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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: C-54/05
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 226
EG Art. 28
EG Art. 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. März 2007

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Art. 28 EG und Art. 30 EG - Einfuhr eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs - Pflicht zur Einholung einer Überführungserlaubnis"

Parteien:

In der Rechtssache C-54/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. Februar 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und M. Huttunen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter P. Kuris, J. Makarczyk (Berichterstatter), L. Bay Larsen und J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2006,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Januar 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG verstoßen hat, dass sie für Kraftfahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig zugelassen und in Betrieb sind, eine Überführungserlaubnis vorschreibt.

Rechtlicher Rahmen

2 Nach § 1 des Gesetzes Nr. 1482/1994 vom 29. Dezember 1994 über die Kraftfahrzeugsteuer (Autoverolaki [1482/1994]) ist diese Steuer (autovero, im Folgenden: Zulassungssteuer) vor Zulassung und Inbetriebnahme von Personenkraftwagen in Finnland an den Staat zu entrichten.

3 Nach § 2 des Gesetzes "gilt als Inbetriebnahme in Finnland die Inbetriebnahme des Fahrzeugs im Verkehr in Finnland, und zwar auch dann, wenn das Fahrzeug in Finnland nicht zugelassen ist".

4 § 35 des Gesetzes sieht Ausnahmen von der Pflicht zur Entrichtung der Zulassungssteuer vor, insbesondere für die Fahrzeuge, die mit einer Überführungserlaubnis benutzt werden.

5 Nach § 8 des Gesetzes Nr. 1090/2002 vom 11. Dezember 2002 über Kraftfahrzeuge (Ajoneuvolaki [1090/2002]) bedürfen "alle Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger ... einer Zulassung und unterliegen einer technischen Überprüfung, soweit in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmt ist. Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger ... die nicht ordnungsgemäß zugelassen oder technisch überprüft sind, dürfen nicht in Betrieb genommen werden."

6 Nach § 64 des Gesetzes können durch Verordnung Ausnahmen von der Kraftfahrzeugzulassung vorgesehen werden. § 8 der Verordnung Nr. 1598/1995 vom 18. Dezember 1995 über die Zulassung von Fahrzeugen (Asetus ajoneuvojen rekisteröinnistä [1598/1995]) (im Folgenden: Zulassungsverordnung) behandelt diese Ausnahmen.

7 § 8 Abs. 2 der Verordnung lautet:

"Ein im Ausland zugelassenes oder mit vorläufigem Nummernschild versehenes Kraftfahrzeug kann in Finnland unter den Voraussetzungen der §§ 46 bis 48, 48a, 49 bis 51, 51a, 51b und 52 bis 56 ohne Anmeldung zur Zulassung in Betrieb genommen werden. Das Gleiche gilt für den Betrieb eines Kraftfahrzeugs, für das eine Überführungserlaubnis erteilt wurde."

8 § 48 der Verordnung bestimmt:

"1. Die für die Zulassung zuständige Stelle sowie die Zollverwaltung können auf Antrag eine schriftliche Überführungserlaubnis, die zur Benutzung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr berechtigt, erteilen, damit das Fahrzeug zur technischen Überprüfung vorgeführt werden kann oder, wenn es in Finnland nicht zugelassen ist, dort überführt oder ausgestellt werden oder an einem Automobilrennen teilnehmen oder für Vorführzwecke verwendet werden kann oder wenn andere besondere Gründe vorliegen. Die (selbstklebenden) Überführungsnummernschilder werden bei Erteilung der Überführungserlaubnis ausgegeben.

2. Die Überführungserlaubnis wird erteilt, sofern für das Kraftfahrzeug eine gültige Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht und [die] jährlichen Steuern für Fahrzeuge mit Dieselmotor [moottoriajoneuvovero] oder Benzinmotor [ajoneuvovero] entrichtet sind.

3. Die Überführungserlaubnis wird für die zum Betrieb des Kraftfahrzeugs erforderliche Zeit erteilt. Die Geltungsdauer der Erlaubnis darf außer aus wichtigem Grund sieben Tage nicht überschreiten. Die Teilnahme an Rennfahrten ist kein wichtiger Grund.

4. Ein Kraftfahrzeug darf mit einer Überführungserlaubnis nicht betrieben werden, wenn es aufgrund seines Zustands, seiner Größe oder seines Gewichts nicht benutzt werden kann."

