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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.01.1997
Aktenzeichen: C-463/93
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 857/84


Vorschriften:

Verordnung Nr. 857/84 Art. 2
Verordnung Nr. 857/84 Art. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 12 Buchstaben c und d der Verordnung Nr. 857/84 über die Anwendung der zusätzlichen Abgabe für Milch stellen den Grundsatz der Flächenbindung der Referenzmenge auf, soweit diese für die Gesamtheit der im geographischen Gebiet der Gemeinschaft gelegenen Flächen festgesetzt worden ist, die ein Erzeuger im Referenzjahr zum Zweck der Milcherzeugung bewirtschaftet hat. Denn ein landwirtschaftlicher Betriebsleiter, der die gelieferte Milchmenge auf der Gesamtheit der eigenen und zugepachteten Flächen erzeugt und diese Flächen selbst teils als Eigentümer, teils als Pächter bewirtschaftet, ist ein Erzeuger im Sinne von Artikel 12 Buchstabe c der Verordnung, und der Begriff des Betriebes im Sinne von Artikel 12 Buchstabe d der Verordnung setzt nicht voraus, daß im Falle einer Verpachtung die in Rede stehenden Produktionseinheiten im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats liegen, in dem die Milch geliefert wird und der die Referenzmenge zugeteilt hat.

Daher ist die Referenzmenge, die ein Mitgliedstaat 1984 einem Erzeuger im Rahmen der Zusatzabgabenregelung für Milch zugeteilt hat, selbst dann an die Gesamtheit der eigenen oder zugepachteten Flächen, die der Erzeuger zum Zweck der Milcherzeugung im Referenzzeitraum bewirtschaftet, gebunden, wenn ein Teil der Flächen in einem anderen Mitgliedstaat liegt.

4 Im Falle einer verpachteten Gesamtheit landwirtschaftlicher Produktionseinheiten, die einen Betrieb im Sinne von Artikel 12 Buchstabe d der Verordnung Nr. 857/84 darstellt, sind die Fragen, die das Pachtverhältnis und insbesondere dessen Beendigung betreffen, nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen, während sich die im Bereich der von der Abgabe befreiten Referenzmengen daraus zu ziehenden Konsequenzen nach der Gemeinschaftsregelung über die Zusatzabgabe bestimmen. In diesem Zusammenhang bringt die Rückgewähr einer solchen Gesamtheit landwirtschaftlicher Produktionseinheiten nach Ablauf des Pachtverhältnisses Rechtsfolgen mit sich, die im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 der Verordnung Nr. 1371/84, der später zu Artikel 7 Absatz 1 Nummer 3 der Verordnung Nr. 1546/88 wurde, mit denjenigen der Übertragung eines Betriebes bei der Begründung des Pachtverhältnisses vergleichbar sind.

Im einzelnen fällt die Referenzmenge, über die der ehemalige Pächter verfügt, bei Ablauf eines Pachtvertrags an den Verpächter zurück, wenn der ehemalige Pächter die Milcherzeugung nicht fortsetzen will.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 23. Januar 1997. - Katholische Kirchengemeinde St. Martinus Elten gegen Landwirtschaftskammer Rheinland. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Düsseldorf - Deutschland. - Zusätzliche Abgabe für Milch - Berechnung der Referenzmenge - Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat erzeugten Menge. - Rechtssache C-463/93.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 18. November 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Dezember 1993, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Regelung über die zusätzliche Abgabe für Milch, eingeführt durch die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10), die Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 90, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (ABl. L 68, S. 1) und die Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 139, S. 12), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem nach Beendigung eines Pachtvertrags anhängig gewordenen Rechtsstreit zwischen der Katholischen Kirchengemeinde St. Martinus Elten (im folgenden: Kirchengemeinde) und der Landwirtschaftskammer Rheinland (im folgenden: Landwirtschaftskammer) über die Bindung einer Referenzmenge an teils in Deutschland, teils in den Niederlanden gelegene Pachtflächen.

3 Die Kirchengemeinde ist nach ihren eigenen Angaben Eigentümerin von Grundstücken mit einer Nettofutteranbaufläche von ungefähr 23,7 ha. Der überwiegende Teil dieser Flächen, ungefähr 17,7 ha, liegt in den Niederlanden, der Rest in Deutschland. Sämtliche Grundstücke sind seit langem verpachtet. Der Pächter, selbst Eigentümer eines in Deutschland gelegenen Betriebes von ungefähr 1,07 ha, benutzte diese Grundstücke zur Erzeugung von Milch, die er an eine deutsche Molkerei lieferte.

