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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.2000
Aktenzeichen: C-480/98
Rechtsgebiete: Entscheidung 1999/509/EWG


Vorschriften:

Entscheidung 1999/509/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) unterscheidet nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen.

Der bloße Umstand, dass eine nationale Regelung für jedes Unternehmen gilt, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder gegen das Forderungen der Sozialversicherung und der Staatskasse bestehen, steht daher der Einstufung der von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats gegenüber einem Unternehmen, das einem derartigen Verfahren unterliegt, ergriffenen Maßnahmen als Beihilfen im Sinne von Artikel 92 des Vertrages nicht entgegen.

Zwar kann die Einbuße an Steuererträgen, die sich für den Staat durch das absolute Verbot von Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung und die Aussetzung der Zinsen auf alle Verbindlichkeiten des betroffenen Unternehmens sowie durch die entsprechende Verringerung der Gewinne der Gläubiger aus der Anwendung der Regelung über die Sonderverwaltung ergeben kann, als solche nicht die Qualifizierung dieser Regelung als Beihilfe rechtfertigen. Eine derartige Folge ist nämlich jeder gesetzlichen Regelung immanent, die den Rahmen für die Beziehungen zwischen einem zahlungsunfähigen Unternehmen und der Gesamtheit seiner Gläubiger festlegt, ohne dass daraus zwangsläufig auf eine zusätzliche finanzielle Belastung zu schließen wäre, die unmittelbar oder mittelbar zu Lasten der öffentlichen Hand geht und den betroffenen Unternehmen eine bestimmte Vergünstigung gewähren soll.

Dagegen kann sich eine derartige Vergünstigung aus bestimmten Maßnahmen oder sogar unter bestimmten Umständen daraus ergeben, dass die beteiligten Behörden keine Maßnahmen ergreifen. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen seine Tätigkeiten mehrere Jahre lang fortsetzen konnte, ohne seinen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. (vgl. Randnrn. 16-20)

2 Keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts verlangt von der Kommission, bei der Anordnung der Wiedereinziehung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, ohne übermäßige Schwierigkeiten diesen Betrag selbst zu bestimmen.

Die Kommission darf sich daher darauf beschränken, die Verpflichtung zur Erstattung der in Rede stehenden Beihilfen festzustellen und den nationalen Behörden die Berechnung des genauen Betrages der zu erstattenden Beihilfen zu überlassen, wenn die Berechnung die Berücksichtigung von Abgaben- oder Sozialversicherungsregelungen erfordert, deren Einzelheiten im geltenden nationalen Recht festgelegt sind. (vgl. Randnrn. 25-26)

3 Zwar erfolgt die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Beihilfe grundsätzlich nach dem einschlägigen nationalen Verfahrensrecht, jedoch darf die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung dadurch nicht praktisch unmöglich werden.

Das Ziel der Wiederherstellung der früheren Lage ist erreicht, wenn die in Rede stehende Beihilfe, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, vom Empfänger zurückgezahlt wird, denn durch diese Rückzahlung verliert der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besaß.

Nach dem auf den vorliegenden Fall anwendbaren nationalen Recht werden die Verbindlichkeiten von Unternehmen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist, vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung an nicht mehr verzinst. Eine derartige Bestimmung, die durch das Allgemeininteresse der Gläubiger gerechtfertigt ist, das Vermögen des in Konkurs gefallenen Unternehmens nicht mit neuen Verpflichtungen zu belasten, die seine Lage verschlimmern könnten, gilt ohne Unterschied für alle privaten und öffentlichen Gläubiger in Verfahren dieser Art.

