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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.09.1996
Aktenzeichen: C-61/94
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 1999/85
Vorschriften:
VO (EWG) Nr. 1999/85 Art. 5 | |
VO (EWG) Nr. 1999/85 Art. 6 | |
VO (EWG) Nr. 1999/85 Art. 7 | |
VO (EWG) Nr. 1999/85 Art. 8 |
1. Die ordnungsgemässe Erfuellung der der Kommission nach Artikel 155 des Vertrages obliegenden Aufgabe, für die Anwendung des Vertrages und somit für die Einhaltung von der Gemeinschaft geschlossener Übereinkünfte, die gemäß Artikel 228 des Vertrages für deren Organe und für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, setzt voraus, daß sie in der Ausübung ihrer Befugnis gemäß Artikel 169 des Vertrages, die es ihr erlaubt, den Gerichtshof anzurufen, wenn ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus dem Abkommen nicht erfuellt, nicht behindert wird. Die Anrufung des Gerichtshofes darf daher weder vom Ergebnis einer Erörterung im Rahmen des vom Rat eingesetzten besonderen Ausschusses nach Artikel 113 noch gar davon abhängen, ob zuvor im Ausschuß zwischen den Mitgliedstaaten Übereinstimmung über die Auslegung der von der Gemeinschaft im Rahmen der betreffenden internationalen Übereinkunft eingegangenen Verpflichtungen erzielt worden ist.
2. Eine Klage nach Artikel 169 des Vertrages kann nur auf Gründe und Angriffsmittel gestützt werden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme bereits aufgeführt worden sind. Infolgedessen ist im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens das Vorliegen einer Vertragsverletzung nach dem Stand des Gemeinschaftsrechts am Ende der Frist zu beurteilen, die die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat für ein Handeln gemäß ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt hat.
3. Ist eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts auslegungsbedürftig, so ist sie nach Möglichkeit so auszulegen, daß sie mit den Vorschriften des Vertrages vereinbar ist. Ausserdem ist eine Durchführungsverordnung, wenn möglich, so auszulegen, daß sie mit den Bestimmungen der Grundverordnung vereinbar ist. In gleicher Weise gebietet es der Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts, diese nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Verträgen auszulegen.
4. Ein Mitgliedstaat, der im aktiven Veredelungsverkehr die Einfuhr von Milcherzeugnissen bewilligt, obwohl deren Zollwert unter den durch die Internationale Übereinkunft über Milcherzeugnisse, von der Gemeinschaft genehmigt mit dem Beschluß 80/271 über den Abschluß der multilateralen Übereinkommen, die im Zuge der Handelsverhandlungen von 1973°1979 ausgehandelt wurden, vorgeschriebenen Preisen liegt, verstösst gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs I und Artikel 6 Buchstabe a der Anhänge II und III dieser Übereinkunft sowie aus der Verordnung Nr. 1999/85 über den aktiven Veredelungsverkehr.
In diesem Zusammenhang fallen die in die Gemeinschaft eingeführten und in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführten Waren sowie diejenigen, die nach Abschluß eines Vorgangs der aktiven Veredelung ausgeführt oder wiederausgeführt würden, unter die Internationale Übereinkunft. Im übrigen gilt die Verpflichtung zur Einhaltung der nach der Übereinkunft festgesetzten Mindestpreise sowohl für die Einfuhren als auch für die Ausfuhren der Teilnehmerländer. In bezug auf die Verordnung über den aktiven Veredelungsverkehr befreit die in deren Durchführung erlassene Verordnung Nr. 2228/91 Waren, die in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführt worden sind, nicht von der Anwendung der Übereinkunft, und die von der Grundverordnung aufgestellten wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung sind nicht erfuellt, wenn die Einfuhren nicht unter Einhaltung der erwähnten Mindestpreise durchgeführt werden.
5. Die Kommission ist im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 169 des Vertrages verpflichtet, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen, und kann sich hierfür nicht auf irgendeine Vermutung stützen.
Urteil des Gerichtshofes vom 10. September 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Internationale Übereinkunft über Milcherzeugnisse. - Rechtssache C-61/94.
Entscheidungsgründe:
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 14. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstossen hat, indem sie im aktiven Veredelungsverkehr die Einfuhr von Milcherzeugnissen bewilligt hat, obwohl deren Zollwert unter den durch die Internationale Übereinkunft über Milcherzeugnisse, von der Gemeinschaft genehmigt mit dem Beschluß 80/271/EWG des Rates vom 10. Dezember 1979 über den Abschluß der multilateralen Übereinkommen, die im Zuge der Handelsverhandlungen von 1973°1979 ausgehandelt wurden (ABl. 1980, L 71, S. 1; im folgenden: Übereinkunft), vorgeschriebenen Preisen lag, und sie dadurch die Pflicht zur Zusammenarbeit gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs I und Artikel 6 Buchstabe a der Anhänge II und III dieser Übereinkunft, die Verpflichtung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der drei genannten Anhänge und, was die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Zollverfahrens anbelangt, die Artikel 5 bis 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1999/85 des Rates vom 16. Juli 1985 über den aktiven Veredelungsverkehr (ABl. L 188, S. 1) nicht beachtet hat.
