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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.10.1995
Aktenzeichen: C-478/93
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verordnung (EWG) Nr. 404/93 vom 13. Februar 1993, Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 vom 10. Juni 1993


Vorschriften:

EG-Vertrag Artikel 173
EG-Vertrag Artikel 155
Verordnung (EWG) Nr. 404/93 vom 13. Februar 1993
Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 vom 10. Juni 1993
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1442/93 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen definiert denjenigen als Marktbeteiligten der Gruppen A und/oder B im Sinne der Tätigkeit des Buchstabens b, der gleichzeitig drei Voraussetzungen erfuellt, nämlich Abfertigung der grünen Bananen zum freien Verkehr, Eigentümereigenschaft oder bei Nichteigentümern Tragung des Risikos der Qualitätsminderung bzw. des Verlustes der Erzeugnisse und schließlich Verkauf im Hinblick auf die spätere Vermarktung in der Gemeinschaft. Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß das Kriterium der Übernahme des Risikos der Qualitätsminderung bzw. des Verlusts der Erzeugnisse lediglich eine alternative Voraussetzung darstellt, auf die in Fällen zurückgegriffen werden kann, in denen die Voraussetzung des Eigentums nicht erfuellt ist.

2. Nach dem Wortlaut des Artikels 20 der Verordnung Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen ist es der Kommission nicht verwehrt, auch solche Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die in dieser Vorschrift zwar nicht ausdrücklich genannt, jedoch für das Funktionieren der betreffenden Einfuhrregelung erforderlich sind. Da die Durchführungsbefugnis, die der Kommission gemäß Artikel 155 vierter Gedankenstrich des Vertrages vom Rat übertragen werden kann, auf dem Gebiet der Landwirtschaft alle für die Durchführung der Grundverordnung erforderlichen oder zweckmässigen Maßnahmen umfasst, soweit diese nicht gegen die Grundverordnung oder die Anwendungsregeln des Rates verstossen, folgt nämlich aus der Notwendigkeit, für die Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer in allen Mitgliedstaaten zu sorgen und das Funktionieren der Einfuhrregelung auf der Grundlage richtiger Daten zu gewährleisten, daß die Kommission, die die Verantwortung für die Verwaltung der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen trägt, Maßnahmen treffen kann, um bei der Festsetzung des Verringerungsköffizienten Doppelbuchungen von Referenzmengen zu verhindern.

Im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen ist den Mitgliedstaaten weder vom Rat noch von der Kommission eine Entscheidungsbefugnis bei der Verwaltung des Einfuhrkontingents übertragen worden, sondern sie sollen bestimmte technische Aufgaben im Auftrag und unter der Kontrolle der Kommission wahrnehmen. So sieht Artikel 19 Absatz 1 letzter Unterabsatz dieser Verordnung vor, daß die Mitgliedstaaten die Liste der Marktbeteiligten erstellen und die durchschnittliche Bananenmenge bestimmen, die jeder Marktbeteiligte in den letzten drei Jahren, für die Angaben vorliegen, abgesetzt hat. Diese Rolle der Mitgliedstaaten bei der Erhebung und Weiterleitung der Daten kann die Kommission, die die laufende Verwaltung der gemeinsamen Marktordnung zu gewährleisten hat, aber nicht daran hindern, die Richtigkeit dieser Daten zu überprüfen und sie zu korrigieren, wenn sich zeigt, daß Doppelbuchungen die Grundlage der Einfuhrregelung zu verfälschen drohen.

3. Die nach Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann. Jedoch brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung den Erfordernissen des Artikels 190 genügt, nicht nur im Hinblick auf deren Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch aufgrund ihres Zusammenhangs sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Dies gilt erst recht, wenn die Mitgliedstaaten am Entstehungsprozeß des streitigen Rechtsakts eng beteiligt waren und daher wissen, auf welchen Gründen er beruht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. OKTOBER 1995. - KOENIGREICH DER NIEDERLANDE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BANANEN - EINFUHRREGELUNG - MARKTBETEILIGTE DER GRUPPEN A UND B. - RECHTSSACHE C-478/93.

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich der Niederlande hat mit Klageschrift, die am 23. Dezember 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung (EWG) Nr. 2920/93 der Kommission vom 22. Oktober 1993 zur Festsetzung des einheitlichen Verringerungsköffizienten für die Bestimmung der den Marktbeteiligten der Gruppen A und B im Rahmen des Zollkontingents für das zweite Halbjahr 1993 zuzuteilenden Bananenmenge (ABl. L 264, S. 40; nachstehend: angefochtene Verordnung).