Diese Regelung kann unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zweckes, des Fehlens jeder Diskriminierung bei ihrer Anwendung und des Umstands, dass sie nur für die Zinsen gilt, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens von vor diesem Zeitpunkt rechtswidrig bezogenen Beihilfen angefallen sind, die vom Gemeinschaftsrecht verlangte Wiedereinziehung der Beihilfen nicht praktisch unmöglich machen. (vgl. Randnrn. 34-37)


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Oktober 2000. - Königreich Spanien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Beihilfen für die Unternehmen der Magefesa-Gruppe. - Rechtssache C-480/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-480/98

Königreich Spanien, vertreten durch Abogado del Estado R. Silva de Lapuerta als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Spanische Botschaft, 4-6, boulevard Emmanuel Servais, Luxemburg,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater G. Rozet und R. Vidal Puig, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/509/EG der Kommission vom 14. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens für die Unternehmen der Magefesa-Gruppe und ihre Nachfolger (ABl. 1999, L 198, S. 15)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie der Richter V. Skouris und J.-P. Puissochet (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 13. April 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juni 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich Spanien hat mit Klageschrift, die am 28. Dezember 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/509/EG der Kommission vom 14. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens für die Unternehmen der Magefesa-Gruppe und ihre Nachfolger (ABl. 1999, L 198, S. 15; im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

Vorgeschichte und Sachverhalt

2 Die Magefesa-Gruppe ist ein in Spanien sehr bekannter Hersteller; die Unternehmen dieser Gruppe und ihre Nachfolgeunternehmen stellen Haushaltsartikel wie Druckkochtöpfe, Pfannen und Bestecke aus nicht rostendem Stahl her.

3 1983 geriet die Magefesa-Gruppe, die bis dahin einen erheblichen Teil des spanischen Marktes gehalten hatte, in finanzielle Schwierigkeiten. 1984 erhielt sie eine komplexe Struktur mit zwei Holding-Gesellschaften (der Holding-Gesellschaft Magefesa, die die Muttergesellschaft Magefesa und die Industrieunternehmen Cunosa, Migsa, Indosa, Udala und Las Mimosas umfasst, sowie der Holding-Gesellschaft Licasa, die die Gesellschaften Licasa Patrimonial, Gursa, Albersa und Licasa Industrial umfasst) und einer Handelsgruppe (Agrupacíon de Empresas Magefesa, die mehrere der bereits erwähnten Gesellschaften umfasst: Magefesa, Cunosa, Migsa, Indosa und Gursa).

4 Ende 1985 stand die Magefesa-Gruppe vor dem Konkurs; um die Einstellung ihrer Tätigkeiten zu verhindern, beauftragte sie die private Beratungsgesellschaft Gestiber mit ihrer Leitung. Gestiber schlug ein Aktionsprogramm vor, das insbesondere eine Verringerung der Belegschaft und die Gewährung von Beihilfen durch die Zentralregierung sowie die Regierungen der autonomen Regionen Baskenland, Kantabrien und Andalusien vorsah, wo sich die verschiedenen Werke der Gruppe befanden. Die Regierungen dieser drei autonomen Regionen bildeten wiederum drei zwischengeschaltete Unternehmen (Ficodesa, Gemacasa und Manufacturas Damma), die die Verwendung der Beihilfen kontrollieren und den Betrieb der Unternehmen der Magefesa-Gruppe dadurch gewährleisten sollten, dass sie die Gläubiger daran hinderten, ihre Forderungen zu Lasten der Finanzmittel und Warenvorräte dieser Unternehmen durchzusetzen.

5 1987 ging bei der Kommission eine Beschwerde wegen der staatlichen Beihilfen ein, die der Magefesa-Gruppe gewährt worden waren. Sie leitete das in Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) vorgesehene Verfahren ein und erklärte mit Entscheidung 91/1/EWG vom 20. Dezember 1989 über Beihilfen der Zentralregierung und einiger autonomer Regierungen Spaniens für Magefesa, Hersteller von Haushaltsartikeln aus rostfreiem Stahl und kleinen Elektrogeräten, die wie folgt beschriebenen Beihilfen für rechtswidrig und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar:

- Bürgschaften für Darlehen in Höhe von 1,58 Milliarden ESP;

- ein zu anderen als Marktbedingungen gewährtes Darlehen von 2,085 Milliarden ESP;

- verlorene Zuschüsse in Höhe von 1,095 Milliarden ESP;

- einen Zinszuschuss von schätzungsweise 9 Millionen ESP.

