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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: C-53/03
Rechtsgebiete: EG, G Nr. 703/1977 über die Kontrolle der Monopole und Oligopole sowie den Schutz des freien Wettbewerbs (FEK A278), Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln


Vorschriften:

EG Art. 82
EG Art. 234
G Nr. 703/1977 über die Kontrolle der Monopole und Oligopole sowie den Schutz des freien Wettbewerbs (FEK A278) Art. 2
G Nr. 2941/2001 (FEK A201)
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln Art. 11 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Große) vom 31. Mai 2005. - Synetairismos Farmakopoion Aitolias & Akarnanias (Syfait) und andere gegen GlaxoSmithKline plc und GlaxoSmithKline AEVE. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Epitropi Antagonismou - Griechenland. - Zulässigkeit - Begriff des nationalen Gerichts - Missbrauch einer beherrschenden Stellung - Weigerung, Großhändler mit Arzneimitteln zu beliefern - Parallelhandel. - Rechtssache C-53/03.

Parteien:

In der Rechtssache C53/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Epitropi Antagonismou (Griechenland) mit Entscheidung vom 22. Januar 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2003, in dem Verfahren

Synetairismos Farmakopoion Aitolias & Akarnanias (Syfait) u. a.,

Panellinios syllogos farmakapothikarion,

Interfarm - A. Agelakos & Sia OE u. a.,

K. P. Marinopoulos Anonymos Etairia emporias kai dianomis farmakeftikon proïonton u. a.

gegen

GlaxoSmithKline plc,

GlaxoSmithKline AEVE, früher Glaxowellcome AEVE,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Richter C. Gulmann (Berichterstatter) und R. Schintgen sowie der Richterin N. Colneric und des Richters S. von Bahr,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Synetairismos Farmakopoion Aitolias & Akarnanias (Syfait) u. a., vertreten durch P. Kaponis und S. Orfanoudakis, dikigoroi,

- der Panellinios syllogos farmakapothikarion und K. P. Marinopoulos Anonymos Etairia emporias kai dianomis farmakeftikon proïonton u. a., vertreten durch L. Roumanias und G. Papaïoannou, dikigoroi, und Rechtsanwalt W. Rehmann,

- der Farmakeftikos Syndesmos Anonymi Emporiki Etairia, vertreten durch D. Chatzinikolis, dikigoros,

- der Interfarm A. Agelakos & Sia OE u. a., vertreten durch G. Mastorakos, dikigoros,

- der GlaxoSmithKline plc und der GlaxoSmithKline AEVE, vertreten durch D. Kyriakis, dikigoros, I. Forrester, QC, und Rechtsanwalt A. Schulz,

- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. Christoforou und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Oktober 2004

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 82 EG.

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines vor der Epitopri Antagonismou (griechische Wettbewerbskommission) geführten Verfahrens der Vereinigungen Synetairismos Farmakopoion Aitolias & Akarnanias (Syfait) u. a. (im Folgenden: Syfait u. a.) und Panellinios syllogos farmakapothikarion (im Folgenden: PSF) sowie der Unternehmen Interfarm A. Agelakos & Sia OE u. a. (im Folgenden: Interfarm u. a.) und K. P. Marinopoulos Anonymos Etairia emporias kai dianomis farmakeftikon proïonton u. a. (im Folgenden: Marinopoulos u. a.) als Beschwerdeführer gegen das Unternehmen britischen Rechts GlaxoSmithKline plc (im Folgenden: GSK plc) und ihre Tochtergesellschaft griechischen Rechts GlaxoSmithKline AEVE, früher Glaxowellcome AEVE (im Folgenden: GSK AEVE), wegen der Weigerung der beiden zuletzt genannten Unternehmen, die Bestellungen bestimmter Arzneimittel auf dem griechischen Markt auszuführen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 82 EG lautet:

Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen:

a) der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen;

b) der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher;

c) der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;

d) der an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.

Nationale Regelung

4. Artikel 2 des Gesetzes Nr. 703/1977 über die Kontrolle der Monopole und Oligopole sowie den Schutz des freien Wettbewerbs (FEK A'278) in der durch das Gesetz Nr. 2941/2001 (FEK A'201) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 703/1977) entspricht im Wesentlichen den Bestimmungen des Artikels 82 EG.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

5. Bei Syfait u. a. handelt es sich um in Griechenland ansässige Genossenschaften von Apothekern. Ihre Haupttätigkeit besteht in der Unterhaltung eines genossenschaftlichen Lagers für Arzneimittel, die sie von verschiedenen Pharmaunternehmen kaufen, um den Bedarf ihrer Mitglieder zu decken.