2 Mit dem Beschluß 80/271 genehmigte die Gemeinschaft eine Reihe multilateraler Übereinkommen und Übereinkünfte, die im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) aufgrund der am 14. September 1973 in Tokio angenommenen Ministererklärung beschlossen worden waren, darunter insbesondere eine Übereinkunft über Milcherzeugnisse.
3 Nach Artikel I der Übereinkunft bezweckt diese eine Ausweitung und immer weiter gehende Liberalisierung des Welthandels mit Milcherzeugnissen unter möglichst stabilen Marktbedingungen auf der Grundlage gegenseitiger Vorteile für die Ausfuhr- und Einfuhrländer sowie die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Entwicklungsländer.
4 Die Übereinkunft gilt für den Sektor Milcherzeugnisse, der hauptsächlich folgende Erzeugnisse einschließt: Milch und Rahm, frisch oder aber haltbar gemacht, eingedickt oder gezuckert; Butter; Käse und Quark; Kasein (Artikel II).
5 Die Übereinkunft schafft allgemeine Verpflichtungen zur Information und Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern (Artikel III und IV) sowie zur Hilfe für Entwicklungsländer (Artikel V). Sie setzt einen Internationalen Rat für Milcherzeugnisse ein, dem Vertreter aller Teilnehmer an der Übereinkunft angehören und der mit deren Durchführung betraut ist (Artikel VII).
6 Besondere Bestimmungen sind Gegenstand der Protokolle im Anhang zur Übereinkunft, die bestimmte Milchpulverarten (Anhang I), Milchfett (Anhang II) und bestimmte Käsearten (Anhang III) betreffen. Die Protokolle im Anhang gelten als Bestandteil der Übereinkunft und sind für die Teilnehmer verbindlich, sofern nicht ein Teilnehmer bei der Annahme einen Vorbehalt gemacht hat, dem die Teilnehmer zugestimmt haben.
7 Die drei Protokolle im Anhang, deren Bestimmungen praktisch identisch sind, legen hauptsächlich Verpflichtungen zur Einhaltung von Mindestausfuhrpreisen für Milcherzeugnisse fest:
° Für jeden Teilnehmer finden die Protokolle Anwendung auf die Ausfuhren der Erzeugnisse, "die in seinem Zollgebiet hergestellt oder umgepackt wurden" (Artikel 3 Absatz 7 des Anhangs I und Artikel 3 Absatz 6 der Anhänge II und III);
° die Teilnehmer verpflichten sich, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, daß die Ausfuhrpreise der als Leiterzeugnisse bestimmten Erzeugnisse nicht niedriger sind als die Mindestpreise, die aufgrund des jeweiligen Protokolls anwendbar sind oder die später unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Anwendung der Übereinkunft und der Entwicklung der Lage auf dem internationalen Markt von dem für die Durchführung der Bestimmungen des Protokolls aufgrund der Übereinkunft eingesetzten Ausschuß angepasst worden sind (Artikel 3 des jeweiligen Anhangs);
° für den Fall, daß sie unter eines der Protokolle fallende Erzeugnisse einführen, verpflichten sich die Teilnehmer insbesondere, bei der Verwirklichung der Mindestpreisziele des Protokolls zusammenzuarbeiten und soweit möglich sicherzustellen, daß diese Erzeugnisse nicht unter dem Zollwert eingeführt werden, der den vorgeschriebenen Mindestpreisen entspricht; sie verpflichten sich ferner, Vorschläge für geeignete Abhilfemaßnahmen für den Fall, daß Einfuhren zu Preisen, die mit den Mindestpreisen nicht vereinbar sind, die Anwendung dieses Protokolls gefährden, wohlwollend zu prüfen (Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a und c des Anhangs I sowie Artikel 6 Buchstaben a und c der Anhänge II und III).
8 Die Übereinkunft trat für diejenigen Teilnehmer, die sie zuvor angenommen hatten, am 1. Januar 1980 in Kraft. Für diejenigen unter ihnen, die sie nach diesem Zeitpunkt annahmen, trat sie am Tag der Annahme in Kraft. Die Übereinkunft wurde zunächst für die Dauer von drei Jahren geschlossen; ihre Geltungsdauer verlängert sich jeweils um drei weitere Jahre, sofern der Internationale Rat für Milcherzeugnisse nichts anderes beschließt. Die Gemeinschaft machte bei ihrem Beitritt zur Übereinkunft keinen Vorbehalt.
