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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.10.1995
Aktenzeichen: C-51/94
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Aus Artikel 6 Absatz 6 der Richtlinie 79/112 über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln ergibt sich eindeutig, daß das Unterrichtungsverfahren, das der Mitgliedstaat einzuhalten hat, der beim Fehlen von Gemeinschaftsvorschriften vorzuschreiben beabsichtigt, daß bei Lebensmitteln zusätzlich zu der vorgeschriebenen Angabe des Zutatenverzeichnisses in der Etikettierung eine oder mehrere Zutaten in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung angegeben werden müssen, nur anzuwenden ist, wenn die nationalen Maßnahmen bestimmte Lebensmittel oder bestimmte Zutaten betreffen, so daß einzelstaatliche Vorschriften von allgemeiner Geltung nicht darunter fallen, auch wenn ihre Anwendung darauf hinausliefe, daß zusätzliche Angaben in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung verlangt werden.

2. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Ziele des Gemeinwohls wie den Verbraucherschutz und die Lauterkeit des Handelsverkehrs berufen, um ein durch Artikel 30 des Vertrages verbotenes Hemmnis für den freien Warenverkehr zu rechtfertigen, das darin besteht, daß verlangt wird, daß bestimmte Lebensmittel, die eine den inländischen Rezepturvorschriften nicht entsprechende Zutat enthalten, für das Inverkehrbringen in seinem Hoheitsgebiet eine zusätzliche Angabe dieser Zutat in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung aufweisen müssen, auch wenn sich deren Verwendung bereits aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Artikel 6 der Richtlinie 79/112 über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln ergibt.

Eine solche Anforderung ist nämlich für die Erreichung dieser Ziele nicht erforderlich. Zum einen lesen Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis, dessen Angabe vorgeschrieben ist, so daß die Gefahr, daß sie dennoch irregeführt werden, gering ist und das genannte Hemmnis nicht rechtfertigen kann. Zum anderen kann der Wettbewerbsvorteil, der sich für bestimmte Hersteller aus der Verwendung billigerer Erzeugnisse ergeben könnte, nicht mit der Begründung als unzulässig angesehen werden, daß die Verbraucher nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Herstellungsmethoden unterschieden, da die Information der Verbraucher, die auf die Zusammensetzung des Erzeugnisses achten, hinreichend durch das Zutatenverzeichnis gewährleistet ist und es den anderen Herstellern jedenfalls freisteht, die Verbraucher auf die Verwendung traditioneller Erzeugnisse hinzuweisen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 26. OKTOBER 1995. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. - ETIKETTIERUNG UND AUFMACHUNG VON LEBENSMITTELN - ARTIKEL 30 EG-VERTRAG UND RICHTLINIE 79/112//EWG - ANGABE EINER IM VERZEICHNIS DER ZUTATEN AUFGEFUEHRTEN ZUTAT IN VERBINDUNG MIT DER VERKEHRSBEZEICHNUNG. - RECHTSSACHE C-51/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 4. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 ff. EG-Vertrag sowie 5, 6 und 16 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. 1979, L 33, S. 1; im folgenden: Richtlinie) verstossen hat, daß sie bei der Verwendung von Zutaten in Lebensmitteln, die nicht den deutschen Rezepturvorschriften entsprechen, für das Inverkehrbringen in Deutschland eine zusätzliche Angabe dieser Zutat in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung vorgeschrieben hat, auch wenn die betreffende Zutat bereits im Verzeichnis der Zutaten aufgeführt ist.

Deutsche Rechtsvorschriften

2 In § 17 des deutschen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vom 15. August 1974 (im folgenden: LMBG) heisst es:

"(1) Es ist verboten,

...

2....

a)...

b) Lebensmittel, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere in ihrem Nähr- oder Genußwert oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind, oder

c) Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken,

ohne ausreichende Kenntlichmachung gewerbsmässig in den Verkehr zu bringen;

...

5. Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmässig in den Verkehr zu bringen... Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

...

b) wenn zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über die Herkunft der Lebensmittel, ihre Menge, ihr Gewicht, über den Zeitpunkt der Herstellung oder Abpackung, über ihre Haltbarkeit oder über sonstige Umstände, die für ihre Bewertung mitbestimmend sind, verwendet werden..."