9 Die in § 48 Abs. 2 der Zulassungsverordnung erwähnten jährlichen Steuern wurden durch eine durch das Gesetz Nr. 1281/2003 vom 30. Dezember 2003 über die jährliche Kraftfahrzeugsteuer (Ajoneuvoverolaki) eingeführte neue jährliche Steuer (ajoneuvovero) ersetzt. Die Fahrzeuge, für die eine Überführungserlaubnis erteilt wurde, sind von dieser jährlichen Steuer gemäß § 12 Abs. 10 dieses Gesetzes befreit.

10 § 21 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1116/2003 vom 18. Dezember 2003 über die Angaben im Kraftfahrzeugregister (Valtioneuvoston asetus ajoneuvoliikennerekisterin tiedoista [1116/2003]) nennt die Angaben in der Überführungserlaubnis, die in das Kraftfahrzeugregister übertragen werden.

"... Aus der Überführungserlaubnis werden in das Register übertragen: der Name, die Anschrift, die Personennummer oder die Nummer des Unternehmens oder der Gesellschaft des Erlaubnisinhabers, das Fabrikat des Fahrzeugs, der Typ, die Seriennummer, die Zulassungsnummer, die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, das Datum der Erteilung der Erlaubnis und die erteilende Behörde, die Gültigkeitsdauer, der Bestimmungszweck, die erlaubnisgebundenen Zahlungen und gegebenenfalls die Fahrtstrecke."

Vorverfahren

11 Nachdem bei der Kommission mehrere Beschwerden eingegangen waren, die sich gegen die finnischen Rechtsvorschriften und die Praxis der finnischen Behörden bezüglich der Erteilung der bei Einfuhr eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeugs vorgeschriebenen Überführungserlaubnis richteten, sandte sie am 17. Mai 2002 ein Schreiben an die Republik Finnland, in dem sie um Erläuterungen zu den Vorschriften und der fraglichen Praxis bat.

12 Da die Kommission die Antworten dieses Mitgliedstaats nicht für ausreichend hielt, leitete sie das Vorverfahren mit einem Aufforderungsschreiben vom 9. April 2003 ein, in dem sie darauf hinwies, dass die Verpflichtung für in Finnland ansässige Personen, schon beim Überschreiten der finnischen Grenze eine Überführungserlaubnis zu beantragen, den freien Warenverkehr beschränke und damit gegen Art. 28 EG verstoße. Sie wies auch darauf hin, dass die Gültigkeitsdauer der Überführungserlaubnis von sieben Tagen zu kurz sei und somit für sich genommen gegen diese Bestimmung verstoße.

13 Die Kommission forderte die Republik Finnland mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 16. Dezember 2003 auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

14 Da die Republik Finnland ihre ursprünglichen Ausführungen wiederholte und der Stellungnahme innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht nachkam, hat die Kommission nach Art. 226 Abs. 2 EG die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

15 Die Kommission ist der Auffassung, die Art. 28 EG und 30 EG stünden der durch die Zulassungsverordnung aufgestellten Regelung der Überführungserlaubnis entgegen. Für den Fall, dass der Gerichtshof keine derartige Vertragsverletzung feststellen sollte, macht sie hilfsweise geltend, dass die Gültigkeitsdauer der Erlaubnis - sieben Tagen - so kurz sei, dass sie als solche gegen diese Artikel verstoße.

16 Die Kommission wertet das Verfahren der Überführungserlaubnis als eine Verwaltungsstufe, die dem eigentlichen Kraftfahrzeugzulassungsverfahren vorgeschaltet werde, wenn eine in Finnland ansässige Person ein in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig zugelassenes Kraftfahrzeug einführen wolle.

17 Die Einführung einer solchen Erlaubnis trage die Merkmale einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung oder einer Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 28 EG, da eine in Finnland wohnhafte Person keine gesetzlich begründete Sicherheit habe, ein in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig zugelassenes Kraftfahrzeug, das sie nach Finnland einführe, dort in Betrieb nehmen zu können.

18 Insbesondere aus § 48 der Zulassungsverordnung gehe hervor, dass die Erteilung der Überführungserlaubnis im Ermessen der zuständigen Behörden stehe und dass folglich für den Antragsteller keine Garantie bestehe, sie zu erhalten.

19 Die Kommission hebt hervor, dass der Halter des Kraftfahrzeugs im Allgemeinen an der finnischen Grenze anhalten müsse, um die Überführungserlaubnis zu beantragen; selbst wenn die Erlaubnis vorab vor Überschreiten der Grenze beantragt werde, müsse sich die Person, die das Fahrzeug einführen wolle, zur Zollstelle begeben. Außerdem bringe die Erteilung der Überführungserlaubnis Kosten mit sich.