6. PSF ist eine Vereinigung von Arzneimittelgroßhändlern mit Sitz in Griechenland und verteidigt deren Interessen.

7. Interfarm u. a. sind in Griechenland ansässige Arzneimittelgroßhändler. Bei Marinopoulos u. a. handelt es sich um in Griechenland tätige Unternehmen des Arzneimittelhandels.

8. GSK AEVE hat ihren Sitz in Griechenland und wird vollständig von GSK plc kontrolliert, einem Arzneimittelhersteller mit Sitz im Vereinigten Königreich, der aus dem Zusammenschluss der Unternehmen Glaxowellcome plc und SmithKline Beecham im Jahr 2000 hervorgegangen ist.

9. GSK AEVE importiert und vertreibt eine Vielzahl von Fertigarzneimitteln, darunter Imigran, Lamictal und Serevent. Dabei handelt es sich um Originalarzneimittel, die aus der Forschung und der Technologie hervorgegangen sind und in die Kategorie der rezeptpflichtigen Arzneimittel fallen.

10. Sowohl die Mitglieder von Syfait u. a. und von PSF als auch Interfarm u. a. und Marinopoulos u. a. kaufen von GSK AEVE die genannten Arzneimittel in allen ihren Formen, um sie anschließend sowohl im Inland als auch im Ausland zu vertreiben.

11. Bis November 2000 führte GSK AEVE alle bei ihr aufgegebenen Bestellungen aus. Ein Großteil der den Bestellungen entsprechenden Lieferungen wurde wieder in andere Mitgliedstaaten ausgeführt, insbesondere in das Vereinigte Königreich, und zwar wegen des deutlich niedrigeren Preises der Arzneimittel Imigran, Lamictal und Serevent in Griechenland.

12. Anfang November 2000 änderte GSK AEVE unter Berufung auf erhebliche Versorgungsmängel auf dem griechischen Markt, die sie auf die Wiederausfuhr durch Dritte zurückführte, ihr Vertriebssystem in Griechenland, stellte die Ausführung der Bestellungen der Beschwerdeführer und anderer Dritter ein und erklärte, man werde Krankenhäuser und Apotheken direkt beliefern.

13. Im Februar 2001 ersetzte GSK AEVE unter Hinweis auf eine gewisse Normalisierung der Versorgung mit Arzneimitteln und den Wiederaufbau des Lagerbestands der Krankenhäuser und Apotheken die vorherige Absatzpolitik durch ein anderes Vertriebssystem.

14. Die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens wandten sich in Bezug auf die von GSK AEVE vorgenommene Vermarktung der Arzneimittel Imigran, Lamictal und Serevent auf dem griechischen Markt im Rahmen der Vertriebssysteme, die seit November 2000 aufeinander gefolgt waren, an die Epitropi Antagonismou. Sie warfen der Firma vor, dass sie die bei ihr aufgegebenen Bestellungen nicht in vollem Umfang ausführe. Ein solches Verhalten stelle einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 2 des Gesetzes Nr. 703/1977 und des Artikels 82 EG dar.

15. Mit der Entscheidung Nr. 193/111 über Sicherungsmaßnahmen vom 3. August 2001 verpflichtete die Epitropi Antagonismou GSK AEVE, bis zum Erlass der Entscheidung zur Hauptsache die Bestellungen der drei betreffenden Arzneimittel auszuführen. GSK AEVE beantragte beim Dioikitiko Efeteio Athinon (Verwaltungsgericht Athen), den Vollzug dieser Entscheidung auszusetzen. Diese wurde jedoch am 10. Januar 2002 bestätigt und war bei Erlass der Vorlageentscheidung noch immer in Kraft.

16. Die Epitropi Antagonismou führt aus, dass sich GSK AEVE zumindest so weit an die mit der Entscheidung Nr. 193/111 angeordneten Sicherungsmaßnahmen gehalten habe, wie sie von GSK plc beliefert worden sei. Diese Belieferung habe die Nachfrage auf dem Inlandsmarkt überschritten. Die der Epitropi Antagonismou von GSK AEVE vorgelegten Beweismittel zeigten jedoch, dass die Bestellungen dieses Niveau insbesondere im September 2001 erheblich überschritten hätten, so dass nicht alle Bestellungen hätten ausgeführt werden können.

