Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.10.1993
Aktenzeichen: C-55/91
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 804/68, VO (EWG) Nr. 856/84, VO (EWG) Nr. 729/70, EWG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 804/68 Art. 5c
VO (EWG) Nr. 856/84 Art. 5c
VO (EWG) Nr. 729/70 Art. 8 Abs. 1
EWG-Vertrag Art. 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Umstand, daß der Rechnungsabschluß des EAGFL gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten der Kommission regelmässig übermittelten Jahresrechnung mit den für ihren Abschluß erforderlichen Belegen erfolgt, verbietet es der Kommission keineswegs, sich durch andere Mittel wie etwa Prüfungen an Ort und Stelle durch ihre Bediensteten nach Artikel 9 Absatz 2 dieser Verordnung zu vergewissern, daß die von den Mitgliedstaaten gelieferten Daten zutreffen.

2. Auf dem Gebiet der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik durch den EAGFL ist es Sache der Kommission, das Vorliegen einer Verletzung der Gemeinschaftsregelung nachzuweisen, wenn sie die Übernahme einer von einem Mitgliedstaat angemeldeten Ausgabe ablehnen will. Ist eine solche Verletzung nachgewiesen, so hat der betroffene Mitgliedstaat gegebenenfalls nachzuweisen, daß der Kommission bezueglich der daraus zu ziehenden finanziellen Konsequenzen ein Fehler unterlaufen ist.

In dem Sonderfall, daß sich zwischen der Unregelmässigkeit und ihren finanziellen Konsequenzen nicht unterscheiden lässt, weil die behauptete Unregelmässigkeit die Berechnung der Beträge betrifft, deren Einziehung der betroffene Mitgliedstaat sicherzustellen hat und die er dem EAGFL schuldet, ist es Sache des Mitgliedstaats, der den Ablauf des fraglichen Vorgangs kennt, zu beweisen, daß er die Gemeinschaftsvorschriften beachtet hat.

3. Im Rahmen des von der Verordnung Nr. 729/70 vorgesehenen Systems der Kontrolle der vom EAGFL finanzierten Vorgänge daraufhin, ob sie tatsächlich und ordnungsgemäß stattgefunden haben, hat die Kommission nur eine die Funktionen der Mitgliedstaaten ergänzende Funktion.

Entsprechend dem durch Artikel 9 dieser Verordnung eingeführten Kontrollsystem sind Probenahmen und Analysen, die sich als notwendig erweisen, von dem Mitgliedstaat grundsätzlich entweder auf eigene Initiative im Rahmen der ihm durch Artikel 8 Absatz 1 dieser Verordnung übertragenen Verantwortlichkeiten oder auf Ersuchen der Kommission gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 dieser Verordnung durchzuführen. Die Kommission kann allerdings unter den Voraussetzungen des Artikels 9 Absatz 2 Unterabsatz 4 weitere Prüfungen oder Nachforschungen einschließlich Probenahmen an Ort und Stelle vornehmen. Diese Prüfungen erfolgen dann im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten und müssen in Anwesenheit von Bediensteten der betreffenden nationalen Verwaltungen durchgeführt werden. Artikel 9 überträgt nämlich der Kommission nicht die Befugnis, die Modalitäten ihres Tätigwerdens selbst festzulegen oder, wenn sie unabhängig von den Mitgliedstaaten tätig wird, Proben zu nehmen. Ausserdem schreibt ihr Artikel 5 des Vertrages das gemeinsame Handeln mit den zuständigen nationalen Verwaltungsstellen vor.

4. Ein Mitgliedstaat kann die Entscheidung der Kommission, die Finanzierung eines Teils der Beihilfen, die er ohne Kontrolle im Rahmen einer von einer gemeinsamen Marktorganisation vorgesehenen Regelung gezahlt hat, abzulehnen, nicht unter Berufung darauf beanstanden, daß die Kommission nicht das Vorliegen wesentlicher Unregelmässigkeiten bei der Beihilfegewährung nachgewiesen habe und daß es ihm daher praktisch unmöglich sei, die Beträge von den Begünstigten zurückzufordern.

Zum einen kann nämlich das Fehlen von Kontrollen, deren Durchführung die Gemeinschaftsregelung den Mitgliedstaaten vorschreibt, zu erheblichen Unregelmässigkeiten führen und rechtfertigt es daher, die Anerkennung eines Teils der getätigten Ausgaben abzulehnen; zum anderen sieht Artikel 8 der Verordnung Nr. 729/70, der im Bereich der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik der Ausdruck der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach Artikel 5 des Vertrages ist, vor, daß die Mitgliedstaaten die infolge von Unregelmässigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einziehen müssen und daß die nationalen Stellen bei nicht vollständiger Wiedereinziehung die finanziellen Folgen dieser Unregelmässigkeiten oder Versäumnisse zu tragen haben.

5. Die Finanzierung der Ausgaben der nationalen Stellen durch den EAGFL erfolgt nach dem Grundsatz, daß allein die im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Ausgaben zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehen. Sobald die Kommission daher eine Verletzung der Gemeinschaftsvorschriften bei den Zahlungen eines Mitgliedstaats entdeckt, ist sie gehalten, die von diesem vorgelegten Abrechnungen zu berichtigen. Hat die Kommission die erforderliche Berichtigung für ein vorausgegangenes Haushaltsjahr nicht vorgenommen, sondern aus Gründen der Billigkeit Unregelmässigkeiten geduldet, so erwächst dem betreffenden Mitgliedstaat daraus kein Recht, unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes die gleiche Haltung für Unregelmässigkeiten des folgenden Haushaltsjahres zu fordern.