3 In § 47 Absatz 1 LMBG heisst es:

"Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes, die nicht den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprechen, dürfen nicht in den Geltungsbereich dieses Gesetzes... verbracht werden."

4 Durch das Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vom 18. Dezember 1992 wurde § 47 a in das LMBG eingefügt, der für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten gilt und am 1. Januar 1993 in Kraft trat. In § 47 a heisst es:

"(1) Abweichend von § 47 Abs. 1 Satz 1 dürfen Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft rechtmässig hergestellt und rechtmässig in den Verkehr gebracht werden oder die aus einem Drittland stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft rechtmässig im Verkehr befinden, in das Inland verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden, auch wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen.

...

(4) Weichen Lebensmittel von den Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ab, sind die Abweichungen angemessen kenntlich zu machen, soweit dies zum Schutz des Verbrauchers erforderlich ist."

Sachverhalt

5 In der vorliegenden Rechtssache geht es um folgende Lebensmittel: Sauce hollandaise, Sauce béarnaise sowie um bestimmte Keks- und Gebäckerzeugnisse, die den Zusatzstoff "E 160 F" enthalten.

6 Zur Zeit der Einleitung des Vorverfahrens durch die Kommission verboten die deutschen Behörden, gestützt auf § 17 Absatz 1 Nr. 5 LMBG das Inverkehrbringen von Sauce hollandaise und Sauce béarnaise, die mit Pflanzenfett hergestellt waren, mit der Begründung, daß beim Verbraucher die Vorstellung geweckt werde, diese Erzeugnisse seien entsprechend der in Deutschland üblicherweise befolgten Rezepturvorschrift unter Verwendung von Eiern und Butter hergestellt.

7 Während des Vorverfahrens ist das Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse möglich geworden, sofern in die Etikettierung die zusätzliche Angabe aufgenommen wird, daß die Erzeugnisse Pflanzenfett enthalten.

8 Auch für Keks- und Gebäckerzeugnisse mit dem ° stark färbenden ° Zusatzstoff "E 160 F" schreiben die deutschen Behörden, gestützt auf § 17 Absatz 1 Nr. 2 Buchstaben b und c LMBG, eine zusätzliche Angabe in der Etikettierung vor, damit der Verbraucher nicht irrtümlich annimmt, das Erzeugnis enthalte Eier oder mehr Eier, als dies tatsächlich der Fall ist.

9 In beiden Fällen betrifft das fragliche Erfordernis sowohl in Deutschland hergestellte als auch aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Erzeugnisse. Weder die Kommission noch die anderen Mitgliedstaaten wurden von der streitigen Regelung unterrichtet.

10 In der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 6. August 1992 betreffend den Zusatzstoff "E 160 F" vertrat die Kommission die Auffassung, die Bundesrepublik Deutschland habe gegen Artikel 30 des Vertrages sowie gegen die Artikel 6 und 16 der Richtlinie verstossen. Ferner äusserte sie in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 14. Januar 1993 betreffend Sauce hollandaise und Sauce béarnaise die Ansicht, die Bundesrepublik Deutschland habe dadurch, daß sie die erwähnten besonderen Angaben verlangt habe, gegen die Artikel 30 ff. des Vertrages und gegen Artikel 5 der Richtlinie verstossen.

11 Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie ist als Verkehrsbezeichnung die Bezeichnung zu verwenden, "die in den diesbezueglichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist, und, bei Fehlen einer solchen, die verkehrsübliche Bezeichnung in dem Mitgliedstaat, in dem die Abgabe an den Endverbraucher erfolgt, oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von ähnlichen Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte".

12 Artikel 6 der Richtlinie regelt die Verpflichtung, in der Etikettierung der Erzeugnisse das Zutatenverzeichnis anzugeben. Gemäß Artikel 6 Absatz 6 Unterabsatz 1 können, falls Gemeinschaftsvorschriften fehlen, "die einzelstaatlichen Vorschriften... für bestimmte Lebensmittel vorsehen, daß bei ihrer Verkehrsbezeichnung eine oder mehrere bestimmte Zutaten angegeben werden müssen". Gemäß Artikel 6 Absatz 6 Unterabsatz 2 findet das Verfahren des Artikels 16 auf einzelstaatliche Vorschriften Anwendung.

13 Artikel 16 lautet:

"Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so gilt folgendes Verfahren:

1. Behält ein Mitgliedstaat seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei, so unterrichtet er hiervon die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie.

