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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 01.12.2005
Aktenzeichen: C-46/03
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfond, Entscheidung C(92) 1358/8 der Kommission vom 6. Juli 1992, Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen, Entscheidung C(92) 1358/8


Vorschriften:

EG Art. 10
EG Art. 231
EG Art. 241
EG Art. 88 Abs. 3
Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfond Art. 52 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfond Art. 52 Abs. 5
Entscheidung C(92) 1358/8 der Kommission vom 6. Juli 1992 Art. 10 Anhang
Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen Art. 21 Abs. 4
Entscheidung C(92) 1358/8 Art. 10 Anhang
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C-46/03

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 31. Januar 2003,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch P. Ormond, R. Caudwell und K. Manji als Bevollmächtigte im Beistand von D. Lloyd-Jones, QC, und S. Lee, Barrister,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Flynn als Bevollmächtigter, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Balta, F. Florindo Gijón und J. Carbery als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), des Richters J. Makarczyk, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kuris und G. Arestis,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juni 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit seiner Klageschrift beantragt das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland,

- die folgenden Maßnahmen für nichtig zu erklären:

a) die in einem Schreiben vom 22. November 2002 enthaltene Entscheidung der Kommission, den für im Rahmen des operationellen Programms Manchester/Salford/Trafford 2 (MST 2) getätigte Ausgaben gebundenen Betrag von 11 632 600 Euro freizugeben;

b) die spätere Entscheidung zur Freigabe dieses Betrages, die an einem dem Vereinigten Königreich unbekannten Tag im Dezember 2002 oder im Januar 2003 ergangen ist;

c) sämtliche aufgrund dieser Entscheidungen getroffenen Maßnahmen einschließlich der Freigabe dieses Betrages;

d) die in dem genannten Schreiben vom 22. November 2002 enthaltene Entscheidung der Kommission, mit der dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) aufgegeben wird, den bereits an das Vereinigte Königreich für im Rahmen des Programms MST 2 getätigte Ausgaben gezahlten Betrag von 9 272 767 Euro zurückzufordern; und

e) sämtliche aufgrund dieser Entscheidung getroffenen Maßnahmen;

- gemäß Artikel 231 EG die Nichtigkeit aller dieser Maßnahmen festzustellen.

- gemäß Artikel 241 EG festzustellen, dass, falls die von der Kommission vertretene Auslegung von Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161, S. 1) und/oder von Artikel 10 des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 der Kommission vom 6. Juli 1992 zutreffen sollte, diese Maßnahmen gegenüber dem Vereinigten Königreich unanwendbar sind.

Rechtlicher Rahmen

2. Artikel 21 - Zahlungen - Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1) lautet:

"Die Zahlung des Restbetrags im Rahmen der einzelnen Mittelbindungen ist an folgende Bedingungen geknüpft:

- die benannte Behörde gemäß Absatz 1 hat innerhalb von sechs Monaten nach Ende des betreffenden Jahres oder nach dem tatsächlichen Abschluss der Aktion bei der Kommission einen Antrag auf Auszahlung einzureichen;

- der Kommission sind die in Artikel 25 Absatz 4 genannten Berichte vorzulegen;

- der Mitgliedstaat hat der Kommission eine Bescheinigung vorzulegen, in der die in dem Auszahlungsantrag und in den Berichten enthaltenen Angaben bestätigt werden."

3. Artikel 52 der Richtlinie 1260/1999 bestimmt:

"(1) Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer Intervention, die vom Rat oder von der Kommission auf der Grundlage der Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 und (EWG) Nr. 4253/88 sowie jeder sonstigen für diese Intervention am 31. Dezember 1999 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden ist.

...

(5) Die Teile der gebundenen Beträge für die Operationen oder Programme, die die Kommission vor dem 1. Januar 1994 genehmigt hat und für die spätestens am 31. März 2001 kein abschließender Zahlungsantrag eingereicht worden ist, werden von der Kommission unbeschadet der Operationen oder Programme, die aus rechtlichen Gründen ausgesetzt sind, spätestens am 30. September 2001 automatisch freigegeben, wobei die zu Unrecht gezahlten Beträge zurückzuzahlen sind.

..."

Sachverhalt und Verfahren

4. Am 6. Juli 1992 erließ die Kommission die Entscheidung C(92) 1358/8 über die Gemeinschaftsbeihilfe des EFRE und des Europäischen Sozialfonds für ein integriertes operationelles Programm betreffend Manchester, Salford, Trafford auf der Grundlage des zu Ziel Nr. 2 erlassenen gemeinschaftlichen Förderkonzepts für Nordwestengland im Vereinigten Königreich. Diese Entscheidung galt für den Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1993; in ihrem Artikel 3 war die Beteiligung des EFRE auf 56,51 Millionen ECU festgesetzt.

