen. Jedoch ist allein das Gericht dafür zuständig, die Tatsachen festzustellen - sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind - und diese zu würdigen. Die Tatsachenwürdigung stellt, vorbehaltlich einer Entstellung des dem Gericht unterbreiteten Sachvortrags, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rechtsmittelverfahren unterläge (Urteil vom 19. September 2002 in der Rechtssache C104/00 P, DKV/HABM, Slg. 2002, I7561, Randnr. 22).
42. Im vorliegenden Fall lässt sich den Feststellungen des Gerichts nichts entnehmen, was für eine Entstellung des ihm unterbreiteten Sachvortrags spräche.
43. Zu dem Argument von Henkel, das Gericht habe ein Freihaltebedürfnis angenommen, ist daran zu erinnern, dass das Gericht sich auf die fehlende Unterscheidungskraft der Form und Farben der betreffenden Tabletten gestützt hat.
44. Aber selbst wenn das Gericht Gesichtspunkte des Allgemeininteresses in seine Beurteilung der Unterscheidungskraft hätte einfließen lassen, hätte es insoweit jedenfalls keinen Rechtsfehler begangen.
45. Jeder der in Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 genannten Eintragungshindernisse ist von den anderen unabhängig und muss getrennt geprüft werden. Zudem sind diese Eintragungshindernisse im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das ihnen zugrunde liegt (insbesondere Urteile vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C299/99, Philips, Slg. 2002, I5475, Randnr. 77, und Linde u. a., Randnrn. 67 und 71).
46. Das bei der Prüfung der einzelnen Eintragungshindernisse berücksichtigte Allgemeininteresse kann oder muss sogar in je nach Eintragungshindernis unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen.
47. Zu der Möglichkeit, eine Farbe als solche und ohne räumliche Begrenzung als Marke einzutragen, hat der Gerichtshof im Urteil vom 6. Mai 2003 in der Rechtssache C104/01 (Libertel, Slg. 2003, I3793, Randnr. 60) bereits festgestellt, dass das Allgemeininteresse, das Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104 zugrunde liegt, der mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 übereinstimmt, verlangt, die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt zu beschränken.
48. Im Übrigen besteht kein Allgemeininteresse daran, den vollen Schutz nach der Verordnung Nr. 40/94 einer Marke zu gewähren, die nicht ihre Hauptfunktion erfuellt, nämlich dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der betreffenden Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne die Gefahr einer Verwechslung von denen anderer Herkunft zu unterscheiden.
49. Das Argument, das HABM habe schon die Unterscheidungskraft von Marken in Form von Wasch- oder Geschirrspülmitteltabletten anerkannt, die den im vorliegenden Fall angemeldeten Marken vergleichbar seien, hat Henkel vor dem Gericht nicht geltend gemacht.
50. Könnte eine Partei vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, so könnte sie den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem Rechtsstreit befassen, der weiter reicht als derjenige, den das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels ist daher die Zuständigkeit des Gerichtshofes auf die Beurteilung der rechtlichen Lösung beschränkt, die das Gericht hinsichtlich des vor ihm erörterten Vorbringens angewandt hat (Urteil vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C136/92 P, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I1981, Randnr. 59, und Beschluss vom 28. Juni 2001 in der Rechtssache C352/99 P, Eridiana u. a./Rat, Slg. 2001, I5037, Randnr. 53).
51. Dieses Argument ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
52. Nach alledem ist die erste Rüge des Rechtsmittelgrundes bezüglich des Unterscheidungscharakters einer Marke als unbegründet zurückzuweisen.
Zur zweiten Rüge bezüglich der Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers
Vorbringen der Parteien
53. Henkel räumt ein, dass der Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers grundsätzlich je nach Art der Ware variieren könne. Entgegen der Auffassung des Gerichts spreche jedoch nichts für die Annahme, dass bei Konsumartikeln des täglichen Gebrauchs die Aufmerksamkeit des Verbrauchers grundsätzlich geringer einzustufen wäre. Bei den hier betroffenen Konsumartikeln des täglichen Gebrauchs sei im Gegenteil von einem besonderen Interesse des Verbrauchers auszugehen, nicht nur zu wissen, um welche Art von Produkt, sondern auch, um welches Produkt es sich genau handle.
54. Zudem höben die Hersteller von Wasch- und Geschirrspülmitteln in ihrer Werbung die Qualität der einzelnen Produkte deutlich hervor. Daher verbinde der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher mit bestimmten Produkten bestimmte Qualitätsanforderungen und versuche, die Produkte anhand ihres Aussehens voneinander zu unterscheiden.