2. Hält ein Mitgliedstaat es für erforderlich, neue Rechtsvorschriften zu erlassen, so teilt er der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten die in Aussicht genommenen Maßnahmen mit einer Begründung mit. Die Kommission konsultiert die Mitgliedstaaten im Ständigen Lebensmittelausschuß, wenn sie die Konsultierung für zweckdienlich hält oder wenn ein Mitgliedstaat dies beantragt.

Ein Mitgliedstaat kann die in Aussicht genommenen Maßnahmen erst drei Monate nach dieser Mitteilung und unter der Bedingung treffen, daß er vorher keine gegenteilige Stellungnahme der Kommission erhalten hat.

In letzterem Fall leitet die Kommission vor Ablauf der vorgenannten Frist das Verfahren des Artikels 17 ein, um beschließen zu lassen, ob die in Aussicht genommenen Maßnahmen ° gegebenenfalls mit geeigneten Änderungen ° zur Anwendung gebracht werden können."

Verstoß gegen die Artikel 6 und 16 der Richtlinie

14 Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland vor, sie habe in bestimmten Fällen eine zusätzliche Angabe in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung vorgeschrieben, ohne das Unterrichtsverfahren gemäß Artikel 16 der Richtlinie eingehalten zu haben. Dadurch habe sie gegen die Artikel 6 und 16 der Richtlinie verstossen.

15 Die Bundesrepublik Deutschland ist im Gegenteil der Auffassung, sie habe gegen keine dieser Vorschriften verstossen. Das dort geregelte Unterrichtsverfahren finde nämlich nur auf einzelstaatliche Vorschriften Anwendung, die "für bestimmte Lebensmittel" vorsähen, daß bei ihrer Verkehrsbezeichnung eine oder mehrere bestimmte Zutaten angegeben werden müssten. Dies sei bei den §§ 17 und 47 a Absatz 4 LMBG, bei denen es sich um eine in Anlehnung an Artikel 2 der Richtlinie erlassene Generalklausel zum Schutz der Verbraucher handele, deren Anwendungsbereich nicht auf "bestimmte Lebensmittel" beschränkt sei, nicht der Fall. Die von den Behörden in Einzelfällen zur Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Maßnahmen stellten keine "Vorschriften" im Sinne der Richtlinie dar.

16 Nur in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 6. August 1992 betreffend den Zusatzstoff "E 160 F" wird ein Verstoß gegen die Artikel 6 und 16 der Richtlinie gerügt. Zudem bezieht sich Nummer 12 dieser Stellungnahme auf "diese deutsche Vorschrift" , womit nur § 17 LMBG, die einzige zuvor erwähnte deutsche Vorschrift, gemeint sein kann.

17 Aus Artikel 6 Absatz 6 ergibt sich jedoch eindeutig, daß die dort genannten Gemeinschaftsvorschriften und einzelstaatlichen Vorschriften "bestimmte Lebensmittel" und "eine oder mehrere... Zutaten" betreffen müssen. Artikel 6 Absatz 6 gilt also nicht für allgemeine Vorschriften, wie die §§ 17 und 47 LMBG, auch wenn die Anwendung dieser Vorschriften durch die zuständigen Behörden in der Praxis darauf hinauslaufen kann, daß für die Etikettierung der Erzeugnisse zusätzlich zur Verkehrsbezeichnung eine Angabe über die Verwendung einer oder mehrerer Zutaten verlangt wird.

18 Nach alledem ist die Rüge des Verstosses gegen die Artikel 6 und 16 der Richtlinie zurückzuweisen.

Verstoß gegen Artikel 30 des Vertrages und Artikel 5 der Richtlinie

19 Die Kommission ist der Auffassung, die Verpflichtung, in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung der fraglichen Waren anzugeben, daß ihre Zusammensetzung nicht den inländischen Rezepturvorschriften entspreche, sei mit Artikel 5 der Richtlinie und den Artikeln 30 ff. EG-Vertrag unvereinbar.

20 Im Hinblick auf Artikel 30 macht die Kommission geltend, durch die deutsche Regelung werde dem eingeführten Erzeugnis eine Verkehrsbezeichnung vorenthalten, auf die es im Herstellungsmitgliedstaat Anrecht habe, und ihm werde eine dem Verbraucher weniger bekannte und von ihm weniger geschätzte Bezeichnung vorgeschrieben; dies könne das Inverkehrbringen in Deutschland erschweren und daher den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zumindest mittelbar behindern.

