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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: C-64/04
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EG) Nr. 3690/93


Vorschriften:

EG Art. 226
Verordnung (EG) Nr. 3690/93 Art. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

29. März 2007

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Fanglizenzen - Verordnung (EG) Nr. 3690/93 - Schiffe Cleopatra und Ocean Quest - Endgültige Überführung der Schiffe nach Argentinien"

Parteien:

In der Rechtssache C-64/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 13. Februar 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. van Rijn und B. Doherty als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch M. Bethell als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, J. Malenovský (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 3690/93 des Rates vom 20. Dezember 1993 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung über die Mindestangaben in Fanglizenzen (ABl. L 341, S. 93) verstoßen hat, dass es die Fanglizenzen für die Schiffe Cleopatra und Ocean Quest nach deren endgültiger Überführung nach Argentinien nicht entzogen hat.

Rechtlicher Rahmen

2 Das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Argentinischen Republik über die Fischereibeziehungen (im Folgenden: Fischereiabkommen) wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 3447/93 des Rates vom 28. September 1993 (ABl. L 318, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigt. Im neunten Erwägungsgrund des Fischereiabkommens heißt es, die Vertragsparteien seien "der Überzeugung, dass diese neue Form der Zusammenarbeit im Fischereisektor den Zugang zu neuen Fangmöglichkeiten anhaltend sichert, die Erneuerung und Umstellung der argentinischen Fangflotte und die Umstrukturierung der Gemeinschaftsflotte begünstigt und langfristig die rationelle Bewirtschaftung der Ressourcen fördert".

3 Art. 5 Abs. 1 und 3 des Fischereiabkommens bestimmt:

"(1) Die Parteien schaffen günstige Voraussetzungen für die Gründung in Argentinien von Unternehmen, deren Kapital aus einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft stammt, sowie für die Errichtung von gemischten Gesellschaften und zeitlich begrenzten Unternehmensvereinigungen im Fischereisektor, in denen argentinische Reeder und Gemeinschaftsreeder sich zusammenschließen, um die argentinischen Fischereiressourcen zu bewirtschaften und die Erzeugnisse gegebenenfalls zu verarbeiten; hierfür gelten die in Protokoll I und in den Anhängen I und II festgelegten Bedingungen.

...

(3) Im Rahmen ihrer Politik zur Umstrukturierung der Fischereiflotte gestattet die Gemeinschaft die Übernahme von Gemeinschaftsschiffen in Unternehmen, die in Argentinien gegründet wurden oder werden. Ebenso genehmigt Argentinien im Rahmen seiner Politik zur technologischen Erneuerung im Fischereisektor die Übertragung gültiger Fanglizenzen und stellt die nach Maßgabe dieses Abkommens zu bewilligenden neuen Lizenzen aus."

4 Art. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur (ABl. L 389, S. 1) sah vor:

"(1) Der Rat legt nach dem in Artikel 43 des Vertrages vorgesehenen Verfahren bis zum 31. Dezember 1993 eine spätestens ab dem 1. Januar 1995 anzuwendende Gemeinschaftsregelung mit Bestimmungen über die Mindestangaben fest, die in den von den Mitgliedstaaten zu erteilenden und zu verwaltenden Fanglizenzen enthalten sein müssen.

Ab dem Zeitpunkt der Anwendung der Gemeinschaftsregelung sind die Mitgliedstaaten gehalten, nationale Fanglizenzregelungen anzuwenden. Sofern nichts anderes vorgesehen ist, müssen alle Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft über eine Lizenz verfügen, die an das Schiff gebunden ist.

Diese Bestimmungen sind unbeschadet jeglicher Sonderregelungen anwendbar, die auf Gemeinschaftsebene gelten oder im Rahmen bestehender oder künftiger internationaler Abkommen vorgeschrieben sind.

(2) Die Lizenzregelungen gelten für alle Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft, die in den Fischereigewässern der Gemeinschaft, in Drittlandsgewässern oder auf Hoher See tätig sind. Die Vorschriften der Gemeinschaft über Mindestangaben gelten auch für Fischereifahrzeuge von Drittländern, die gemäß internationalen Abkommen in den Fischereigewässern der Gemeinschaft fischen."