17. In ihrer Vorlageentscheidung erläutert die Epitropi Antagonismou, dass GSK AEVE und GSK plc gemäß dem Rundschreiben des Ethnikos Organismos Farmakon (Nationale Arzneimittelbehörde) vom 27. November 2001 gehandelt hätten, wonach alle am Vertrieb rezeptpflichtiger Arzneimittel Beteiligten den Inlandsmarkt wenigstens mit Mengen in Höhe der laufenden Verschreibungen und einem zusätzlichen Prozentsatz (25 %) für eventuellen außergewöhnlichen Bedarf und eine Änderung der Verhältnisse beliefern müssen.

18. Außerdem stellte GSK AEVE am 5. Dezember 2001 bei der Epitropi Antagonismou einen Antrag auf ein Negativattest gemäß Artikel 11 des Gesetzes Nr. 703/1977 in Bezug auf ihre Weigerung, mehr als 125 % des griechischen Bedarfs zu decken.

19. Sowohl mit diesem Antrag von GSK AEVE auf ein Negativattest als auch mit den Beschwerden von Syfait u. a., PSF, Interfarm u. a. und Marinopoulos u. a. gegenüber GSK AEVE und GSK plc befasst, fragt sich die Epitropi Antagonismou, inwieweit die Weigerung der beiden letztgenannten Unternehmen, die von den Beschwerdeführern aufgegebenen Bestellungen in vollem Umfang auszuführen, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 82 EG darstellt. Liege ein solcher Missbrauch nicht vor, könne sie feststellen, inwieweit die Voraussetzungen für die Erteilung des von GSK AEVE beantragten Negativattests erfüllt seien.

20. Die Epitropi Antagonismou hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Weigerung eines Unternehmens in einer beherrschenden Stellung, die an dieses Unternehmen gerichteten Bestellungen der Arzneimittelgroßhändler in vollem Umfang zu erledigen, missbräuchlich im Sinne von Artikel 82 EG, wenn sie auf die Absicht des Unternehmens zurückzuführen ist, die Exporttätigkeit einzuschränken und damit den ihm durch den Parallelhandel entstehenden Schaden zu begrenzen? Hat es einen Einfluss auf diese Frage, dass der Parallelhandel wegen der auf staatliches Eingreifen zurückzuführenden unterschiedlichen Preise in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die Großhandelsunternehmen besonders einträglich ist, d. h., dass auf dem Arzneimittelmarkt nicht unverfälscht Wettbewerbsbedingungen herrschen, sondern ein in hohem Maß durch staatliches Eingreifen geprägtes System? Ist schließlich eine nationale Wettbewerbsbehörde verpflichtet, auf Märkte, die wettbewerblich funktionieren, und auf solche, auf denen der Wettbewerb durch staatliche Eingriffe verzerrt wird, die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in gleicher Weise anzuwenden?

2. Wie ist die eventuelle Missbräuchlichkeit zu beurteilen, wenn der Gerichtshof der Ansicht sein sollte, dass die Beschränkung des Parallelhandels aus den oben dargelegten Gründen bei Ausübung durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung nicht auf jeden Fall eine missbräuchliche Verhaltensweise darstellt?

Im Einzelnen:

a) Ist ein geeignetes Kriterium der Prozentsatz der Überschreitung des gewöhnlichen Inlandsverbrauchs und/oder des Schadens, der dem Unternehmen in beherrschender Stellung im Verhältnis zu seinem Gesamtumsatz oder seinem Gesamtgewinn entsteht? Wenn ja, wie sind die Höhe des genannten Prozentsatzes der Überschreitung und die Höhe des genannten Schadens zu bestimmen, und zwar Letzterer als Prozentsatz des Umsatzes und des Gesamtgewinns, jenseits dessen das fragliche Verhalten missbräuchlich oder nicht missbräuchlich ist?

b) Stellt eine Interessenabwägung einen geeigneten Ansatz dar, und, wenn ja, welche Interessen sind dabei zu berücksichtigen?

Im Einzelnen:

i) Hat es einen Einfluss auf die Antwort, dass der Endverbraucher und Patient einen begrenzten wirtschaftlichen Vorteil aus dem Parallelhandel hat?

ii) Ist das Interesse der Sozialversicherungsträger an billigeren Arzneimitteln zu berücksichtigen und gegebenenfalls in welchem Umfang?

c) Welche anderen Kriterien und Ansätze werden im vorliegenden Fall als geeignet angesehen?

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes

21. Vorab ist zu prüfen, ob die Epitropi Antagonismou ein Gericht im Sinne von Artikel 234 EG ist und der Gerichtshof demnach für die Entscheidung über die ihm vorgelegten Fragen zuständig ist.

