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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.1991
Aktenzeichen: C-50/90
Rechtsgebiete: EWGV, RL Nr. 80/392/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 173
RL Nr. 80/392/EWG Art. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Um festzustellen, ob die mit der Nichtigkeitsklage angefochtenen Maßnahmen Handlungen im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag darstellen, ist auf ihr Wesen abzustellen.

Nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, sind Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist.

Bei einer Stellungnahme der Kommission zur Auslegung einer Richtlinie über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten ist dies nicht der Fall, da die Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften auf diesem Gebiet allein in den Zuständigkeitsbereich der hierfür bestellten innerstaatlichen Stellen fällt und da keine Vorschrift der Richtlinie die Kommission ermächtigt, Entscheidungen über ihre Auslegung zu treffen, so daß sie nur - wie stets - die Möglichkeit hat, ihre Meinung zu äussern, die die nationalen Behörden in keinem Fall bindet.

2. Eine aufgrund der Artikel 178 und 215 Absatz 2 EWG-Vertrag erhobene Schadensersatzklage, mit der der Ausgleich des Schadens begehrt wird, der sich aus einem im Erlaß einer Entscheidung bestehenden Amtsfehler der Kommission ergeben soll, ist unzulässig, wenn eine solche Entscheidung nicht vorliegt, da die Kommission aufgrund der ihr zustehenden Befugnisse nur eine einfache, an die nationalen Behörden gerichtete Stellungnahme abgeben und keine Handlung vornehmen konnte, die Rechtswirkungen erzeugt.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 13. JUNI 1991. - SUNZEST EUROPE BV UND SUNZEST NETHERLANDS BV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-50/90.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 6. März 1990 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, haben die Sunzest (Europe) BV und die Sunzest (Netherlands) BV zum einen gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der im Schreiben des Generaldirektors der Generaldirektion VI (Landwirtschaft) an den Ständigen Vertreter Belgiens bei den Europäischen Gemeinschaften vom 5. Dezember 1989 angeblich enthaltenen Entscheidung der Kommission betreffend die Einfuhren von Erzeugnissen aus Zypern, die von dem in der Richtlinie 77/93/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten (ABl. 1977 L 26, S. 20) erwähnten Pflanzengesundheitszeugnis begleitet sein müssen, sowie zum anderen gemäß Artikel 215 Absatz 2 Klage auf Ersatz des durch diese Entscheidung verursachten Schadens erhoben.

2 Die Richtlinie 77/93 schreibt vor, daß Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse mit Herkunft aus Drittländern in das Gebiet der Mitgliedstaaten nur verbracht werden dürfen, wenn sie von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet sind.

3 Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 80/392/EWG des Rates vom 18. März 1980 (ABl. L 100, S. 32) geänderten Fassung werden die

"Zeugnisse... von Dienststellen erteilt, die hierzu im Rahmen des Internationalen Pflanzenschutzuebereinkommens oder - bei Nichtvertragsstaaten - aufgrund von Rechtsvorschriften des Landes befugt sind. Nach dem Verfahren des Artikels 16 können Listen der von den einzelnen Drittländern zur Erteilung der Zeugnisse befugten Stellen aufgestellt werden."

4 Aus den Verfahrensakten ergibt sich, daß die Klägerinnen viele Jahre lang Zitrusfrüchte in die Europäische Gemeinschaft eingeführt und dort vermarktet haben, die aus dem nördlichen Teil Zyperns stammten und für die Zeugnisse durch den "Föderativen türkisch-zyprischen Staat" und die "Türkische Republik Nordzypern" ausgestellt wurden.

5 Am 5. Dezember 1989 wurde dem Ständigen Vertreter Belgiens bei den Europäischen Gemeinschaften ein von Guy Legras, dem Generaldirektor der Generaldirektion VI (Landwirtschaft), unterzeichnetes Schreiben übersandt, das die Regelung für den Import von Produkten aus Zypern, die von dem in der Richtlinie 77/93 erwähnten Pflanzengesundheitszeugnis begleitet sein müssen, zum Gegenstand hatte. Der Autor dieses Schreibens wies zunächst darauf hin, daß die Dienststellen der Kommission Beschwerden in bezug auf die Unterschiede zwischen den von den Mitgliedstaaten aufgestellten Voraussetzungen für die Zulassung von Produkten aus Zypern erhalten hätten. Er fügte insbesondere hinzu, er "glaube im Hinblick auf diese Beschwerden, die Aufmerksamkeit der zuständigen Behörden aller Mitgliedstaaten auf die in dieser Angelegenheit geltenden Grundsätze lenken zu müssen... Im Falle Zyperns ist Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b so auszulegen, daß nur die durch die Gesetze oder Verordnungen der Republik Zypern hierzu ermächtigten Behörden die für die Erteilung der Zeugnisse zuständigen Stellen sind. Der Standpunkt der Gemeinschaft in dieser Hinsicht ist klar..., allein die Regierung der Republik Zypern wird anerkannt. Aus diesem Grund entsprechen Produkte, die von einem Pflanzengesundheitszeugnis im Sinne der Richtlinie 77/93 begleitet sind und dem nördlichen Teil der Insel entstammen, nur dann den Anforderungen der Richtlinie, wenn das Zeugnis im Namen der 'Republik Zypern' von den zuständigen Behörden dieser Republik ausgestellt wurde."