5 Art. 11 der Verordnung Nr. 3760/92 bestimmte:

"Der Rat legt nach dem Verfahren des Artikels [43] des Vertrages unter Berücksichtigung des Titels I für mehrere Jahre und zum ersten Mal vor dem 1. Januar 1994 die Ziele und Einzelheiten für die Umstrukturierung des Fischereisektors der Gemeinschaft zur Herstellung eines dauerhaften Gleichgewichts zwischen den Beständen und ihrer Nutzung fest. Bei dieser Umstrukturierung werden die im Einzelfall möglichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen und die Besonderheiten der Fischereigebiete berücksichtigt."

6 Der dritte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 3690/93 lautet: "In der gemeinschaftlichen Regelung sollte festgelegt werden, welche Mindestangaben die Fanglizenzen für alle Fischereifahrzeuge unter der Flagge eines Mitgliedstaats enthalten müssen."

7 Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:

"(1) Es wird eine gemeinschaftliche Regelung eingeführt, die die Bestimmungen über die Mindestangaben festlegt, die in den Fanglizenzen gemäß Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 enthalten sein müssen.

(2) Alle Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft müssen im Besitz einer Fanglizenz sein, die an das Schiff gebunden ist.

(3) Die Lizenz ist an Bord mitzuführen.

(4) Fischereifahrzeuge, für die keine Fanglizenz erteilt oder deren Fanglizenz entzogen oder ausgesetzt worden ist, dürfen keine Fische fangen, an Bord behalten, umladen oder anlanden."

8 Art. 3 der Verordnung Nr. 3690/93 sieht vor:

"Der Flaggenmitgliedstaat erteilt und verwaltet die Fanglizenzen für Fischereifahrzeuge unter seiner Flagge unter Beachtung von Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92."

9 Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 lautet:

"Der Flaggenmitgliedstaat entzieht vorübergehend oder endgültig die Fanglizenzen für Fischereifahrzeuge, die Gegenstand einer vorübergehenden Stilllegungsmaßnahme sind, und entzieht die Fanglizenzen für Fischereifahrzeuge, die endgültig stillgelegt werden."

10 Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 3699/93 des Rates vom 21. Dezember 1993 über die Kriterien und Bedingungen für die Strukturmaßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Fischerei und Aquakultur sowie der Verarbeitung und Vermarktung der entsprechenden Erzeugnisse (ABl. L 346, S. 1) hatte folgenden Wortlaut:

"(1) Die Mitgliedstaaten treffen die Maßnahmen zur Anpassung des Fischereiaufwands, die erforderlich sind, damit mindestens die Ziele der in Artikel 5 genannten mehrjährigen Ausrichtungsprogramme erreicht werden.

Soweit erforderlich, veranlassen die Mitgliedstaaten die endgültige Stilllegung oder eine Begrenzung der Fangtätigkeiten der Fischereifahrzeuge.

(2) Die endgültige Stilllegung von Fischereifahrzeugen erfolgt insbesondere durch:

- Abwracken;

- endgültige Überführung des Schiffes in ein Drittland, sofern diese Überführung nicht gegen internationales Recht verstößt und sofern sie mit den Erfordernissen der Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen vereinbar ist;

- endgültige Verwendung des Schiffes in den Gewässern der Gemeinschaft für andere Zwecke als den Fischfang.

...

Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die von diesen Maßnahmen betroffenen Fischereifahrzeuge aus dem Schiffsregister und aus der gemeinschaftlichen Fischereifahrzeugkartei gestrichen werden. Sie vergewissern sich ferner, dass die gestrichenen Schiffe endgültig von der Ausübung des Fischfangs in den Gemeinschaftsgewässern ausgeschlossen werden."

11 Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3699/93 bestimmte:

"Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen zugunsten einer Umorientierung der Fischereiaktivitäten durch Förderung der Bildung von zeitlich begrenzten Unternehmensvereinigungen und/oder gemischten Gesellschaften treffen."