6 Mit derselben Entscheidung wurden die spanischen Behörden aufgefordert, insbesondere die Bürgschaften für die Darlehen zurückzuziehen, das zinsgünstige Darlehen in einen marktüblichen Kredit umzuwandeln und die verlorenen Zuschüsse zurückzufordern.

7 1997 gingen bei der Kommission sieben Beschwerden wegen der Vergünstigungen ein, die sich für die Unternehmen der Magefesa-Gruppe aus der Nichtrückzahlung der 1989 für unvereinbar erklärten Beihilfen und der Nichterfuellung ihrer finanziellen und steuerlichen Verpflichtungen ergaben. Die Kommission beschloss, das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages wegen der Beihilfen einzuleiten, die die Unternehmen der Magefesa-Gruppe und ihre Nachfolger seit 1989 erhalten hatten (Mitteilung 97/C 330/02, ABl. 1997, C 330, S. 2).

8 Als die Beschwerden eingingen, war bereits der Konkurs über das Vermögen einiger Unternehmen der Gruppe eröffnet worden (Magefesa, Indosa, Cunosa), während andere ihre Tätigkeiten eingestellt hatten (Migsa, Gursa). Was die zwischengeschalteten Gesellschaften angeht, war über das Vermögen von Ficodesa das Konkursverfahren eröffnet worden, während Gemacasa und Manufacturas Damma ihre Tätigkeiten eingestellt hatten. Die Handelsgruppe Agrupacíon de Empresas Magefesa war aufgelöst worden. Ferner hatte der Konkursverwalter von Indosa die Gesellschaft CMD (Compañia de Menaje Doméstico) gegründet, um die Produktion des Unternehmens zu vermarkten, das als einzige Industriegesellschaft der Gruppe noch tätig blieb. Schließlich hatten ehemalige Beschäftigte der drei anderen Produktionsunternehmen (Cunosa, Migsa und Gursa) die Gesellschaften LCC, Idisur und Vitrinor gegründet.

9 Bei Abschluss des Verfahrens erklärte die Kommission mit der angefochtenen Entscheidung, die am 14. Oktober 1998 erlassen, der spanischen Regierung am 29. Oktober 1998 bekanntgegeben und am 30. Juli 1999 veröffentlicht wurde, die Beihilfen in Form der fortgesetzten Nichtzahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen

- durch Indosa und Cunosa bis zur Konkurseröffnung,

- durch Migsa und Gursa bis zur Einstellung der Tätigkeiten und

- durch Indosa nach der Konkurseröffnung und bis Mai 1997

für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

10 Mit derselben Entscheidung wurden die spanischen Behörden aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Beihilfen nebst Zinsen für den Zeitraum von ihrer Gewährung bis zur vollständigen Rückzahlung von den Empfängern zurückzufordern.

11 Gegen diese Entscheidung hat das Königreich Spanien Nichtigkeitsklage erhoben.

Zu den Klagegründen

12 Das Königreich Spanien stützt seine Klage auf vier Gründe, einen Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG), einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, mangelnde Begründung der angefochtenen Entscheidung und schließlich die Unmöglichkeit, die Zahlung von Zinsen zu verlangen.

Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages

13 Das Königreich Spanien macht geltend, die Kommission habe Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages unrichtig angewandt, indem sie die Ansicht vertreten habe, die unterbliebene Zahlung bestimmter Beträge an die Sozialversicherung und die Staatskasse seitens der Unternehmen Indosa, Cunosa, Migsa und Gursa stelle eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe dar. Der entsprechende Sachverhalt beruhe auf einer allgemeinen Regelung, die für jedes Unternehmen gelte, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei oder gegen das Forderungen der erwähnten Einrichtungen bestuenden, wobei kein öffentlicher oder privater Gläubiger verpflichtet sei, den Konkurs oder die Liquidierung eines solchen Unternehmens zu beantragen. Ferner sei den Unternehmen Indosa, Cunosa, Migsa und Gursa keine Vergünstigung aus staatlichen Mitteln gewährt worden, da ihnen kein Schuldenerlass gewährt worden sei und die betroffenen Behörden alle rechtlichen Mittel eingesetzt hätten, um ihre Forderungen beizutreiben.

