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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.1989
Aktenzeichen: C-56/89 R
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 1
EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 3
EWG-Vertrag Art. 185
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTSHOFES VOM 13. JUNI 1989. - PUBLISHERS ASSOCIATION GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - KARTELL - PREISBINDUNG FUER BUECHER. - RECHTSSACHE C-56/89 R.

Entscheidungsgründe:

1 Die Publishers Association hat mit Klageschrift, die am 27. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag eine Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung 89/44 der Kommission vom 12. Dezember 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag ( IV/27.393 und IV/27.394, Publishers Association - Net Book Agreements ) ( ABl. 1989, L 22, S. 12 ).

2 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung stellen bestimmte im Rahmen der antragstellenden Vereinigung entstandene Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen, die unter den Buchstaben a bis f dieses Artikels aufgeführt sind und nachstehend erläutert werden, eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dar, soweit sie den Buchhandel mit anderen Mitgliedstaaten betreffen.

3 Durch Artikel 2 der Entscheidung wird ein Antrag auf Abgabe einer Freistellungserklärung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag für diese Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen abgelehnt.

4 Gemäß Artikel 3 der Entscheidung trifft die Antragstellerin alle nötigen Maßnahmen, um die festgestellte Zuwiderhandlung unverzueglich abzustellen. Gemäß Artikel 4 hat sie die genannten Unternehmen, insbesondere die Buchhändler, von diesen Maßnahmen zu unterrichten und ihnen mitzuteilen, welche praktischen Folgen sich daraus ergeben.

5 Mit besonderem Schriftsatz, der gleichfalls am 27. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 185 und 186 EWG-Vertrag und Artikel 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes beantragt, den Vollzug der gesamten genannten Entscheidung bis zur Entscheidung des Gerichtshofes zur Hauptsache auszusetzen.

6 Die Antragsgegnerin hat am 30. März 1989 schriftlich Stellung genommen. Die Parteien haben am 12. Mai 1989 mündlich verhandelt, nachdem der auf den 21. April 1989 anberaumte Sitzungstermin auf Antrag der Antragstellerin abgesetzt worden war.

7 Vor Prüfung der Begründetheit des Antrags auf einstweilige Anordnung ist eine kurze Darstellung von Inhalt und Zusammenhang der Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen zu geben, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind.

8 Die Publishers Association ist eine Vereinigung, der die Mehrzahl der im Vereinigten Königreich niedergelassenen Verleger angehören. Die Vereinigung verfolgt, neben der Förderung und dem Schutz der Interessen ihrer Mitglieder, das Ziel, die weitestmögliche Verbreitung von Büchern zu fördern und hierzu die als Net Book Agreement von 1957 bezeichnete Vereinbarung zu verwalten und anzuwenden und deren Beachtung mit allen rechtlich zulässigen Mitteln sicherzustellen.

9 Gemäß dieser Vereinbarung, die in Artikel 1 Buchstabe a der angefochtenen Entscheidung genannt ist, verpflichten sich die Unternehmen, die Mitglieder der Vereinigung sind und die Vereinbarung unterzeichnet haben, die Standardverkaufsbedingungen, wie die Vereinbarung sie festlegt, beim Verkauf von Büchern zu gebundenen Preisen anzuwenden. Diese Bedingungen gelten für alle öffentlichen Buchverkäufe im Vereinigten Königreich und Irland, ob durch Großhändler oder Einzelhändler, wenn der Verleger, der für die Veröffentlichung oder den Vertrieb des fraglichen Buches verantwortlich ist, beschließt, es zu einem gebundenen Preis in den Handel zu bringen und diesen Preis festsetzt.

10 Nach diesen einheitlichen Verkaufsbedingungen darf ein Buch mit gebundenem Preis grundsätzlich weder unter diesem Preis öffentlich verkauft oder zum Verkauf angeboten werden, noch darf sein öffentlicher Verkauf unter diesem Preis gestattet werden.

11 Die einheitlichen Verkaufsbedingungen sehen vor, daß ein Buch mit gebundenem Preis an Büchereien, Nebenerwerbsbuchhändler und Grossabnehmer mit einem Preisnachlaß verkauft werden darf, wenn ihnen zuvor von der Vereinigung eine entsprechende Genehmigung erteilt worden ist, in der Höhe und Bedingungen des Preisnachlasses festgelegt sind.

