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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.10.2004
Aktenzeichen: C-472/02
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft in der durch die Entscheidungen 98/368/EG der Kommission


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft in der durch die Entscheidungen 98/368/EG der Kommission Art. 3 Abs. 8 Unterabs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 19. Oktober 2004. - Siomab SA gegen Institut bruxellois pour la gestion de l'environnement. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour d'appel de Bruxelles - Belgien. - Umwelt - Abfälle - Verordnung (EWG) Nr. 259/93 über die Verbringung von Abfällen - Zuständigkeit der Behörde am Versandort, die Zuordnung des Zweckes der Verbringung (Verwertung oder Beseitigung) zu überprüfen und einer auf einer unzutreffenden Zuordnung beruhenden Verbringung zu widersprechen - Modalitäten des Widerspruchs. - Rechtssache C-472/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-472/02

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Cour d'appel Brüssel (Belgien) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2002, in dem Verfahren

Siomab SA

gegen

Institut bruxellois pour la gestion de l'environnement

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. Gulmann (Berichterstatter) und S. von Bahr,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

auf das schriftliche Verfahren und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Siomab SA, vertreten durch J. Vanden Eynde und J.M. Wolter, avocats,

- des Institut bruxellois pour la gestion de l'environnement (IBGE), vertreten durch J. Sambon, avocat,

- der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing, M. Lumma und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,

- der Italienischen Republik, vertreten durch I. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von F. Fiorilli, avvocato dello Stato,

- des Königreichs der Niederlande, vertreten durch H. Sevenster als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Simonetti und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

15. Juli 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30, S. 1) in der durch die Entscheidungen 98/368/EG der Kommission vom 18. Mai 1998 (ABl. L 165, S. 20) und 1999/816/EG der Kommission vom 24. November 1999 (ABl. L 316, S. 45) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Siomab SA (im Folgenden: Siomab) und dem Institut bruxellois pour la gestion de l'environnement (im Folgenden: IBGE) über die Abfälle, die Siomab nach Deutschland zu verbringen beabsichtigte.

I - Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

3. Die Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39) in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) und die Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie) bezweckt im Wesentlichen den Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen.

4. Die Richtlinie definiert in Artikel 1 Buchstabe e Beseitigung als alle in Anhang II A aufgeführten Verfahren und in Buchstabe f Verwertung als alle in Anhang II B aufgeführten Verfahren.

5. Die Verordnung regelt namentlich die Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten.

6. Sie definiert in Artikel 2 Buchstabe i Beseitigung als Beseitigung im Sinne des Artikels 1 Buchstabe e) der Richtlinie 75/442/EWG und in Artikel 2 Buchstabe k Verwertung als Verwertung im Sinne des Artikels 1 Buchstabe f) der Richtlinie 75/442/EWG.

7. Titel II, Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten, der Verordnung enthält einen Abschnitt über die Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen (Abschnitt A, der die Artikel 3 bis 5 umfasst) und einen Abschnitt über die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen (Abschnitt B, der die Artikel 6 bis 11 umfasst).

8. Nach Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung notifiziert der Erzeuger oder der Besitzer von Abfällen (im Folgenden: notifizierende Person), der beabsichtigt, zur Beseitigung oder zur Verwertung bestimmte Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen und/oder sie durch einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten durchzuführen, dies der vom Mitgliedstaat, in dem die Verbringung endet, für zuständig erklärten Behörde (zuständige Behörde am Bestimmungsort). Er übermittelt den Behörden, die vom Mitgliedstaat, von dem aus die Verbringung erfolgt (im Folgenden: zuständige Behörde am Versandort), und vom Mitgliedstaat, durch den die Durchfuhr erfolgt (im Folgenden: für die Durchfuhr zuständige Behörde) für zuständig erklärt worden sind, sowie der Person oder dem Unternehmen, zu der bzw. dem die Abfälle verbracht werden (im Folgenden: Empfänger) eine Kopie des Notifizierungsschreibens.