4 Zur Begrenzung der Erzeugung von Milch und Milcherzeugnissen in der Gemeinschaft wurde durch die Verordnung Nr. 856/84 in die Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13) ein Artikel 5c eingefügt, der für den Fall, daß die Milcherzeugung eine festzusetzende Referenzmenge überschreitet, eine zusätzliche Abgabe vorsieht. Nach der von der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande gewählten Formel A der Zusatzabgabenregelung entspricht die abgabenfreie Referenzmenge grundsätzlich der Milchmenge, die von einem Erzeuger im Referenzjahr geliefert wurde. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Jahr 1983 als Referenzjahr gewählt.

5 In Artikel 5c Absatz 3 der Verordnung Nr. 804/68 heisst es, daß "die Summe der... Referenzmengen eine Gesamtgarantiemenge in Höhe der Summe der Milchmengen, die in jedem Mitgliedstaat im Kalenderjahr 1981 an Milch oder andere Milcherzeugnisse be- oder verarbeitende Unternehmen geliefert wurden, zuzueglich 1 % nicht überschreiten [darf]".

6 Dementsprechend wurde dem Pächter 1984 von der Landwirtschaftskammer eine Referenzmenge zugeteilt. Diese Menge, die auf der Grundlage seiner Gesamterzeugung im Referenzjahr berechnet wurde, belief sich zu dieser Zeit auf 182 000 kg.

7 Nach dem Tod des Pächters im Jahr 1989 wurde die nach einer Berichtigung auf 191 004 kg Milch festgesetzte Referenzmenge von der Landwirtschaftskammer zunächst einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts übertragen, die die Erbin des Pächters und der Beigeladene des Ausgangsverfahrens Derksen zum Zweck einer gemeinsamen Nutzung ihrer Referenzmengen gegründet hatten. Diese Gesellschaft wurde am 15. November 1990 wegen der Auflösung des Pachtverhältnisses aufgelöst, und Herr Derksen erwarb die Grundstücke, die der Erbin gehört hatten, sowie ihre Referenzmengen. Auf seinen Antrag vom 13. Dezember 1990 wurde ihm sodann neben seinen eigenen Referenzmengen auch diejenigen übertragen, die die Erbin innegehabt hatte.

8 Am 5. Dezember 1991 beantragte die Kirchengemeinde, ihr für die in den Niederlanden gelegenen Flächen gemäß § 9 Absatz 2 Nummer 3 der Milch-Garantiemengen-Verordnung zu bescheinigen, daß bei Auflösung des Pachtverhältnisses und nach dem Übergang der Nutzung der in den Niederlanden gelegenen Flächen auf sie selbst die Referenzmengen auf sie übergegangen sind.

9 Dieser Antrag wurde von der Landwirtschaftskammer mit der Begründung abgelehnt, daß der Grundsatz der Bindung der Referenzmenge an die Nutzfläche wegen der Zuteilung einer Gesamtgarantiemenge an jeden Mitgliedstaat, deren Teil jede Referenzmenge sei, notwendigerweise auf das inländische Staatsgebiet beschränkt sei, so daß es nicht zulässig sei, eine deutsche Milchquote an ausserhalb Deutschlands gelegene Flächen zu binden.

10 Daraufhin erhob die Kirchengemeinde Klage beim Verwaltungsgericht. Im Vorlagebeschluß äussert dieses Gericht Zweifel an der Rechtmässigkeit des ablehnenden Bescheids der Landwirtschaftskammer. Aus dem Beschluß geht hervor, daß die Landwirtschaftskammer nach Ansicht des Verwaltungsgerichts verpflichtet wäre, eine Bescheinigung über den Übergang einer anteiligen Referenzmenge für die der Kirchengemeinde gehörenden Flächen auszustellen, wenn diese Flächen nicht in den Niederlanden, sondern in Deutschland lägen.

11 Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Konnte die einem deutschen Milcherzeuger mit Hofstelle in Deutschland und Zupachtflächen in Deutschland und den Niederlanden und Anlieferung an einen deutschen Käufer am 2. April 1984 zugeteilte Milchreferenzmenge teilweise auf die niederländischen Zupachtflächen dieses Milcherzeugers gebunden werden, mit der Folge, daß die entsprechende Referenzmenge nach Beendigung des Pachtvertrags auf den Verpächter übergeht, oder konnte die dem deutschen Milcherzeuger zugeteilte Quote nur auf deutsche Flächen gebunden werden?

