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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: C-62/01 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bei Schadensersatzklagen beurteilt das Gericht nach den Artikeln 225 EG und 51 der Satzung des Gerichtshofes, sofern keine Beweise verfälscht werden, das Vorliegen des Schadens und des Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem schädigenden Ereignis in nicht revisibler Weise. Wenn das Gericht alle, im Übrigen übereinstimmenden Beweiselemente, die es finden konnte, verwendet hat, ohne sie zu verfälschen, so ist der Teil eines Rechtsmittelgrundes, der letztlich darauf abzielt, dass der Gerichtshof die Beurteilung der Beweiselemente seitens des Gerichts durch seine eigene Beurteilung ersetzt, gemäß den genannten Bestimmungen für unzulässig zu erklären.

( vgl. Randnr. 24 )

2. Die in Beamtensachen beim Gemeinschaftsrichter gestellten Anträge müssen zwar denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und mit ihnen können nur solche Rügen erhoben werden, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen; doch können diese Rügen im gerichtlichen Verfahren durch Gründe und Argumente weiterentwickelt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen.

( vgl. Randnr. 34 )

3. Der Inhalt der Beschwerde soll den Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen, solange nur die Klage weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändert. Deshalb ist ein Beamter, der in seiner Beschwerde die Aufhebung der stillschweigenden Entscheidung über die Ablehnung seines Beistandsantrags beantragt, so anzusehen, als habe er Ersatz des Schadens beantragt, der ihm möglicherweise durch diese Entscheidung entstanden ist. Stellt er dagegen einen neuen Schadensersatzantrag, der auf einem neuen Schadensgrund beruht, der sich aus den Repressalien ergibt, die nach Einlegung seiner Beschwerde ihm gegenüber ausgeübt worden sein sollen, und sind diese Repressalien nicht die Folge der stillschweigenden Entscheidung der Verwaltung über die Ablehnung seines Beistandsantrags, so handelt es sich um einen abweichenden Schadensersatzantrag, der als neuer Antrag angesehen werden muss und als solcher unzulässig ist.

( vgl. Randnrn. 35, 37-38 )


Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 23. April 2002. - Anna Maria Campogrande gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Beamte - Sexuelle Belästigung - Beistandspflicht der Kommission - Haftung. - Rechtssache C-62/01 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-62/01 P

Anna Maria Campogrande, Beamtin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: A. Krywin, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Vierte Kammer) vom 5. Dezember 2000 in der Rechtssache T-136/98 (Campogrande/Kommission, Slg. ÖD 2000, I-A-267 und II-1225) wegen teilweiser Aufhebung dieses Urteils, Feststellung des Bestehens einer Handlung sexueller Belästigung und Verurteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zum Ersatz des sich aus diesem fehlerhaften Verhalten ergebenden immateriellen Schadens,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Berardis-Kayser als Bevollmächtigte im Beistand von D. Waelbroeck, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: R. Grass

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Januar 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit am 9. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereichter Rechtsmittelschrift hat Frau Campogrande gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und den entsprechenden Vorschriften der EAG-Satzung und der EGKS-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. Dezember 2000 in der Rechtssache T-136/98 (Campogrande/Kommission, Slg. ÖD 2000, I-A-267 und II-1225, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, soweit darin ausgeführt wird, es sei nicht bewiesen, dass sie Opfer einer sexuellen Belästigung geworden sei, und ihr Antrag auf Schadensersatz abgewiesen wird.

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

2 Die Rechtsmittelführerin ist Beamtin der Besoldungsgruppe A 4 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Zum Zeitpunkt der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Ereignisse war sie der Direktion B "Lateinamerika" der Generaldirektion "Außenbeziehungen: Südlicher Mittelmeerraum, Mittlerer und Naher Osten, Lateinamerika, Süd- und Südostasien und Kooperation Nord-Süd" der Kommission zugewiesen. Die Direktion B wurde seinerzeit von Herrn A. geleitet.