9. Nach Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung erfolgt die Notifizierung mit Hilfe eines Begleitscheins, der von der zuständigen Behörde am Versandort ausgestellt wird. In den Absätzen 5 dieser Artikel sind die Angaben aufgeführt, die die notifizierende Person auf dem Begleitschein zu machen hat, darunter Angaben zu den Verfahren der Beseitigung oder der Verwertung.

10. Gemäß Artikel 3 Absatz 6 und Artikel 6 Absatz 6 der Verordnung schließt die notifizierende Person mit dem Empfänger einen Vertrag. Eine Kopie dieses Vertrages ist der zuständigen Behörde auf Verlangen zuzustellen.

11. Nach Artikel 3 Absatz 8 Unterabsatz 1 und Artikel 6 Absatz 8 der Verordnung kann eine zuständige Behörde am Versandort nach Maßgabe der einzelstaatlichen Vorschriften beschließen, anstelle der notifizierenden Person die Notifizierung gegenüber der zuständigen Behörde am Bestimmungsort selbst vorzunehmen; sie übermittelt dann eine Kopie des Notifizierungsschreibens an den Empfänger und an die für die Durchfuhr zuständige Behörde.

12. In Artikel 3 Absatz 8 Unterabsatz 2 der Verordnung, der sich auf zur Beseitigung bestimmte Abfälle bezieht, heißt es weiter:

Die zuständige Behörde am Versandort kann beschließen, dass sie keine Notifizierung vornimmt, falls sie selbst unmittelbar Einwände gegen die Verbringung gemäß Artikel 4 Absatz 3 zu erheben hat. Sie hat die notifizierende Person unverzüglich von diesen Einwänden in Kenntnis zu setzen.

13. Nach Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung übermittelt die zuständige Behörde am Bestimmungsort innerhalb von drei Arbeitstagen nach Erhalt der Notifizierung der notifizierenden Person eine Empfangsbestätigung und übersendet den anderen zuständigen Behörden sowie dem Empfänger eine Kopie derselben.

14. Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung setzt eine Frist von 30 Tagen nach der Absendung der Empfangsbestätigung, die von den zuständigen Behörden am Bestimmungsort und am Versandort und von der für die Durchfuhr zuständigen Behörde bei der Erhebung von Einwänden gegen die notifizierte geplante Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen einzuhalten ist. Diese Vorschrift sieht u. a. vor, dass die Einwände auf Artikel 7 Absatz 4 zu stützen sind.

15. Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung zählt die Fälle auf, in denen die zuständigen Behörden am Bestimmungsort und am Versandort gegen die geplante Verbringung mit Gründen zu versehende Einwände erheben können.

Die nationalen Vorschriften

16. Nach Artikel 3 des Arrêté du gouvernement de la Région de Bruxelles-Capitale relatif à l'importation et à l'exportation internationales de déchets (Verordnung der Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt über die Ein- und Ausfuhr von Abfällen) vom 7. Juli 1994 nimmt das IBGE nach Artikel 6 Absatz 8 der Verordnung selbst die Notifizierung über die Ausfuhr von Abfällen an die zuständigen Behörden am Bestimmungsort vor und übermittelt dem Empfänger eine Kopie dieses Schreibens.

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

17. Die Siomab betreibt in Brüssel eine Verbrennungsanlage für Hausmüll und gleichgestellte Produkte. Dabei entstehen Rückstände, in erster Linie Salze.

18. Am 30. November 2001 schloss die Siomab mit der GTS-Grunde Teutschenthal Sicherungs GmbH & Co. KG einen Vertrag über den Versatz dieser Salze in den Stollen des Salzbergwerks Teutschenthal (Deutschland).

19. Im Hinblick auf die Verbringung dieser Abfälle übermittelte die Siomab dem IBGE am 4. Dezember 2001 ein Notifizierungsschreiben zur Weiterleitung an die zuständige Behörde am Bestimmungsort, dem Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt.