6. Da keinerlei Sanktion an die Nichteinhaltung der Frist für die Erstellung des Rechnungsabschlusses für die vom EAGFL finanzierten Ausgaben nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 durch die Kommission geknüpft ist, kann diese Frist nur als Ordnungsfrist angesehen werden, soweit nicht die Interessen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt werden; die Kommission haftet daher nur bei schuldhaftem Verhalten für eine Überschreitung dieser Frist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 6. OKTOBER 1993. - ITALIENISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHNUNGSABSCHLUSS EAGFL - HAUSHALTSJAHR 1988. - RECHTSSACHE C-55/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 7. Februar 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag die teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung 90/644/EWG der Kommission vom 30. November 1990 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1988 finanzierten Ausgaben (Abl. L 350, S. 82) beantragt.

2 Mit der Klage wird die Nichtigerklärung dieser Entscheidung insoweit begehrt, als in ihr folgende Beträge nicht zu Lasten des EAGFL anerkannt werden:

° 83 977 318 963 LIT als zusätzliche Mitverantwortungsabgabe im Sektor Milch und Milcherzeugnisse,

° 67 392 655 139 LIT Prämien für Schaf- und Ziegenfleischerzeuger,

° 711 001 829 und 1 554 528 324 LIT für Interventionstabak,

° 60 808 737 217 LIT im Sektor Olivenöl,

° 38 034 266 760 LIT Verarbeitungsbeihilfe für Sojasaaten,

° 67 501 305 800 LIT Erzeugungsbeihilfe für Hartweizen.

3 Die Französische Republik, die durch Beschluß vom 7. Oktober 1991 als Streithelferin zugelassen wurde, hat innerhalb der gesetzten Frist keinen Streithilfeschriftsatz eingereicht.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur zusätzlichen Abgabe im Sektor Milch und Milcherzeugnisse

5 Die zusätzliche Abgabe im Sektor Milch und Milcherzeugnisse wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 eingeführt (Abl. L 90, S. 10), mit der die Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für diesen Sektor (Abl. L 148, S. 13) geändert wurde. Die Einführung der zusätzlichen Abgabe erfolgte durch Aufnahme des Artikels 5c in die Verordnung Nr. 804/68. Diese Vorschrift wurde mit der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse durchgeführt (Abl. L 90, S. 13). Die Verordnung Nr. 857/84 wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 aufgehoben und ersetzt, die zeitlich nach den der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegenden Ereignissen erlassen wurde.

6 Das System der zusätzlichen Abgabe aufgrund des Artikels 5c der Verordnung Nr. 856/84 soll die Erzeugung im Sektor Milch eindämmen. Bei der Durchführung dieses Systems setzen die Gemeinschaftsbehörden die Hoechstmenge der Erzeugung für die gesamte Gemeinschaft fest und verteilen diese auf die Erzeuger der einzelnen Mitgliedstaaten, denen sie jeweils eine als "Referenzmenge" bezeichnete Quote zuweisen. Überschreitet der Erzeuger diese Quote, so hat er die zusätzliche Abgabe zu entrichten, die Strafcharakter hat.

7 Die Berechnung der zusätzlichen Abgabe erfolgt durch Addition sämtlicher Mengen an Milch und Milcherzeugnissen, die in jedem Mitgliedstaat während des Bezugsjahres vermarktet wurden.

8 Es steht fest, daß Italien das System der zusätzlichen Abgabe vor dem Jahre 1988 nicht durchführte. Für den Zeitraum 1987-1988 legte Italien der Kommission eine Gesamtbilanz von 8 702 741 600 kg vor, die auf den Monatsstatistiken des ISTAT (Italienisches Statistisches Institut) beruhte.

9 Die Kommission, die sich auf andere Daten und insbesondere auf ein beim italienischen Landwirtschaftsministerium erlangtes Verzeichnis ("Evoluzione della produzione e della commercializzazione dei formaggi di azienda agricola") stützte, entschied, die von Italien vorgelegte Zahl sei unzutreffend und sei um die der Käseproduktion entsprechende Menge (103 000 000 kg) zu erhöhen. Die Abgabe sei folglich an der Gesamtzahl auszurichten.

10 Mit der vorliegenden Klage tritt die italienische Regierung diesem Standpunkt entgegen, weil die Kommission gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (Abl. L 94, S. 13) den Rechnungsabschluß des EAGFL auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Jahresabrechnungen zu erstellen habe. Ausserdem beruhe die Berücksichtigung der Käseerzeugung auf einem Verzeichnis, das aus Anlaß des Besuches von Beamten des EAGFL in Italien informell erstellt worden sei, um diese über die Anwendung der Milchquoten in Italien zu informieren. Da dieses Schriftstück nicht amtlich sei, könne es von der Kommission beim Rechnungsabschluß des EAGFL nicht verwendet werden. Darüber hinaus stellten die ISTAT-Daten und die auf dem besagten Verzeichnis beruhenden informellen Schätzungen heterogene Werte dar, die nicht miteinander verglichen werden könnten.

11 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Erstens sei die Käseerzeugung bereits beim Rechnungsabschluß für das vorausgegangene Haushaltsjahr (1986/87) und auch für das darauffolgende Haushaltsjahr (1988/89) berücksichtigt worden, ohne daß Italien hiergegen Einwände erhoben habe. Ausserdem habe die Kommission in dem Schreiben für den Zeitraum 1988-1989 ihre Absicht kundgetan, in den folgenden Jahren in der gleichen Weise zu verfahren. Zweitens stellen die Daten in dem genannten Verzeichnis ebenso zuverlässige Statistiken dar wie die des ISTAT. Drittens verfüge die Kommission nicht über andere Möglichkeiten, um die ihr von der italienischen Regierung unterbreiteten Daten zu überprüfen, da Italien 1987 und 1988 keine Erklärungen über die Lieferungen von Milch und Milcherzeugnissen nach den Artikeln 15 und 16 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 abgegeben habe.

