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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.12.1993
Aktenzeichen: C-6/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, VerfO


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
VerfO Art. 91 § 1 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Diejenigen, die nicht Adressaten einer Entscheidung sind, können nur dann geltend machen, von der Entscheidung individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages betroffen zu sein, wenn diese sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie die Adressaten.

Unternehmen, die mineralische Rohstoffe abbauen oder verarbeiten, sind von einer Entscheidung der Kommission über das Verbot einer staatlichen Beihilfe für den Eisenbahntransport mineralischer Rohstoffe nicht unmittelbar betroffen. Durch eine solche Entscheidung werden nämlich auch andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Transportunternehmen und die Käufer, berührt, so daß man nicht davon ausgehen kann, daß sich die Entscheidung auf Wirtschaftsteilnehmer auswirkt, deren Zahl oder Individualität zum Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmt oder feststellbar gewesen wäre.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 7. DEZEMBER 1993. - FEDERAZIONE SINDACALE ITALIANA DELL'INDUSTRIA ESTRATTIVA UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-6/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Federazione sindacale italiana dell' industria estrattiva (im folgenden: der Verband) und die Società italiana sali alcalini SpA, die Thalassia SpA, die Laviosa chimica mineraria SpA und die Società sarda di bentonite SpA (im folgenden: vier Gesellschaften) haben mit Klageschrift, die am 6. Januar 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag die Nichtigerklärung der Entscheidung 91/523/EWG der Kommission vom 18. September 1991 über die Aufhebung von Subventionstarifen der italienischen Eisenbahn für die Beförderung mineralischer Rohstoffe in Form von Schüttgut sowie in Sizilien und Sardinien gewonnener und verarbeiteter Erzeugnisse (ABl. L 283, S. 20; im folgenden: Entscheidung) beantragt. Diese Entscheidung ist allein an die Italienische Republik gerichtet.

2 Nach Artikel 1 dieser Entscheidung ist die Italienische Republik verpflichtet, "die mit Gesetz Nr. 887 vom 22. Dezember 1984, Artikel 19, letzter Gedankenstrich, eingeführten Subventionstarife für die Beförderung bestimmter Waren aus Sizilien und Sardinien mit der Eisenbahn auf[zuheben]". Dieses Gesetz ist im Anhang zur Gazzetta ufficiale Nr. 356 vom 29. Dezember 1984 veröffentlicht worden.

3 Artikel 19 letzter Gedankenstrich des genannten italienischen Gesetzes bestimmt: "Für die Beförderung von mineralischen Rohstoffen als Schüttgut, die auf den Inseln gewonnen und von dort versandt werden, kann eine Ermässigung der Gebühren der staatlichen Eisenbahn bis zu 30 Prozent gewährt werden. Die Ermässigung für Erzeugnisse, die auf den Inseln gewonnen und dort verarbeitet wurden, beträgt 60 Prozent. Diese Ermässigungen gehen zu Lasten des Schatzministeriums, das der staatlichen Eisenbahngesellschaft die Beträge erstattet, auf die sie nach den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften Anspruch hat."

4 Die Kommission hat in ihrer Entscheidung die Ansicht vertreten, daß die Übernahme solcher Ermässigungen durch den italienischen Staat gemäß Artikel 80 Absatz 1 des Vertrages verboten sei, wonach die Mitgliedstaaten im Verkehr innerhalb der Gemeinschaft keine "Frachten und Beförderungsbedingungen..., die in irgendeiner Weise der Unterstützung oder dem Schutz eines oder mehrerer Unternehmen oder Industrien dienen", anwenden dürften, es sei denn, daß die Kommission diese Anwendung genehmige. Ausserdem hat sie ausgeschlossen, daß die betreffende Maßnahme aufgrund von Artikel 80 Absatz 2 Gegenstand einer Ausnahme von diesem Verbot sein könne.