3 Am 27. Juni 1997 wandte sich die Rechtsmittelführerin nach verschiedenen informellen Schritten an die Kommission mit einer Bitte um Beistand gemäß Artikel 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Statut), was zugleich als Antrag im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts galt. In diesem Antrag trug die Rechtsmittelführerin vor, Herr A. habe ihr am 27. Februar 1997 während einer Sitzung einen "Klaps auf den Po" gegeben und zu dieser Geste folgende Bemerkung gemacht: "Wie Sie feststellen können, wird meine Direktion sehr gut durch Frauen vertreten." Nach den Angaben der Rechtsmittelführerin musste sie im Laufe der Jahre unter der Leitung von Herrn A. eine Reihe von "Kommentaren zu [ihrer] Person und unangebrachte Annäherungsversuche, die sich wiederholt haben und völlig über eine normale berufliche Beziehung hinausgingen", ertragen. Die Episode vom 27. Februar 1997 sei der "Tropfen [gewesen], der das Fass zum Überlaufen gebracht [habe]".

4 Da die Rechtsmittelführerin auf ihren Beistandsantrag keine Antwort erhalten hatte, legte sie am 21. Januar 1998 eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen die stillschweigende Entscheidung über die Ablehnung dieses Antrags ein.

5 Auf diese Beschwerde leitete der Generaldirektor der Generaldirektion "Personal und Verwaltung" (GD IX) eine Verwaltungsuntersuchung gegen Herrn A. ein. Dieser gab zwar die beanstandete Geste zu, stellte die Tatsachen aber anders dar als die Rechtsmittelführerin und bestritt, sich einer sexuellen Belästigung schuldig gemacht zu haben. Im Übrigen stellte sich heraus, dass sich die anderen Personen, die an der Sitzung vom 27. Februar 1997 teilgenommen hatten, nicht an den Zwischenfall erinnerten und auch nichts von ihm gehört hatten.

6 Auf die Verwaltungsuntersuchung folgte keine ausdrückliche Entscheidung über den Beistandsantrag der Rechtsmittelführerin und über ihre Beschwerde. Der Generaldirektor der GD IX übermittelte der Rechtsmittelführerin allerdings am 29. Oktober 1998 den aufgrund dieser Untersuchung erstellten Bericht, der insbesondere zu dem Ergebnis gelangt war, dass "nichts die sichere Feststellung erlaubt, dass Herr A. mit der beanstandeten Geste die Absicht verfolgt hat, Frau Campogrande als Frau zu demütigen".

7 Unter diesen Umständen erhob die Rechtsmittelführerin am 20. August 1998, bevor sie den Untersuchungsbericht erhalten hatte, beim Gericht erster Instanz Klage auf Aufhebung der stillschweigenden Entscheidung über die Zurückweisung ihrer Beschwerde vom 21. Januar 1998 und auf Verurteilung der Kommission zum Ersatz des ihr aufgrund der angefochtenen Entscheidung angeblich entstandenen immateriellen Schadens.

Angefochtenes Urteil

8 Was zunächst die Ordnungsmäßigkeit der Weigerung der Kommission betrifft, der Rechtsmittelführerin Beistand zu leisten, so hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Verwaltung verpflichtet sei, Beschwerden im Bereich der sexuellen Belästigung ernsthaft, schnell und unter vollständiger Wahrung der Vertraulichkeit zu prüfen und den Beschwerdeführer über die Behandlung seiner Beschwerde zu informieren. Im vorliegenden Fall sei die Kommission, da die behauptete sexuelle Belästigung bestritten worden sei, verpflichtet gewesen, eine Untersuchung zur Feststellung des Sachverhalts einzuleiten und gegebenenfalls über eine angemessene Entschädigung zu befinden. Das Gericht hat insbesondere ausgeführt, es sei ohne Bedeutung, dass die Rechtsmittelführerin nicht bewiesen habe, durch die behaupteten Handlungen sexueller Belästigung einen materiellen Schaden erlitten zu haben, und dass nicht erwiesen sei, dass Herr A. sie habe demütigen wollen und dass er sich anschließend bei ihr entschuldigt habe.