12 Der Rechnungsabschluß des EAGFL gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 erfolgt auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten der Kommission regelmässig übermittelten Jahresrechnung mit den für ihren Abschluß erforderlichen Belegen. Diese Vorschrift verbietet der Kommission keineswegs, sich durch andere Mittel wie etwa Prüfungen an Ort und Stelle durch ihre Bediensteten nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 zu vergewissern, daß die von den Mitgliedstaaten gelieferten Daten zutreffen.

13 Bezueglich der Beweislast ist darauf hinzuweisen, daß es auf dem Gebiet der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik in erster Linie Sache der Kommission ist, das Vorliegen einer Verletzung der Regeln der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nachzuweisen. Ist eine solche Verletzung nachgewiesen, so hat der betroffene Mitgliedstaat gegebenenfalls nachzuweisen, daß der Kommission bezueglich der daraus zu ziehenden finanziellen Konsequenzen ein Fehler unterlaufen ist (vgl. insbesondere Urteil vom 19. Februar 1991 in der Rechtssache C-281/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-347, Randnr. 19).

14 Diese Rechtsprechung setzt jedoch voraus, daß zwischen dem Vorliegen der eventuell begangenen Unregelmässigkeit und ihren finanziellen Folgen unterschieden werden kann. Eine solche Unterscheidung kann indessen im vorliegenden Fall nicht getroffen werden, da der behauptete Verstoß gerade in der Berechnung der zusätzlichen Abgabe liegt, die Italienische Republik vorzunehmen hatte. Da dem Mitgliedstaat sämtliche Informationen über die Bedingungen zur Verfügung stehen, unter denen der in Rede stehende Vorgang abgelaufen ist, trifft ihn die Beweislast für die Beachtung der Gemeinschaftsbestimmungen.

15 Die Italienische Republik begnügt sich aber im vorliegenden Fall, wie der Generalanwalt in Nummer 12 seiner Schlussanträge dargelegt hat, mit der Behauptung, die Käselieferungen seien in den bei der Anwendung des Systems der zusätzlichen Abgabe zugrunde gelegten Zahlen mitberücksichtigt worden, ohne dies in der Sache nachzuweisen.

16 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß Italien die Unbegründetheit des Vorbringens der Kommission nicht hat darlegen können. Somit ist der von der italienischen Regierung geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen.

Zu den Prämien für Schaf- und Ziegenfleischerzeuger

17 Um etwaige Einkommensverluste aus der Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für den Sektor Schaf- und Ziegenfleisch auszugleichen, sieht die Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 des Rates vom 27. Juni 1980 zur Errichtung dieser Organisation (Abl. L 183, S. 1) in Artikel 5 die Zahlung einer Prämie an Erzeuger vor, deren Lämmer und Jungziegen nicht vor zwei Monaten nach ihrer Geburt geschlachtet werden. Italien hat demgemäß in dem Zeitraum 1987-1988 Prämien in Höhe von insgesamt 103 345 056 245 LIT gezahlt. Von diesem Gesamtbetrag hat die Kommissiom zum einen Betrag von 2 827 359 845 LIT wegen verspäteter Zahlungen zum anderen einen Betrag von 67 392 655 139 LIT wegen unzureichender Kontrollen nicht anerkannt.

18 Wie sich aus dem Inhalt der Akten ergibt, führte die Kommission in den meisten der betroffenen italienischen Regionen stichprobenweise Kontrollen durch. Diese ergaben zahlreiche Unregelmässigkeiten bei der Zahlung der Prämien durch die italienische Verwaltung. Die Kommission setzte sodann den Betrag der vom EAGFL zu übernehmenden Prämien nicht nur für die Regionen herab, die überprüft worden waren, sondern im Wege der Extrapolation auch für andere Regionen Italiens.

19 In ihrer Klageschrift hatte die italienische Regierung ursprünglich geltend gemacht, daß die Kontrollen der Kommission nicht regelmässig und systematisch erfolgt seien, sondern daß die Kommission die Methode der Extrapolation angewandt habe; angesichts der Vorläufigkeit der Nichtanerkennung der Prämien für die von dieser Methode betroffenen Regionen (wegen des Vorbehalts des Gegenbeweises) hat Italien jedoch auf diese Rüge verzichtet.

20 Was die erste Rüge angeht, so haben die Prüfer der Kommission, wie sich aus den Akten ergibt, Kontrollen in vier Regionen, auf die 68 % der gesamten erklärten Ausgaben entfallen, durchgeführt und ferner die Unterlagen für drei andere Regionen untersucht. Die Kontrollen erfassten somit 77 % derjenigen italienischen Erzeugungsgebiete, die Prämien für die Aufzucht von Lämmern und Jungziegen erhalten hatten. Ferner ergibt sich aus den Akten auch, daß die Kontrollen systematisch durch Vergleich der einzelnen Unterlagen sowie durch die Überprüfung der von den italienischen Behörden herangezogenen Kriterien und Methoden erfolgt sind.

21 Ausserdem hat die italienische Verwaltung, wie das Schreiben des nationalen Amtes für Interventionen auf dem Agrarmarkt (AIMA) vom 22. September 1990 an die Kommission belegt, selbst anerkannt, daß ihre Bediensteten bei den Prüfungen des Rechnungswesens der Unternehmen Versäumnisse festgestellt hatten und auf Schwierigkeiten gestossen waren.

22 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Kontrollen der Kommission in den sieben italienischen Regionen, um die es bei der vorliegenden Rüge geht, systematisch erfolgt sind und daß somit die aus ihnen gezogenen Schlußfolgerungen für sämtliche Regionen, in denen sie durchgeführt worden waren, verallgemeinert werden konnten. Da, wie in der vorstehenden Randnummer ausgeführt, Versäumnisse bei den meisten Berieben einschließlich derjenigen, die von der italienischen Verwaltung selbst überprüft worden waren, festgestellt wurden, berechtigt nichts zu der Annahme, daß die bei den Kontrollen festgestellten Unregelmässigkeiten bei anderen Betrieben der betreffenden Regionen nicht vorgekommen sind.