2 Mit der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1; nachstehend: Verordnung des Rates) wurde am 1. Juli 1993 eine gemeinsame Einfuhrregelung eingeführt, die an die Stelle der unterschiedlichen nationalen Regelungen trat.

3 Titel IV dieser Verordnung, der die Regelung für den Handel mit dritten Ländern betrifft, eröffnet ein jährliches Zollkontingent für Einfuhren von Drittlandsbananen und sogenannten nichttraditionellen AKP-Bananen.

4 Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung des Rates weist 66,5 v. H. dieses Kontingents der Gruppe der Marktbeteiligten zu, die Drittlandsbananen und/oder nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, 30 v. H. der Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, und 3,5 v. H. neuen Marktteilnehmern.

5 Artikel 20 dieser Verordnung ermächtigt die Kommission, nach dem sogenannten "Verwaltungsausschußverfahren" Durchführungsbestimmungen zu erlassen, insbesondere im Hinblick auf die Ausstellung der Bescheinigungen, die Zeitfolge für die Ausstellung der Bescheinigungen und die Mindestmenge von Bananen, die die Marktbeteiligten vermarktet haben müssen.

6 Nach der fünfzehnten Begründungserwägung der Verordnung des Rates sollten die Einfuhrbescheinigungen "natürlichen oder juristischen Personen gewährt werden..., die das kommerzielle Risiko bei der Vermarktung der Bananen getragen haben," wobei "eine Störung der normalen Geschäftsbeziehungen... zu vermeiden" ist.

7 Die Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 der Kommission vom 10. Juni 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen (ABl. L 142, S. 6; nachstehend: Durchführungsverordnung) sieht in Artikel 2 vor:

"Für das zweite Halbjahr 1993 wird ein Zollkontingent in folgender Höhe eröffnet:

a) 665 000 Tonnen für die Gruppe der Marktbeteiligten, die vor 1992 Drittlandsbananen und/oder nichttraditionelle AKP-Bananen... vermarktet haben, nachstehend als 'Gruppe A' bezeichnet;

b) 300 000 Tonnen für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, nachstehend als 'Gruppe B' bezeichnet;

c) 35 000 Tonnen für die Gruppe der Marktbeteiligten, die 1992 oder später mit der Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- und/oder traditionellen AKP-Bananen begonnen haben, nachstehend als 'Gruppe C' bezeichnet."

8 Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Durchführungsverordnung

"gelten als 'Marktbeteiligte' der Gruppe A und/oder der Gruppe B... Wirtschaftsbeteiligte..., die... eine oder mehrere der folgenden Tätigkeiten ausüben:

a) Ankauf von grünen Bananen mit Ursprung in Drittländern und/oder AKP-Staaten bei den Erzeugern bzw. gegebenenfalls Erzeugung sowie Ver[s]endung und Verkauf in der Gemeinschaft;

b) als Eigentümer der grünen Bananen Lieferung und Abfertigung zum freien Verkehr sowie Verkauf im Hinblick auf die spätere Vermarktung in der Gemeinschaft. Marktbeteiligte, die das Risiko der Qualitätsminderung bzw. des Verlusts der Erzeugnisse tragen, werden dabei den Eigentümern der Erzeugnisse gleichgestellt;

c) Reifung der ihnen gehörenden Bananen und deren Vermarktung in der Gemeinschaft.

..."

9 Artikel 5 der Durchführungsverordnung sieht in Absatz 1 vor, daß die zuständigen nationalen Stellen jährlich für jeden Marktbeteiligten der Gruppen A und B die Referenzmengen aufgrund der von diesem in den letzten drei Jahren vermarkteten durchschnittlichen Menge berechnen.

10 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 werden auf die vermarkteten Mengen entsprechend den wirtschaftlichen Tätigkeiten unterschiedliche Gewichtungsköffizienten angewandt, die nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung der Bedeutung der jeweiligen Wirtschaftsfunktion und Handelsrisiken Rechnung tragen und die negativen Auswirkungen einer Mehrfachzählung der Erzeugnismengen auf verschiedenen Stufen der Handelskette korrigieren sollen.