12 Nach dieser Bestimmung erließ die Vereinigung eine Regelung über die Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen an Bibliotheken, die den Preisnachlaß auf 10 % beschränkt und die Bedingungen festlegt, denen die Bibliotheken entsprechen müssen, sowie eine Regelung über Mengenrabatte, die die Rabattspanne festlegt, und schließlich eine Regelung über die Nachlässe für Nebenerwerbsbuchhändler. Auf diese Regelungen bezieht sich Artikel 1 Buchstabe b der angefochtenen Entscheidung.

13 Für den Fall eines Vertragsbruches durch einen Händler, der ein preisgebundenes Buch öffentlich verkauft oder zum Verkauf anbietet, verpflichten sich die unterzeichnenden Unternehmer, ihre vertraglichen Rechte und ihre Rechte aus dem Resale Prices Act durchzusetzen, wenn sie von der Vereinigung hierzu aufgefordert werden und unter der Bedingung, daß die Vereinigung sie von den Kosten freihält, die hieraus entstehen.

14 Eine, abgesehen vom Kostenersatz durch die Vereinigung bei Verfolgung von Vertragsverletzungen, gleichlautende Vereinbarung wurde zwischen einer grossen Zahl von Nichtmitgliedern der Vereinigung getroffen. Artikel 1 Buchstabe a der angefochtenen Entscheidung gilt auch für diese Vereinbarung.

15 Die Vereinigung erließ darüber hinaus eine Anzahl von Beschlüssen und Bestimmungen, die unmittelbar oder mittelbar das Inverkehrbringen von preisgebundenen Büchern betreffen. Diese Beschlüsse und Bestimmungen sind in Artikel 1 Buchstaben c bis f der angefochtenen Entscheidung aufgeführt.

16 Der sogenannte "Code of Allowances" ( Vorschriften über Preisnachlässe ) enthält Vorschriften über Ermässigungen der gebundenen Preise für Neuauflagen und besonders preisgünstige Auflagen, die in der Fachpresse anzukündigen sind und die zu einzelnen Ermässigungen der gebundenen Preise für die Exemplare in den Beständen des Buchhändlers führen können.

17 Eine Buchclub-Regelung gilt für die Sonderauflagen für Buchclubs. Sie findet auf Bücher Anwendung, deren Handelsauflage als preisgebundene Bücher veröffentlicht wird und gestattet besondere Buchclub-Auflagen für die Buchclubs, die bei der Vereinigung registriert sind und sich verpflichtet haben, die Regelung zu beachten. Diese legt insbesondere die Voraussetzungen fest, denen die Buchclubs bezueglich der Clubmitgliedschaft genügen müssen, und regelt die Werbung, die sie für ihre Bücher treiben dürfen.

18 Ein Beschluß der Vereinigung regelt einen jährlichen Ausverkauf von Büchern. Dieser gestattet den Buchhändlern in den Grenzen und unter den Bedingungen, die der Beschluß festlegt, zu Preisen unter dem gebundenen Preis ihre zu hohen Lagerbestände zu verkaufen und gegebenenfalls zu hohe Bestände der Großhändler und Verleger abzusetzen.

19 Schließlich veröffentlicht die Vereinigung alle zwei Monate ein Fachhandelsverzeichnis, in dem die Buchhändler aufgeführt sind, die bestimmten Anforderungen genügen und sich verpflichten, die einheitlichen Verkaufsbedingungen einzuhalten.

20 Die genannten Vereinbarungen sehen keine Sanktion für die Unternehmen vor, die die Vereinbarung unterzeichnet haben, aber nicht einhalten. Die Einhaltung der einheitlichen Verkaufsbedingungen wird nach Angaben der Vereinigung gegebenenfalls im Wege gerichtlicher Verfügung durchgesetzt. Um eine derartige Maßnahme in Irland und im Vereinigten Königreich zu erwirken, muß der Verleger regelmässig das Bestehen eines Vertragsverhältnisses mit dem Buchhändler beweisen. Im Vereinigten Königreich kann sich der Verleger allerdings auch auf Artikel 26 des Resale Prices Act von 1976 stützen, aufgrund dessen er Verkaufspreisbedingungen durchsetzen kann, ohne ein Vertragsverhältnis beweisen zu müssen, soweit diese Bedingungen dem fraglichen Buchhändler mitgeteilt worden sind.