23 Da die Kommission somit das Vorliegen von Unregelmässigkeiten in den sieben italienischen Regionen, in denen die besagten Kontrollen durchgeführt worden waren, nachgewiesen hat, ist es Sache des italienischen Staates, zu beweisen, daß der Kommission bei der Festlegung der hieraus zu ziehenden Konsequenzen ein Fehler unterlaufen ist.

24 Die Italienische Republik hat den Beweis für einen solchen Fehler nicht erbracht, da sie sich auf die Behauptung beschränkt hat, die von der Kommission durchgeführten Kontrollen seien nur objektiv unsichere Indizien, die bezueglich der von Italien bewirkten Zahlungen absolut nichts belegten.

25 Demgemäß ist auch die zweite Rüge zurückzuweisen.

Zum Interventionstabak

26 Die Verordnung (EWG) Nr.1467/70 des Rates zur Festlegung bestimmter Grundregeln für die Intervention auf dem Rohtabaksektor (Abl. L 164, S. 32) bestimmt in Artikel 5, daß von den Interventionsstellen nur die Tabaksorten gekauft werden, die bestimmten Mindestqualitätsmerkmalen entsprechen, die auf der Grundlage einer Einstufung nach Sorten und Qualitäten festzulegen sind. In Durchführung dieser Vorschrift hat die Verordnung (EWG) Nr. 1727/70 der Kommission vom 25. August 1970 über Durchführungsbestimmungen für die Intervention bei Rohtabak (Abl. L 191, S. 5) in den Anhängen II und III Mindestqualitätsmerkmale und die betreffende Einstufung nach Sorten und Qualitäten festgelegt.

27 Bei den von ihr in den italienischen Lagern für Interventionstabak durchgeführten Kontrollen zog die Kommission Muster zur Durchführung von Qualitätsprüfungen. Wie sich aus dem Zusammenfassenden Bericht der Kommission ergibt, zeigten diese Überprüfungen, daß grosse Mengen von Interventionstabak nicht den Mindestqualitätsmerkmalen nach der Verordnung Nr. 1727/70 entsprachen. Ferner sollen bestimmte Partien nicht zu der Kategorie gehört haben, in die sie eingestuft worden waren. Aufgrund dieser Feststellungen nahm die Kommission eine finanzielle Berichtigung zu Lasten von Italien in Höhe von 1 544 528 324 LIT vor.

28 Die italienische Regierung hält diese Berichtigung für rechtswidrig und ersucht den Gerichtshof, sie aufzuheben. Sie stützt diesen Antrag auf drei Argumente. Erstens sollen die Proben, die der Berichtigung zugrunde liegen, unter Nichtbeachtung des Verfahrens gezogen worden sein, wie es in Artikel 9 der Verordnung Nr. 729/70 in der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 9. Oktober 1990 in der Rechtssache C-366/88 (Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-3571) festgelegt sei. Zweitens habe die italienische Verwaltung stets das Verfahren und die Kontrollmethoden der Kommission sowie deren Schlußfolgerungen aus den Überprüfungen und der Untersuchung der Proben abgelehnt. Hierzu beruft sich Italien insbesondere auf die fehlende Repräsentativität der gezogenen Proben, ihren schlechten Erhaltungszustand sowie die Weigerung der Kommission, Verschlechterung der Qualität der Erzeugnisse infolge Alterung zu berücksichtigen. Drittens hätten die Beamten der Kommission bei den an Ort und Stelle im Monat Januar durchgeführten Überprüfungen selbst eingeräumt, daß Qualität und Einstufung des Tabaks dem Gemeinschaftsrecht entsprächen. Die italienische Regierung verweist hierzu auf eine Niederschrift vom 19. Januar 1990.

29 Die Kommission entgegnet zunächst, die Probenahmen und Untersuchungen der Proben seien stets in Gegenwart der Vertreter von AIMA durchgeführt worden, die bei diesen Untersuchungen keinen grundlegenden Einwand gegen Verfahren, Methode oder Ergebnisse der Kontrollen erhoben hätten. Den Erklärungen der Beamten der Kommission zur Ordnungsmässigkeit der Kontrollen der italienischen Verwaltung sei von der Kommission sofort in einem Schreiben vom 27. Februar 1990 widersprochen worden. Das Urteil des Gerichtshofes vom 9. Oktober 1990 in der Rechtssache Frankreich/Kommission könne im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da es die Beziehungen der Kommission zu durch den EAGFL begünstigten Dritten und nicht die unmittelbaren Beziehungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten betreffe, um die es in dem vorliegenden Rechtsstreit gehe.

30 Insoweit ist zu prüfen, ob die Kommission mit Überprüfungen an Ort und Stelle und insbesondere durch die Entnahme von Tabakproben ihre Befugnisse überschritten hat.

31 Die Kommission hat im Rahmen des Systems der Verordnung Nr. 729/70 lediglich eine die Funktion der Mitgliedstaaten ergänzende Funktion. Nach der achten Begründungserwägung dieser Verordnung sind zur Ergänzung der von den Mitgliedstaaten auf eigene Initiative durchgeführten Kontrollen, denen nach wie vor die Hauptbedeutung zukommt, Prüfungen durch Bedienstete der Kommission und die Möglichkeit vorzusehen, daß die Kommission die Hilfe der Mitgliedstaaten in Anspruch nimmt (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1990 in der Rechtssache Frankreich/Kommission, a. a. O., Randnr. 20).

32 Der komplementäre Charakter dieser beiden Arten von Kontrollen ergibt sich ebenfalls aus Artikel 9 Absatz 2 dieser Verordnung, der erkennen lässt, daß die Prüfungen an Ort und Stelle die Genauigkeit der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen feststellen sollen.