9 Nachdem das Gericht die Verpflichtung festgestellt hat, eine Untersuchung in fürsorglicher, zügiger und sorgfältiger Weise einzuleiten und durchzuführen, hat es entschieden, dass es den mit der Beistandspflicht verbundenden Anforderungen nicht entspreche, wenn eine Untersuchung sieben Monate nach der Einreichung des Beistandsantrags eingeleitet werde, wie es die Kommission getan habe. Das Gericht hat außerdem festgestellt, dass, auch wenn Artikel 90 des Statuts nicht die Verpflichtung enthalte, sich zu allen Anträgen zu äußern, die Kommission gehalten sei, Beschwerden im Bereich der sexuellen Belästigung zügig nachzugehen. Die Tatsache, dass Herr A. die Kommission verlassen habe und damit die angebliche sexuelle Belästigung zwangsläufig beendet gewesen sei, habe die Verpflichtung, zügig eine Untersuchung einzuleiten, nicht beseitigt.

10 Das Gericht hat daraus den Schluss gezogen, dass die Kommission Artikel 24 des Statuts sowie die Entschließung 90/C 157/02 des Rates vom 29. Mai 1990 zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz (ABl. C 157, S. 3) und die Empfehlung 92/131/EWG der Kommission vom 27. November 1991 zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz (ABl. 1992, L 49, S. 1) verletzt habe, und aus diesen Gründen die stillschweigende Entscheidung über die Ablehnung des Beistandsantrags der Rechtsmittelführerin aufgehoben.

11 Das Gericht hat der Rechtsmittelführerin jedoch nicht vollständig Genugtuung gegeben, da es ihrem Schadensersatzantrag nicht stattgegeben hat. Es hat erstens entschieden, dass der Antrag auf Ersatz des Schadens, den sie aufgrund der angeblichen Repressalien ihr gegenüber nach Einlegung ihrer Beschwerde erlitten habe, mangels eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens unzulässig sei, da die Rechtsmittelführerin diese Repressalien in ihrer Beschwerde nicht erwähnt habe.

12 Es hat zweitens festgestellt, dass der Antrag der Rechtsmittelführerin, der Kommission aufzugeben, ihre Laufbahn wiederherzustellen, über die Befugnisse des Gemeinschaftsrichters, der den Organen keine Anordnungen erteilen könne, hinausgehe.

13 Drittens hat das Gericht hinsichtlich des immateriellen Schadens, den die Rechtsmittelführerin aufgrund der Ungewissheit erlitten habe, in der sie die Kommission in Bezug auf die Behandlung ihres Beistandsantrags und die Ergebnisse der Verwaltungsuntersuchung gelassen habe, die Auffassung vertreten, dass unter den gegebenen Umständen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als solche eine angemessene Wiedergutmachung dieses Schadens darstelle. Darüber hinaus habe die Rechtsmittelführerin keinen weiteren immateriellen Schaden erlitten.

14 Das Gericht hat deshalb den Schadensersatzantrag abgewiesen.

Rechtsmittel

15 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

- das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit ihr Schadensersatzantrag abgewiesen wird;

- das Vorliegen einer Handlung sexueller Belästigung, deren Opfer sie geworden ist, und des ihr daraus entstandenen immateriellen Schadens festzustellen;

- die Kommission zur Zahlung von Schadensersatz in einer vom Gerichtshof zu bestimmenden Höhe zu verurteilen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16 Die Rechtsmittelführerin führt vier Rechtsmittelgründe an, und zwar erstens eine Verletzung der Begründungspflicht vor allem wegen eines Widerspruchs in den Gründen des angefochtenen Urteils, zweitens einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu neuem Vorbringen, drittens eine Rechtsverweigerung, weil sich das Gericht nicht zu den Voraussetzungen für die Haftung der Kommission geäußert habe, und schließlich eine Verletzung der Verteidigungsrechte.