9 Wie aus den Akten hervorgeht, stellte die Kommission 1990 fest, daß eine Reihe von Mitgliedstaaten die Übereinkunft nicht beachteten, da sie den aktiven Veredelungsverkehr von Milcherzeugnissen aus Drittländern bewilligten, deren Zollwert unter den durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen lag. Mit Fernschreiben vom 8. November 1990 forderte sie diese Mitgliedstaaten auf, die unter diesen Voraussetzungen erteilten Bewilligungen zurückzunehmen. Die Bundesrepublik Deutschland lehnte dies hauptsächlich mit der Begründung ab, daß die in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführten Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf gelangten und daß die gewonnenen Erzeugnisse in Drittländer verbracht würden, die der Übereinkunft nicht notwendigerweise beigetreten sei. Überhaupt gelte die Übereinkunft nicht für Geschäfte im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs.
10 Die Kommission wies diese Ansicht in ihrem Aufforderungsschreiben an die deutsche Regierung vom 26. März 1991 zurück. Nach ihrer Ansicht gilt die Übereinkunft für jede Einfuhr von Milcherzeugnissen zu Preisen, die niedriger sind als die Mindestpreise, und zwar auch im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs. Die Artikel 5 bis 8 der Verordnung Nr. 1999/85 stuenden der Bewilligung der Überführung in den aktiven Veredelungsverkehr für Waren mit einem Preis, der unter den in der Übereinkunft festgesetzten Mindestpreisen liege, entgegen. Im übrigen bestehe die Gefahr, daß eine solche Praxis bei einer späteren Überführung dieser Waren in den freien Verkehr zu einer Erhebung von Abgaben auf der Grundlage eines Zollwerts führe, der mit der Übereinkunft nicht vereinbar sei.
11 Die deutsche Regierung wies die Rügen der Kommission zurück. In ihrem Antwortschreiben vom 8. Mai 1991 wies sie darauf hin, daß sie wegen dieser Frage der Auslegung der Übereinkunft den nach Artikel 113 EG-Vertrag vom Rat eingesetzten besonderen Ausschuß (im folgenden: Ausschuß nach Artikel 113) angerufen habe. Bis zu einem einvernehmlichen Beschluß dieses Ausschusses bestehe keine Veranlassung, das Verbringen von Milcherzeugnissen in das Zollgebiet der Gemeinschaft zu Zwecken der Veredelung von Feststellungen über den Warenwert der Erzeugnisse abhängig zu machen.
12 Am 3. Februar 1993 übersandte die Kommission der deutschen Regierung eine mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 169 des Vertrages, in der sie alle ihre Rügen wiederholte. Mit Schreiben vom 27. April 1993 wies die deutsche Regierung diese Rügen erneut zurück. Die Kommission hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben.
Zur Zulässigkeit
13 Zwar erhebt die deutsche Regierung keine förmliche Einrede der Unzulässigkeit, jedoch führt sie in ihrer Klagebeantwortung aus, daß die Kommission die Entscheidung des Ausschusses nach Artikel 113 hätte abwarten müssen, bevor sie ihre Klage erhob. Der Ausschuß sei gerade deshalb eingesetzt worden, um die Auslegung und die Anwendung der internationalen Übereinkünfte zu erörtern und dabei eine einheitliche Haltung der Gemeinschaft festzulegen. Solange im Ausschuß keine übereinstimmende Meinung erarbeitet worden sei, sei die Kommission gehindert, gegen einen Mitgliedstaat eine Vertragsverletzungsklage wegen angeblicher Verletzung einer internationalen Übereinkunft zu erheben.
14 Das Vorbringen der deutschen Regierung ist jedoch nicht begründet. Gemäß Artikel 113 Absatz 3 Unterabsatz 2 hat der Ausschuß nach Artikel 113 die Aufgabe, die Kommission bei den Verhandlungen über Zoll- und Handelsabkommen zu unterstützen. Er hat eine rein beratende Funktion.
15 Nach Artikel 155 EG-Vertrag hat die Kommission für die Anwendung des Vertrages und somit für die Einhaltung von der Gemeinschaft geschlossener Übereinkünfte, die gemäß Artikel 228 EG-Vertrag für deren Organe und für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, Sorge zu tragen. Die ordnungsgemässe Erfuellung dieser Aufgabe durch die Kommission setzt voraus, daß sie in der Ausübung ihrer Befugnis gemäß Artikel 169 des Vertrages, die es ihr erlaubt, den Gerichtshof anzurufen, wenn ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus dem Abkommen nicht erfuellt, nicht behindert wird. Die Anrufung des Gerichtshofes durch die Kommission darf daher weder vom Ergebnis einer Erörterung im Rahmen des Ausschusses nach Artikel 113 noch gar davon abhängen, ob zuvor im Ausschuß zwischen den Mitgliedstaaten Übereinstimmung über die Auslegung der von der Gemeinschaft im Rahmen der betreffenden internationalen Übereinkunft eingegangenen Verpflichtungen erzielt worden ist.