14 Die Kommission vertritt dagegen die Ansicht, in der vorliegenden Rechtssache gehe es nicht um die spanische Regelung, sondern um die systematische Nichtbegleichung bestimmter Verbindlichkeiten durch die Unternehmen der Magefesa-Gruppe. Die spanischen Behörden hätten nicht alle rechtlichen Mittel angewandt, um deren Begleichung zu erreichen.

15 Nach Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

16 Nach ständiger Rechtsprechung unterscheidet Artikel 92 Absatz 1 nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen (Urteile vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnr. 27, und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551, Randnr. 20).

17 Der bloße Umstand, dass die nationale Regelung, auf die sich die spanische Regierung beruft, für jedes Unternehmen gilt, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder gegen das Forderungen der Sozialversicherung und der Staatskasse bestehen, steht daher der Einstufung der von den Behörden gegenüber den betreffenden Unternehmen ergriffenen Maßnahmen als Beihilfen im Sinne von Artikel 92 des Vertrages nicht entgegen.

18 Zwar kann, wie der Gerichtshof in Randnummer 36 des Urteils vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C-200/97 (Ecotrade, Slg. 1998, I-7907) in Bezug auf die italienische Regelung der Sonderverwaltung für in Schwierigkeiten befindliche Großunternehmen festgestellt hat, die Einbuße an Steuererträgen, die sich für den Staat durch das absolute Verbot von Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung und die Aussetzung der Zinsen auf alle Verbindlichkeiten des betroffenen Unternehmens sowie durch die entsprechende Verringerung der Gewinne der Gläubiger aus der Anwendung der Regelung über die Sonderverwaltung ergeben kann, als solche nicht die Qualifizierung dieser Regelung als Beihilfe rechtfertigen. Eine derartige Folge ist nämlich jeder gesetzlichen Regelung immanent, die den Rahmen für die Beziehungen zwischen einem zahlungsunfähigen Unternehmen und der Gesamtheit seiner Gläubiger festlegt, ohne dass daraus zwangsläufig auf eine zusätzliche finanzielle Belastung zu schließen wäre, die unmittelbar oder mittelbar zu Lasten der öffentlichen Hand geht und den betroffenen Unternehmen eine bestimmte Vergünstigung gewähren soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 1993 in den Rechtssachen C-72/91 und C-73/91, Sloman Neptun, Slg. 1993, I-887, Randnr. 21).

19 Dagegen kann sich eine derartige Vergünstigung aus bestimmten Maßnahmen oder sogar, wie die Kommission vorträgt, unter bestimmten Umständen daraus ergeben, dass die beteiligten Behörden keine Maßnahmen ergreifen.

20 Nach den Akten konnten die betroffenen Unternehmen unbeschadet des Vorbringens der spanischen Regierung, dass die Verwaltung alle gesetzlich vorgesehenen rechtlichen Mittel genutzt habe, um die Begleichung der Verbindlichkeiten der Unternehmen der Magefesa-Gruppe zu erreichen, ihre Tätigkeiten mehrere Jahre lang fortsetzen, ohne ihren steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Zwar wurde über das Vermögen bestimmter Unternehmen auf Antrag privater Gläubiger und nichtöffentlicher Stellen das Konkursverfahren eröffnet, doch wurde einem von ihnen, Indosa, offenkundig ohne Bedingungen, ohne den Widerspruch der Gläubiger und ohne gerichtliches Eingreifen, erlaubt, seine Tätigkeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens fortzusetzen, so dass dieses Unternehmen neue Schulden anhäufte, von denen es nur einen geringen Teil beglich.

21 Daher hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, dass unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles die Nichtzahlung von Steuern und Sozialabgaben durch die Unternehmen Indosa, Cunosa, Migsa und Gursa in den von der angefochtenen Entscheidung erfassten Zeiten eine rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellte.