5. Artikel 10 des Anhangs dieser Entscheidung C(92) 1358/8 lautet:

"Die Zahlung des Restbetrags im Rahmen der einzelnen Mittelbindungen ist an folgende kumulative Bedingungen geknüpft:

- die benannte Behörde hat innerhalb von sechs Monaten nach Ende des betreffenden Jahres oder nach dem tatsächlichen Abschluss der Aktion bei der Kommission einen Antrag auf Auszahlung einzureichen; dieser Antrag soll entsprechend den den Endbegünstigten tatsächlich entstandenen Ausgaben gestellt werden, für die Belege existieren;

- der Kommission sind die in Artikel 25 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 genannten Berichte in einer üblichen, anerkannten Form vorzulegen;

- der Mitgliedstaat hat der Kommission eine Bescheinigung vorzulegen, in der die in dem Auszahlungsantrag und in den Berichten enthaltenen Angaben bestätigt werden."

6. Mit der Entscheidung C(93) 3804 der Kommission vom 17. Dezember 1993 zur Änderung der operationellen Programme in den unter das Ziel 2 fallenden Gebieten des Vereinigten Königreichs wurde die Beteiligung des EFRE am Programm MST 2 von 56,51 auf 58,163 Millionen ECU erhöht, um die von diesem Mitgliedstaat beantragten Änderungen der jährlichen Aufteilung der gemeinschaftlichen Strukturhilfen, die Zuteilung vorher nicht gebundener Mittel für vorrangige Maßnahmen und die Übertragung von Mitteln zwischen bestimmten operationellen Programmen zu berücksichtigen.

7. Mit Schreiben vom 11. Juni 1999 und 31. Juli 2000 legte das Government Office for the North West (im Folgenden: GONW) Entwürfe für den Abschlussbericht über das Programm MST 2 vor.

8. Am 26. Februar 2001 sandte das GONW der Kommission ein Schreiben, in dem es insbesondere Folgendes ausführte:

"Wir erstellen zur Zeit die abschließenden Finanztabellen für diese beiden Programme. Sobald sie fertig sind, werden sie Ihnen von Paul [D.] per E-Mail zugesandt, und zwar zuerst für MST 1 und dann für MST 2. Vorab sende ich Ihnen anbei Papierkopien der Originalunterlagen, so dass Ihnen vor Ablauf der Mittelfreigabefrist am 31. März 2001 ein vollständiger Satz der Unterlagen vorliegt."

9. Am 15. März 2001 sandte das GONW der Kommission ein Schreiben, in dem es hieß:

"Unter Bezugnahme auf mein Schreiben vom 26. Februar 2001 übersende ich Ihnen anbei Papierkopien der Originalunterlagen für MST 2. Die abschließenden Finanztabellen für MST 1 und 2 werden Ihnen, sobald Ian [J.] noch offene Fragen mit Manchester (City Council) geklärt hat, von Paul [D.] vor Ablauf der Mittelfreigabefrist am 31. März 2001 per E-Mail zugesandt. Den Finanztabellen werden Verzeichnisse der genehmigten Projekte mit Angabe des Antragstellers und der Priorität beigefügt.

Die Tabelle der abgerufenen Mittel und die Tabelle der Auszahlungen zeigen den Restbetrag der an die Regierung des Vereinigten Königreichs zu überweisenden Mittel. Wir werden einem förmlichen Antrag auf Abruf des Restbetrags zustimmen, wenn Ihr Finanzteam zu den vorgelegten Zahlen Stellung genommen hat.

Diese Tabellen entsprechen dem Stand des am 31. Juli 2000 [bei der Kommission] eingereichten revidierten Berichts."

10. Dem Schreiben war ein das Programm MST 2 betreffender Bericht mit der Überschrift "Final Report" (Abschlussbericht) beigefügt.

11. Am 21. März 2001 sandte das GONW der Kommission eine E-Mail folgenden Wortlauts:

"Auf Wunsch von Paul [I.] übersende ich Ihnen anbei vier Tabellen, damit Sie die beiden Programme abschließen können.

..."

12. Dieser E-Mail waren mehrere Anhänge beigefügt, die verschiedene Tabellen mit Angaben über das Programm MST 2 enthielten. Im Anhang 4 betreffend die als vorrangig eingestuften genehmigten Projekte waren zuschussfähige Ausgaben in Höhe von insgesamt 111 735 335 GBP ausgewiesen.