16 Zudem ist es Sache des Gerichtshofes, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Auslegung der von der Gemeinschaft geschlossenen Abkommen, deren einheitliche Anwendung innerhalb der gesamten Gemeinschaft sicherzustellen (Urteil vom 26. Oktober 1982 in der Rechtssache 104/81, Kupferberg, Slg. 1982, 3641, Randnr. 14).
Zur Begründetheit
Zur ersten und dritten Rüge
17 Mit ihrer ersten und ihrer dritten Rüge, die zweckmässigerweise zuerst zu prüfen sind, beanstandet die Kommission, daß die Bundesrepublik Deutschland die Bestimmungen der Übereinkunft nicht beachtet habe, durch die sich die Teilnehmer verpflichteten, soweit möglich sicherzustellen, daß die in Rede stehenden Milcherzeugnisse nicht unter dem Zollwert eingeführt würden, der den vorgeschriebenen Mindestpreisen entspreche, und daß sie gegen die gemeinschaftsrechtliche Regelung über den aktiven Veredelungsverkehr verstossen habe.
Zur ersten Rüge
18 Zur Begründung dieser Rüge macht die Kommission erstens geltend, daß die Übereinkunft für den gesamten Handelsverkehr der Gemeinschaft mit Drittländern einschließlich der in die Gemeinschaft eingeführten und dort in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführten Waren sowie für die Waren gelte, die nach einem Veredelungsvorgang ausgeführt oder wiederausgeführt würden.
19 Die deutsche Regierung macht hingegen geltend, daß die in die Gemeinschaft eingeführten und in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführten Waren sowie diejenigen, die nach Abschluß eines Vorgangs der aktiven Veredelung ausgeführt oder wiederausgeführt würden, nicht unter die Übereinkunft fielen, weil sie nicht als "eingeführt" oder "ausgeführt" im Sinne der Übereinkunft gelten könnten.
20 Die Auffassung der deutschen Regierung zu diesem Punkt ist zurückzuweisen.
21 Gemäß Artikel 3 Absatz 7 des Anhangs I und Artikel 3 Absatz 6 der Anhänge II und III findet jedes Protokoll Anwendung "auf die Ausfuhren der in Artikel 1 dieses Protokolls definierten Erzeugnisse, die in seinem Zollgebiet hergestellt oder umgepackt wurden". Keines der drei Protokolle im Anhang der Übereinkunft enthält eine Einschränkung von deren Geltungsbereich für Waren, die nach einem Vorgang der aktiven Veredelung aus dem Zollgebiet eines Teilnehmers ausgeführt werden.
22 Die Übereinkunft legt Verpflichtungen für die Einfuhrländer fest, die ebenfalls keine Einschränkung für eingeführte Waren umfassen, die in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführt werden.
23 Die Übereinkunft sieht Ausnahmen von den Verpflichtungen vor, die sie in bezug auf die Verpflichtung zur Einhaltung der durch sie vorgeschriebenen Mindestpreise enthält. Diese Ausnahmen betreffen jedoch nicht die Waren, die im Zollgebiet eines der Teilnehmer in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführt werden.
24 Neben den ausdrücklich erwähnten Ausnahmen enthält die Übereinkunft keine weiteren als diejenigen, die auf Antrag eines Teilnehmers gemäß Artikel 7 des jeweiligen Anhangs von dem mit der Überwachung der Anwendung der Übereinkunft beauftragten Ausschuß zugelassen werden. Auf eine vom Gerichtshof gestellte Frage hat die Kommission erklärt, daß von der Gemeinschaft keine Ausnahme beantragt worden sei.
25 Die Ansicht der deutschen Regierung, daß die in der Gemeinschaft in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführten Waren nicht als "eingeführt" oder "ausgeführt" betrachtet werden könnten, findet im übrigen auch in der Gemeinschaftsregelung selbst keine Bestätigung.
26 Selbst im Gemeinschaftsrecht gelten, wie eindeutig aus Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1999/85 hervorgeht, Nichtgemeinschaftswaren, für die die Förmlichkeiten für die Überführung in den aktiven Veredelungsverkehr durchgeführt worden sind, als "Einfuhrwaren". Veredelungserzeugnisse werden entweder "wiederausgeführt" oder, wenn sie aus Ersatzwaren hergestellt worden sind, "ausgeführt" (Artikel 2 der Verordnung Nr. 1999/85).