33 Im übrigen sind entsprechend dem durch Artikel 9 eingeführten Kontrollsystem Probenahmen und Analysen, die sich als notwendig erweisen, von dem Mitgliedstaat grundsätzlich entweder auf eigene Initiative im Rahmen der ihm durch Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 übertragenen Verantwortlichkeiten oder auf Ersuchen der Kommission gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung durchzuführen. Die Kommission kann allerdings unter den Voraussetzungen des Artikels 9 Absatz 2 Unterabsatz 4 weitere Prüfungen oder Nachforschungen einschließlich Probenahmen an Ort und Stelle vornehmen. Diese Prüfungen erfolgen dann im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten und müssen in Anwesenheit von Bediensteten der betreffenden nationalen Verwaltungen durchgeführt werden. Artikel 9 der Verordnung Nr. 729/70 überträgt nämlich der Kommission nicht die Befugnis, die Modalitäten ihres Tätigwerdens selbst festzulegen oder, wenn sie unabhängig von den Mitgliedstaaten tätig wird, Proben zu nehmen. Ausserdem schreibt ihr Artikel 5 EWG-Vertrag für einen Fall dieser Art das gemeinsame Handeln mit den zuständigen nationalen Verwaltungsstellen vor.

34 Im vorliegenden Fall erfolgten zum einen die Probenahmen durch die Bediensteten der Kommission stets in Anwesenheit von Vertretern der italienischen Verwaltung; zum anderen wurden die einzelnen Beanstandungen wegen mangelnder Sorgfalt bei ihrer Verpackung und ihrem Transport sowie bezueglich der Verschlechterung des in den italienischen Lagern eingelagerten Tabaks infolge zu langer Lagerung von der Kommission in mehreren Schreiben und bei einem Gespräch vom 9. Januar 1991 mit den italienischen Behörden untersucht.

35 Was den Vorwurf fehlender Repräsentativität der von der Kommission entnommenen Proben angeht, hat die Italienische Republik nicht nachgewiesen, daß die Zahl der Proben zu gering gewesen sei, um die finanzielle Korrektur zu rechtfertigen. Wenn aber die Kommission Anhaltspunkte vorträgt, die ernsthafte Zweifel an der Genauigkeit der Berechnungen eines Mitgliedstaates aufkommen lassen, ist es dessen Sache, ausreichende Beweise vorzulegen, um diese Zweifel auszuräumen. Im vorliegenden Fall hat die Italienische Republik solche Beweise nicht vorgelegt.

36 Was die in der Niederschrift vom 19. Januar 1990 festgehaltene und später von den Dienststellen der Kommission dementierte Erklärung des Bediensteten der Kommission angeht, die Nachprüfungen hätten keine Unregelmässigkeit erkennen lassen, so kam die Kommission nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 ihren Standpunkt bezueglich der Interventionsmaßnahmen von Mitgliedstaaten im Rahmen der Tätigkeiten des EAGFL nicht vor Abschluß der Jahresrechnung festlegen.

37 Demgemäß ist diese Rüge der italienischen Regierung zurückzuweisen.

Zum Interventionsolivenöl

38 Insoweit macht die italienische Regierung zwei Klagegründe geltend. Der erste bezieht sich auf die Ergebnisse einer Untersuchung der Kommission für das Haushaltsjahr 1988, die der Kommission zufolge gezeigt habe, daß ein grosser Teil des in diesem Jahr eingelagerten Olivenöls von geringerer Qualität als in der Erklärung zur Intervention angegeben gewesen sei. Die Italienische Republik hat diesen Klagegrund fallengelassen, nachdem der Gerichtshof im Urteil vom 10. Oktober 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-161/90 und C-162/90 (Petruzzi und Longo, Slg. 1991, I-4845) entschieden hat, daß die nachträglich von der Kommission durchgeführte Überprüfung ordnungsgemäß war.

39 In der mündlichen Verhandlung hat die Italienische Republik gleichwohl dargelegt, daß sie die Kommission nach Verkündung des angeführten Urteils, ohne deren Entscheidung in Frage zu stellen, ersucht habe, den italienischen Stellen zumindest den Verkauf des streitigen Öls zu von ihnen festgelegten Bedingungen zu gestatten. Dieser Bitte sei von der Kommission nicht entsprochen worden, so daß die italienischen Stellen geringere Gewinne erzielt hätten. Im Rahmen dieser Klage verlangt die Italienische Republik von der Kommission, diesen Verlust auszugleichen.

40 Dieser Klagegrund ist erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden. Gemäß Artikel 42 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung können neue Angriffsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, ist dieser erste Klagegrund zurückzuweisen.

41 Der zweite Klagegrund der italienischen Regierung bezieht sich auf die Berichtigungen der von Italien vorgelegten Abrechnung durch die Kommission bezueglich der im Interventionswege gekauften Olivenölmengen während der Kampagnen von 1983 bis 1987. Aufgrund der bei einer Untersuchung (der sogenannten Assitol-Untersuchung) erhobenen Daten habe die Kommission festgestellt, daß die Qualität eines grossen Teils dieses Öls nicht der erklärten Qualität entsprochen habe. Demgemäß habe sie die von der Italienischen Republik vorgelegten Zahlen nach unten berichtigt.

42 Die Assitol-Untersuchung sei von italienischen Ölverarbeitungsunternehmen durchgeführt und anschließend von der Kommission ohne eigene Überprüfung übernommen worden. Sie müsse daher zugunsten der von der Italienischen Republik vorgelegten Daten unberücksichtigt gelassen werden, die ihrerseits den Gemeinschaftsvorschriften entsprächen und das Ergebnis regelmässiger Kontrollen durch zugelassene Laboratorien seien. Diese Daten würden im übrigen durch die Nachprüfungen der Zolldienststellen bei der Ausfuhr dieser Öle und durch die bei ihrem Verkauf erzielten Preise bestätigt. Diese entsprächen nämlich der Qualität, die erklärt worden sei. Schließlich habe die Kommission mit der Entnahme von Proben den Rahmen der Befugnisse überschritten, die ihr nach der Verordnung Nr. 729/70 zustuenden.