20 Schließlich sei die Erteilung der Überführungserlaubnis auch durch keinen der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses im Sinne von Art. 30 EG gerechtfertigt. Insbesondere diene sie weder den Erfordernissen der Effektivität der fiskalischen Kontrolle noch dem Zweck der Sicherheit des Straßenverkehrs.

21 Die Republik Finnland macht geltend, dass die Regelung der Überführungserlaubnis, die sich von dem eigentlichen Zulassungsverfahren für Kraftfahrzeuge unterscheide, keine Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 28 EG darstelle.

22 Zur Begründung ihrer Auffassung führt sie an, dass diese Regelung für die vorübergehende Nutzung von nicht zugelassenen und nicht versteuerten Kraftfahrzeugen in Finnland wie auch für den Fall gelte, dass eine Person, die ihren ständigen Wohnsitz in Finnland habe, ein nicht in diesem Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug aus dem Ausland in diesen Mitgliedstaat einführe. Außerdem stehe die Erteilung dieser Erlaubnis in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Grenzübertritt, da sie ausschließlich an die Inbetriebnahme des Fahrzeugs anknüpfe und das Erfordernis der Überführungserlaubnis daher unterschiedslos für alle Fahrzeuge gelte, die noch nicht in Finnland zugelassen seien.

23 Außer den geringen Kosten für die Überführungserlaubnis seien die Schnelligkeit und die Einfachheit des Verfahrens zur Erlangung der Erlaubnis hervorzuheben, die ohne vorherige technische Überprüfung des Fahrzeugs erteilt werde, wobei der Antragsteller im Übrigen nicht verpflichtet sei, bei der Beantragung der Überführungserlaubnis mit dem Fahrzeug vorzufahren.

24 Darüber hinaus seien die Bedingungen für die Erteilung der Überführungserlaubnis festgelegt, so dass die zuständigen Behörden ihrer Entscheidung keine willkürliche Beurteilung zugrunde legen könnten.

25 Hilfsweise vertritt die Republik Finnland die Auffassung, dass das Verfahren der Überführungserlaubnis auf jeden Fall gerechtfertigt sei, da es sich um das einfachste Mittel handele, um die Erreichung der Ziele der Effektivität der fiskalischen Kontrolle und der Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten.

26 Sei ein nicht in Finnland zugelassenes Kraftfahrzeug dort in Betrieb, so müsse zum einen zweifelsfrei festgestellt werden können, ob es von der Zulassungssteuer befreit sei oder ob diese Steuer für das Fahrzeug gezahlt werden müsse. Anhand der Überführungserlaubnis lasse sich bei Kraftfahrzeugen von in Finnland ansässigen Personen das Datum der Inbetriebnahme des Fahrzeugs, der Ausgangspunkt für die Berechnung der steuerfreien Benutzungsdauer, zuverlässig feststellen; die Erlaubnis mache den Einsatz umfangreicher Verkehrskontrollen von Fahrzeugen mit ausländischen Nummernschildern entbehrlich, die ohne sie erforderlich wären.

27 Zum anderen stelle die Regelung der Überführungserlaubnis sicher, dass die Angaben über das genutzte Fahrzeug und den Inhaber der Erlaubnis in das Kraftfahrzeugregister aufgenommen würden. Die Aktualisierung dieses Registers sei erforderlich, um den Einzug der jährlichen Steuer zu überprüfen. Außerdem seien diese Angaben in Hinblick auf das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs, insbesondere bei einem Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung oder einem Unfall, notwendig.

28 Die Gültigkeitsdauer stehe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang und verstoße daher nicht gegen die Art. 28 EG und 30 EG. Außerdem könne die Gültigkeitsdauer auf Antrag verlängert werden.

Würdigung durch den Gerichtshof

29 Die Kommission wirft der Republik Finnland vor, ihren Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG nicht nachgekommen zu sein, indem sie vorschreibe, dass eine in Finnland ansässige Person, die ein in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig zugelassenes Kraftfahrzeug einführen wolle, die Erteilung einer Überführungserlaubnis beantragen müsse, um dieses Fahrzeug vor seiner Zulassung in Finnland und vor Zahlung der Kraftfahrzeugsteuern in Betrieb zu nehmen.

30 Nach ständiger Rechtsprechung erfasst das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile vom 19. Juni 2003, Kommission/Italien, C-420/01, Slg. 2003, I-6445, Randnr. 25, vom 23. September 2003, Kommission/Dänemark, C-192/01, Slg. 2003, I-9693, Randnr. 39, vom 2. Dezember 2004, Kommission/Niederlande, C-41/02, Slg. 2004, I-11375, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 10. Januar 2006, De Groot en Slot Allium und Bejo Zaden, C-147/04, Slg. 2006, I-245, Randnr. 71).