12 Mit dieser Frage begehrt das nationale Gericht im wesentlichen erstens Auskunft darüber, an welche Teile der zur Milcherzeugung benutzten Pachtflächen eine Referenzmenge gebunden ist, wenn ein Teil der Flächen in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Zweitens will es damit klären lassen, welche Regelung auf eine solche Referenzmenge bei Auflösung des Pachtverhältnisses anwendbar ist.

Zur Bindung der Milchquote an in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Flächen

13 Nach dem Vorlagebeschluß bezieht sich die Frage auf den in der Milchquotenregelung geltenden Grundsatz, daß eine Referenzmenge im Zeitpunkt ihrer Zuteilung an die vom Inhaber zum Zweck der Milcherzeugung genutzten Flächen gebunden ist. Dieser Grundsatz wird nach Ansicht des nationalen Gerichts durch die Gemeinschaftsregelung über die Zusatzabgabe aufgestellt.

14 Der Grundsatz der Flächenbindung der Referenzmenge ergibt sich aus Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 12 Buchstaben c und d der Verordnung Nr. 857/84.

15 Im Rahmen der Formel A sieht Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 vor: "Die... Referenzmenge entspricht der Milch- oder Milchäquivalenzmenge, die von dem Erzeuger im Kalenderjahr 1981 geliefert wurde..., zuzueglich 1 %."

16 Nach der Definition des Artikels 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84 ist Erzeuger "der landwirtschaftliche Betriebsleiter als natürliche oder juristische Person oder als Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, dessen Unternehmen im geographischen Gebiet der Gemeinschaft liegt..." Nach Artikel 12 Buchstabe d dieser Verordnung ist unter dem Begriff "Betrieb" (d. h. "Unternehmen" im Sinne von Buchstabe c) "die im geographischen Gebiet der Gemeinschaft gelegene Gesamtheit der vom Erzeuger bewirtschafteten Produktionseinheiten" zu verstehen.

17 Die in Artikel 12 Buchstaben c und d der Verordnung Nr. 857/84 enthaltenen Definitionen des Begriffes "Erzeuger" und in dessen Folge des Begriffes "Betrieb" zeigen nach dem Urteil vom 9. Juli 1992 in der Rechtssache C-236/90 (Maier, Slg. 1992, I-4483, Randnr. 11), daß mit dem Begriff des Erzeugers nur ein landwirtschaftschaftlicher Betriebsleiter gemeint ist, der eine Gesamtheit von Produktionseinheiten zur Milcherzeugung in eigener Verantwortung bewirtschaftet.

18 Hat der Gerichtshof im Urteil Maier (a. a. O., Randnrn. 11 und 12) dem Pächter im Gegensatz zum Verpächter die Eigenschaft eines Erzeugers zuerkannt, so muß das gleiche für einen landwirtschaftlichen Betriebsleiter gelten, der die gelieferte Milchmenge auf der Gesamtheit der eigenen und zugepachteten Flächen erzeugt und diese Flächen selbst teils als Eigentümer, teils als Pächter bewirtschaftet.

19 Was im einzelnen die Voraussetzungen angeht, denen die vom Erzeuger bewirtschaftete Gesamtheit von Produktionseinheiten, d. h. die verschiedenen eigenen und zugepachteten Grundstücke, genügen muß, so vertreten die Landwirtschaftskammer in ihren mündlichen Ausführungen sowie Herr Derksen die Ansicht, daß die Referenzmenge nur an die Flächen gebunden sein könne, die in dem Mitgliedstaat lägen, der sie zugeteilt habe. Diese Beschränkung der Bindung an Flächen, die in dem Mitgliedstaat lägen, der die Milchquote zugeteilt habe, sei erforderlich, um die Stabilität der Gesamtgarantiemenge jedes Mitgliedstaats zu gewährleisten. Hingegen weisen die Kirchengemeinde und die Kommission die These von einer Art Territorialitätsgrundsatz bei der Zuteilung der Milchquote zurück.