27 Schließlich werden entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung zwar im sogenannten "Nichterhebungsverfahren" auf die Einfuhrwaren keine Eingangsabgaben erhoben, sie werden jedoch trotzdem in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht. Ferner wird im Verfahren der Zollrückvergütung die Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr auf Waren angewandt, die in der Gemeinschaft bereits in den freien Verkehr übergeführt worden sind.
28 Die Kommission macht zur Begründung der ersten Rüge zweitens geltend, daß die Verpflichtung, die Einhaltung der durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreise sicherzustellen, sowohl für die Einfuhren als auch für die Ausfuhren der Teilnehmerländer gelte. Sie räumt jedoch ein, daß Artikel 6 des jeweiligen Anhangs im Unterschied zu Artikel 3 keine unbedingte Verpflichtung enthalte. Die Abschwächung der Verpflichtung zur Einhaltung der Mindesteinfuhrpreise erkläre sich daraus, daß ein Teilnehmer der Übereinkunft nicht immer in der Lage sein werde, eine Einfuhr unter den Mindestpreisen zu verhindern. Im vorliegenden Fall verleihe das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, sich einer solchen Einfuhr zu widersetzen.
29 Die deutsche Regierung wendet sich gegen diese Auslegung. Sie vertritt die Ansicht, daß die Übereinkunft keine rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung der Mindestpreise bei der Einfuhr von Milcherzeugnissen schaffe. Artikel 6 des jeweiligen Anhangs sehe nur eine freiwillige Zusammenarbeit ohne verpflichtenden Charakter vor.
30 Bei der Auslegung dieser Bestimmung sind der Zweck der Übereinkunft, der Kontext des Artikels 6 und die allgemeine Regel des Völkerrechts zu berücksichtigen, wonach jedes Abkommen von den Parteien nach Treu und Glauben erfuellt werden muß (Urteil Kupferberg, a. a. O., Randnr. 18).
31 Da der Zweck der Übereinkunft in einer Stabilisierung des Weltmarkts für Milcherzeugnisse im gegenseitigen Interesse der Ausführer und Einführer besteht, dürfen ihre Bestimmungen von der Gemeinschaft nur in einer Weise ausgelegt werden, die geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu fördern.
32 Im Handelsverkehr mit Milcherzeugnissen zwischen den Teilnehmern ist es grundsätzlich ausgeschlossen, daß eine Einfuhr aus einem der Teilnehmerländer zu Preisen, die unter den Mindestpreisen liegen, getätigt wird, sofern der Teilnehmer, aus dessen Gebiet das Erzeugnis stammt, sicherstellt, daß seine Verpflichtungen von den Ausführern, die von seinem Hoheitsgebiet aus tätig werden, beachtet werden.
33 Im Handelsverkehr zwischen den Teilnehmern und den Ländern, die nicht Teilnehmer der Übereinkunft sind, sind erstere verpflichtet, für die Einhaltung der gemäß der Übereinkunft festgesetzten Mindestausfuhrpreise durch die von ihrem Gebiet aus tätig werdenden Ausführer zu sorgen. Die Übereinkunft hat in diesem Punkt allgemeine Bedeutung, d. h. ihr Geltungsbereich beschränkt sich nicht auf den Handelsverkehr zwischen Teilnehmern.
34 Hingegen könnten Wirtschaftsteilnehmer, die ihre Milcherzeugnisse aus Ländern ausführen, die nicht Teilnehmer der Übereinkunft sind und für die daher die Regelung über die Mindestausfuhrpreise nicht gilt, die Anwendung der Übereinkunft gefährden, wenn sie die Möglichkeit hätten, ihre Erzeugnisse in ein Teilnehmerland oder in die Gemeinschaft zu Preisen, die unter den Mindestpreisen liegen, auszuführen, ohne den Wettbewerb durch die Ausführer fürchten zu müssen, die vom Gebiet der Teilnehmerländer aus tätig werden und ihrerseits zur Einhaltung der Mindestpreise verpflichtet sind.
35 Artikel 6 des jeweiligen Protokolls im Anhang der Übereinkunft hat daher gerade den Zweck, die Teilnehmer zu verpflichten, sich solchen Transaktionen soweit irgend möglich zu widersetzen. Daher ist in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b des Anhangs I und in Artikel 6 Buchstabe b der Anhänge II und III in bezug auf Einfuhren aus Nichtteilnehmerländern eigens eine Informationspflicht vorgesehen.
36 Die Auslegung der Kommission wird im übrigen bereits durch den Wortlaut von Artikel 3 Absatz 5 des Anhangs I bestätigt. Diese Bestimmung enthält eine ausdrückliche Ausnahme von der Einhaltung der Mindestpreise nicht nur bei der Ausfuhr, sondern auch bei der Einfuhr von Erzeugnissen zu Futterzwecken. Ausserdem haben es die Beteiligten bei der Aushandlung der Übereinkunft als notwendig erachtet, in Artikel 6 des Anhangs I einen Absatz 2 einzufügen, in dem ausdrücklich bestimmt ist, daß Absatz 1 dieses Artikels keine Anwendung auf Einfuhren dieser Art findet, was den verpflichtenden Charakter des Absatzes 1 bestätigt.