31 Wie der Gerichtshof zudem bereits festgestellt hat, steht Art. 28 EG der Anwendung solcher nationaler Rechtsvorschriften in den innergemeinschaftlichen Beziehungen entgegen, die, auch nur als reine Formalität, Einfuhrlizenzen oder irgendein anderes ähnliches Verfahren verlangen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Februar 1983, Kommission/Vereinigtes Königreich, "UHT-Milch", 124/81, Slg. 1983, 203, Randnr. 9, vom 5. Juli 1990, Kommission/Belgien, C-304/88, Slg. 1990, I-2801, Randnr. 9, und vom 28. September 2006, Ahokainen und Leppik, C-434/04, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 20).

32 Es steht fest, dass die Regelung der Überführungserlaubnis, die Formalitäten für die Inbetriebnahme in Finnland eines rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeugs, das von einer in Finnland ansässigen Person eingeführt wird, vorschreibt, geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Kraftfahrzeughandel zu behindern und den Marktzugang für Waren zu erschweren, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und/oder vertrieben werden.

33 Die Behinderung ist insbesondere durch die Schritte gekennzeichnet, die der Inhaber des Kraftfahrzeugs mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat unternehmen muss, bevor dieses Fahrzeug rechtmäßig in finnischem Gebiet genutzt werden darf; diese Schritte können den Betroffenen gegebenenfalls dazu verpflichten, an der Grenzübertrittsstelle Halt zu machen, um die Überführungserlaubnis zu erhalten, und bringen jedenfalls Kosten mit sich, weil die Erlaubnis nicht unentgeltlich ist. Außerdem darf das Fahrzeug, wenn eine solche Erlaubnis beim Grenzübertritt nicht vorliegt, grundsätzlich nicht in Betrieb genommen werden.

34 Darüber hinaus sind die betreffenden Behörden nach § 48 Abs. 1 der Zulassungsverordnung nicht verpflichtet, die Überführungserlaubnis, für deren Erteilung keine mit der Einreichung des Antrags auf Erlaubnis beginnende Frist vorgesehen ist, zu gewähren; dies hat die Republik Finnland in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt.

35 Angesichts des Ermessens, über das die Behörden verfügen, ist der Antragsteller daher nicht sicher, dass er innerhalb einer angemessenen Frist die Überführungserlaubnis erhält, die jedoch für eine Inbetriebnahme des Fahrzeugs entsprechend den gesetzlichen Anforderungen notwendig ist. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen die Verwaltungsentscheidung, mit der der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis abgelehnt wird, ist insoweit irrelevant.

36 Der freie Warenverkehr ist indes ein Recht, dessen Ausübung nicht von einem Ermessen oder einer Konzession der nationalen Verwaltung abhängen kann (vgl. Urteil UHT-Milch, Randnr. 10).

37 Schließlich ist nicht zu bestreiten, dass das in Rede stehende Dokument nur für eine kurze Dauer gültig ist und dass nach Ablauf der in der finnischen Regelung vorgesehenen siebentägigen Frist die Gefahr besteht, dass das Fahrzeug, noch bevor die endgültige Zulassung erfolgen und die Steuer entrichtet werden konnte, stillgelegt wird.

38 Auch wenn die fragliche Überführungserlaubnis in den Geltungsbereich des Art. 28 EG fällt, kann nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, durch einen der in Art. 30 EG genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Italien, Randnr. 29, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Italien, C-270/02, Slg. 2004, I-1559, Randnr. 21). In beiden Fällen muss die nationale Bestimmung geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile vom 20. Juni 2002, Radiosistemi, C-388/00 und C-429/00, Slg. 2002, I-5845, Randnrn. 40 bis 42, und vom 8. Mai 2003, ATRAL, C-14/02, Slg. 2003, I-4431, Randnr. 64).

39 Insoweit obliegt es den zuständigen nationalen Behörden, nachzuweisen, dass ihre Regelung erforderlich ist, um eines oder mehrere der in Art. 30 EG erwähnten Ziele zu erreichen oder zwingenden Erfordernissen zu genügen, und dass diese Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteile ATRAL, Randnr. 67, vom 19. Juni 2003, Kommission/Italien, Randnrn. 30 und 31, und vom 5. Februar 2004, Kommission/Italien, Randnr. 22).