20 Dem letztgenannten Vorbringen ist zu folgen.

21 Aus dem Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 9) geht nämlich hervor, daß Artikel 12 Buchstabe d der Verordnung Nr. 857/84 sich auf jede Gesamtheit von Produktionseinheiten bezieht, die zwei Voraussetzungen erfuellt: Sie muß von einem Erzeuger, d. h. von einer Person, die Milch- oder Milcherzeugnisse unmittelbar an den Verbraucher verkauft und/oder an den Käufer liefert (Artikel 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84), bewirtschaftet werden, und sie muß im geographischen Gebiet der Gemeinschaft liegen.

22 Der Begriff des Betriebes setzt daher nicht voraus, daß im Falle einer Verpachtung die in Rede stehenden Produktionseinheiten im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats liegen, in dem die Milch geliefert wird und der die Referenzmenge zugeteilt hat. Die Referenzmengenregelung untersagt es demnach nicht, daß ein Teil der Produktionseinheiten in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Molkerei liegt, an die die Milch geliefert wird.

23 Somit ist festzustellen, daß die Artikel 2 Absatz 1 und 12 Buchstaben c und d den Grundsatz der Flächenbindung der Referenzmenge aufstellen, soweit diese für die Gesamtheit der Flächen festgesetzt worden ist, die ein Erzeuger im Referenzjahr zum Zweck der Milcherzeugung bewirtschaftet hat.

24 Dieser Grundsatz der Bindung der Referenzmenge an die im Zeitpunkt ihrer Zuteilung bewirtschafteten Flächen hat im übrigen für den Fall der teilweisen Übertragung eines Betriebes seinen besonderen Ausdruck in dem allgemeinen Grundsatz gefunden, daß die Referenzmenge dem Übernehmer nach Maßgabe der übertragenen Flächen zugeteilt wird (Urteil vom 10. Mai 1993 in der Rechtssache C-81/91, Twijnstra, Slg. 1993, I-2455, Randnr. 25).

25 Zu den Folgen dieser Auslegung ist festzustellen, daß die Referenzmengenregelung, so ausgelegt, im vorliegenden Fall weder, wie dies die Landwirtschaftskammer und Herr Derksen geltend machen, die zwingenden Erfordernisse im Zusammenhang mit der Wahrung der Stabilität der Zuteilung von Gesamtgarantiemengen an jeden Mitgliedstaat beeinträchtigt, noch im besonderen dem mit der Referenzmengenregelung verfolgten Ziel der Beschränkung der Milcherzeugung in der Gemeinschaft zuwiderläuft.

26 Gemäß Artikel 5c Absatz 3 der Verordnung Nr. 804/68 darf die Summe der von einem Mitgliedstaat zugeteilten individuellen Referenzmengen die Gesamtgarantiemenge dieses Mitgliedstaats nicht übersteigen. Somit bewirkt die Gesamtgarantiemenge, daß jede nationale Erzeugung auf die 1981 erzeugten Milchmengen beschränkt wird.

27 Wenn die gesamte Milcherzeugung des Erzeugers im Jahr 1981 einschließlich des Teils der Erzeugung, der den im anderen Mitgliedstaat gelegenen Flächen entspricht, an eine Molkerei des betroffenen Mitgliedstaats geliefert wurde - und die Akte enthält keine Anhaltspunkte für das Gegenteil -, so hat diese - im Unterschied zum Sachverhalt, der der Rechtssache Graff (Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-351/92, Slg. 1994, I-3361) zugrunde lag - Eingang in die Berechnung der Gesamtgarantiemenge dieses Mitgliedstaats gefunden. Wird später eine Referenzmenge zugeteilt, die der auf diese Weise bei der Bestimmung der Gesamtgarantiemenge berücksichtigten Menge entspricht, dürfte jede Gefahr einer Überschreitung der Gesamtgarantiemenge ausgeschlossen sein.

28 Daher ist auf den ersten Teil der Frage zu antworten, daß eine Referenzmenge, die ein Mitgliedstaat 1984 einem Erzeuger im Rahmen der Zusatzabgabenregelung zugeteilt hat, selbst dann an die Gesamtheit der eigenen oder zugepachteten Flächen, die der Erzeuger zum Zweck der Milcherzeugung bewirtschaftet, gebunden ist, wenn ein Teil der Flächen in einem anderen Mitgliedstaat liegt.

Zur Regelung für den Fall einer Auflösung des Pachtverhältnisses

29 Um diesen Teil der Frage, der sich auf die Regelung bezieht, die bei Auflösung des Pachtverhältnisses anwendbar ist, sachdienlich beantworten zu können, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sich aus Artikel 7 der Verordnungen Nrn. 857/84 und 1546/88 ergibt, daß im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Vererbung eines Betriebes die entsprechende Referenzmenge grundsätzlich ganz oder teilweise auf den Erwerber, den Pächter oder den Erben übertragen wird.

30 Für den Fall des Ablaufs des Pachtvertrags hat der Gerichtshof im Urteil Wachauf (a. a. O., Randnr. 13) aus einer Gesamtbetrachtung der Absätze 1 und 4 von Artikel 7 der Verordnung Nr. 857/84 abgeleitet, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Referenzmenge - vorbehaltlich der Befugnis der Mitgliedstaaten, diese ganz oder zum Teil dem ausscheidenden Pächter zuzuteilen - nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt.

31 Im einzelnen hat der Gerichtshof im Urteil Wachauf (a. a. O., Randnr. 15) auf der Grundlage von Artikel 5 Nummer 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11), der in dem für das Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt anwendbar war und später zu Artikel 7 Absatz 1 Nummer 3 der Verordnung Nr. 1546/88 wurde, festgestellt, daß die Rückgewähr eines verpachteten Betriebes nach Ablauf des Pachtverhältnisses Rechtsfolgen mit sich bringt, die im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 der Verordnung Nr. 1371/84 mit denjenigen der Übertragung dieses Betriebes bei der Begründung des Pachtverhältnisses vergleichbar sind; denn mit beiden Vorgängen ist ein Wechsel des Besitzverhältnisses an den fraglichen Produktionseinheiten im Rahmen der durch den Pachtvertrag begründeten vertraglichen Beziehungen verbunden. Daher stellt die Rückgewähr einer verpachteten Gesamtheit landwirtschaftlicher Produktionseinheiten nach Ablauf des Pachtverhältnisses einen Anwendungsfall des Artikels 5 Nummer 3 der Verordnung Nr. 1371/84 dar, soweit die Übertragung dieser Gesamtheit bei der Begründung des Pachtverhältnisses unter Artikel 5 Nummer 1 fällt. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um einen "Betrieb" im Sinne von Artikel 12 Buchstabe d der Verordnung Nr. 857/84 in der Auslegung handelt, wie sie oben in der Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts gegeben worden ist.

32 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß zwar die Fragen, die das Pachtverhältnis und insbesondere dessen Beendigung betreffen, nach dem im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen sind, daß sich jedoch die im Bereich der Referenzmengen daraus zu ziehenden Konsequenzen nach der Gemeinschaftsregelung über die Zusatzabgabe bestimmen.

33 Daher fallen, wie der Generalanwalt in Nummer 26 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Referenzmengen, über die ein Pächter verfügt, grundsätzlich an den Eigentümer zurück, wenn der Pächter einen Betrieb verlässt, es sei denn, daß die Mitgliedstaaten von der Befugnis Gebrauch gemacht haben, die ihnen durch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 und durch Artikel 7 Absatz 1 Nummer 4 der Verordnung Nr. 1546/88 eingeräumt worden ist.

34 Im vorliegenden Fall ist es unerheblich, ob zugunsten des ausscheidenden Pächters von der Ermächtigung durch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 und durch Artikel 7 Absatz 1 Nummer 4 der Verordnung Nr. 1546/88 Gebrauch gemacht worden ist. Es ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des Artikels 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung, daß diese Ermächtigung nur für den Fall gilt, daß der ausscheidende Pächter die Milcherzeugung fortsetzen will. Nach den Akten beabsichtigt die Erbin nach dem Verkauf ihres Betriebes nicht mehr, Milch zu erzeugen.

35 Daher ist zu antworten, daß die Referenzmenge bei Ablauf eines Pachtvertrags an den Verpächter zurückfällt, wenn der ehemalige Pächter die Milcherzeugung nicht fortsetzen will.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 18. November 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Eine Referenzmenge, die ein Mitgliedstaat einem Erzeuger 1984 im Rahmen der Zusatzabgabenregelung zugeteilt hat, ist selbst dann an die Gesamtheit der eigenen oder zugepachteten Flächen gebunden, die der Erzeuger zum Zweck der Milcherzeugung bewirtschaftet, wenn ein Teil der Flächen in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Bei Ablauf eines Pachtvertrags fällt die Referenzmenge an den Verpächter zurück, wenn der ehemalige Pächter die Milcherzeugung nicht fortsetzen will.

Ende der Entscheidung

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