13. Nach einem Schriftwechsel zwischen der Kommission und dem GONW wurden die Finanztabellen im Sommer 2001 mehrfach korrigiert, wobei jedoch der genannte Gesamtbetrag der zuschussfähigen Ausgaben unverändert blieb.

14. Danach kam es zu einem umfangreichen Schriftwechsel zwischen dem GONW und der Kommission, die darauf bestand, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs ihr eine endgültige Ausgabenerklärung übersandten.

15. Mit Schreiben vom 6. Februar 2002 übermittelte das GONW der Kommission eine solche Erklärung. Darin war der Betrag der zuschussfähigen Ausgaben mit 111 735 335 GBP beziffert.

16. Mit Schreiben vom 18. April 2002, das vom Generaldirektor der GD "Regionalpolitik" unterzeichnet war, teilte die Kommission den Behörden des Vereinigten Königreichs mit, dass sie beabsichtige, den Restbetrag der EFRE-Beteiligung am Programm MST 2, der sich auf 11 632 600 Euro belaufe, freizugeben. Sie führte aus, dass das Dokument vom 6. Februar 2002 nicht als Zahlungsantrag akzeptiert worden sei, weil es nicht bis zu dem in Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 vorgesehenen Stichtag 31. März 2001 eingereicht worden sei. Die Kommission setzte dem Vereinigten Königreich eine Frist von zwei Monaten zur Stellungnahme.

17. Mit Schreiben vom 12. Juni 2002 erhoben die Behörden des Vereinigten Königreichs gegen die Ankündigung, den für das Programm MST 2 vorgesehenen Restbetrag freizugeben, Einwände. Sie machten insbesondere geltend, dass ein Entwurf des Abschlussberichts im Juli 2000 und die Finanztabellen am 21. März 2001 eingereicht worden seien und dass alle maßgeblichen Angaben vor dem Fristablauf am 31. März 2001 vorgelegen hätten.

18. Mit Schreiben vom 22. November 2002 widersprach die Kommission dieser Argumentation und teilte mit, sie habe die zuständige Einheit angewiesen, den Restbetrag von 11 632 600 EUR freizugeben.

19. Das Vereinigte Königreich hat am 31. Januar 2003 die vorliegende Klage eingereicht. Die Kommission beantragt, sie als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet, hilfsweise, als insgesamt unbegründet abzuweisen.

20. Der Rat der Europäischen Union ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 25. März 2003 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

Zur Klage

Zum Gegenstand der Klage

21. Zu den unter dem ersten Gedankenstrich Buchstaben d und e der Anträge des Vereinigten Königreichs formulierten Anträgen auf Nichtigerklärung hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung darauf hingewiesen, dass sie entschieden habe, den Betrag von 9 272 767 Euro nicht mehr zurückzufordern; diese Entscheidung sei der Regierung des Vereinigten Königreich mit Schreiben vom 13. März 2003 mitgeteilt worden.

22. Da diese Regierung den Zugang dieser Entscheidung nicht bestreitet, ist davon auszugehen, dass die Klage in Bezug auf diese Anträge auf Nichtigerklärung gegenstandslos geworden ist.

Zur Zulässigkeit

23. Die Kommission macht geltend, dass die unter dem ersten Gedankenstrich Buchstaben b und c der Anträge des Vereinigten Königreichs formulierten Anträge unzulässig seien, da sie Maßnahmen beträfen, die keine eigenständigen Entscheidungen seien, sondern zwangsläufig aus dem unter dem ersten Gedankenstrich Buchstabe a dieser Anträge genannten Schreiben vom 22. November 2002 folgten.

24. Hierzu ist festzustellen, dass aus diesem Schreiben hervorgeht, dass die Kommission die zuständige Stelle angewiesen hat, den Restbetrag von 11 632 600 Euro freizugeben. Wie die Generalanwältin in Nummer 46 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, stellt dieses Schreiben daher eine Maßnahme dar, die gegenüber dem Vereinigten Königreich Rechtswirkungen entfaltet.

25. Unter diesen Umständen handelt es sich bei den unter dem ersten Gedankenstrich Buchstaben b und c der Anträge dieses Mitgliedstaats genannten Maßnahmen gegenüber der bereits in dem Schreiben vom 22. November 2002 enthaltenen Entscheidung allenfalls um eine Bestätigungs- bzw. eine reine Durchführungshandlung. Sie sind daher nicht gesondert anfechtbar.

26. Die Anträge auf Nichtigerklärung der unter dem ersten Gedankenstrich Buchstaben b und c der Anträge des Vereinigten Königreichs genannten Maßnahmen sind daher unzulässig.