11 Artikel 5 Absatz 3 sieht vor, daß die nationalen Stellen der Kommission jährlich für die bei ihnen eingetragenen Marktbeteiligten das Gesamtvolumen der gewichteten Referenzmengen und das Gesamtvolumen der im Rahmen jeder wirtschaftlichen Tätigkeit vermarkteten Bananen mitteilen.

12 Artikel 6 der Durchführungsverordnung bestimmt:

"Nach Maßgabe des jährlichen Zollkontingents und des Gesamtvolumens der Referenzmengen der Marktbeteiligten gemäß Artikel 5 setzt die Kommission gegebenenfalls den einheitlichen Verringerungsköffizienten für jede Gruppe von Marktbeteiligten fest, der auf die Referenzmenge jedes Marktbeteiligten zur Berechnung der ihm zuzuteilenden Menge anzuwenden ist.

Die Mitgliedstaaten berechnen diese Menge für jeden eingetragenen Marktbeteiligten der Gruppen A und B und teilen sie ihnen... mit."

13 Gemäß Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Durchführungsverordnung ist die Kommission befugt, die von den Mitgliedstaaten erstellten Listen an die anderen Mitgliedstaaten weiterzugeben, um Falscherklärungen der Marktbeteiligten aufdecken oder verhindern zu können.

14 Die Verordnung (EWG) Nr. 1443/93 der Kommission vom 10. Juni 1993 mit Übergangsmaßnahmen zur Durchführung der Einfuhrregelung für Bananen im Jahr 1993 (ABl. L 142, S. 16) regelt in den Artikeln 2 und 3 im einzelnen, wie die Mitgliedstaaten die Marktbeteiligten der Gruppen A und B einzutragen, die Referenzmenge für jeden Marktbeteiligten festzulegen und das Gesamtvolumen der Referenzmengen der Kommission mitzuteilen haben.

15 Im zweiten Halbjahr 1993 wurden niederländische Händler, die grüne Bananen mit Ursprung in Drittländern gekauft und diese in die Gemeinschaft versandt hatten, um sie dann an deutsche Marktbeteiligte zu verkaufen, die die Formalitäten der Abfertigung zum freien Verkehr erledigten, von den niederländischen Behörden als Marktbeteiligte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung eingetragen, und zwar mit der Begründung, die niederländischen Marktbeteiligten trügen trotz des Eigentumsübergangs weiterhin das kommerzielle Risiko der Qualitätsminderung bzw. des Verlusts der Erzeugnisse.

16 Nach Ansicht der Kommission, die sie den Mitgliedstaaten in einer auslegenden Erläuterung vom 9. September 1993 mitteilte, müssen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung drei Voraussetzungen erfuellt sein, nämlich die Abfertigung der grünen Bananen zum freien Verkehr, die Eigentümereigenschaft im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr und der Verkauf an einen anderen Wirtschaftsbeteiligten im Hinblick auf die spätere Vermarktung in der Gemeinschaft. Satz 2 dieser Vorschrift ist nach Ansicht der Kommission so zu verstehen, daß Marktbeteiligte, die die Abfertigung zum freien Verkehr vornehmen, ohne Eigentümer der Erzeugnisse zu sein, die aber tatsächlich das Risiko des Verlusts und der Qualitätsminderung der Erzeugnisse tragen, die in dieser Vorschrift vorgesehene wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.

17 Da das Gesamtvolumen der von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Referenzmengen die Zahlen überschritt, die Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften) für die auf dem Markt der Gemeinschaft abgesetzten Mengen ermittelt hatte, schloß die Kommission daraus, daß es durch eine fehlerhafte Auslegung der in Artikel 3 Absatz 1 der Durchführungsverordnung erwähnten wirtschaftlichen Tätigkeiten durch einige Mitgliedstaaten, darunter auch die Niederlande, zu Doppelbuchungen gekommen sein musste.

18 Nachdem ihre Dienststellen Kontrollen durchgeführt und sich mit den nationalen Stellen, insbesondere im Königreich der Niederlande, in Verbindung gesetzt hatten, verringerte die Kommission die von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Referenzmengen für die Niederlande um 19,7 %, für Italien um 6,3 % und für Belgien um 0,04 %.

19 Aufgrund der so geänderten Zahlen setzte die Kommission, gestützt auf Artikel 20 der Verordnung des Rates, mit der angefochtenen Verordnung den Verringerungsköffizienten für die Bestimmung der den Marktbeteiligten der Gruppen A und B für das zweite Halbjahr 1993 zuzuteilenden Bananenmenge fest.