17 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel als unzulässig oder jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen, und hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof das angefochtene Urteil aufhebt, die Rechtssache zur erneuten Entscheidung über die Klage der Rechtsmittelführerin an das Gericht zurückzuverweisen. Die Kommission beantragt in jedem Fall, der Rechtsmittelführerin die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Begründungspflicht

18 Nach dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes soll das angefochtene Urteil einen Widerspruch in den Gründen enthalten, da das Gericht, indem es die Kommission nicht verurteilt habe, die Rechtsmittelführerin zu entschädigen, nicht alle Konsequenzen aus der in den Gründen des Urteils anerkannten Schwere der Vorfälle, die der Kommission angelastet worden seien, gezogen habe.

19 Es war jedoch, wie die Kommission bemerkt, unabhängig von der Schwere der Vorfälle Sache des Gerichts, zu beurteilen, welcher Ersatz des sich daraus ergebenden Schadens am angemessensten war. Eine solche Beurteilung kann, auch wenn sie sich anschließend als unbegründet erweist, nicht als Umstand angesehen werden, der einen Widerspruch in den Gründen des angefochtenen Urteils darstellen könnte. Der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

20 Nach dem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes soll die Begründung des angefochtenen Urteils in Bezug auf die sexuelle Belästigung, der die Rechtsmittelführerin ausgesetzt gewesen sei, widersprüchlich, unzureichend und fehlerhaft sein. Es bestehe ein Widerspruch zwischen der Feststellung eines sexuellen Verhaltens des Herrn A. gegenüber der Rechtsmittelführerin in dem angefochtenen Urteil und der im Übrigen lückenhaft formulierten Bemerkung des Gerichts, sie habe nicht bewiesen, dass sie Handlungen sexueller Belästigung und einen immateriellen Schaden erlitten habe.

21 Es ist jedoch festzustellen, dass das Gericht in den Randnummern 68 bis 70 des angefochtenen Urteils zwischen einem immateriellen Schaden der Rechtsmittelführerin infolge der Untätigkeit der Kommission auf ihre Beschwerde, der durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wieder gutgemacht sei, und dem von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten immateriellen Schaden unterschieden hat, der sich aus einer sexuellen Belästigung ergeben solle, die sie nicht bewiesen habe, wobei diese sexuelle Belästigung übrigens von dem bloßen Zwischenfall vom 27. Februar 1997, den Herr A. nicht bestritten habe, zu unterscheiden sei.

22 Eine solche Begründung ist kohärent und klar und geht auf die Argumente der Rechtsmittelführerin genau ein. Auch der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes erweist sich damit als unbegründet.

23 Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, die Gründe des angefochtenen Urteils enthielten insofern einen Widerspruch, der eine Rechtsverweigerung aufzeige, als das Gericht eine von ihm kritisierte Verwaltungsuntersuchung, deren Inhalt die Rechtsmittelführerin zudem bestreite, als Beweis betrachtet habe.

24 Es steht jedoch fest, dass das Gericht bei Schadensersatzklagen nach den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes, sofern keine Beweise verfälscht werden, das Vorliegen des Schadens und des Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem schädigenden Ereignis in nicht revisibler Weise beurteilt (Urteil vom 16. September 1997 in der Rechtssache C-362/95 P, Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, Slg. 1997, I-4775, Randnrn. 28 und 29). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass das Gericht alle, im Übrigen übereinstimmenden Beweiselemente, die es finden konnte und deren Stichhaltigkeit die Rechtsmittelführerin nicht mit Erfolg in Frage gestellt hat, verwendet hat, ohne sie zu verfälschen. Da dieser Teil des ersten Rechtsmittelgrundes letztlich darauf abzielt, dass der Gerichtshof die Beurteilung der Beweiselemente seitens des Gerichts durch seine eigene Beurteilung ersetzt, ist er gemäß den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes für unzulässig zu erklären.