22 Somit ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

23 Die spanische Regierung vertritt die Ansicht, die Kommission habe im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, indem sie Beihilfen für rechtswidrig erklärt habe, deren Höhe ihr nicht bekannt gewesen sei, und indem sie deren Wiedereinziehung angeordnet habe, ohne zu wissen, wie hoch der zurückzufordernde Betrag sei.

24 Die Kommission macht demgegenüber geltend, die angefochtene Entscheidung lasse keinen Zweifel bestehen, welche Maßnahmen die betreffenden Beihilfen darstellten und in welchem Zeitraum diese gewährt worden seien. Im Übrigen sei sie nicht verpflichtet, den Betrag der wiedereinzuziehenden Beihilfen festzusetzen, wenn dessen Berechnung die Berücksichtigung von Einzelheiten erfordere, die im nationalen Recht festgelegt seien.

25 Keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts verlangt von der Kommission, bei der Anordnung der Wiedereinziehung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, ohne übermäßige Schwierigkeiten diesen Betrag selbst zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 1988 in der Rechtssache 102/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1988, 4067, Randnr. 33).

26 Die Kommission darf sich daher darauf beschränken, die Verpflichtung zur Erstattung der in Rede stehenden Beihilfen festzustellen und den nationalen Behörden die Berechnung des genauen Betrages der zu erstattenden Beihilfen zu überlassen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Berechnung die Berücksichtigung von Abgaben- oder Sozialversicherungsregelungen erfordert, deren Einzelheiten im geltenden nationalen Recht festgelegt sind.

27 Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund mangelnder Begründung der angefochtenen Entscheidung

28 Die spanische Regierung ist der Ansicht, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht begründet, inwiefern die Nichtzahlung einiger unbestimmter Beträge an die Staatskasse und die Sozialversicherung durch vier Unternehmen, von denen sich zwei in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren befänden und die beiden anderen keine Geschäftstätigkeit hätten, den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtige, den Wettbewerb verfälsche und eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstelle.

29 Die Kommission macht geltend, die angefochtene Entscheidung enthalte zwar eine unvollständige Schätzung des Betrages der gewährten Beihilfen, doch hebe sie die Bedeutung der in jedem Einzelfall geschuldeten Beträge hervor, die somit eindeutig geeignet seien, den Wettbewerb zu verfälschen.

30 In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission in Abschnitt VII der Begründungserwägungen ("Rechtliche Würdigung") den Einfluss der Tätigkeiten der Unternehmen der Magefesa-Gruppe auf den Markt für Haushaltswaren und auf den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr in diesem Bereich untersucht hat. Zu diesem Zweck hat sie genau die tatsächlichen Bedingungen der Rückforderung der durch die Entscheidung 91/1 für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfen und die Beschaffenheit der nach dieser Entscheidung gewährten Beihilfen sowie die Gründe erläutert, aus denen diese nicht unter die im Vertrag und in der Mitteilung 94/C 368/05 der Kommission mit dem Titel "Gemeinschaftsleitlinien für Beihilfen zugunsten der Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten" (ABl. 1994, C 368, S. 12) vorgesehenen Ausnahmen fallen konnten. Damit hat die Kommission ihre Entscheidung, mit der sie die erwähnten Beihilfen für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat, ausreichend begründet.

31 Daher ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Unmöglichkeit, die Zahlung von Zinsen zu verlangen

32 Die spanische Regierung macht geltend, im Rahmen der Verpflichtung zur Wiedereinziehung der streitigen Beihilfen sei es nicht möglich, Zinsen von Unternehmen zu verlangen, die sich in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren befänden. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes habe die Wiedereinziehung einer rechtswidrigen Beihilfe nach dem nationalen Verfahrensrecht zu erfolgen. Nach dem spanischen Código de Comercio seien die Verbindlichkeiten von Unternehmen, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, nicht verzinslich.