5 In ihrer Nichtigkeitsklage haben die vier Gesellschaften und der Verband, in dem sie zusammengeschlossen sind, vorgetragen, sie seien Mitglieder einer beschränkten Gruppe von Unternehmen, die bis jetzt in den Genuß des fraglichen Vorzugstarifs gekommen seien. Da sie zu der begrenzten Gruppe der Unternehmen gehörten, die mineralische Rohstoffe in Sizilien oder Sardinien abbauten oder verarbeiteten, betreffe die Entscheidung sie individuell und darüber hinaus auch unmittelbar, denn die Entscheidung belasse Italien keinen Ermessensspielraum.

6 Die Kommission hat gemäß Artikel 91 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit der Klage erhoben und beantragt, über diese Einrede vorab zu entscheiden.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts, des Ablaufs des Verfahrens und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zulässigkeit

Zur Zulässigkeit der von den vier Gesellschaften erhobenen Klage

8 Zunächst ist die Zulässigkeit der von den vier Gesellschaften erhobenen Klage zu prüfen.

9 Zur Stützung ihrer Einrede der Unzulässigkeit macht die Kommission geltend, daß diese Gesellschaften von der von ihr erlassenen Entscheidung nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages unmittelbar und individuell betroffen seien.

10 Dieser Artikel 173 Absatz 2 sieht vor: "Jede natürliche oder juristische Person kann... gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie... als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen."

11 Aus dem Urteil vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62 (Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213) ergibt sich jedoch, daß diejenigen, die nicht Adressaten einer Entscheidung sind, nur dann geltend machen können, von der Entscheidung individuell betroffen zu sein, wenn diese sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.

12 Hierzu machen die Gesellschaften geltend, sie gehörten zu einer bestimmten und begrenzten Gruppe von Rechtssubjekten, die von der angefochtenen Entscheidung betroffen seien, nämlich zu den Unternehmen, die auf den beiden Inseln mineralische Rohstoffe als Schüttgut abbauten, und diese Gruppe sei zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bestimmt oder von der Kommission bestimmbar gewesen.

13 Diesem Argument kann nicht gefolgt werden.

14 Die betreffende Entscheidung wirkt sich nämlich nicht nur auf die Interessen der klagenden Gesellschaften aus. Sie berührt darüber hinaus auch die Interessen der Eisenbahn, deren Wettbewerbsposition gegenüber anderen Verkehrsarten durch den ermässigten Tarif verbessert wird. Sie betrifft ausserdem die Transportunternehmen, denen die klagenden Gesellschaften den Versand ihrer Waren anvertrauen können und die auch ihrerseits auf die Dienste der Bahn zurückgreifen können. Schließlich betrifft sie ihre Kunden, die aufgrund von Bestimmungen der Kaufverträge dazu veranlasst werden können, die Beförderungkosten ganz oder teilweise zu tragen.

15 Unter diesen Umständen kann man nicht davon ausgehen, daß sich die betreffende Entscheidung auf Wirtschaftsteilnehmer auswirkt, deren Zahl oder Individualität zum Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmt oder feststellbar gewesen wäre.

16 Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die klagenden Gesellschaften unmittelbar betroffen sind, ist deshalb festzustellen, daß ihre Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen ist, da sie nicht individuell betroffen sind.

Zur Zulässigkeit der vom Verband erhobenen Klage

17 Zu der vom Verband erhobenen Klage ist darauf hinzuweisen, daß dieser weder in der Klageschrift noch in der Sitzung eigene und von denen, die seine Mitglieder vorgetragen haben, verschiedene Gründe vorgebracht hat, um sein Rechtschutzinteresse nachzuweisen.

18 Angesichts der Unzulässigkeit der Klage der vier Gesellschaften ist festzustellen, daß die Klage des Verbandes ebenfalls unzulässig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen und die Streithelferinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, die Kommission aber nur beantragt hat, die Klägerinnen zur Kostentragung zu verurteilen, tragen die Klägerinnen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission in bezug auf die Klage, während die Streithelferinnen und die Kommission ihre Kosten im Zusammenhang mit den Streithilfeanträgen tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten und die der Kommission durch die Klage verursachten Kosten.

3) Die Streithelferinnen und die Kommission tragen ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit der Streithilfe.

Ende der Entscheidung

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