Die nationale Regelung über die Epitropi Antagonismou

22. Artikel 8 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 703/1977 bestimmt:

Es wird eine Wettbewerbskommission [Epitropi Antagonismou] errichtet, die als unabhängige Behörde tätig ist. Ihre Mitglieder genießen persönliche und funktionale Unabhängigkeit und sind in der Ausübung ihres Amtes nur an das Recht und ihr Gewissen gebunden. Die Epitropi Antagonismou ist administrativ und wirtschaftlich selbständig. Sie unterliegt der Aufsicht des Ministers für... [Entwicklung].

23. Die Epitropi Antagonismou hat neun Mitglieder, die entsprechend der in Artikel 8 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 703/1977 vorgesehenen Zusammensetzung ernannt werden. Vier Mitglieder werden ebenso wie ihre Stellvertreter vom Entwicklungsminister aus Listen von drei Personen ausgewählt, die ihm von vier Berufsverbänden vorgelegt werden. Zu den anderen Mitgliedern gehören ein Mitglied des Juristischen Rates des Staates oder ein anderer hochrangiger Beamter des Justizwesens, zwei Hochschullehrer, darunter ein Rechts und ein Wirtschaftswissenschaftler, und zwei anerkannte Persönlichkeiten mit der erforderlichen Erfahrung in Fragen des Wirtschaftsrechts und der Wettbewerbspolitik. Nach Artikel 8 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 703/1977 werden die Mitglieder der Epitropi Antagonismou sowie ihre Stellvertreter vom Entwicklungsminister für eine Amtszeit von drei Jahren ernannt.

24. In Artikel 8 Absatz 6 des Gesetzes Nr. 703/1977 heißt es:

Der Präsident der Epitropi Antagonismou und sein Stellvertreter werden vom Minister [für Entwicklung] unter den Mitgliedern [der Epitropi Antagonismou] bestimmt.... Der Präsident der Epitropi Antagonismou ist Beamter; er nimmt während seiner gesamten Amtszeit ausschließlich diese Aufgabe wahr...

25. Artikel 8 Absatz 7 des Gesetzes Nr. 703/1977 lautet:

Während der Dauer ihrer Amtszeit üben der Präsident und die Mitglieder weder entgeltlich noch unentgeltlich andere öffentliche Ämter oder private Erwerbstätigkeiten, sei es in einem Unternehmen oder anderswo, aus, die mit der Tätigkeit und den Pflichten eines Mitglieds der Epitropi Antagonismou unvereinbar sind.

26. Was die Beziehungen zwischen der Epitropi Antagonismou und ihrem Sekretariat angeht, so bestimmt Artikel 8c Absatz 1 Buchstabe b des Gesetzes Nr. 703/1977:

Der Präsident koordiniert und leitet das Sekretariat [der Epitropi Antagonismou].

27. Artikel 8c Absatz 1 Buchstabe d des Gesetzes Nr. 703/1977 bestimmt:

Der Präsident ist der Dienstvorgesetzte des Personals des Sekretariats der Epitropi Antagonismou und übt die Disziplinargewalt über dieses Personal aus.

28. Nach Artikel 8c Absatz 3 des Gesetzes Nr. 703/1977 kann der Präsident der Epitropi Antagonismou den Generaldirektor oder die Direktoren des Sekretariats der Epitropi Antagonismou ermächtigen, einen Teil seiner Befugnisse wahrzunehmen. Der Generaldirektor des Sekretariats wird nach Artikel 8d Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes Nr. 703/1977 durch Entscheidung des Entwicklungsministers im Einvernehmen mit der Epitropi Antagonismou für drei Jahre ernannt; eine Verlängerung der Amtszeit ist zulässig.

Würdigung durch den Gerichtshof

29. Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Gerichtshof für die Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob die vorlegende Einrichtung den Charakter eines Gerichts im Sinne von Artikel 234 EG hat, auf eine Reihe von Merkmalen ab, wie die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit (vgl. u. a. Urteile vom 17. September 1997 in der Rechtssache C54/96, Dorsch Consult, Slg. 1997, I4961, Randnr. 23, vom 21. März 2000 in den Rechtssachen C110/98 bis C147/98, Gabalfrisa u. a., Slg. 2000, I1577, Randnr. 33, vom 30. November 2000 in der Rechtssache C195/98, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Slg. 2000, I10497, Randnr. 24, und vom 30. Mai 2002 in der Rechtssache C516/99, Schmid, Slg. 2002, I4573, Randnr. 34). Außerdem können die nationalen Gerichte den Gerichtshof nur dann anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt (vgl. u. a. Urteile vom 12. November 1998 in der Rechtssache C134/97, Victoria Film, Slg. 1998, I7023, Randnr. 14, und Österreichischer Gewerkschaftsbund, Randnr. 25).

30. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Epitropi Antagonismou der Aufsicht des Entwicklungsministers untersteht. Zu einer solchen Aufsicht gehört auch, dass der Minister befugt ist, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Epitropi Antagonismou innerhalb bestimmter Grenzen zu überprüfen.

31. Sodann genießen die Mitglieder der Epitropi Antagonismou zwar nach dem Gesetz Nr. 703/1977 persönliche und funktionale Unabhängigkeit und sind in der Ausübung ihres Amtes nur an das Recht und ihr Gewissen gebunden; gegen ihre Abberufung oder den Widerruf ihrer Ernennung sind sie aber offenbar nicht durch besondere Garantien geschützt. Ein solches System erscheint nicht geeignet, ungebührliche Eingriffe oder Pressionen der Exekutive gegenüber den Mitgliedern der Epitropi Antagonismou wirksam zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Februar 1999 in der Rechtssache C103/97, Köllensperger und Atzwanger, Slg. 1999, I551, Randnr. 21).

32. Ferner ist der Präsident der Epitropi Antagonismou gemäß Artikel 8c Absatz 1 Buchstaben b und d des Gesetzes Nr. 703/1977 zum einen mit der Koordination und der allgemeinen Ausrichtung des Sekretariats beauftragt, und zum anderen ist er der Dienstvorgesetzte des Personals des Sekretariats und übt die Disziplinargewalt über dieses Personal aus.

33. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Gerichtshof in den Randnummern 39 und 40 des Urteils Gabalfrisa u. a. die Tribunales EconómicoAdministrativos (Spanien) gegenüber den mit der Verwaltung, der Erhebung und der Berechnung der Mehrwertsteuer betrauten Stellen der Steuerverwaltung als Dritte angesehen hat, und zwar insbesondere aufgrund der funktionalen Trennung, die zwischen ihnen und diesen Stellen bestand. Die Epitropi Antagonismou, ein Entscheidungsorgan, soweit sie eine funktionale Verbindung mit ihrem Sekretariat, einem Untersuchungsorgan, auf dessen Vorschlag sie entscheidet, aufweist, ist jedoch nicht eindeutig als Dritter gegenüber dem staatlichen Organ erkennbar, das aufgrund seiner Rolle eher einer Partei in einem Wettbewerbsverfahren ähnelt.

34. Schließlich ist eine Wettbewerbsbehörde wie die Epitropi Antagonismou verpflichtet, eng mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten, und kann nach Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) ihre Zuständigkeit durch eine Entscheidung der Kommission verlieren. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass dieser Artikel 11 Absatz 6 im Wesentlichen die Vorschrift des Artikels 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages [jetzt Artikel 81 EG und 82 EG] (ABl. 1962, 13, S. 204), aufrechterhält, wonach die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten automatisch ihre Zuständigkeit verlieren, sobald die Kommission ein Verfahren einleitet (vgl. hierzu siebzehnte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1/2003).

35. Der Gerichtshof kann aber nur von einer Einrichtung angerufen werden, die im Rahmen eines Verfahrens, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt, einen bei ihr anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden hat (vgl. Urteile Victoria Film, Randnr. 14, und Österreichischer Gewerkschaftsbund, Randnr. 25).

36. Jedesmal, wenn die Kommission einer nationalen Wettbewerbsbehörde wie der Epitropi Antagonismou die Zuständigkeit entzieht, wird das bei dieser Behörde eingeleitete Verfahren nicht zu einer Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter führen.

37. Aus den untersuchten Umständen, insgesamt betrachtet, ergibt sich, dass die Epitropi Antagonismou keinen Gerichtscharakter im Sinne von Artikel 234 EG hat.

38. Der Gerichtshof ist daher für die Beantwortung der von der Epitropi Antagonismou vorgelegten Fragen nicht zuständig.

Kosten

39. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Bestandteil des bei der Epitropi Antagonismou anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher deren Sache. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist für die Beantwortung der von der Epitropi Antagonismou mit Entscheidung vom 22. Januar 2003 vorgelegten Fragen nicht zuständig.

Ende der Entscheidung

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