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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.10.1992
Aktenzeichen: C-49/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinie 69/335/EWG vom 17.07. 1969
Vorschriften:
EWG-Vertrag Art. 177 | |
Richtlinie 69/335/EWG vom 17.07. 1969 Art. 4 Abs. 2 b |
Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital kann eine Gewinnabführung zwischen zwei Gesellschaften, die unter der Kontrolle eines gemeinsamen Gesellschafters stehen, der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, wenn es sich nach den Umständen des Einzelfalls eindeutig um eine Zahlung des Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere handelt. Eine solcher Vorgang kann jedoch dann nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, wenn die Gesellschaft, die die Gewinne erhält, an der Gesellschaft, die sie an sie abführt, beteiligt ist. Ein solcher Vorgang ist nämlich mit einer Ausschüttung von Dividenden gleichzusetzen, die als solche nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 13. OKTOBER 1992. - WEBER HAUS GMBH & CO KG GEGEN FINANZAMT FREIBURG-LAND. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESFINANZHOF - DEUTSCHLAND. - ANSAMMLUNG VON KAPITAL - GESELLSCHAFTSTEUER - GEWINNABFUEHRUNG. - RECHTSSACHE C-49/91.
Entscheidungsgründe:
1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 31. Oktober 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Februar 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Weber Haus GmbH & Co. KG (nachstehend: Weber Haus KG) und dem Finanzamt Freiburg-Land über die Erhebung einer Gesellschaftsteuer auf die Gewinne, die eine zur selben Unternehmensgruppe gehörende Gesellschaft, die GmbH, an sie abgeführt hatte.
3 Die Tätigkeit der Unternehmensgruppe, zu der die Weber Haus KG und die GmbH gehören, besteht in der Produktion und Aufstellung von Fertighäusern. Die Anteile an beiden Gesellschaften gehören zu über 99 % den Eheleuten W. Jedoch werden die Anteile der Eheleute W. an der GmbH von der Weber Haus KG gehalten; diese übt die mit diesen Anteilen verbundenen Rechte aus und ist aufgrund dessen zum Empfang der ausgeschütteten Gewinne berechtigt. Ausserdem haben die beiden Gesellschaften einen Vertrag geschlossen, wonach die Gewinne der GmbH an die Weber Haus KG abzuführen sind, die sich im Gegenzug verpflichtet hat, die Verluste der GmbH zu übernehmen.
4 1977 erzielte die GmbH einen Gewinn von 5 666 634 DM, den sie gemäß dem genannten Vertrag an die Weber Haus KG abführte. Dieser Vorgang wurde vom Finanzamt der Gesellschaftsteuer unterworfen, weil es sich in Wirklichkeit um eine durch einen Vorgang zwischen den beiden Gesellschaften verdeckte Zahlung der Eheleute W. über die GmbH an die Weber Haus KG handele. Das Finanzamt stützte seine Entscheidung auf § 4 des deutschen Kapitalverkehrsteuergesetzes, der wie folgt lautet:
"Die Steuerpflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß Leistungen (...) nicht von Gesellschaftern bewirkt werden, sondern von Personenvereinigungen, an denen die Gesellschafter als Mitglieder oder Gesellschafter beteiligt sind."
5 Der Bundesfinanzhof, vor den der Rechtsstreit gelangte, stellte sich die Frage, ob diese Bestimmung mit Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG vereinbar ist. Letztere Bestimmung sieht vor, daß die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft "durch Leistungen eines Gesellschafters" der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann, regelt jedoch nicht den Fall, daß ein Gesellschafter Leistungen über eine andere, ebenfalls von ihm kontrollierte Gesellschaft vornimmt.
6 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und folgende beiden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Erlaubt Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG den Mitgliedstaaten auch die Besteuerung solcher Leistungen, die nicht von einem Gesellschafter, sondern von einer Personenvereinigung, an der der Gesellschafter als Mitglied oder Gesellschafter beteiligt ist, aufgrund eines mit der Gesellschaft abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages bewirkt werden?
2) Sollte Nr. 1 zu bejahen sein: Wird die nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG steuerbare Leistung bereits mit dem zivilrechtlich wirksamen Abschluß des Gewinnabführungsvertrages oder erst mit der Gewinnabführung als solcher bewirkt?
7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der vor dem Gerichtshof abgegebenen schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
Zur ersten Frage
8 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG die Gewinnabführung zwischen zwei Gesellschaften, die vom selben Gesellschafter kontrolliert werden, der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann.
9 Im Hinblick auf diese Frage ist zunächst daran zu erinnern, daß nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie Leistungen eines Gesellschafters, die das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft erhöhen, selbst dann der Gesellschaftsteuer unterworfen werden können, wenn sie keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sofern sie ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen.
10 Eine Gewinnabführung zugunsten einer Kapitalgesellschaft stellt, soweit sie das Vermögen dieser Gesellschaft erhöht und geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen, eine Leistung dar, die der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann, wenn es sich dabei um die Leistung eines Gesellschafters handelt.
11 Die Gewinnabführung zwischen zwei Gesellschaften, die unter der Kontrolle eines gemeinsamen Gesellschafters stehen, ist als Leistung eines Gesellschafters im Sinne der Richtlinie 69/335/EWG anzusehen, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls eindeutig eine Zahlung des gemeinsamen Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere Gesellschaft darstellt.
12 Jedoch kann eine Gewinnabführung dann nicht als Einlage angesehen werden, wenn die Gesellschaft, die die abgeführten Beträge erhält, an der Gesellschaft, die sie an sie abführt, beteiligt und aufgrund dessen zum Empfang der Erträge aus dieser Beteiligung berechtigt ist; ein solcher Vorgang ist nämlich mit einer Ausschüttung von Dividenden gleichzusetzen, die als solche nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann.
13 Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, daß gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG eine Gewinnabführung zwischen zwei Gesellschaften, die unter der Kontrolle eines gemeinsamen Gesellschafters stehen, der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann, wenn es sich nach den Umständen des Einzelfalls eindeutig um eine Zahlung des Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere handelt. Ein solcher Vorgang kann jedoch dann nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, wenn die Gesellschaft, die die Gewinne erhält, an der Gesellschaft, die sie an sie abführt, beteiligt ist.
Zur zweiten Frage
14 Angesichts der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Vorabentscheidungsfrage nicht beantwortet zu werden.
Kostenentscheidung:
Kosten
15 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 31. Oktober 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital kann eine Gewinnabführung zwischen zwei Gesellschaften, die unter der Kontrolle eines gemeinsamen Gesellschafters stehen, der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, wenn es sich nach den Umständen des Einzelfalls eindeutig um eine Zahlung des Gesellschafters über die eine Gesellschaft an die andere handelt. Eine solcher Vorgang kann jedoch dann nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, wenn die Gesellschaft, die die Gewinne erhält, an der Gesellschaft, die sie an sie abführt, beteiligt ist.
Ende der Entscheidung
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