20 In der fünften Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung verweist die Kommission auf Doppelbuchungen der auf die jeweilige Wirtschaftsfunktion entfallenden Mengen unter Einbeziehung mehrerer Marktbeteiligter in verschiedenen Mitgliedstaaten, die durch Nachprüfungen bei den zuständigen nationalen Behörden festgestellt worden seien und deren Gesamtmenge verhältnismässig genau berechnet worden sei. Diese Doppelbuchungen beruhten auf falscher Anwendung der für die Zuerkennung des Rechts auf Inanspruchnahme des Zollkontingents maßgeblichen Kriterien. In der sechsten Begründungserwägung führt die Kommission aus, daß der Verringerungsköffizient unter Zugrundelegung der von den Mitgliedstaaten übermittelten, um die von ihr festgestellten Doppelbuchungen verminderten Angaben berechnet werden sollte.

Zum ersten Nichtigkeitsgrund

21 Das Königreich der Niederlande macht geltend, die Kommission habe Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung falsch ausgelegt, indem sie als Marktbeteiligten im Sinne dieser Vorschrift denjenigen angesehen habe, der die materiellen Zollformalitäten erledige, ohne zu prüfen, ob diese Person im Fall der Qualitätsminderung oder des Verlusts der Erzeugnisse das kommerzielle Risiko trage. Aus der fünfzehnten Begründungserwägung der Verordnung des Rates ergebe sich aber, daß Bescheinigungen natürlichen oder juristischen Personen gewährt werden sollten, die das kommerzielle Risiko bei der Vermarktung der Bananen getragen hätten.

22 Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung definiert denjenigen als Marktbeteiligten im Sinne der Tätigkeit des Buchstabens b, der gleichzeitig drei Voraussetzungen erfuellt, nämlich Abfertigung der grünen Bananen zum freien Verkehr, Eigentümereigenschaft oder bei Nichteigentümern Tragung des Risikos der Qualitätsminderung bzw. des Verlusts der Erzeugnisse und schließlich Verkauf im Hinblick auf die spätere Vermarktung in der Gemeinschaft.

23 Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß das Kriterium der Übernahme des Risikos der Qualitätsminderung bzw. des Verlusts der Erzeugnise lediglich eine alternative Voraussetzung darstellt, auf die in Fällen zurückgegriffen werden kann, in denen die Voraussetzung des Eigentums nicht erfuellt ist. Gegen diese Schlußfolgerung spricht im übrigen auch nicht die fünfzehnte Begründungserwägung der Verordnung des Rates, da der Begriff des kommerziellen Risikos bei der Vermarktung nicht nur auf das reine Risiko der Qualitätsminderung bzw. des Verlusts der Bananen reduziert werden kann.

24 Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Nichtigkeitsgrund

25 Das Königreich der Niederlande macht geltend, daß die Kommission für die Verringerung der von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Referenzmengen nicht zuständig gewesen sei und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstossen habe, indem sie die Mengen nur zu Lasten einiger Mitgliedstaaten verringert habe.

26 Zur Rüge der Unzuständigkeit führt der Kläger aus, daß die Kommission weder durch Artikel 155 EG-Vertrag noch durch Artikel 20 der Verordnung des Rates zu einer einseitigen Änderung der von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Daten ermächtigt werde. Nur diese hätten die Aufgabe, die Listen der Marktbeteiligten zu erstellen, die Referenzmengen festzusetzen sowie Falscherklärungen der Marktbeteiligten aufzudecken und zu verhindern.

27 Die Kommission erwidert darauf, daß sie gemäß Artikel 155 des Vertrages befugt sei, Doppelbuchungen aufzudecken und sie von den mitgeteilten Referenzmengen abzuziehen. Die angefochtene Verordnung sei wie die Durchführungsverordnung auf Artikel 20 der Verordnung des Rates gestützt, der eine nicht abschließende Aufzählung der Durchführungsbestimmungen enthalte, die sie erlassen dürfe.

28 Um die Begründetheit dieser Rüge beurteilen zu können, ist zu prüfen, welche Befugnisse der Kommission und den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verwaltung des Einfuhrkontingents für Bananen jeweils zustehen.