40 Was, erstens, das Argument der Republik Finnland betrifft, die Überführungserlaubnis sei notwendig, um das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs zu erreichen, da die Erlaubnis insbesondere eine genaue Identifizierung der betreffenden Fahrzeuge durch die Aktualisierung der Angaben im Kraftfahrzeugregister ermögliche, so steht fest, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der eine Beeinträchtigung der Freiheit des Warenverkehrs rechtfertigen kann (vgl. u. a. Urteile vom 5. Oktober 1994, Van Schaik, C-55/93, Slg. 1994, I-4837, Randnr. 19, vom 12. Oktober 2000, Snellers, C-314/98, Slg. 2000, I-8633, Randnr. 55, und vom 21. März 2002, Cura Anlagen, C-451/99, Slg. 2002, I-3193, Randnr. 59).

41 Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass die Erteilung der Überführungserlaubnis in Verbindung mit den selbstklebenden Überführungsvignetten, die die ursprüngliche Zulassung ersetzen, und die Aufnahme von Angaben in Bezug auf diese Erlaubnis in das Kraftfahrzeugregister tatsächlich die Erreichung des Zieles der Sicherheit des Straßenverkehrs bezwecken, zumal das Erfordernis dieser Erlaubnis nicht für alle in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen und in Finnland in Betrieb genommenen Fahrzeuge gilt.

42 Jedenfalls ist hervorzuheben, wie dies der Generalanwalt in Nr. 72 seiner Schlussanträge getan hat, dass bis zur endgültigen Zulassung der Kraftfahrzeuge in Finnland ihre technischen Daten ermittelt werden können, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie zugelassen sind, da alle Mitgliedstaaten über ein Zulassungssystem für Kraftfahrzeuge verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Kommission/Finnland, C-232/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 51).

43 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Republik Finnland nicht dargetan hat, dass das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs geeignet ist, das Verfahren der Überführungserlaubnis zu rechtfertigen.

44 Hinsichtlich, zweitens, des Arguments, die Überführungserlaubnis sei erforderlich, um eine effektive fiskalische Kontrolle sicherzustellen, wobei ein derartiges Ziel nach ständiger Rechtsprechung ein zwingendes Erfordernis ist, das eine von Art. 28 EG verbotene Maßnahme gleicher Wirkung rechtfertigen kann (vgl. insbesondere Urteil vom 12. März 1987, Kommission/Griechenland, 176/84, Slg. 1987, 1193, Randnr. 25), steht fest, dass die Republik Finnland rechtmäßig Kontrollverfahren einführen kann, mit denen sich überprüfen lässt, welche Fahrzeuge, auch wenn sie in Finnland zugelassen werden müssen, vorübergehend von den Kraftfahrzeugsteuern befreit werden können.

45 Zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der streitigen Regelung und zu der Frage, ob das angestrebte Ziel durch Beschränkungen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen, ist festzustellen, dass die Republik Finnland nicht konkret dartut, dass die in Rede stehende Beschränkung der Freiheit des Warenverkehrs hinsichtlich des verfolgten Zieles verhältnismäßig ist.

46 Weniger einschneidende Maßnahmen könnten nämlich zu einem ähnlichen Ergebnis führen, indem die Feststellung des Datums ermöglicht würde, an dem die kraftfahrzeugsteuerfreie Nutzung des Fahrzeugs begonnen hat. Hierzu ergibt sich insbesondere aus den ausgetauschten Schriftsätzen und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung sowie aus Nr. 83 der Schlussanträge des Generalanwalts, dass zu diesen Maßnahmen die Einführung einer Pflicht des Eigentümers oder des Halters des Fahrzeugs zur Anzeige der Inbetriebnahme unter Androhung angemessener Sanktionen bei Nichteinhaltung dieser Verwaltungsformalität gehört. Diese Anzeigepflicht könnte mit einer mit der Einreichung der Anzeige der Inbetriebnahme beginnenden angemessenen Frist verbunden werden, innerhalb deren die Nutzung des Fahrzeugs gestattet wäre, ohne dass der Steuerpflichtige die Kraftfahrzeugsteuern entrichtet hat.

47 Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG verstoßen hat, dass sie für Kraftfahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig zugelassen und in Betrieb sind, eine Überführungserlaubnis gemäß der Zulassungsverordnung vorschreibt.

Kostenentscheidung:

Kosten

48 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Finnland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Republik Finnland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 30 EG verstoßen, dass sie für Kraftfahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig zugelassen und in Betrieb sind, eine Überführungserlaubnis gemäß der Verordnung Nr. 1598/1995 vom 18. Dezember 1995 über die Zulassung von Kraftfahrzeugen (Asetus ajoneuvojen rekisteröinnistä [1598/1995]) vorschreibt.

2. Die Republik Finnland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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