Zur Begründetheit

27. Das Vereinigte Königreich macht in seiner Klageschrift vier Klagegründe geltend. Mit dem ersten rügt es eine Verletzung von Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999. Mit dem zweiten erhebt es eine Rechtswidrigkeitseinrede, mit der die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung und/oder von Artikel 10 des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 behauptet wird. Mit dem dritten Klagegrund wird eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes sowie von Artikel 10 EG gerügt, und mit dem vierten ein Begründungsmangel. Mit Schreiben vom 23. März 2005 hat die Regierung des Vereinigten Königreichs mitgeteilt, dass es seinen zweiten Klagegrund fallen lasse.

28. Zum ersten Klagegrund trägt die Regierung des Vereinigten Königreichs vor, die Unterlagen, die sie der Kommission im Februar und im März 2001 übermittelt habe, hätten ihrem Wortlaut und Kontext nach einen abschließenden Zahlungsantrag im Sinne der genannten Bestimmung dargestellt, womit es der Kommission ermöglicht worden sei, das Programm MST 2 abzuschließen. Bei Auslegung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit, der ordnungsgemäßen Verwaltung, der gemeinschaftlichen Solidarität und der regionalen Partnerschaft sowie der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 10 EG verlange diese Bestimmung nicht zwingend, dass für einen abschließenden Zahlungsantrag stets das EFRE-Formular für die Bestätigung der Ausgaben verwendet werde. Die Kommission habe daher einen Rechtsfehler begangen, indem sie angenommen habe, dass die Nichtvorlage eines dieser Form entsprechenden abschließenden Zahlungsantrags bis zum 31. März 2001 die Anwendung der Sanktion des Artikels 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 nach sich ziehe.

29. Die Kommission entgegnet, die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung setze voraus, dass sie bis zum 31. März 2001 über alle Unterlagen verfüge, die für den Abschluss der Intervention erforderlich seien; hierfür müssten diese Unterlagen in der vorgeschriebenen Form vorliegen. Eine nicht bestätigte Aufstellung von Ausgaben, die per E-Mail in Form einer Excel-Datei übersandt worden sei, könne nicht als abschließender Zahlungsantrag angesehen werden, nicht nur, weil sie nicht dem Formular entspreche, sondern auch, weil ein solcher Antrag gemäß Artikel 21 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4253/88 und Artikel 10 des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 unterzeichnet und bestätigt sein müsse.

30. Hierzu ist festzustellen, dass die von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden abschließenden Zahlungsanträge im Sinne von Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 zumindest die Informationen enthalten müssen, die der Kommission den endgültigen Abschluss der entsprechenden Projekte und die Zahlung der geforderten Beträge ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 1999 in der Rechtssache C-84/96, Niederlande/Kommission, Slg. 1999, I-6547, Randnr. 57).

31. Aus den Akten geht hervor, dass das Vereinigte Königreich der Kommission bis zum 31. März 2001 mehrere Informationen über das Programm MST 2 übermittelt hatte, und zwar durch die mit Anhängen ergänzten Schreiben vom 26. Februar und vom 15. März 2001 sowie durch eine E-Mail vom 21. März 2001.

32. Es ist zu beachten, dass die Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dem Vereinigten Königreich nicht vorwirft, ihr bestimmte Informationen per E-Mail übermittelt zu haben.

33. Die Kommission behauptet auch nicht, dass es in dem mitgeteilten Zahlenmaterial eine Unstimmigkeit gegeben habe, die sie am Abschluss des fraglichen Projekts gehindert hätte, oder dass die Informationen ihr von einer unzuständigen Stelle übermittelt worden seien.

34. Sie macht vielmehr geltend, dass der Bericht, der, wie aus den von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dem Schreiben vom 15. März 2001 beigefügt war, ein vorläufiger Bericht gewesen sei.

35. Hierzu ist festzustellen, dass aus den Akten nicht hervorgeht, dass dieser mit "Final Report" überschriebene Bericht den Status eines vorläufigen Berichts gehabt hätte. Auch erläutert die Kommission nicht, in welchen Punkten dieser Bericht unvollständig gewesen sein soll.

36. Im Übrigen ist zu den im Sommer 2001 vorgenommenen Korrekturen, die das Vereinigte Königreich als geringfügig einstuft, ohne dass die Kommission dem ernsthaft widersprochen hätte, festzustellen, dass sich den Akten und insbesondere dem Schreiben vom 18. April 2002 nicht entnehmen lässt, dass diese Korrekturen bei der Freigabeentscheidung der Kommission eine Rolle gespielt haben könnten.