29 Gemäß Artikel 155 vierter Gedankenstrich des Vertrages übt die Kommission, um das ordnungsgemässe Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten, die Befugnisse aus, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt. Die Verordnung des Rates überträgt der Kommission in Artikel 20 die Aufgabe, Durchführungsbestimmungen für Titel IV der Verordnung zu erlassen, und umschreibt einige davon näher.

30 Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vertrages, in den Artikel 155 gestellt werden muß, und aus den Anforderungen der Praxis, daß der Begriff "Durchführung" weit auszulegen ist. Da nur die Kommission in der Lage ist, die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen und mit der durch die Situation gebotenen Schnelligkeit zu handeln, kann sich der Rat veranlasst sehen, ihr auf diesem Gebiet weitgehende Befugnisse zu übertragen. Daher sind die Grenzen dieser Befugnisse nach den allgemeinen Hauptzielen der Marktorganisation zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. Juni 1989 in der Rechtssache 22/88, Vreugdenhil u. a., Slg. 1989, 2049, Randnr. 16, und die dort genannte Rechtsprechung).

31 So hat der Gerichtshof entschieden, daß die Kommission auf dem Gebiet der Landwirtschaft befugt ist, alle für die Durchführung der Grundverordnung erforderlichen oder zweckmässigen Maßnahmen zu ergreifen, soweit diese nicht gegen die Grundverordnung oder die Anwendungsregeln des Rates verstossen (Urteil vom 15. Mai 1984 in der Rechtssache 121/83, Zuckerfabrik Franken/Hauptzollamt Würzburg, Slg. 1984, 2039, Randnr. 13).

32 Daraus folgt, daß es der Kommission nach dem Wortlaut des Artikels 20 der Verordnung des Rates nicht verwehrt ist, auch solche Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die in dieser Vorschrift zwar nicht ausdrücklich genannt, jedoch für das Funktionieren der Einfuhrregelung erforderlich sind.

33 Aus der Notwendigkeit, für die Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer in allen Mitgliedstaaten zu sorgen und das Funktionieren der Einfuhrregelung auf der Grundlage richtiger Daten zu gewährleisten, folgt nämlich, daß die Kommission, die die Verantwortung für die Verwaltung der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen trägt, Maßnahmen treffen kann, um bei der Festsetzung des Verringerungsköffizienten Doppelbuchungen von Referenzmengen zu verhindern.

34 Im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen ist den Mitgliedstaaten weder vom Rat noch von der Kommission eine Entscheidungsbefugnis bei der Verwaltung des Einfuhrkontingents übertragen worden, sondern sie sollen bestimmte technische Aufgaben im Auftrag und unter der Kontrolle der Kommission wahrnehmen.

35 So ergibt sich aus der sechzehnten Begründungserwägung der Verordnung des Rates, daß in Anbetracht der Vermarktungsstrukturen die Erfassung der Marktbeteiligten und die Festlegung der vermarkteten Mengen, die als Bezugsgrösse für die Ausstellung der Bescheinigungen heranzuziehen sind, von den Mitgliedstaaten nach den von der Kommission festgelegten Verfahren und Kriterien durchgeführt werden müssen.

36 Diesem Grundgedanken entsprechend sieht Artikel 19 Absatz 1 letzter Unterabsatz der Verordnung des Rates vor, daß die Mitgliedstaaten die Liste der Marktbeteiligten erstellen und die durchschnittliche Bananenmenge bestimmen, die jeder Marktbeteiligte in den letzten drei Jahren, für die Angaben vorliegen, abgesetzt hat.

37 Diese Rolle der Mitgliedstaaten bei der Erhebung und Weiterleitung der Daten kann die Kommission, die die laufende Verwaltung der gemeinsamen Marktorganisation zu gewährleisten hat, aber nicht daran hindern, die Richtigkeit dieser Daten zu überprüfen und sie zu korrigieren, wenn sich zeigt, daß Doppelbuchungen die Grundlage der Einfuhrregelung zu verfälschen drohen.

38 Dagegen spricht auch nicht das Urteil vom 20. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-106/90, C-317/90 und C-129/91 (Emerald Meats/Kommission, Slg. 1993, I-209, Randnr. 40), in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß es nicht zu den Erfordernissen einer Gemeinschaftsverwaltung gehört, daß die Kommission in der Lage sein muß, unrichtige Entscheidungen der staatlichen Behörden im Rahmen der Verwaltung der Kontingente in Einzelfällen zu korrigieren, da die Einhaltung der gemeinschaftlichen Regeln und deren einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft entweder durch das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 des Vertrages oder im Rahmen gerichtlicher Verfahren vor den nationalen Gerichten gewährleistet werden kann, denen das Verfahren des Artikels 177 EG-Vertrag zur Verfügung steht.

39 Der Gerichtshof hat nämlich in diesem Urteil festgestellt, daß die Organe der Gemeinschaft ein dezentralisiertes Verwaltungssystem geschaffen hatten, das auf der Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission beruht (vgl. das Urteil Emerald Meats/Kommission, Randnrn. 36 und 39).

40 Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, beruht die gemeinsame Marktorganisation für Bananen aber nicht auf einer dezentralisierten Verwaltung des Zollkontingents, bei der den Mitgliedstaaten eine Entscheidungsbefugnis zusteht.

41 Unter diesen Umständen ist die Rüge der Unzuständigkeit der Kommission als unbegründet zurückzuweisen.

42 Das Königreich der Niederlande wirft der Kommission ferner vor, sie habe gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstossen, indem sie die Referenzmengen einiger Mitgliedstaaten verringert habe, ohne die Daten der anderen Mitgliedstaaten zu korrigieren, bei denen es nach den Eurostat-Statistiken unweigerlich ebenfalls zu Doppelbuchungen gekommen sein müsste.

43 Die Kommission räumt ein, daß auch in anderen Mitgliedstaaten Doppelbuchungen vorgekommen sein müssten, führt aber aus, daß sie aus technischen Gründen nicht habe feststellen können, wo dies geschehen sei.

44 Zunächst ist festzustellen, daß die Rüge des Klägers unbestimmt ist. Obwohl die Kommission die Möglichkeit von Doppelbuchungen in anderen Mitgliedstaaten nicht bestreitet, konnte der Kläger nämlich keine Fälle nachweisen, in denen niederländische Wirtschaftsteilnehmer anders behandelt worden wären als Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten, die sich in derselben Lage befanden.

45 Ferner kann der Kläger der Kommission keinen Vorwurf daraus machen, daß sie Korrekturen vorgenommen hat, die sie vornehmen musste, sobald sie Kenntnis von Doppelbuchungen erhielt, nur weil sie nicht in der Lage war, andere Fälle der fehlerhaften Anwendung der Regelung oder in anderen Mitgliedstaaten vorgekommene Mißbräuche aufzudecken oder festzustellen.

46 Daraus folgt, daß auch diese Rüge unbegründet ist und der zweite Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen ist.

Zum dritten Nichtigkeitsgrund

47 Das Königreich der Niederlande trägt schließlich vor, daß die Kommission gegen wesentliche Formvorschriften verstossen habe, indem sie es unterlassen habe, in die Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung eine angemessene Begründung zur Grundlage der vorgenommenen Verringerungen aufzunehmen. Damit habe die Kommission zudem gegen ihre Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten verstossen.

48 Nach ständiger Rechtsprechung muß die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann (vgl. Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-353/92, Griechenland/Rat, Slg. 1994, I-3411, Randnr. 19).

49 Jedoch brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages genügt, nicht nur im Hinblick auf deren Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch aufgrund ihres Zusammenhangs sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 16, sowie die dort genannte Rechtsprechung).

50 Dies gilt erst recht, wenn die Mitgliedstaaten am Entstehungsprozeß des streitigen Rechtsakts eng beteiligt waren und daher wissen, auf welchen Gründen er beruht (vgl. Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-54/91, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 1993, I-3399).

51 In der fünften und sechsten Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung wird auf die von der Kommission festgestellten Doppelbuchungen und die Notwendigkeit hingewiesen, bestimmte Marktbeteiligte nicht auf eine schwer wiedergutzumachende Weise erheblich zu diskriminieren und die Ausschöpfung des Zollkontingents nicht zu stören.

52 Ausserdem wurde die Frage der Auslegung von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung von der Kommission und den niederländischen Stellen mehrfach erörtert, und die von der Kommission vertretene Auslegung wurde am 9. September 1993 auch zum Gegenstand einer an die Mitgliedstaaten gerichteten besonderen Mitteilung gemacht.

53 Der dritte Klagegrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

54 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Klage des Königreichs der Niederlande abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

55 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich der Niederlande mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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