20. In den dem IBGE übermittelten Unterlagen ordnete die Siomab die beabsichtigte Verbringung als Verwertung nach R 5 Verwertung/Rückgewinnung von anderen organischen Stoffen im Sinne des Anhangs II B der Richtlinie ein. Das IBGE war der Auffassung, dass es sich um eine Verbringung von Abfällen zur Beseitigung nach D 12 Dauerlagerung (z. B. Lagerung von Behältern in einem Bergwerk usw.) im Sinne des Anhangs II A der Richtlinie handele. Nach Rücksprache mit der Siomab änderte das IBGE das Notifizierungsformular entsprechend und teilte der Siomab am 20. Dezember 2001 mit, dass ihr Ausfuhrantrag an die zuständige Behörde in Deutschland weitergeleitet worden sei. Diese lehnte den Antrag ab, weil im Bergwerk Teutschenthal nach deutschem Bergrecht nur die Verwertung, nicht aber die Beseitigung zulässig sei.

21. Am 9. April 2002 reichte die Siomab ihre Unterlagen erneut beim IBGE ein, wobei sie die ursprüngliche Zuordnung der Verbringung nach R 5 beibehielt und unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache C6/00, ASA, Slg. 2002, I1961) geltend machte, dass das IBGE verpflichtet sei, das Notifizierungsschreiben ohne Änderung des Verbringungszwecks an die zuständige Behörde am Bestimmungsort weiterzuleiten.

22. Am 29. April 2002 sandte das IBGE, das bei seiner Beurteilung blieb, der Siomab die Unterlagen zurück, da es die Zuordnung der Verbringung für falsch hielt.

23. Die Siomab erhob daraufhin eine Klage beim Conseil d'État und beantragte die Nichtigerklärung der Entscheidung des IBGE, soweit dieses sich geweigert habe, die Notifizierung der geplanten Abfallverbringung an die zuständige Behörde am Bestimmungsort weiterzuleiten.

24. Am 14. Mai 2002 beantragte die Siomab im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beim Präsidenten des Tribunal de première instance Brüssel (Belgien), das IBGE zu verurteilen, die Notifizierung der Abfallverbringung unverändert an die zuständige Behörde am Bestimmungsort weiterzuleiten. Mit Beschluss vom 8. Juli 2002 wurde dieser Antrag abgelehnt.

25. Die Siomab legte bei der Cour d'appel Brüssel Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ein und machte u. a. geltend, dass es nicht Sache des IBGE sei, den Zweck der Abfallverbringung von Amts wegen neu zuzuordnen, und dass die Verordnung die zuständige Behörde am Versandort im Rahmen des für Verwertungsvorgänge vorgesehenen besonderen Verfahrens nicht das Recht verleihe, die Weiterleitung der Notifizierung zu verweigern. Das IBGE wandte dagegen ein, dass es verpflichtet sei, die Zuordnung des Vorhabens zu prüfen, und es die Notifizierung im Fall eines Verstoßes gegen die Verordnung nicht vorzunehmen brauche.

26. Da die Cour d'appel Brüssel der Ansicht ist, dass die Entscheidung des bei ihr anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung der Verordnung abhänge, hat sie das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Sind die Artikel 3 Absatz 8, 4 Absatz 3, 6 Absatz 8, 7 Absatz 4 und 26 der Verordnung, wenn ein Mitgliedstaat nach den Artikeln 3 Absatz 8 und 6 Absatz 8 der Verordnung vorgesehen hat, dass die zuständige Behörde am Versandort den Begleitschein übermittelt, dahin gehend zu verstehen, dass

a) die zuständige Behörde am Versandort im Sinne dieser Verordnung, die berechtigt ist, zu überprüfen, ob ein in der Notifizierung als Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen eingestuftes Verbringungsvorhaben tatsächlich dieser Zuordnung entspricht,