43 Die Kommission erwidert auf dieses Vorbringen, sie habe zwar zunächst eine Beschwerde der Assitol erhalten, dann aber ihre eigene Untersuchung durchgeführt und die Proben von unabhängigen Laboratorien analysieren lassen.

44 Zur Frage der Befugnisse der Kommission zur Vornahme von Entnahmen und Analysen von Proben ist auf Randnummer 33 dieses Urteils zu verweisen.

45 Was die übrigen Rügen der italienischen Regierung angeht, hat sich die Kommission, wie sich aus den Akten ergibt, bei der Berichtigung der von der Italienischen Republik vorgelegten Abrechnungen auf eine Untersuchung gestützt, die von ihren eigenen Dienststellen durchgeführt wurde und den vorgeschriebenen Erfordernissen der Objektivität und der Repräsentativität entsprach. Ausserdem hat die italienische Regierung dem Gerichtshof keinen Beweis bezueglich des Verkaufspreises und der Untersuchungen ihrer Zollstellen vorgelegt. Ebensowenig hat sie den Nachweis erbracht, daß diese Daten der Kommission mitgeteilt worden wären.

46 Folglich ist festzustellen, daß Italien einen Nachweis weder für Mängel der Untersuchungen der Kommission noch für die Tatsachen im Zusammenhang mit den Verkaufspreisen und mit den von ihr angeführten Zolluntersuchungen erbracht hat.

47 Folglich ist die Klage auch insoweit abzuweisen.

Zur Verarbeitungsbeihilfe für Sojabohnen

48 Die Verordnung (EWG) Nr. 1491/85 des Rates vom 23. Mai 1985 über Sondermaßnahmen für Sojabohnen (Abl. L 151, S. 15) und die Verordnung Nr. 2194/85 des Rates vom 25. Juli 1985 zur Festlegung der Grundregeln der Sondermaßnahmen für Sojabohnen (Abl. L 204, S. 1) sahen jeweils die Gewährung von Beihilfen für die Gemeinschaftserzeugung von Soja vor. Die Zahlung dieser Beihilfen und die Kontrolle ihrer Gewährung sind Sache der Mitgliedstaaten (Artikel 2 der Verordnung Nr. 1491/85 und Artikel 6 der Verordnung Nr. 2194/85).

49 Wie sich aus dem Zusammenfassenden Bericht ergibt, bestand die Arbeitsmethode der Kommission erstens in der Durchführung von Überprüfungen in nahezu 400 zufällig ausgewählten Betrieben und zweitens in der Prüfung der von den verschiedenen betroffenen öffentlichen Dienststellen durchgeführten Kontrollverfahren sowie der Funktionsweise eines Verarbeitungsbetriebs. Die Ergebnisse dieser Untersuchung hätten gezeigt, daß die Prüfungen der italienischen Behörden unzureichend gewesen seien, daß sie nicht die Feststellung zugelassen hätten, ob sich die Beihilfeanträge auf Bohnen nicht gemeinschaftlichen Ursprungs bezogen hätten und daß die italienische Verwaltung weder in den Ernte- noch in den Lagerzentren unangemeldet Kontrollen durchgeführt habe. Darüber hinaus soll sich gezeigt haben, daß die italienischen Zollbehörden die Bestimmung der eingeführten Bohnen nicht gekannt hätten und daß der AIMA die genaue Zahl der Erntezentren unbekannt gewesen sei.

50 Diese Feststellungen bewogen die Kommission, den Betrag der zu Lasten des EAGFL gehenden Beihilfen erheblich herabzusetzen. Nach einem Meinungsaustausch mit Vertretern der italienischen Verwaltung beschloß die Kommission indessen lediglich eine Finanzkorrektur von 38 034 266 760 LIT, was 5 % der italienischen Ausgaben entsprach.

51 Die Italienische Republik beanstandet die von der Kommission eingesetzten Kontrollmethoden in mehrfacher Hinsicht. Die Vorwürfe der Kommission stützen sich erstens auf einen allgemeinen Eindruck und nicht auf konkrete Beweise. Zweitens zeige der Umstand, daß die Kommission nach ihrem Treffen mit den italienischen Beamten den Betrag der von ihr ursprünglich beabsichtigten Kürzung niedriger angesetzt habe, daß ihre Argumente keineswegs überzeugend seien und daß sie in Wahrheit keine wesentliche Unregelmässigkeit festgestellt habe. Drittens könne Italien, da in der Sache keine Unregelmässigkeit festgestellt worden sei, von den Empfängern nicht die Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Beihilfen verlangen. Viertens ergäben sich für Italien wegen bestimmter Lücken in den Gemeinschaftsvorschriften für die Kontrollen zusätzliche Schwierigkeiten bei der Durchführung der Kontrollen.

52 Das von der Kommission gehandhabte System der Untersuchung und Überprüfung an Ort und Stelle, wie es in Nummer 37 der Schlussanträge des Generalanwalts dargestellt ist, entspricht entgegen der Behauptung der italienischen Regierung den Mindesterfordernissen der Objektivität und der Repräsentativität für die reale Lage.

53 Ferner bedeutet, wie der Generalanwalt zu Recht hervorgehoben hat, der Umstand, daß die Kommission die ursprünglich vorgesehene finanzielle Korrektur auf 5 % der italienischen Ausgaben zurückgenommen hat, keineswegs, daß diese Korrektur nicht gerechtfertigt wäre. Die Ergebnisse der Untersuchung und der von der Kommission durchgeführten Überprüfungen bei den italienischen Unternehmen haben im Gegenteil hierfür ausreichende Gründe geliefert. Im übrigen hat Italien nichts vorgetragen, was einen Zweifel an diesen Ergebnissen rechtfertigen würde.

54 Dem Vorbringen, es sei praktisch unmöglich, die von Italien zu Unrecht gezahlten Beihilfen zurückzufordern, weil die Kommission das Vorliegen wesentlicher Unregelmässigkeiten bei ihrer Gewährung nicht nachgewiesen habe, kann aus zwei Gründen nicht gefolgt werden.