37 In diesem Zusammenhang soll die Wendung "soweit möglich" in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs I und in Artikel 6 Buchstabe a der Anhänge II und III die Teilnehmer nicht von der Verpflichtung befreien, die diese Vorschrift enthält, sondern die Teilnehmer für den Fall von der Haftung freistellen, daß sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern können, daß Milcherzeugnisse zu Preisen in ihr Gebiet eingeführt werden, die unter den durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen liegen. Dies ist im übrigen der Grund, weshalb Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c des Anhangs I und Artikel 6 Buchstabe c der Anhänge II und III die Zusammenarbeit der Teilnehmer beim Erlaß geeigneter Abhilfemaßnahmen vorsehen, durch die verhindert werden soll, daß Einfuhren zu Preisen, die mit den Mindestpreisen nicht vereinbar sind, die Anwendung der Protokolle im Anhang der Übereinkunft gefährden.
38 Im vorliegenden Fall macht die Kommission zu Recht geltend, daß die Bundesrepublik Deutschland über Mittel verfügt habe, die Einhaltung der Übereinkunft sicherzustellen, da jeder aktive Veredelungsvorgang von einer Bewilligung des Mitgliedstaats abhängig ist.
39 Daher ist die Ansicht der Kommission begründet, daß die Bewilligung von Einfuhren von Milcherzeugnissen zu unter den Mindestpreisen liegenden Preisen durch die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 6 der Anhänge unzulässig gewesen sei, und zwar auch dann, wenn es sich um Einfuhren im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs gehandelt habe.
Zur dritten Rüge
40 Die Kommission macht ferner geltend, daß die Gemeinschaftsregelung über den aktiven Veredelungsverkehr der Erteilung von Bewilligungen durch die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen dieses Zollverfahrens entgegengestanden habe. Soweit nämlich bei der Einfuhr der Milcherzeugnisse die durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreise nicht eingehalten worden seien, hätten die Behörden der Bundesrepublik Deutschland davon ausgehen müssen, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen im Sinne der Artikel 5 und 6 der Verordnung Nr. 1999/85 nicht erfuellt seien. Daher habe die Bundesrepublik Deutschland nicht nur die Bestimmungen der Übereinkunft über die Mindesteinfuhrpreise, sondern auch diese Verordnung nicht beachtet.
41 Vorab macht die deutsche Regierung geltend, eine mögliche Vertragsverletzung sei anhand der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) zu beurteilen, durch die insbesondere die Verordnung Nr. 1999/85 aufgehoben und ersetzt worden sei, selbst wenn sie erst am 1. Januar 1994 in Kraft getreten sei, also mehrere Monate nach Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission gesetzt worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 25. Oktober 1978 in der Rechtssache 125/77, Koninklijke Scholten-Honig, Slg. 1978, 1991) fänden nämlich Änderungsgesetze, soweit nichts anderes bestimmt sei, auf die künftigen Auswirkungen von Sachverhalten Anwendung, die unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden seien.
42 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Eine Klage nach Artikel 169 des Vertrages kann nur auf Gründe und Angriffsmittel gestützt werden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme bereits aufgeführt worden sind (siehe insbesondere Urteil vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache C-347/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1990, I-4747, Randnr. 16). Infolgedessen ist im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens das Vorliegen einer Vertragsverletzung nach dem Stand des Gemeinschaftsrechts am Ende der Frist zu beurteilen, die die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat für ein Handeln gemäß ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt hat.
43 Die deutsche Regierung weist auf alle Fälle die dritte Rüge der Kommission zurück. Erstens macht sie geltend, entgegen dem Vorbringen der Kommission würden wesentliche Interessen von Herstellern in der Gemeinschaft im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr. 1999/85 durch die streitigen Bewilligungen nicht beeinträchtigt. Vielmehr könnten die Hersteller in der Gemeinschaft daran interessiert sein, eine Be- oder Verarbeitung im Rahmen der aktiven Veredelung durchzuführen, ohne die gemäß der Übereinkunft festgesetzten Mindestpreise einhalten zu müssen.
44 Gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1999/85 erteilen die Zollbehörden der Mitgliedstaaten die Bewilligung der aktiven Veredelung, "wenn der aktive Veredelungsverkehr dazu beitragen kann, die günstigsten Voraussetzungen für die Ausfuhr der Veredelungserzeugnisse zu schaffen, sofern wesentliche Interessen von Herstellern in der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden (wirtschaftliche Voraussetzungen)".