21 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, daß jährlich 40 000 Neuerscheinungen von der Verlagsindustrie im Vereinigten Königreich veröffentlicht werden, wovon etwa 80 % auf die Mitglieder der Vereinigung entfallen; der Gesamtwert der Jahresproduktion liegt bei etwa 1,7 Milliarden UKL. Die britische Buchverlagsproduktion wird zu 65 % auf dem britischen Markt verkauft, der Rest wird ausgeführt. Etwa ein Viertel der Ausfuhren geht in die anderen EG-Mitgliedstaaten, 4,5 % der Ausfuhren gehen nach Irland, wo diese Einfuhren mehr als 50 % der gesamten Buchverkäufe ausmachen.

22 Es ist unstreitig zwischen den Parteien, daß etwa 75 % der im Vereinigten Königreich verkauften oder von britischen Verlagen nach Irland ausgeführten Bücher als preisgebundene Bücher in den Handel gebracht werden.

23 Die Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen, auf die sich die angefochtene Entscheidung bezieht, wurden anläßlich des Beitritts des Vereinigten Königreichs und Irlands zu den Gemeinschaften gemäß Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 ( Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl. Nr. 13, S. 204 ), geändert durch Artikel 29 der Beitrittsakte ( ABl. L 73 vom 27. 3. 1972, S. 47 ) bei der Kommission angemeldet.

24 Nach Artikel 185 EWG-Vertrag haben Klagen beim Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung. Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlungen aussetzen.

25 Gemäß Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung setzt die Aussetzung des Vollzugs voraus, daß Umstände vorliegen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Dringlichkeit eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs danach zu beurteilen, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, daß dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht.

26 Es ist zu prüfen, ob diese Voraußsetzungen im vorliegenden Fall erfuellt sind.

27 Was zunächst die Voraussetzung der Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnung angeht, weist die Antragstellerin darauf hin, daß sie mit ihrer Klage insbesondere die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantrage, soweit mit dieser ihr Antrag auf Abgabe einer Freistellungserklärung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag abgelehnt werde. Diese Freistellungserklärung sei allein aus dem Grund verweigert worden, daß die Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen die in Buchstabe a dieses Absatzes aufgestellte Voraussetzung deshalb nicht erfuellten, weil sie den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegten, die für die Verwirklichung ihrer Ziele nicht unerläßlich seien.

28 Dazu macht die Antragstellerin insbesondere geltend, die angefochtene Entscheidung sei nicht ausreichend begründet und verletze Artikel 85 Absatz 3. Die Vereinbarungen, auf die sich die Entscheidung beziehe, seien so wenig restriktiv wie möglich, da jeder Verleger frei sei, die Vereinbarungen zu unterzeichnen oder nicht, zu entscheiden, ob ein Buch als preisgebundenes Buch in den Handel gebracht werden solle, diesen gebundenen Preis festzusetzen, die Buchhändler auszuwählen, an die das Buch verkauft werde, und den von ihnen zu zahlenden Preis auszuhandeln; auch verlangten Gründe der Praktikabilität die Verwendung von einheitlichen Verkaufsbedingungen. Insbesondere seien die Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen, auf die sich die streitige Entscheidung beziehe, zweimal, 1962 und 1969, von dem nationalen Gericht, das in Wettbewerbssachen zuständig sei, dem Restrictive Practices Court, gründlich geprüft worden, der nach langer Verhandlung und, obwohl die Festsetzung von Wiederverkaufspreisen vom nationalen Recht grundsätzlich untersagt sei, entschieden habe, daß die Aufhebung der Vereinbarungen der Allgemeinheit, also den Käufern, Verbrauchern oder Benutzern von Büchern, besondere und wesentliche Vergünstigungen oder Vorteile nähme, die sie aufgrund der Vereinbarungen hätten, und daß der Öffentlichkeit durch die Weitergeltung der Vereinbarungen - verglichen mit den Nachteilen, die sich bei ihrer Aufhebung ergäben - kein merklicher Schaden entstehe.