55 Erstens haben die Überprüfungen der Kommission das Fehlen einer Kontrolle über die von ihnen gewährten Beihilfen durch die italienischen Behörden gezeigt. Da dies zu erheblichen Unregelmässigkeiten führen kann, ist die Kommission in einem Fall der vorliegenden Art berechtigt, bestimmte von diesem Staat getätigte Ausgaben nicht anzuerkennen (vgl. Urteil vom 12. Juni 1990 in der Rechtssache C-8/88, Deutschland/Kommission, Slg. 1990, I-2321, Randnr. 21).

56 Zweitens beruht, wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die den Wirtschaftsteilnehmern im Rahmen der Beihilfen des EAGFL zu Unrecht gezahlten Beträge wieder einzuziehen, auf Artikel 8 der Verordnung Nr. 729/70. Diese Vorschrift gilt, was die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik betrifft, als Ausdruck der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach Artikel 5 EWG-Vertrag. Nach Artikel 8 Absatz 1 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die infolge von Unregelmässigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 1990 in der Rechtssache C-34/89, Italien/Kommission, Slg. 1990, I-3603, und vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-28/89, Deutschland/Kommission, Slg. 1991, I-581, Randnr. 31). Ergänzend bestimmt Artikel 8 Absatz 2, daß bei nicht vollständiger Wiedereinziehung die Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten die finanziellen Folgen der Unregelmässigkeiten oder Versäumnisse zu tragen haben, die ihnen anzulasten sind.

57 Da im vorliegenen Rechtsstreit feststeht, daß das von der italienischen Verwaltung eingerichtete Kontrollsystem nicht in befriedigender Weise funktioniert hat ° was die italienischen Behörden selbst anerkannt haben °, kann dem Vorbringen der italienischen Regierung nicht gefolgt werden. Der Umstand, daß die anwendbare Gemeinschaftsregelung Lücken bei den Kontrollen aufweist, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich.

58 Demgemäß ist die Klage der Italienischen Republik auch insoweit abzuweisen.

Zu den Erzeugerbeihilfen für Hartweizen

59 Gemäß Artikel 10 der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (Abl. L 281, S. 1) wird eine Beihilfe für die Erzeugung von Hartweizen gewährt, wenn der gültige Interventionspreis für den Handelsplatz der Zone mit dem grössten Überschuß unter dem garantierten Mindestpreis liegt. Diese Bestimmung ist durch die Verordnung (EWG) Nr. 3103/76 des Rates vom 16. Dezember 1976 über die Beihilfe für Hartweizen (Abl. L 351, S. 1) durchgeführt worden.

60 1986 stellte die Kommission beim Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1984 fest, daß die tatsächlichen Anbauflächen und die Anbauflächen, für die in Italien Beihilfen gewährt worden waren, nicht übereinstimmten. Die Kommission forderte die italienischen Behörden daher mit Schreiben vom 12. Juni 1987 auf, ein Untersuchungsverfahren zur Überprüfung der Daten bezueglich der für den Hartweizenanbau bestimmten Flächen, für die Gemeinschaftsbeihilfen in Frage kamen, einzuleiten.

61 Diese Aufforderung stützte sich auf Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 des Rates vom 7. Februar 1972 betreffend die Unregelmässigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems (Abl. L 36, S. 1). Diese Vorschrift bestimmt in Absatz 1: "Ist die Kommission der Meinung, daß in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten Unregelmässigkeiten oder Versäumnisse vorgekommen sind, so setzt sie den betreffenden Mitgliedstaat oder die betreffenden Mitgliedstaaten davon in Kenntnis; dieser oder diese leiten auf der Ebene der Verwaltung eine Untersuchung ein, an der Bedienstete der Kommission teilnehmen können."

62 Wie sich aus den Akten ergibt, wurde die beantragte Untersuchung in den Monaten August und September 1987 von italienischen Fachleuten in Begleitung von Beamten der Gemeinschaft durchgeführt. Ihre Ergebnisse wurden der Kommission in einer Note vom 8. Januar 1988 mitgeteilt.

63 Mit Schreiben vom 8. März 1989 wies die Kommission die Schlußfolgerungen der italienischen Verwaltung zurück und schlug eine finanzielle Berichtigung auf der Grundlage der Extrapolation der festgestellten Unregelmässigkeiten für alle beihilfeberechtigten italienischen Regionen vor. Nach mehreren Verhandlungen mit der italienischen Verwaltung senkte die Kommission mit einer Note vom 19. November 1989 die ursprünglich vorgesehene Berichtigung auf 67 500 305 800 LIT. Sie hatte sich nämlich aus Gründen der Billigkeit bereitgefunden, die vor der Eröffnung der Untersuchung geleisteten Zahlungen, d. h. die Zahlungen für die Jahre 1984 und 1985, zu berücksichtigten (vgl. Note der Kommission vom 19. November 1990).

64 Trotz dieser Verringerung der Kürzung trat Italien der letztlich von der Kommission beschlossenen Berichtigung aus verschiedenen Gründen entgegen. Erstens sollten die Gründe der Billigkeit, die Kommission bewogen hätten, für die vor Beginn des Jahres geleisteten Zahlungen (d. h. die Zahlungen für die Jahre 1984 und 1985) auf Berichtigungen zu verzichten, ebenfalls für die Zahlungen für das Jahr 1986 gelten, weil auch sie vor der Eröffnung der Untersuchung vorgenommen worden seien. Nach Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2835/77 der Kommission vom 19. Dezember 1977 über die Durchführung der Beihilfegewährung für Hartweizen (Abl. L 327, S. 9) müssten nämlich die Beihilfen spätestens am 30. April des auf das Jahr der Erzeugung folgenden Jahres ausgezahlt werden. Nach den italienischen Rechtsvorschriften erfolgen diese Zahlungen in der Tat vor dem 5. April eines jeden Jahres.