37. Die Kommission ist nämlich deshalb der Auffassung, dass das Vereinigte Königreich bis zum 31. März 2001 keinen abschließenden Zahlungsantrag im Sinne von Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 gestellt habe, weil es bis dahin keine Bestätigung der unterbreiteten Angaben eingereicht habe.

38. Nach Ansicht der Kommission ergibt sich eine Verpflichtung, die übermittelten Angaben binnen der genannten Frist des Artikels 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 zu bestätigen, aus Artikel 21 Absatz 4, dritter Gedankenstrich, der Verordnung Nr. 4253/88 und Artikel 10, dritter Gedankenstrich, des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8, nach denen die Mitgliedstaaten der Kommission eine Bescheinigung vorzulegen haben, in der die in dem Auszahlungsantrag und in den Berichten enthaltenen Angaben bestätigt werden.

39. Dieser Auffassung der Kommission kann jedoch nicht gefolgt werden.

40. Zwar schreiben Artikel 21 Absatz 4, dritter Gedankenstrich, der Verordnung Nr. 4253/88, der, wie sich aus Artikel 52 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 ergibt, für Interventionen wie die hier fragliche weiter gilt, und Artikel 10, dritter Gedankenstrich, des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 dem Vereinigten Königreich die Erfüllung einer Reihe von Formalitäten vor, um die Zahlung des Restbetrags im Rahmen der einzelnen Mittelbindungen erwirken zu können; u. a. hat es der Kommission eine Bescheinigung vorzulegen, in der die in dem Auszahlungsantrag und in den Berichten enthaltenen Angaben bestätigt werden.

41. Doch lässt sich weder aus diesen Bestimmungen noch aus Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 folgern, dass die fragliche Bescheinigung bis zum 31. März 2001 vorzulegen war.

42. Zunächst ist zu Artikel 21 Absatz 4, dritter Gedankenstrich, der Verordnung Nr. 4253/88 und Artikel 10, dritter Gedankenstrich, des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 festzustellen, dass dort keine Frist bis 31. März 2001 vorgesehen ist.

43. Sodann ist zu Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 festzustellen, dass diese Bestimmung nichts enthält, was dafür spräche, dass sämtliche in Artikel 21 Absatz 4, dritter Gedankenstrich, der Verordnung Nr. 4253/88 und in Artikel 10, dritter Gedankenstrich, des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 genannten Formalitäten, von denen die Zahlung des Restbetrags im Rahmen der einzelnen Mittelbindungen abhängt, stets erfüllt sein müssen, um zu verhindern, dass die gebundenen Mittel nach Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 freigegeben werden.

44. Im Übrigen entspricht der Ausdruck "abschließender Zahlungsantrag" in Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 eher dem Ausdruck "Antrag auf Auszahlung" bzw. "Auszahlungsantrag" in Artikel 21 Absatz 4, erster bzw. dritter Gedankenstrich, der Verordnung Nr. 4253/88 und in Artikel 10, erster bzw. dritter Gedankenstrich, des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8. Aus dem Wortlaut dieser beiden letztgenannten Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass die im dritten Gedankenstrich genannte Bescheinigung nicht zu dem eigentlichen Zahlungsantrag gehört.

45. Daher kann nicht angenommen werden, dass Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 es einem Mitgliedstaat unter Androhung der automatischen Mittelfreigabe vorschreibt, eine Formalität wie die Vorlage einer Bestätigung der unterbreiteten Angaben bis zu einem bestimmten Termin zu erfüllen, wenn eine solche Verpflichtung in dieser Bestimmung nicht eindeutig vorgesehen ist.

46. Nach alledem hat die Kommission Artikel 52 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1260/1999 fehlerhaft angewandt, indem sie die automatische Mittelfreigabe mit der Begründung vorgenommen hat, dass das Vereinigte Königreich ihr nicht bis zum 31. März 2001 die Bestätigung der unterbreiteten Angaben im Sinne von Artikel 21 Absatz 4, dritter Gedankenstrich, der Verordnung Nr. 4253/88 und von Artikel 10, dritter Gedankenstrich, des Anhangs der Entscheidung C(92) 1358/8 vorgelegt hat.

47. Der erste Klagegrund des Vereinigten Königreichs ist daher begründet.

48. Aus diesen Gründen ist der Klage stattzugeben, ohne dass die übrigen Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

Kostenentscheidung:

Kosten

49. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag des Vereinigten Königreichs die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung trägt der Rat, der diesem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die in dem Schreiben vom 22. November 2002 enthaltene Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, den für im Rahmen des operationellen Programms Manchester/Salford/Trafford 2 getätigte Ausgaben gebundenen Betrag von 11 632 600 Euro freizugeben, wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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