25 Nach dem vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes soll die Begründung des angefochtenen Urteils insoweit unzureichend und fehlerhaft sein, als das Gericht die dienstliche Beurteilung der Rechtsmittelführerin falsch ausgelegt habe, als es sie für seine Annahme herangezogen habe, dass die beruflichen Schwierigkeiten der Rechtsmittelführerin nicht auf Handlungen sexueller Belästigung zurückzuführen seien. Die Rechtsmittelführerin sei aber gerade der Meinung, dass die - im Übrigen nur vorübergehende - Verschlechterung ihrer dienstlichen Beurteilung mit der Belästigung zusammenhänge, die sie erlitten habe.

26 Mit diesem Teil des Rechtsmittelgrundes greift die Rechtsmittelführerin die nicht revisible Beurteilung durch den erstinstanzlichen Richter an. Wie in Randnummer 24 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sind die auf eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht gestützten Rechtsmittelgründe unzulässig. Folglich ist der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig.

27 Mit dem letzten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, der Umstand, dass sich das Gericht nicht zum Vorliegen einer sexuellen Belästigung und zu den Modalitäten der Verwaltungsuntersuchung geäußert habe, lasse eine Rechtsverweigerung erkennen, die umso schwerer wiege, als sich die Rechtsmittelführerin auf den allgemeinen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte und des berechtigten Vertrauens berufe.

28 Aus Randnummer 70 des angefochtenen Urteils geht jedoch eindeutig hervor, dass das Gericht keine sexuelle Belästigung angenommen hat, sondern das Verhalten, über das sich die Rechtsmittelführerin beschwerte, als "bloße freundschaftliche Äußerungen oder bloße Zufälle" bewertet hat, und dass, was den von der Rechtsmittelführerin kritisierten Untersuchungsbericht angeht, daraus insbesondere eine Darstellung des Sachverhalts berücksichtigt worden ist, die sie selbst verfasst hatte und die dem Bericht beigefügt war. Insofern ergibt sich, dass die Rügen der Rechtsmittelführerin beantwortet worden sind, dass diese Antwort ausreichend ist und dass daher auch der letzte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet ist.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und die Rechtsprechung zu neuem Vorbringen

29 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es habe gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu neuem Vorbringen verstoßen, indem es ihren Antrag auf Ersatz des ihr durch die Repressalien nach der Einlegung ihrer Beschwerde entstandenen Schadens deshalb als unzulässig abgewiesen habe, weil kein ordnungsgemäßes Vorverfahren stattgefunden habe.

30 Sie trägt vor, dieser Schadensersatzantrag stelle kein neues, durch Artikel 42 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes untersagtes Vorbringen dar, sondern ein neues Argument zur Untermauerung des bereits in der Klageschrift enthaltenen Vorbringens. Sie erklärt, sie habe sowohl in ihrer Beschwerde als auch in ihrer Klage stets eine Entschädigung als Wiedergutmachung aller mit der sexuellen Belästigung, deren Opfer sie geworden sei, verbundenen Schäden beantragt. Der sich aus den Repressalien nach der Einlegung ihrer Beschwerde ergebende Schaden sei nur eine Modalität des Schadens, über den sie sich von Anfang an beschwert habe.

31 Die Rechtsmittelführerin fragt sich außerdem, ob Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, wonach der Kläger im Laufe des Verfahrens neue Angriffsmittel vorbringen könne, wenn diese "auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt [würden], die erst während des [schriftlichen] Verfahrens zutage getreten [seien]", nicht so auszulegen sei, dass er es dem Kläger auch erlaube, neues Vorbringen auf einen Umstand zu stützen, der sich zwischen der Einlegung der Beschwerde und der Klageerhebung beim Gericht ereigne.

32 Zu diesem letzten Punkt ist festzustellen, dass sich die Situation im vorliegenden Fall grundlegend von den Umständen unterscheidet, auf die sich die Verfahrensordnung bezieht, da der Beschwerdeführer bei Auftreten eines neuen Umstands nach Einlegung der Beschwerde, aber vor Erhebung einer Klage, wie es in der vorliegenden Rechtssache der Fall ist, seine ursprüngliche Beschwerde immer noch ergänzen oder ändern kann, bevor er seine Klageschrift beim Gericht einreicht.

33 Was die Rechtfertigung dieser Konkretisierung des Inhalts der vorherigen Beschwerde angeht, so ist erstens daran zu erinnern, dass das Vorverfahren nach ständiger Rechtsprechung vorrangig eine einverständliche Beilegung der zwischen den Beamten oder sonstigen Bediensteten und der Verwaltung entstandenen Auseinandersetzungen ermöglichen soll. Damit ein derartiges Verfahren sein Ziel erreichen kann, muss die Anstellungsbehörde von den Rügen, die die Betroffenen gegenüber der angefochtenen Entscheidung erheben, hinreichend genau Kenntnis nehmen können (in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 1976 in der Rechtssache 58/75, Sergy/Kommission, Slg. 1976, 1139, Randnr. 32). Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass die Verwaltung die Beschwerden nicht eng auslegen darf, sondern im Gegenteil in einem Geist der Aufgeschlossenheit prüfen muss.

34 Zweitens müssen nach ständiger Rechtsprechung die in Beamtensachen beim Gemeinschaftsrichter gestellten Anträge zwar denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und mit ihnen können nur solche Rügen erhoben werden, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen; doch können diese Rügen im gerichtlichen Verfahren durch Gründe und Argumente weiterentwickelt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (Urteil vom 20. Mai 1987 in der Rechtssache 242/85, Geist/Kommission, Slg. 1987, 2181, Randnr. 9).

35 Daraus folgt, dass der Inhalt der Beschwerde, wie die Rechtsmittelführerin vorträgt, den Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen soll, solange nur die Klage weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändert (Urteil vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 52/85, Rihoux u. a./Kommission, Slg. 1986, 1555, Randnr. 12). Deshalb konnte der Gerichtshof annehmen, dass ein Beschwerdeführer, der in seiner Beschwerde die Aufhebung der stillschweigenden Entscheidung über die Ablehnung seines Beistandsantrags beantragt, so anzusehen ist, als habe er Ersatz des Schadens beantragt, der ihm möglicherweise durch diese Entscheidung entstanden ist (in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 1989 in der Rechtssache 224/87, Koutchoumoff/Kommission, Slg. 1989, 99, Randnr. 10).

36 Im vorliegenden Fall geht aus dem Wortlaut ihrer Beschwerde klar hervor, dass der präzise Schadensersatzantrag der Rechtsmittelführerin nur auf den Schaden gestützt war, der sich aus der rechtswidrigen Beistandsverweigerung der Kommission ergab.

37 Vor dem Gericht hat die Rechtsmittelführerin aber keine zusätzlichen Argumente oder Gründe zur Untermauerung dieses Schadensersatzantrags vorgetragen, sondern in Wirklichkeit einen neuen Schadensersatzantrag gestellt, der auf einem neuen Schadensgrund beruht, nämlich auf dem, der sich aus den Repressalien ergibt, die nach Einlegung ihrer Beschwerde in ihrer Dienststelle ihr gegenüber ausgeübt worden seien.

38 Diese Repressalien sind jedoch, sollten sie erwiesen sein, nicht die Folge der stillschweigenden Entscheidung der Kommission über die Ablehnung des Beistandsantrags der Rechtsmittelführerin, die durch das angefochtene Urteil aufgehoben wurde, sondern die unmittelbare Folge der Einlegung ihrer Beschwerde. Auch wenn dieser Antrag im gleichen Zusammenhang gestellt wird, handelt es sich demnach doch um einen anderen Schadensersatzantrag als den in der Beschwerde enthaltenen; er muss daher als neuer Antrag angesehen werden, der als solcher unzulässig ist.