21 Eine solche Beschränkung sei jedoch nicht zur Erreichung eines gemeinschaftlich gerechtfertigten Zieles, namentlich des von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Verbraucherschutzes, erforderlich.

22 Die deutsche Regierung vertritt die gegenteilige Auffassung. Zwar stellten die fraglichen Anforderungen Hemmnisse für den freien Warenverkehr dar, doch seien diese Hemmnisse durch die Erfordernisse des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt.

23 Im Hinblick auf das erste Ziel macht die deutsche Regierung geltend, Lebensmittel würden vom Verbraucher oftmals ohne eingehende Produktprüfung eingekauft. Dieser treffe seine Kaufentscheidung anhand von Leitbegriffen wie der Verkehrsbezeichnung und den dort vorgenommenen weiteren Angaben.

24 Wäre für Sauce hollandaise und Sauce béarnaise die streitige Angabe nicht vorgeschrieben, so könnte der Verbraucher folglich die Erzeugnisse in der Annahme kaufen, sie seien gemäß den deutschen Rezepturvorschriften, also aus Eiern und Butter, hergestellt, während tatsächlich Pflanzenfett verwendet worden sei.

25 Das gleiche gelte hinsichtlich des in Keks- und Gebäckerzeugnissen enthaltenen Zusatz- oder Farbstoffs "E 160 F". In diesem Fall sei ein besonderer Hinweis in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung erforderlich, weil die intensive Gelbfärbung des Endprodukts auf einen hohen Eigelbgehalt hindeute und damit für den Verbraucher irreführend sei.

26 Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe selbst für bestimmte Erzeugnisse besondere Angaben in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung vorgeschrieben. Entgegen dem Vorbringen der Kommission hätten die entsprechenden besonderen Anforderungen des deutschen Rechts nicht zur Folge, daß die fraglichen Erzeugnisse weniger geschätzt würden. Sie sollten lediglich die Aufmerksamkeit der deutschen Verbraucher auf Zutaten lenken, mit deren Vorhandensein sie nicht rechneten.

27 Zum Erfordernis der Gewährleistung der Lauterkeit des Handelsverkehrs führt die deutsche Regierung aus, durch die Verwendung von Zutaten wie Pflanzenfett, die billiger als Eier und Butter seien, könne sich für Hersteller eingeführter Erzeugnisse ein erheblicher Wettbewerbsvorteil ergeben; dieser sei unzulässig, da die Verbraucher nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Herstellungsmethoden unterschieden.

28 Dieses Vorbringen ist nicht begründet.

29 Nach ständiger Rechtsprechung stellen Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, daß Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen (wie etwa hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer Form, ihren Abmessungen, ihres Gewichts, ihrer Zusammensetzung, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung), selbst dann, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, nach Artikel 30 des Vertrages verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung dar, sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht (Urteil vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097, Randnr. 15).

30 Im vorliegenden Fall betreffen die streitigen Anforderungen, die unterschiedslos für inländische und für eingeführte Erzeugnisse gelten, die Etikettierung und die Verpackung der fraglichen Erzeugnisse. Sie stellen also nach Artikel 30 verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung dar, sofern sie sich nicht gemäß der angeführten Rechtsprechung rechtfertigen lassen.

31 Fehlt es wie im vorliegenden Fall an einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene, so sind nationale Maßnahmen, die erforderlich sind, um eine korrekte Bezeichnung der Erzeugnisse sicherzustellen und dabei jede Verwechslung beim Verbraucher zu verhindern und die Lauterkeit des Handels zu gewährleisten, mit den Artikeln 30 ff. des Vertrages vereinbar (siehe insbesondere Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 216/84, Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 793, Randnr. 11).

32 Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die streitigen Anforderungen, wie die deutsche Regierung ausführt, erforderlich sind, um eine korrekte Information der Verbraucher zu gewährleisten.

33 Zwar lässt sich nicht ausschließen, daß es in bestimmten Fällen erforderlich sein kann, einen Zusatz zur Verkehrsbezeichnung zu verlangen, damit jede Verwechslung beim Verbraucher verhindert wird. Eine solche im übrigen in Artikel 6 Absatz 6 der Richtlinie vorgesehene Anforderung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.