33 Die Kommission führt aus, der spanische Código de Comercio verbiete nicht die Zahlung von Zinsen in Bezug auf die Unternehmen Migsa und Gursa, über deren Vermögen das Konkursverfahren nicht eröffnet worden sei, und auch nicht der Zinsen, die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen von Indosa und Cunosa angefallen seien. Der Código untersage auch nicht die Zahlung der angefallenen Zinsen auf die Steuern und Sozialabgaben, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen von Indosa fällig geworden seien, da diese Steuern und Beiträge von Indosa aufgrund der Fortsetzung ihrer Tätigkeit geschuldet würden. Auf alle Fälle stelle die Verpflichtung zur Wiedereinziehung der rechtswidrigen Beihilfen eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche Verpflichtung dar, die Vorrang vor jeder entgegenstehenden nationalrechtlichen Regelung haben müsse, und nach der Gemeinschaftsrechtsprechung stelle die Erstattung der streitigen Beträge nebst Zinsen das einzige geeignete Mittel zur Beseitigung der auf der Beihilfe beruhenden Verzerrungen dar.

34 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Beihilfe grundsätzlich nach dem einschlägigen nationalen Verfahrensrecht erfolgt, dass jedoch die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung dadurch nicht praktisch unmöglich werden darf (vgl. insbes. Urteil vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, "Tubemeuse", Slg. 1990, I-959, Randnr. 61).

35 Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist das Ziel der Wiederherstellung der früheren Lage erreicht, wenn die in Rede stehenden Beihilfen, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, vom Empfänger zurückgezahlt werden, denn durch diese Rückzahlung verliert der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besaß (vgl. Urteil vom 4. April 1995 in der Rechtssache C-348/93, Kommission/Italien, Slg. 1995, I-673, Randnrn. 26 und 27). Würden bei der Wiedereinziehung von rechtswidrig gewährten Beträgen keine Zinsen verlangt, so würden dem betroffenen Unternehmen im Ergebnis akzessorische finanzielle Vorteile verbleiben, die in der Gewährung eines zinslosen Darlehens bestuenden.

36 Nach dem auf den vorliegenden Fall anwendbaren nationalen Recht werden jedoch die Verbindlichkeiten von Unternehmen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist, vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung an nicht mehr verzinst. Eine derartige Bestimmung, die durch das Allgemeininteresse der Gläubiger gerechtfertigt ist, das Vermögen des in Konkurs gefallenen Unternehmens nicht mit neuen Verpflichtungen zu belasten, die seine Lage verschlimmern könnten, gilt ohne Unterschied für alle privaten und öffentlichen Gläubiger in Verfahren dieser Art.

37 Diese Regelung kann unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zweckes, des Fehlens jeder Diskriminierung bei ihrer Anwendung und des Umstands, dass sie nur für die Zinsen gilt, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens von vor diesem Zeitpunkt rechtswidrig bezogenen Beihilfen angefallen sind, die vom Gemeinschaftsrecht verlangte Wiedereinziehung der Beihilfen nicht praktisch unmöglich machen.

38 Somit war die Kommission zwar berechtigt, in der angefochtenen Entscheidung zu verlangen, dass die zurückgeforderten Beträge Zinsen für den Zeitraum von der Gewährung bis zur vollständigen Rückzahlung der Beihilfen umfassen sollten, doch hätte sie von dieser Forderung unter Berücksichtigung des geltenden spanischen Rechts die Zinsen ausnehmen müssen, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Unternehmen Indosa und Cunosa von den vor dem Zeitpunkt rechtswidrig bezogenen Beihilfen angefallen sind.

39 Daher ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie in die zurückzufordernden Beihilfebeträge Zinsen einbezieht, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Unternehmen Indosa und Cunosa von den vor dieser Eröffnung rechtswidrig bezogenen Beihilfen angefallen sind; im übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit dem größten Teil seiner Klagegründe unterlegen ist, sind ihm neben seinen eigenen Kosten drei Viertel der Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 1999/509/EG der Kommission vom 14. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens für die Unternehmen der Magefesa-Gruppe und ihre Nachfolger wird für nichtig erklärt, soweit sie in die zurückzufordernden Beihilfebeträge Zinsen einbezieht, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Unternehmen Indosa und Cunosa von den vor dieser Eröffnung rechtswidrig vereinnahmten Beihilfen angefallen sind.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten und drei Viertel der Kosten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

Ende der Entscheidung

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