39 Der zweite Rechtsmittelgrund, der auf einen Rechtsfehler gestützt wird, den das Gericht dadurch begangen habe, dass es diesen Antrag für unzulässig gehalten habe, erscheint damit unbegründet und ist zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Rechtsverweigerung seitens des Gerichts dadurch, dass es sich nicht zu den Voraussetzungen für die Haftung der Kommission geäußert habe

40 Für diesen Rechtsmittelgrund trägt die Rechtsmittelführerin vor, die drei Voraussetzungen für eine Haftung seien gegeben: ein Amtsfehler der Kommission, ein der Rechtsmittelführerin entstandener immaterieller Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen dem Amtsfehler und dem Schaden. Sie wirft dem Gericht vor, sich nicht zu den haftungsbegründenden Tatsachen geäußert zu haben, die zum einen in der sexuellen Belästigung und zum anderen im fehlerhaften Verhalten der Kommission lägen. Ebenso habe sich das Gericht nicht zum Vorliegen des der Rechtsmittelführerin entstandenen immateriellen Schadens geäußert, weil es der Verwaltung keine Anordnungen erteilen könne.

41 Das Gericht hat jedoch entschieden, dass die Kommission dadurch einen Amtsfehler begangen habe, dass sie die Rechtsmittelführerin darüber im Ungewissen gelassen habe, wie ihr Beistandsantrag behandelt werde, und dass dieser Amtsfehler der Rechtsmittelführerin einen immateriellen Schaden verursacht habe. Das Gericht war allerdings der Auffassung, dass die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als solche eine angemessene Wiedergutmachung dieses Schadens darstelle.

42 Was dagegen die Handlungen sexueller Belästigung angeht, so hat das Gericht, nachdem es das Vorbringen der Rechtsmittelführerin dazu geprüft hat, ausgeführt, dass diese nicht nachgewiesen seien, und den entsprechenden Schadensersatzantrag abgewiesen.

43 Schließlich hat das Gericht zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gemeinschaftsgerichte der Kommission keine Anordnungen erteilen könnten, dies aber nur, um den Antrag der Rechtsmittelführerin auf Wiederherstellung ihrer Laufbahn abzuweisen, und nicht, um sich nicht zum tatsächlichen Vorliegen des behaupteten Schadens äußern zu müssen.

44 Sollte die Rechtsmittelführerin im Übrigen mit ihrem Vorbringen dartun wollen, dass der im angefochtenen Urteil zugesprochene Schadensersatz unzureichend sei, so ist zu bemerken, dass, sobald das Gericht das Vorliegen eines Schadens festgestellt hat, es allein zuständig ist, innerhalb der Grenzen des Antrags Art und Umfang der Wiedergutmachung dieses Schadens zu beurteilen (Urteil vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I-1981, Randnr. 81), so dass diese Beurteilung vor dem Gerichtshof nicht mehr erörtert werden kann.

45 Nach allem ist der dritte Rechtsmittelgrund auf jeden Fall zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

46 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, indem das Gericht seine Entscheidung auf eine Verwaltungsuntersuchung gestützt habe, die den Verteidigungsrechten hohnspreche, habe es diese Rechte selbst verletzt.

47 Mit diesem Vorbringen allein kann die Rechtsmittelführerin nicht nachweisen, dass bei der genannten Untersuchung die Verteidigungsrechte verletzt wurden. Außerdem hat sie nicht bewiesen, dass sich das Gericht nur auf diese Untersuchung gestützt hat, da sie sich im Laufe des Verfahrens in ihrer Klageschrift und in einem späteren Schriftsatz nach ihrem Belieben äußern konnte und da darüber hinaus, wie in Randnummer 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zu den Aspekten der Untersuchung, die in die Begründung des angefochtenen Urteils Eingang gefunden haben, auch die eigenen Erklärungen der Rechtsmittelführerin gehören.

48 Der vierte Rechtsmittelgrund ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

49 Aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Rechtsmittel zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Zwar kann der Gerichtshof nach Artikel 122 der Verfahrensordnung abweichend von Artikel 69 § 2 bei Rechtsmitteln, die von Beamten oder sonstigen Bediensteten eines Organs eingelegt werden, die Kosten zwischen den Parteien teilen, sofern dies aus Gründen der Billigkeit geboten ist; doch sind unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache diese Bestimmungen nicht anzuwenden. Da die Rechtsmittelführerin mit allen ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Ende der Entscheidung

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