45 Unter Berücksichtigung des Ergebnisses, zu dem der Gerichtshof in Randnummer 39 des vorliegenden Urteils gelangt ist, genügt zu diesem Punkt die Feststellung, daß wesentliche Interessen von Herstellern in der Gemeinschaft notwendigerweise beeinträchtigt würden, wenn bestimmte Wirtschaftsteilnehmer, ohne daß in der Übereinkunft vorgesehene Ausnahmen vorliegen, in einem Mitgliedstaat Bewilligungen der aktiven Veredelung für Milcherzeugnisse erhalten könnten, die zu Preisen eingeführt werden, die unter den durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen liegen, d. h. für Erzeugnisse, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft unter Verletzung derjenigen Regelungen eingeführt worden sind, die durch diese Übereinkunft gerade "im gegenseitigen Interesse der Erzeuger und Verbraucher wie der Ausführer und Einführer" (Präambel der Übereinkunft) eingeführt wurden.
46 Zweitens macht die deutsche Regierung geltend, daß die durch die Verordnung Nr. 1999/85 festgelegten wirtschaftlichen Voraussetzungen erfuellt seien. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d dieser Verordnung gälten diese Voraussetzungen als erfuellt, wenn die zur Veredelung bestimmten Waren in der Gemeinschaft erzeugt würden, jedoch nicht verwendet werden könnten, weil das beabsichtigte Handelsgeschäft wegen ihres Preises unwirtschaftlich wäre.
47 Im vorliegenden Fall sei es möglich, daß die Hersteller in der Gemeinschaft die von ihnen in der Gemeinschaft hergestellten Waren deshalb nicht verwendeten, weil das Handelsgeschäft wegen der Höhe der Mindestausfuhrpreise unwirtschaftlich wäre. In diesem Fall müsse es diesen Wirtschaftsteilnehmern erlaubt sein, die aktive Veredelung mit Milcherzeugnissen durchzuführen, die aus nicht zur Einhaltung der Mindestpreise verpflichteten Drittländern eingeführt würden.
48 Es ist erneut darauf hinzuweisen, daß die deutsche Regierung von einer falschen Voraussetzung ausgeht, denn, wie bereits festgestellt, haben die Teilnehmer auch die Einhaltung der Mindesteinfuhrpreise für Milcherzeugnisse sicherzustellen.
49 Daher kann sich die deutsche Regierung gerade in den Fällen nicht auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1999/85 berufen, in denen der Wettbewerb zwischen den in der Gemeinschaft hergestellten Waren und denjenigen, die in Nichtteilnehmerländern hergestellt und in einen Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Übereinkunft zu Preisen, die unter den Mindestpreisen liegen, eingeführt werden, zwangsläufig zum Nachteil der erstgenannten Waren, bei denen die Mindestpreise eingehalten werden müssen, verfälscht würde.
50 Drittens wendet die deutsche Regierung ein, daß die Gemeinschaftsregelung über den aktiven Veredelungsverkehr selbst die Anwendung der in der Übereinkunft vorgesehenen Maßnahmen ausschließe. Denn gemäß Artikel 16 der Verordnung (EWG) Nr. 2228/91 der Kommission vom 26. Juni 1991 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 1999/85 (ABl. L 210, S. 1), in die insoweit die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3677/86 des Rates vom 24. November 1986 (ABl. L 351, S. 1) übernommen worden seien, habe die Überführung von Nichtgemeinschaftswaren in das Nichterhebungsverfahren zur Folge, daß die für diese Waren geltenden besonderen handelspolitischen Maßnahmen bei der Einfuhr nicht angewendet würden.
51 Dieser Einwand ist zurückzuweisen.
52 Ist nämlich eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts auslegungsbedürftig, so ist sie nach Möglichkeit so auszulegen, daß sie mit den Vorschriften des Vertrages vereinbar ist. Ausserdem ist eine Durchführungsverordnung, wenn möglich, so auszulegen, daß sie mit den Bestimmungen der Grundverordnung vereinbar ist (Urteil vom 24. Juni 1993 in der Rechtssache C-90/92, Dr. Tretter, Slg. 1993, I-3569, Randnr. 11). In gleicher Weise gebietet es der Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts, diese nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Verträgen auszulegen.
53 Aus den vorstehenden Ausführungen zur ersten Rüge der Kommission ergibt sich, daß die Übereinkunft für die Einfuhren von Waren gilt, die in der Gemeinschaft in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführt worden sind. Eine Auslegung des Artikels 16 der Verordnung Nr. 2228/91, wonach diese Waren von der Anwendung der Übereinkunft ausgenommen wären, würde daher gegen diese verstossen.