6 Die Klägerinnen haben Klage auf Nichtigerklärung der in diesem Schreiben angeblich enthaltenen Entscheidung sowie auf Ersatz des

durch das rechtswidrige Verhalten der Kommission verursachten Schadens erhoben.

7 Zur Begründung ihrer Nichtigkeitsklage machen die Klägerinnen geltend, daß die Kommission bei ihrem Verlangen nach von der Republik Zypern ausgestellten Pflanzengesundheitszeugnissen verkenne, daß die Regierung Zyperns durch ihre Weigerung, Zeugnisse für aus dem nördlichen Teil der Insel stammende Produkte auszustellen, selbst gegen Artikel 5 des Assoziationsabkommens zwischen der Gemeinschaft und Zypern verstossen habe, wonach die Handelsregelung zwischen den Vertragsparteien nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung der Mitgliedstaaten, ihrer Staatsangehörigen oder ihrer Gesellschaften oder der zyprischen Staatsangehörigen oder Gesellschaften führen dürfe. Ausserdem beruhe die Auslegung der Richtlinie 77/93 seitens der Kommission nicht auf Erwägungen des Pflanzenschutzes, sondern auf deren Politik in bezug auf die Lage in Zypern.

8 Zur Begründung ihrer Schadensersatzklage tragen die Klägerinnen vor, daß die Gemeinschaft aufgrund von Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag verpflichtet sei, den ihnen aufgrund der rechtswidrigen Entscheidung entstandenen wirtschaftlichen Schaden zu ersetzen. Diese Entscheidung verhindere jede Einfuhr von Zitrusfrüchten aus dem nördlichen Teil Zyperns in die Gemeinschaft und zwinge die Klägerinnen demzufolge, in Zukunft andere Bestimmungsorte in Betracht zu ziehen.

9 Mit besonderem Schriftsatz, der am 15. Juni 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben und beantragt, vorab darüber zu entscheiden.

10 Zur Begründung ihrer Einrede der Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage macht die Kommission geltend, daß das Schreiben vom 5. Dezember 1989 keine beschwerende Entscheidung darstelle, sondern lediglich die Ratschläge der Dienststellen der Kommission übermittle.

11 Die Klägerinnen vertreten demgegenüber die Ansicht, daß dieses Schreiben als Handlung der Kommission im Sinne von Artikel 173 EWG-Vertrag angesehen werden müsse.

12 Um festzustellen, ob die angefochtene Handlung eine Entscheidung darstellt, gegen die gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben werden kann, ist an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zu erinnern, der zufolge auf das Wesen der fraglichen Handlung abzustellen ist. Insbesondere sind nur solche Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist (vgl. unter anderem Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639).

13 Bei dem angefochtenen Schreiben ist dies nicht der Fall, wie sich sowohl aus seinem Inhalt als auch aus seinem Zusammenhang ergibt. Das Schreiben ist nicht geeignet, Rechtswirkungen zu erzeugen, da die Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften über Schutzmaßnahmen gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten allein in den Zuständigkeitsbereich der hierfür bestellten nationalen Stellen fällt und keine Vorschrift der Richtlinie 77/93 die Kommission ermächtigt,

Entscheidungen über ihre Auslegung zu treffen; die Kommission hat nur - wie stets - die Möglichkeit, ihre Meinung zu äussern, die die nationalen Behörden in keinem Fall bindet (Urteil vom 10. März 1978 in der Rechtssache 132/77, Société pour l' Exportation des Sucres SA/Kommission, Slg. 1978, 1061; Urteil vom 27. März 1980 in der Rechtssache 133/79, Sucrimex/Kommission, Slg. 1980, 1299; Urteil vom 10. Juni 1982 in der Rechtssache 217/81, Interagra/Kommission, Slg. 1982, 2233; Beschluß vom 17. Mai 1989 in der Rechtssache 151/88, Italien/Kommission, Slg. 1989, 1255).

14 Aus diesen Feststellungen folgt, daß das fragliche Schreiben keine Handlung darstellt, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Folglich ist die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie sich auf Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag stützt.

15 Die Kommission begründet ihre Einrede der Unzulässigkeit der Schadensersatzklage damit, daß die in dem angefochtenen Schreiben ausgedrückte Ansicht nicht als Verhalten bezeichnet werden könne, das es erlaube, den Gerichtshof gemäß Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag anzurufen.

16 Die Klägerinnen sind dagegen der Auffassung, daß das fragliche Schreiben die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen für eine Anrufung des Gerichtshofes erfuelle.

17 Um das Vorliegen eines Amtsfehlers darzutun, der geeignet ist, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen, beschränken sich die Klägerinnen auf die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der in dem Schreiben vom 5. Dezember 1989 angeblich enthaltenen Entscheidung.

18 Wie zuvor festgestellt, enthält dieses Schreiben keine Entscheidung, sondern nur eine Meinung der Dienststellen der Kommission ohne jede rechtliche Wirkung.

19 Die Klägerinnen können sich deshalb zur Begründung ihrer Schadensersatzforderung nicht auf die Rechtswidrigkeit dieses Schreibens berufen. Die auf Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag gestützte Klage ist daher ebenfalls abzuweisen.

20 Folglich ist Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung anzuwenden und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

21 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 13. Juni 1991.

Ende der Entscheidung

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