29 Unter der Randnummer 71 der angefochtenen Entscheidung heisst es, daß die Argumente, auf die die Vereinigung ihren Antrag auf Freistellung gestützt habe, die gleichen seien, die im Rahmen der erwähnten nationalen Verfahren vorgebracht worden seien, daß jedoch diese Verfahren nicht so sehr die Notwendigkeit einer gemeinsamen Anwendung von Standardbedingungen, sondern vielmehr die Frage betroffen hätten, ob feste Buchpreise als solche zur Erreichung der angeführten Ziele unerläßlich seien. Da diese beiden Aspekte nach Auffassung der Kommission unabhängig voneinander zu betrachten sind, untersuchte sie anschließend unter den Randnummern 72 bis 86 der Entscheidung die Unerläßlichkeit der streitigen Vereinbarungen, ohne die Wertungen des erwähnten nationalen Gerichts zu berücksichtigen.

30 Aus den erwähnten nationalen Entscheidungen ergibt sich jedoch, daß das zuständige Gericht im Einklang mit den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften die Vorteile untersuchte, die sich nicht nur aus den gebundenen Preisen als solchen, sondern auch aus den Vereinbarungen ergeben, die die einheitlichen Verkaufsbedingungen festlegen, da diese Vereinbarungen nach Auffassung des erwähnten nationalen Gerichts unerläßlich sind, um derartige Preise in der Praxis aufrechtzuerhalten.

31 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß im Stadium des Verfahrens der einstweiligen Anordnung die Klage nicht völlig unbegründet erscheint; die Voraussetzung, daß die Notwendigkeit der beantragten Anordnung glaubhaft gemacht ist, ist daher erfuellt.

32 Diese Feststellung betrifft allerdings nur die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Freistellungserklärung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag durch die Kommission ( Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung ). Die Antragstellerin räumt nämlich selbst ein, daß das System der gebunden Buchpreise grundsätzlich gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstosse, soweit es auch den Handel mit anderen Mitgliedstaaten betreffe ( Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung ).

33 Was die Voraussetzungen der Dringlichkeit betrifft, macht die Antragstellerin geltend, daß sie, um der angefochtenen Entscheidung und insbesondere ihren Artikeln 3 und 4 nachzukommen, entweder die Vereinbarungen und das durch sie begründete Vertriebssystem beseitigen oder diese Vereinbarungen und das System ändern müsse, so daß sie den Buchhandel zwischen Mitgliedstaaten nicht mehr beträfen. Die Aufhebung der Vereinbarungen hätte, wie das in Wettbewerbsangelegenheiten zuständige nationale Gericht feststellte, zur Folge, daß die Zahl der Sortimentsbuchhandlungen abnähme, die Zahl und die Vielfalt der Veröffentlichungen zurückgingen und die Buchpreise allgemein höher stiegen. Diese Folgen würden für die Mitglieder der Vereinigung einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden darstellen und auf dem Buchmarkt im Vereinigten Königreich und in Irland eine Entwicklung hervorrufen, die später nicht rückgängig zu machen wäre. Die Änderung der Vereinbarungen in dem von der Kommission gewünschten Sinn würde zur Beseitigung des auf dem irischen Markt bestehenden Systems führen mit den erwähnten Folgen; für den britischen Markt hätte sie insbesondere zur Folge, daß Unternehmen, die Büchereien beliefern, und Versandbuchhandlungen ihren Geschäftsbetrieb wahrscheinlich nach Irland verlegen würden. Diese Folgen würden sogar auf kurze Sicht zur Beseitigung des bestehenden Systems führen.

34 Es ist zu berücksichtigen, daß erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, daß eine Änderung der erwähnten Art in einem so ausgedehnten und komplexen Vertriebssystem wie dem der Buchpreisbindung auf dem britischen und irischen Markt für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer den behaupteten schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen könnte.

35 Insbesondere ist zwischen dieser Gefahr und dem Interesse der Kommission daran abzuwägen, daß die nach ihrer Auffassung festgestellte Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags sofort abgestellt wird. Da es sich um Vereinbarungen, Beschlüsse und Bestimmungen handelt, die ein seit 1957 bestehendes Vertriebssystem begründen und die 1973 ordnungsgemäß bei der Kommission angemeldet worden sind, kann das 1989 bestehende Interesse der Kommission, der Zuwiderhandlung ein Ende zu setzen, nicht das Interesse der Antragstellerin daran überwiegen, daß das bestehende System nicht gefährdet wird, solange der Gerichtshof nicht in der Hauptsache entschieden hat. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, daß nach den Feststellungen der erwähnten nationalen Entscheidungen die fraglichen Vereinbarungen insbesondere im Hinblick auf eine ausreichende und vielfältige Versorgung mit Büchern aller Art eine vorteilhafte Situation für die Öffentlichkeit schaffen, die durch einen sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung in nicht umkehrbarer Weise beeinträchtigt werden könnte.

36 Die Voraussetzung der Dringlichkeit ist demgemäß ebenfalls als erfuellt anzusehen.

37 Für den Fall, daß die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung angeordnet wird, macht die Kommission geltend, diese Aussetzung könne jedenfalls nicht Artikel 1 der Entscheidung betreffen. Mit einer Aussetzung von Artikel 1 würde die vorläufige Gültigkeit der Vereinbarungen wiederhergestellt, was die Zuständigkeit des Gerichtshofes im Verfahren der einstweiligen Anordnung überschreite. Die Antragstellerin erwidert, die von der Kommission insoweit herangezogene Rechtsprechung betreffe nur Fälle, in denen die fragliche Vereinbarung vor der Entscheidung der Kommission keine vorläufige Gültigkeit gehabt habe, und beruft sich darauf, daß der Gerichtshof die vorläufige Gültigkeit bestimmter Vereinbarungen aufgrund der Unteilbarkeit des in Artikel 85 Absatz 1 vorgesehenen Verbots und der in Artikel 85 Absatz 3 vorgesehenen Möglichkeit der Freistellung anerkannt habe.

38 Diese Argumente brauchen in diesem Stadium nicht geprüft zu werden, vielmehr genügt der Hinweis, daß die Notwendigkeit der beantragten Anordnung nur im Hinblick auf die Ablehnung einer Freistellung ( Artikel 2 und folglich Artikel 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung ) glaubhaft gemacht worden ist, und die Feststellung, daß die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, daß eine Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung insgesamt unerläßlich ist, um einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verhindern.

39 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung betont hat, daß Sanktionen gegen Unterzeichner, die die fraglichen Vereinbarungen nicht einhielten, in diesen nicht vorgesehen seien und auch in der Praxis von der Antragstellerin nicht verhängt würden. Weiter ergibt sich aus den Akten, daß in Irland, wo die Aufhebung der fraglichen einheitlichen Verkaufsbedingungen insbesondere im Hinblick auf die Lückenlosigkeit des Systems schwerwiegendere Folgen hätte, die Einhaltung dieser Bedingungen durch die Buchhändler nur durch eine vertragliche Bindung zwischen Verleger und Buchhändler gewährleistet werden kann. Diese vertikale Bindung wird nach den von der Kommission in der Sitzung gemachten Ausführungen von der angefochtenen Entscheidung nicht berührt. Unter diesen Umständen ergibt sich auf den ersten Blick, daß die Aussetzung der Verpflichtung, die in Artikel 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung vorgeschriebenen Maßnahmen durchzuführen, und die Tatsache, daß der in Artikel 2 der Entscheidung angesprochene Freistellungsantrag immer noch anhängig ist, so daß die Wirkung dieses Artikels gleichfalls ausgesetzt ist, ausreichen, um den Eintritt des von der Antragstellerin befürchteten Schadens zu verhindern.

40 Nach alledem ist der Vollzug der Artikel 2 bis 4 der angefochtenen Entscheidung auszusetzen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT

beschlossen :

1 ) Der Vollzug der Artikel 2 bis 4 der Entscheidung 89/44 der Kommission vom 12. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag ( IV/27.393 und IV/27.394, Publishers Association - Net Book Agreements ) wird ausgesetzt.

2 ) Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 13. Juni 1989.

Ende der Entscheidung

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