55. Das HABM trägt vor, in den angefochtenen Urteilen werde die Gesamtheit aller Verbraucher als angesprochener Verkehrskreis angesehen, da es sich bei Wasch- und Geschirrspülmitteln in Tablettenform um weit verbreitete Konsumgüter handle. Dass die Aufmerksamkeit des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers für die genaue Farb- und Formgebung der Tabletten nur gering sei, liege nämlich gerade daran, dass derartige Tabletten nicht in loser Form gekauft würden, sondern in einer Verpackung, aus der nur die jeweils benötigte Anzahl von Tabletten entnommen werden müsse. Der Verbraucher halte die Tabletten nur kurze Zeit in der Hand und müsse sich auch während dieses Zeitraums keine Gedanken machen, welche Tablette er gerade verwende.
Würdigung durch den Gerichtshof
56. Die Feststellung des Gerichts in den Randnummern 48 des Urteils T335/99 und 46 des Urteils T336/99, dass der Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers in Bezug auf Form und Farben der Wasch- und Geschirrspülmitteltabletten, bei denen es sich um Waren des täglichen Gebrauchs handele, nicht hoch sei, ist eine Tatsachenwürdigung, die, wie in Randnummer 41 dieses Urteils ausgeführt, der Überprüfung des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels entzogen ist, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, keine Entstellung des dem Gericht unterbreiteten Sachvortrags ist.
57. Somit ist auch die zweite Rüge des Rechtsmittelgrundes bezüglich der Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers zurückzuweisen.
Zur dritten Rüge des Rechtsmittelgrundes wegen des Zeitpunkts, zu dem die Unterscheidungskraft einer Marke zu beurteilen ist
Vorbringen der Parteien
58. Henkel macht geltend, das Gericht habe nicht die Frage entschieden, auf welchen Zeitpunkt man bei der Beurteilung des Fehlens der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken abstellen müsse. Die Beurteilung müsse auf der Grundlage der Tatsachen zum Zeitpunkt der Anmeldung erfolgen. Die Entscheidung für oder gegen eine Markenanmeldung könne der Anmelder nur aufgrund der Fakten treffen, die ihm zu diesem Zeitpunkt bekannt seien. Ob ein Zeichen charakteristische Merkmale aufweise, die über die typischen oder technisch notwendigen Merkmale eines Erzeugnisses hinausgingen, könne nur vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der Anmeldung bekannten Produkte und deren typischer Merkmale beurteilt werden.
59. Zum Zeitpunkt der Markenanmeldungen sei auf dem Markt die Voraussetzung der Unterscheidungskraft erfuellt gewesen. Die typische Darreichungsform von Waschmitteln und Geschirrspülmitteln sei damals die Pulverform gewesen, so dass sich schon aus der bloßen Idee der Tabletten ein charakteristisches Merkmal ergeben habe, welches über die damals übliche und technisch bedingte Form des Produktes hinausgegangen sei. Die angemeldeten Marken mit ihren willkürlichen, nicht produkt- oder technikbedingten Merkmalen hätten gegenüber den damals auf dem Markt vorhandenen Produkten charakteristische Merkmale aufgewiesen.
60. Das HABM führt aus, das Gericht habe in den angefochtenen Urteilen eine Entscheidung hierüber nicht für erforderlich gehalten, da die Unterscheidungskraft den in Rede stehenden Marken bei ihrer Anmeldung gefehlt habe. Die Voraussetzungen für die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke müssten jedenfalls sowohl am Anmeldetag als auch am Eintragungstag vorliegen. Im vorliegenden Fall habe gegen die Eintragung insbesondere gesprochen, dass die angemeldete Form- und Farbkombination der Tabletten üblich geworden sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
61. Wie sich aus Randnummer 34 dieses Urteils ergibt, besitzt eine Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94, wenn sie erlaubt, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
62. Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnummer 57 des Urteils T335/99 und in der entsprechenden Randnummer des Urteils T336/99 zu Recht ausgeführt, dass nicht zu entscheiden gewesen sei, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marken im Sinne dieser Bestimmung maßgeblich sei, da zuvor festgestellt worden sei, dass die angemeldeten Marken eine Unterscheidung nach dem Ursprung der betreffenden Waren nicht zuließen und diese Feststellung auch nicht durch die mehr oder weniger große Zahl ähnlicher, auf dem Markt bereits vorhandener Tabletten entkräftet werden könne.
63. Somit hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es die Notwendigkeit einer Entscheidung der Frage verneinte, auf welchen der beiden Zeitpunkte bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der betreffenden Marken abzustellen war.
64. Die dritte Rüge des Rechtsmittelgrundes wegen des Zeitpunkts, zu dem die Unterscheidungskraft einer Marke zu beurteilen ist, ist daher ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
65. Nach alledem sind die Rechtsmittel nicht begründet und daher zurückzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
66. Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM beantragt hat, Henkel die Kosten aufzuerlegen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat Henkel die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Die Henkel KGaA trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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