34 Wie der Generalanwalt in Nummer 39 seiner Schlussanträge ausführt, ist nämlich davon auszugehen, daß Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen, dessen Angabe Artikel 6 der Richtlinie vorschreibt. Zwar werden die Verbraucher möglicherweise in Einzelfällen irregeführt, jedoch ist diese Gefahr gering und kann folglich das durch die streitigen Anforderungen begründete Hemmnis für den freien Warenverkehr nicht rechtfertigen.

35 Ferner ist zu prüfen, ob streitige Maßnahmen durch das Erfordernis der Gewährleistung der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt sind, das nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls Hemmnisse für den freien Warenverkehr rechtfertigen kann (siehe insbesondere Urteil vom 26. November 1985 in der Rechtssache 182/84, Miro, Slg. 1985, 3731).

36 Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung kann der Wettbewerbsvorteil, der sich für bestimmte Hersteller aus der Verwendung billigerer Erzeugnisse ergeben könnte, nicht mit der Begründung als unzulässig angesehen werden, daß die Verbraucher nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Herstellungsmethoden unterschieden. Wie ausgeführt wurde, ist die Information der Verbraucher, die auf die Zusammensetzung des Erzeugnisses achten, hinreichend durch das Zutatenverzeichnis gewährleistet, das gemäß Artikel 6 der Richtlinie in die Etikettierung des Erzeugnisses aufgenommen werden muß. Wie der Generalanwalt in Nummer 40 seiner Schlussanträge bemerkt hat, steht es den Herstellern jedenfalls frei, diese Verbraucher auf die Verwendung traditioneller Erzeugnisse hinzuweisen.

37 Die streitigen Anforderungen sind nach alledem nicht erforderlich, um den Verbraucherschutz und die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu gewährleisten; sie sind folglich mit Artikel 30 des Vertrages unvereinbar.

38 Nach Auffassung der Kommission gestattet es Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie den Mitgliedstaaten in Anbetracht des allgemeinen Inhalts der Richtlinie nicht, vorzuschreiben, daß in die Verkehrsbezeichnungen Angaben einzufügen sind, die über das Ziel einer korrekten Verbraucherinformation hinausgehen, und hierdurch das Inverkehrbringen von inländischen oder eingeführten Erzeugnissen auszuschließen, die sich wie die fraglichen Erzeugnisse nicht wesentlich von Erzeugnissen unterscheiden, die in der Gemeinschaft allgemein unter der gleichen Bezeichnung bekannt sind.

39 Die deutsche Regierung macht geltend, nach dieser Vorschrift sei der nationale Gesetzgeber berechtigt, das in seinem Land vorherrschende Verständnis einer Verkehrsbezeichnung zugrunde zu legen, um die korrekte Information der Verbraucher über die tatsächliche Art und Beschaffenheit der jeweils betroffenen Erzeugnisse zu gewährleisten.

40 Insoweit genügt der Hinweis, daß sich die in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie enthaltene Voraussetzung, daß die zusätzlichen Angaben in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung zur Information der Verbraucher erforderlich sein müssen, auch aus Artikel 30 des Vertrages ergibt und diese Rüge folglich nicht selbständig ist.

41 Nach alledem ist festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 des Vertrages verstossen hat, daß sie vorgeschrieben hat, daß mit Pflanzenfett hergestellte Sauce béarnaise und Sauce hollandaise sowie bestimmte Gebäckerzeugnisse, die den Zusatzstoff "E 160 F" enthalten, für das Inverkehrbringen in Deutschland eine zusätzliche Angabe des betreffenden Stoffes in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung aufweisen müssen, auch wenn dieser Stoff bereits im Verzeichnis der Zutaten gemäß Artikel 6 der Richtlinie aufgeführt ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EG-Vertrag verstossen, daß sie vorgeschrieben hat, daß mit Pflanzenfett hergestellte Sauce béarnaise und Sauce hollandaise sowie bestimmte Gebäckerzeugnisse, die den Zusatzstoff "E 160 F" enthalten, für das Inverkehrbringen in Deutschland eine zusätzliche Angabe des betreffenden Stoffes in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung aufweisen müssen, auch wenn dieser Stoff bereits im Verzeichnis der Zutaten gemäß Artikel 6 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür aufgeführt ist.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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