- die Weiterleitung des Begleitscheins aufgrund dieser unzutreffenden Zuordnung verweigern und die notifizierende Person auffordern kann, ihr einen neuen Begleitschein zuzusenden,

- den Begleitschein weiterleiten kann, nachdem sie die beabsichtigte Verbringung als Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen neu zugeordnet hat,

- den Begleitschein mit der unzutreffenden Zuordnung unter Erhebung eines auf diesen Zuordnungsfehler gestützten Einwands weiterleiten kann,

wenn sie diese Zuordnung für unzutreffend hält,

b) oder aber dahin gehend, dass die zuständige Behörde am Versandort die Notifizierung unter Beibehaltung der von der notifizierenden Person gewählten Zuordnung an die zuständige Behörde am Bestimmungsort richten muss, wobei sie die Befugnis behält, überdies gleichzeitig oder nachträglich einen auf diesen Zuordnungsfehler gestützten Einwand zu erheben, wenn sie der Ansicht ist, dass diese Zuordnung unzutreffend ist?

Zur Vorlagefrage

27. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass alle zuständigen Behörden, denen eine beabsichtigte Abfallverbringung notifiziert wird, nach der Regelung der Verordnung prüfen müssen, ob die von der notifizierenden Person vorgenommene Zuordnung der Verordnung entspricht, und Einwände gegen die Verbringung erheben müssen, wenn diese Zuordnung falsch ist (Urteil ASA, Randnr. 40, und Urteil vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C458/00, Kommission/Luxemburg, Slg. 2003, I1553, Randnr. 21).

28. Wenn der Verbringungszweck ihrer Auffassung nach in der Notifizierung falsch eingestuft wurde, muss die zuständige Behörde am Versandort ihren Einwand gegen die Verbringung auf diese unzutreffende Zuordnung stützen, ohne auf eine der speziellen Vorschriften der Verordnung Bezug zu nehmen, die festlegen, welche Einwände von den Mitgliedstaaten gegen die Verbringung von Abfällen erhoben werden können. Dieser Einwand führt, wie die anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Einwände, dazu, dass die Verbringung unterbunden wird (Urteil ASA, Randnr. 47). Dagegen ist es nicht Sache der zuständigen Behörde, von Amts wegen den Zweck einer Abfallverbringung neu zuzuordnen, weil diese einseitige Neuzuordnung zur Folge hätte, dass ein und dieselbe Verbringung von den verschiedenen zuständigen Behörden anhand von Vorschriften verschiedener Abschnitte der Verordnung geprüft würde, was mit dem durch diese Verordnung eingeführten System unvereinbar wäre (Urteil ASA, Randnr. 48).

29. Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass das durch die Verordnung festgelegte Verfahren der notifizierenden Person garantiert, dass ihr Verbringungsvorhaben innerhalb der in der Verordnung festgesetzten Fristen geprüft wird und dass sie spätestens bei Ablauf dieser Fristen darüber unterrichtet wird, ob und gegebenenfalls unter welchen Auflagen die Verbringung erfolgen kann. Der Einwand der zuständigen Behörde am Versandort betreffend die unzutreffende Zuordnung einer als Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen notifizierten Verbringung muss daher innerhalb der Frist des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung erhoben werden (Urteil ASA, Randnr. 49).

30. Diese Auslegung der Verordnung gilt auch für Fälle wie den vorliegenden, in denen die zuständige Behörde am Versandort, die glaubt, einen Einwand gegen die Verbringung von als zur Verwertung bestimmt erklärten Abfällen erheben zu müssen, im Rahmen des besonderen Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 8 der Verordnung, wonach diese Behörde anstelle der notifizierenden Person selbst die Notifizierung des Vorhabens gegenüber den anderen Behörden und dem Empfänger vornimmt, mit dem Vorhaben befasst worden ist.