65 Die zweite Gruppe von Argumenten betrifft die Zahlungen für die folgenden Jahre. Erstens habe Italien, selbst wenn es gewollt hätte, die Zahlung der Beihilfen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission ihm die Ergebnisse der Untersuchung mitgeteilt hätte, nicht aussetzen können, ohne gegen die Gemeinschaftsvorschriften zu verstossen. Zweitens entbehre die Extrapolation der Ergebnisse der Untersuchung für andere italienische Getreideanbauregionen sowie für andere Haushaltsjahre der Begründung. Drittens sei die italienische Verwaltung von der Kommission nicht über die Ziele der Untersuchung informiert worden und habe in der Annahme, daß es sich um die einfache Überprüfung von Statistiken handelt, nur eine beschränkte Anzahl von Überprüfungen vorgenommen. Wenn sie die wahren Absichten der Kommission gekannt hätte, hätte sie die Untersuchung stärker abgesichert. Viertens sei nach italienischer Auffassung die Zeit zwischen der Übermittlung der Ergebnisse der Untersuchung an die Kommission und deren Antwort übertrieben lang gewesen, so daß die italienische Verwaltung tatsächlich habe annehmen dürfen, daß die Rechtmässigkeit der Zahlung keinem Zweifel unterliege. Schließlich bestreitet Italien den von der Kommission festgestellten Prozentsatz der Unregelmässigkeiten. Die Untersuchung habe nämlich gezeigt, daß 8 % der Beihilfezahlungen ° und nicht 12 %, wie die Kommission behaupte ° zweifelhaft gewesen seien, und diese Ergebnisse seien von der Kommission nicht bestritten worden.

66 Die Kommission erwidert auf dieses Vorbringen zunächst, daß sie auf keinen Fall verpflichtet gewesen sei, rechtswidrige Zahlungen seitens der italienischen Verwaltung hinzunehmen. Folglich könnten im Rahmen dieses Rechtsstreits weder wohlerworbene Rechte noch die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes geltend gemacht werden. Für die vertiefte Prüfung der Ergebnisse der Untersuchung habe sie ein Jahr aufwenden müssen. Diese Prüfung sei Grundlage für Beanstandungen der Mängel des italienischen Kontrollsystems gewesen. Die Anwendung der Methode der Extrapolation stelle die beste Lösung für den Mitgliedstaat dar, weil andernfalls alle Ausgaben im Rahmen regelwidriger Kontrollen gestrichen werden müssten. Schließlich könne Italien die Daten der Untersuchungen nicht in Frage stellen, weil es selbst sie erarbeitet und geprüft habe.

67 Die Finanzierung der Ausgaben der nationalen Stellen durch den EAGFL erfolgt nach dem Grundsatz, daß allein die im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Ausgaben zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehen. Sobald die Kommission daher eine Verletzung der Gemeinschaftsvorschriften bei den Zahlungen eines Mitgliedstaats entdeckt, ist sie gehalten, die von diesem vorgelegten Abrechnungen zu berichtigen. Hat die Kommission die erforderliche Berichtigung für ein vorausgegangenes Haushaltsjahr nicht vorgenommen, sondern aus Gründen der Billigkeit Unregelmässigkeiten geduldet, so erwächst dem betreffenden Mitgliedstaat daraus kein Recht, unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes die gleiche Haltung für Unregelmässigkeiten des folgenden Haushaltsjahres zu fordern.

68 Was die Zahlungen nach der Eröffnung der Untersuchung betrifft, sind die Rügen bezueglich der Ziele der von der Kommission verlangten Überprüfung zurückzuweisen. Aus dem Wortlaut des Artikels 6 der Verordnung Nr. 283/72 ergibt sich nämlich, daß eine solche Untersuchung der Auffindung etwaiger Unregelmässigkeiten dienen soll. Auch die Rügen bezueglich der Methode der Extrapolation sind nicht erheblich, da Italien die Zielrichtung der Untersuchung bekannt war. Es war daher Sache Italiens, darüber zu entscheiden, wie erschöpfend die Untersuchung durchgeführt werden sollte.

69 Auch die Rüge, die Kommission habe verspätet geantwortet, kann keinen Erfolg haben. Da keinerlei Sanktion an die Nichteinhaltung der Frist für die Erstellung des Rechnungsabschlusses für die vom EAGFL finanzierten Ausgaben nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 durch die Kommission geknüpft ist, kann diese Frist nach ständiger Rechtsprechung nur als Ordnungsfrist angesehen werden, soweit nicht die Interessen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt werden (vgl. insbesondere Urteil vom 27. Januar 1988 in der Rechtssache 349/85, Dänemark/Kommission, Slg. 1988, 169). Auch eine ° und sei es erhebliche ° Überschreitung dieser Frist kann daher die Haftung der Kommission nur dann begründen, wenn es auf deren schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist. Ein solches Verhalten hat aber die Italienische Republik im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen.

70 Dem Vorbringen der italienischen Regierung schließlich, daß die Schlußfolgerungen ihrer Verwaltung aus der Untersuchung als gültig anzusehen seien, solange die Kommission nicht das Gegenteil festgestellt habe, ist nicht zu folgen, da die Kommission zur Umkehr der Beweislast lediglich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der von dem Mitgliedstaat für den Rechnungsabschluß des EAGFL vorgelegten Angabe entstehen zu lassen braucht.

71 Solche ernsthaften Zweifel bestehen im vorliegenden Fall, obwohl die Kommission nicht die Unrichtigkeit der Untersuchungsergebnisse der italienischen Verwaltung belegt hat. Unter diesen Umständen war es Sache Italiens, den Nachweis zu erbringen, daß die Berechnungen der Kommission fehlerhaft waren. Da dieser Nachweis nicht erbracht worden ist, ist die Klage auch insoweit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

72 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück