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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.02.1997
Aktenzeichen: C-59/95
Rechtsgebiete: Verordnung 1408/71/EWG,


Vorschriften:

Verordnung 1408/71/EWG Art. 77 Abs. 2b
Verordnung 1408/71/EWG Art. 78 Abs. 2b
Verordnung 1408/71/EWG Art. 79 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats ist nach den Artikeln 77 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i und 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung nicht verpflichtet, Rentnern oder Waisen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, der niedrigere Familienleistungen gewährt, als sie im Recht des ersten Mitgliedstaats vorgesehen sind, Familienleistungen als Zusatzleistung zu gewähren, wenn der Anspruch auf die Rente oder der Anspruch auf die Leistungen für Waisen nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten erworben wurde, die in diesem Staat zurückgelegt wurden, sondern durch die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Zusammenrechnung von Leistungen.

Denn der Anspruch auf einen Zuschlag zu den vom Wohnstaat gewährten Familienleistungen setzt einen Rentenanspruch oder Anspruch auf Leistungen für Waisen voraus, der nur nach den nationalen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als des Wohnstaats erworben wurde. Werden jedoch die Ansprüche des Rentners oder der Waisen nur durch die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Zusammenrechnung eröffnet, entzieht die Anwendung der Artikel 77 und 78, die die Gewährung nach den Leistungen der Rechtsvorschriften des Wohnstaats vorsehen, den Betroffenen keine Leistungen, die ihnen allein nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats zustehen.


Urteil des Gerichtshofes vom 27. Februar 1997. - Francisco Bastos Moriana, Cristóbal Aguilera Reyes, Cristóbal Gordo Valle, Fernando Romero Ramos, Rosa Moscato und Ana Muñoz Abato gegen Bundesanstalt für Arbeit. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Sozialgericht Nürnberg - Deutschland. - Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer - Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern und für Waisen. - Rechtssache C-59/95.

Entscheidungsgründe:

1 Das Sozialgericht Nürnberg hat mit Beschluß vom 16. Januar 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 7. März 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag Fragen nach der Auslegung der Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe b, 78 Absatz 2 Buchstabe b und 79 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten der Kläger Francisco XX Moriana, Cristóbal Aguilera Reyes, Cristóbal Gordo Valle, Fernando Romero Ramos sowie der Klägerinnen Rosa XX und Ana Muñoz Abato (im folgenden: die Kläger) gegen die Bundesanstalt für Arbeit, den für die Anwendung des Bundeskindergeldgesetzes zuständigen deutschen Träger, in denen es um Ansprüche auf ergänzende Familienleistungen geht.

3 Die vier Kläger, spanische Staatsangehörige, haben während bestimmter Zeiten in Deutschland gearbeitet und dort Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet. Einige Jahre nach ihrer Rückkehr nach Spanien wurden sie arbeitsunfähig. Ein Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde ihnen daraufhin gemäß Artikel 45 der Verordnung nach Zusammenrechnung der in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten zugebilligt.

4 Von den beiden Klägerinnen besitzt die eine die italienische Staatsangehörigkeit und wohnt in Italien, während die andere die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und in Spanien wohnt. Sie sind Witwen eines italienischen beziehungsweise eines spanischen Staatsangehörigen; ihre Ehemänner hatten in Deutschland gearbeitet und dort Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet und waren dann in ihr Heimatland zurückgekehrt. Sie beziehen gemäß Artikel 45 der Verordnung nach Zusammenrechnung der in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten deutsche Witwenrenten. Hingegen erhielten ihre Kinder keine deutsche Waisenrente.

5 Die Kläger beantragten bei der Bundesanstalt für Arbeit deutsches Kindergeld, soweit dieses entweder für einen längeren Zeitraum gewährt wird oder höher ist als die entsprechende Leistung in ihrem Wohnstaat. Sie begehren somit eine Zusatzleistung in Höhe des Unterschieds zwischen dem deutschen Kindergeld und demjenigen ihres Wohnstaats (im folgenden: Zusatzleistung).

6 Die Kläger machen geltend, ihre Anträge seien nach den Artikeln 77 und 78 der Verordnung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof in den Urteilen vom 12. Juni 1980 in der Rechtssache 733/79 (Laterza, Slg. 1980, 1915), vom 9. Juli 1980 in der Rechtssache 807/79 (Gravina, Slg. 1980, 2205) und zuletzt vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-251/89 (Athanasopoulos u. a., Slg. 1991, I-2797) begründet. Nach dieser Rechtsprechung stuenden den Rentenempfängern Zusatzleistungen auch dann zu, wenn ihr Rentenanspruch nur nach den Bestimmungen der Verordnung über die Zusammenrechnung in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegter Zeiten bestehe.

7 Die Bundesanstalt für Arbeit lehnte diese Anträge ab. Zur Begründung führte sie aus, die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes sei auf die vorliegenden Fälle nicht anwendbar, da die Zahlung einer Zusatzleistung nach den Artikeln 77 und 78 der Verordnung nur dann geschuldet werde, wenn der Rentenanspruch oder der Anspruch der Waisen ausschließlich aufgrund von in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten erworben worden sei. Diese Voraussetzung sei bei den Klägern nicht erfuellt.

8 Gemäß Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung erhält "der Rentner, der nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten Rente bezieht,... die Leistungen [für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern]

i) nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohnt, wenn Anspruch auf eine der... Leistungen - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe a) - nach den Rechtsvorschriften dieses Staates besteht".

9 Entsprechend bestimmt Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung, daß die Leistungen für Waisen einschließlich der Familienleistungen "für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben,

i) nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet die Waisen wohnen, wenn Anspruch auf eine der... Leistungen - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe a) - nach den Rechtsvorschriften dieses Staates besteht", gewährt werden.

10 In Artikel 79 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 heisst es:

"Die Leistungen nach den Artikeln 77 und 78 werden gemäß den nach diesen Artikeln bestimmten Rechtsvorschriften von dem Träger, der diese Rechtsvorschriften anzuwenden hat, zu seinen Lasten gewährt, als hätten für den Rentner oder den Verstorbenen ausschließlich die Rechtsvorschriften des zuständigen Staates gegolten.

Dabei gilt jedoch folgendes:

a) Hängt nach diesen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Dauer der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbständigen Tätigkeit oder Wohnzeiten ab, so wird diese Dauer gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Artikels 45 beziehungsweise des Artikels 72 ermittelt;

..."

11 Das Sozialgericht Nürnberg, bei dem die Klagen gegen die Bescheide der Bundesanstalt für Arbeit erhoben wurden, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 dahin gehend auszulegen, daß Familienbeihilfen für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern, die einen Anspruch auf Rente in einem Mitgliedstaat nicht allein aufgrund der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, sondern aufgrund der koordinierenden Vorschriften des europäischen Sozialrechts erworben haben, als Zusatzleistung in Höhe des Unterschieds zwischen dem Betrag der in diesem Mitgliedstaat vorgesehenen Leistungen und der vom Wohnsitzstaat gezahlten oder vorgesehenen Leistungen von dem Mitgliedstaat zu zahlen sind, in dem die Rentner nicht wohnen?

2. Ist Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin gehend auszulegen, daß Familienbeihilfen für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben, wenn ein Anspruch auf Waisenrente in einem Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften gegolten haben, weder allein aufgrund der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats noch aufgrund der koordinierenden Vorschriften des europäischen Sozialrechts besteht, als Zusatzleistung in Höhe des Unterschieds zwischen dem Betrag der in diesem Mitgliedstaat vorgesehenen Leistungen und der vom Wohnsitzstaat gezahlten oder vorgesehenen Leistungen von dem Mitgliedstaat zu zahlen sind, in dem die Waisen nicht wohnen?

3. Wenn bei Bejahung der Fragen 1 und 2 ein Anspruch auf Familienbeihilfen besteht, ist die Höhe der Zusatzleistung im Verhältnis der Versicherungszeiten im Mitgliedstaat zu Versicherungszeiten dieser Art im Wohnsitzstaat (oder einem anderen Mitgliedstaat) zu mindern?

4. Steht einem Anspruch auf Zusatzleistungen der Umstand entgegen, daß eine nach einem Sozialversicherungsabkommen gewährte Rentenleistung nicht gemäß Artikel 94 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1408/71 umgewandelt worden ist?

12 Das Sozialgericht Nürnberg hat mit Beschluß vom 9. November 1995, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 16. November 1995, die vierte Vorlagefrage mit der Begründung zurückgezogen, daß diese zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer geklärt worden sei.

Zu den ersten beiden Fragen

13 Mit seinen ersten beiden Fragen begehrt das nationale Gericht Auskunft darüber, ob der zuständige Träger eines Mitgliedstaats nach den Artikeln 77 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i und 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung selbst dann verpflichtet ist, Rentnern oder Waisen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, der niedrigere Familienleistungen gewährt, als sie im Recht des ersten Mitgliedstaats vorgesehen sind, Familienbeihilfen als Zusatzleistung zu gewähren, wenn der Rentenanspruch oder der Anspruch auf Leistungen für Waisen nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten erworben wurde, die in diesem Staat zurückgelegt wurden.

14 Nach Ansicht der Kläger, der spanischen Regierung und der Kommission verlangt der in den Artikeln 48 und 51 EG-Vertrag verankerte Grundsatz der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, daß diese Frage bejaht werde, so daß Familienbeihilfen als Zusatzleistung auch dann geschuldet seien, wenn der Anspruch auf die deutsche Rente oder der Anspruch auf die Waisenrente nur gemäß den Bestimmungen der Verordnung über die Zusammenrechnung in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegter Zeiten eröffnet werde. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer daran gehindert sein, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, aus Furcht, die Familienleistungen zu verlieren, auf die er Anspruch hätte, wenn er im selben Staat wohnen bliebe. Für die Auslegung der Artikel 77 und 78 der Verordnung sei nicht der Gedanke des Schutzes der nach ein und demselben nationalen Recht erworbenen Ansprüche maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes würde der Zweck der Artikel 48 bis 51 EG-Vertrag verfehlt, wenn Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizuegigkeit Gebrauch machten, deswegen Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören (insbesondere Urteile vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-186/90, Durighello, Slg. 1991, I-5773, Randnrn. 15 und 16, und Athanasopoulos u. a., a. a. O., Randnrn. 35 und 37).

15 Die Artikel 77 und 78 dienen der Bestimmung des Mitgliedstaats, nach dessen Recht sich die Gewährung von Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern und für Waisen regelt; die Leistungen werden dann grundsätzlich nach dem Recht allein dieses Mitgliedstaats gewährt. Nach dem jeweiligen Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i dieser Artikel werden die in Rede stehenden Leistungen nach dem Recht des Staates gewährt, in dessen Gebiet der Rentner oder die Waise des verstorbenen Arbeitnehmers wohnt, wenn für den Rentner oder den verstorbenen Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gelten beziehungsweise gegolten haben.

16 Jedoch sind diese Bestimmungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes so auszulegen, daß der Anspruch auf Familienleistungen gegen den Staat, in dessen Gebiet der Empfänger einer Invaliditäts- oder Altersrente beziehungsweise die Waise wohnt, nicht den zuvor gegen einen anderen Mitgliedstaat eröffneten Anspruch auf höhere Familienleistungen beseitigt. Vielmehr schuldet letzterer eine Zusatzleistung in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den beiden Leistungen (vgl. inbesondere die Urteile Laterza und Gravina, a. a. O.).

17 Diese Auslegung der Artikel 77 und 78 der Verordnung beruht auf dem vom Gerichtshof vielfach bekräftigten Grundsatz, daß der Zweck der Artikel 48 bis 51 EG-Vertrag verfehlt würde, wenn die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizuegigkeit Gebrauch machen, deswegen Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die ihnen allein nach dem Recht eines Mitgliedstaats zustehen (inbesondere Urteil vom 21. Oktober 1975 in der Rechtssache 24/75, Petroni, Slg. 1975, 1149, Randnr. 13). Daher dürfen die Bestimmungen der Verordnung nicht angewandt werden, wenn sie zu einer Verringerung der Leistungen führten, die dem Betroffenen nach dem Recht eines Mitgliedstaats allein aufgrund der dort zurückgelegten Versicherungszeiten zustehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Petroni, a. a. O., Randnr. 16).

18 Die Anwendung der Artikel 77 und 78 der Verordnung, nach denen der Wohnmitgliedstaat für die Gewährung der in Rede stehenden Familienleistungen allein zuständig ist, kann dazu führen, daß Betroffene Leistungsansprüche verlieren, die ihnen allein nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats zustehen. Daher hat der Gerichtshof in den Urteilen Laterza und Gravina diese Bestimmungen so ausgelegt, daß der Grundsatz, daß nur ein Staat Familienleistungen schuldet, eine Ausnahme dahin gehend erfährt, daß der andere Mitgliedstaat eine Zusatzleistung schuldet.

19 Die Überlegungen, auf denen diese Ausnahme beruht, verbieten ihre Erstreckung auf den Fall, daß die Ansprüche des Rentners oder der Waisen nur durch die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Zusammenrechnung eröffnet sind. Denn in diesem Fall entzieht die Anwendung der Artikel 77 und 78 den Betroffenen keine Leistungen, die ihnen allein nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats zustehen.

20 Dieser Auslegung steht weder das Urteil Athanasopoulos u. a. noch das Urteil Durighello entgegen.

21 Im Urteil Athanasopoulos hatte der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu Zusatzleistungen zu erläutern. Es ging namentlich darum, ob diese Zusatzleistungen nur dann zu gewähren sind, wenn die Rentenansprüche in dem Mitgliedstaat, bei dessen Träger die Zusatzleistungen beantragt werden, vor dem Wegzug des Betroffenen erworben worden und die unterhaltsberechtigten Kinder des Rentners vor diesem Wegzug geboren waren. Die Begründung, mit der der Gerichtshof diese beiden Fragen verneint hat, berühren nicht den Kern seiner Rechtsprechung zu den Zusatzleistungen, daß nämlich ein Anspruch auf eine solche Leistung einen Anspruch auf eine Rente oder auf Leistungen für Waisen voraussetzt, der allein nach dem nationalen Recht erworben wurde.

22 Das gleiche gilt für das Urteil Durighello, das insofern eine andere Fallgestaltung als vorliegend betraf, als es Fragen nach dem Einfluß der Artikel 77 bis 79 auf die Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats, in dem der Wanderarbeitnehmer wohnte, aufwarf. In dieser Rechtssache wurden dem rentenberechtigten Wanderarbeitnehmer in seinem Wohnland die nach dem nationalen Recht für Rentner vorgesehenen Familienleistungen für unterhaltsberechtigte Ehegatten mit der Begründung verweigert, er habe den Anspruch auf diese Rente aufgrund der Verordnung erworben. Daher konnte sich der Gerichtshof darauf beschränken, auf die Vorlagefrage zu antworten, daß die Artikel 77 bis 79 der Verordnung der Anwendung von Rechtsvorschriften von der Art, um die es ging, auf den Fall einer Person nicht entgegenstehen, die eine Altersrente aufgrund der Verordnung bezieht.

23 Angesichts dieser Erwägungen ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, daß der zuständige Träger eines Mitgliedstaats nach den Artikeln 77 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i und 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung nicht verpflichtet ist, Rentnern oder Waisen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, der niedrigere Familienleistungen gewährt, als sie im Recht des ersten Mitgliedstaats vorgesehen sind, Familienleistungen als Zusatzleistung zu gewähren, wenn der Anspruch auf die Rente oder der Anspruch auf die Leistungen für Waisen nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten erworben wurde, die in diesem Staat zurückgelegt wurden.

Zur dritten Frage

24 Angesichts der Antwort auf die ersten beiden Vorlagefragen braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

25 Die Auslagen der deutschen und der spanischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Sozialgericht Nürnberg mit Beschluß vom 16. Januar 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats ist nach den Artikeln 77 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i und 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung nicht verpflichtet, Rentnern oder Waisen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, der niedrigere Familienleistungen gewährt, als sie im Recht des ersten Mitgliedstaats vorgesehen sind, Familienleistungen als Zusatzleistung zu gewähren, wenn der Anspruch auf die Rente oder der Anspruch auf die Leistungen für Waisen nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten erworben wurde, die in diesem Staat zurückgelegt wurden.

Ende der Entscheidung

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