54 In diesem Zusammenhang erweist es sich jedoch, daß die in Artikel 16 der Verordnung Nr. 2228/91 vorgesehene Befreiung für die im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs in das Nichterhebungsverfahren übergeführten Waren nur deshalb nicht gilt, weil sie dazu bestimmt sind, aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft wiederausgeführt zu werden, und daher nicht auf dem Gemeinschaftsmarkt in den Verkehr gebracht werden.
55 Daraus ergibt sich, daß die in Artikel 16 der Verordnung Nr. 2228/91 vorgesehene Befreiung nur zur Anwendung auf nichttarifäre handelspolitische Maßnahmen bestimmt ist, die die eingeführten Waren wie die Zölle zu dem Zweck treffen, den Gemeinschaftsmarkt zu schützen.
56 Dies ist jedoch nicht der Zweck der Übereinkunft, sondern sie hat eine viel allgemeinere Bedeutung. Sie legt Mindestregeln für die Organisation des Weltmarktes für Milcherzeugnisse fest, mit denen im internationalen Handelsverkehr ein Mindestpreisniveau gewährleistet werden soll. Insbesondere bezwecken die Bestimmungen über die Mindesteinfuhrpreise nicht den Schutz des Gemeinschaftsmarkts, sondern erklären sich daraus, daß nicht alle Länder an der Übereinkunft teilnehmen und daß deshalb verhindert werden muß, daß in einem Nichtteilnehmerland ansässige Wirtschaftsteilnehmer die eingeführte Stabilisierungsregelung womöglich dadurch stören, daß sie ihre Erzeugnisse zu Preisen, die unter den Mindestpreisen liegen, in ein Teilnehmerland ausführen.
57 Artikel 16 der Verordnung Nr. 2228/91 ist deshalb so auszulegen, daß danach Waren, die in der Gemeinschaft im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs in das Nichterhebungsverfahren übergeführt worden sind, nicht von der Anwendung der Übereinkunft ausgenommen sind.
58 Daher ist die Ansicht der Kommission begründet, daß es nach der Gemeinschaftsregelung über den aktiven Veredelungsverkehr unzulässig gewesen sei, daß die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen dieser Zollregelung Bewilligungen für Milcherzeugnisse erteilt habe, die zu Preisen, die unter den durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen gelegen hätten, eingeführt worden seien.
Zur zweiten Rüge
59 Die Kommission macht geltend, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch, daß sie Einfuhren von Milcherzeugnissen im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs zu Preisen, die unter den durch die Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen gelegen hätten, bewilligt habe, unter Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 der drei Anhänge der Übereinkunft nicht die Einhaltung der Mindestausfuhrpreise sichergestellt habe.
60 Insoweit macht die Kommission, wie der Generalanwalt in Nummer 14 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lediglich geltend, daß die Nichteinhaltung der Mindestpreise bei der Einfuhr von Milcherzeugnissen notwendig zur Folge habe, daß auch deren Wiederausfuhr zu unter den Mindestpreisen liegenden Preisen erfolge. Die deutsche Regierung hat hierauf geantwortet, daß die Wiederausfuhren der in Rede stehenden Erzeugnisse wegen der Kosten der Veredelungs- und Beförderungsvorgänge nur zu höheren als den in der Übereinkunft vorgesehenen Preisen erfolgen können.
61 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag verpflichtet, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen, und kann sich hierfür nicht auf irgendeine Vermutung stützen (Urteil vom 5. Oktober 1989 in der Rechtssache 290/87, Kommission/Niederlande, Slg. 1989, 3083, Randnr. 11).
62 Unter den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, daß die Kommission die geltend gemachte Vertragsverletzung nicht nachgewiesen hat. Die zweite Rüge der Kommission ist daher zurückzuweisen.
63 Nach alledem hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs I und Artikel 6 Buchstabe a der Anhänge II und III der Übereinkunft sowie aus der Verordnung Nr. 1999/85 verstossen, daß sie die Einfuhr von Milcherzeugnissen im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs bewilligt hat, obwohl deren Zollwert unter den durch die genannte Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen lag.
Kostenentscheidung:
Kosten
64 Nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Bundesrepublik Deutschland jedoch mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs I und Artikel 6 Buchstabe a der Anhänge II und III der Internationalen Übereinkunft über Milcherzeugnisse, von der Gemeinschaft genehmigt mit dem Beschluß 80/271/EWG des Rates vom 10. Dezember 1979 über den Abschluß der multilateralen Übereinkommen, die im Zuge der Handelsverhandlungen von 1973°1979 ausgehandelt wurden, sowie aus der Verordnung (EWG) Nr. 1999/85 des Rates vom 16. Juli 1985 über den aktiven Veredelungsverkehr verstossen, daß sie die Einfuhr von Milcherzeugnissen im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs bewilligt hat, obwohl deren Zollwert unter den durch die Internationale Übereinkunft vorgeschriebenen Mindestpreisen lag.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Ende der Entscheidung
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