31. Denn nichts lässt die Annahme zu, dass die zuständige Behörde am Versandort nur aufgrund des Umstands, dass das Verfahren für die Notifizierung des Vorhabens gegenüber den Beteiligten nicht das im Regelfall vorgesehene ist, befugt sein sollte, den Zweck der Verbringung von Amts wegen neu zuzuordnen.

32. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Artikel 3 Absatz 8 Unterabsatz 2 der Verordnung, der das Verfahren für die Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen betrifft, der zuständigen Behörde am Versandort die Möglichkeit belässt, die Notifizierung des Vorhabens zu verweigern, falls sie selbst unmittelbar Einwände gegen die Verbringung gemäß Artikel 4 Absatz 3 zu erheben hat. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber diese Möglichkeit der zuständigen Behörde am Versandort im Rahmen des Verfahrens für die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen nicht eingeräumt hat, wollte er sie bei diesem Verfahren stillschweigend, aber zwangsläufig ausschließen.

33. In einem Fall wie dem vorliegenden darf die zuständige Behörde am Versandort, die die Zuordnung des Zweckes der Verbringung für unzutreffend hält, diesen Zweck daher nicht von Amts wegen neu zuordnen und die Weiterleitung des Begleitscheins an die anderen Behörden und den Empfänger verweigern. Sie hat sich darauf zu beschränken, der notifizierenden Person und den anderen zuständigen Behörden vor Ablauf der Frist von 30 Tagen, die mit der Absendung der Empfangsbestätigung für die Notifizierung der Verbringung durch die zuständige Behörde am Bestimmungsort beginnt, ihren auf der unzutreffenden Zuordnung beruhenden Einwand auf jede geeignete Weise zur Kenntnis zu bringen.

34. Aus den vom Generalanwalt in den Nummern 37 und 38 seiner Schlussanträge genannten Gründen schränkt diese Auslegung der Verordnung die darin vorgesehenen Befugnisse der zuständigen Behörde am Versandort, einer Verbringung im Fall ihrer unzutreffenden Zuordnung durch die notifizierende Person zu widersprechen, in keiner Weise ein und trägt zugleich dem Interesse der notifizierenden Person Rechnung, den Standpunkt der anderen Behörden zu diesem Vorhaben zu erfahren.

35. Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Verordnung dahin auszulegen ist, dass die zuständige Behörde am Versandort, wenn ein Mitgliedstaat nach Artikel 6 Absatz 8 der Verordnung das besondere Verfahren der Notifizierung des für eine Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen erstellten Begleitscheins durch die zuständige Behörde am Versandort vorgesehen hat und diese Behörde meint, wegen unzutreffender Zuordnung dieser Verbringung durch die notifizierende Person einen Einwand dagegen erheben zu müssen, die Verbringung nicht von Amts wegen neu zuordnen kann und den Begleitschein den anderen Behörden und dem Empfänger notifizieren muss. In diesem Fall hat sie der notifizierenden Person und den anderen zuständigen Behörden ihren Einwand auf jede geeignete Weise vor Ablauf der in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung vorgesehenen Frist mitzuteilen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36. Die Auslagen der deutschen, der italienischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft in der durch die Entscheidungen 98/368/EG der Kommission vom 18. Mai 1998 und 1999/816/EG der Kommission vom 24. November 1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde am Versandort, wenn ein Mitgliedstaat nach Artikel 6 Absatz 8 der Verordnung das besondere Verfahren der Notifizierung des für eine Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen erstellten Begleitscheins durch die zuständige Behörde am Versandort vorgesehen hat und diese Behörde meint, wegen der unzutreffenden Zuordnung dieser Verbringung durch die notifizierende Person einen Einwand dagegen erheben zu müssen, die Verbringung nicht von Amts wegen neu zuordnen kann und den Begleitschein den anderen Behörden und dem Empfänger notifizieren muss. In diesem Fall hat sie der notifizierenden Person und den anderen zuständigen Behörden ihren Einwand auf jede geeignete Weise vor Ablauf der in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung vorgesehenen Frist mitzuteilen.

Ende der Entscheidung

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