12 Die Verordnung Nr. 3699/93 wurde aufgehoben durch Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2468/98 des Rates vom 3. November 1998 über die Kriterien und Bedingungen für die Strukturmaßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Fischerei und Aquakultur sowie der Verarbeitung und Vermarktung der entsprechenden Erzeugnisse (ABl. L 312, S. 19), deren Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Art. 9 Abs. 1 den gleichen Wortlaut haben wie die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 3699/93.

Sachverhalt und vorprozessuales Verfahren

13 Im Rahmen des Fischereiabkommens wurden die unter der Flagge des Vereinigten Königreichs fahrenden und in diesem Mitgliedstaat registrierten Schiffe Cleopatra und Ocean Quest nach Argentinien überführt. Dies geschah anlässlich der Errichtung einer gemischten Gesellschaft aus Gemeinschaftsreedern und argentinischen Reedern. Die Schiffe wurden im November 1996 bzw. im Juli 1997 aus dem Register des Vereinigten Königreichs für Fischereifahrzeuge gestrichen und in das argentinische Fischereifahrzeugregister eingetragen.

14 Nach Feststellungen der Kommission wurden die Fanglizenzen für die Schiffe Cleopatra und Ocean Quest für andere Schiffe verwendet.

15 Mit Schreiben vom 19. April 2001 teilte die Kommission dem Vereinigten Königreich mit, dass die Wiederverwendung der Fanglizenzen gegen die Verpflichtung der zuständigen nationalen Behörden gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 verstoße, diese Lizenzen für die Schiffe zu entziehen, die endgültig stillgelegt worden seien. Im Übrigen wurde dieser Mitgliedstaat in diesem Schreiben aufgefordert, zu der vorgeworfenen Vertragsverletzung gemäß Art. 226 Abs. 1 EG Stellung zu nehmen.

16 Da eine Antwort unterblieb, richtete die Kommission am 16. Januar 2003 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Vereinigte Königreich, in der sie zum einen das Vorbringen in ihrem Mahnschreiben wiederholte und zum anderen diesen Mitgliedstaat aufforderte, seinen Verpflichtungen binnen zwei Monaten nach Eingang dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen.

17 In seiner Antwort vom 20. März 2003 auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme machte das Vereinigte Königreich mehrere Argumente geltend. Zunächst führte es aus, seine Behörden seien der Ansicht, die einzige Verpflichtung, die ihnen obliege, sei die Streichung der Schiffe Cleopatra und Ocean Quest aus dem nationalen Register für Fischereifahrzeuge, und nicht der Entzug der diese Schiffe betreffenden Fanglizenzen. Sodann machte es geltend, dass die Kommission die Erforderlichkeit des Entzugs der Fanglizenzen erst nach Abschluss der bindenden Verträge für die Übertragung dieser Fahrzeuge auf Dritte durch die Eigentümer dieser Fahrzeuge bestätigt habe. Schließlich war es der Ansicht, dass die Haltung dieser Behörden verständlich sei und dass Verfahren eingeführt worden seien, um künftig jede ähnliche Übertragung von Fanglizenzen zu verhindern.

18 Da die Kommission diese Erläuterungen für unbefriedigend hielt, beschloss sie, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

19 Nach Ansicht der Kommission muss der Flaggenmitgliedstaat nach Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 die Fanglizenzen für Fischereifahrzeuge entziehen, die endgültig stillgelegt werden.

20 Diese Verpflichtung zum Entzug von Fanglizenzen sei dahin auszulegen, dass die durch den Entzug frei werdende Fangkapazität nicht wiederverwendet werden dürfe, um anderen Schiffen neue Lizenzen zu erteilen, denn eine solche Wiederverwendung verstieße gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2468/98, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, die Maßnahmen zur Anpassung des Fischereiaufwands zu treffen, die erforderlich seien, damit mindestens die Ziele der mehrjährigen Ausrichtungsprogramme erreicht würden. Ließe die Gemeinschaft eine solche Wiederverwendung von Lizenzen für endgültig in einen Drittstaat überführte Schiffe zu, würde das Ziel des Abbaus der Fischereiflotte nicht erreicht. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn die endgültige Überführung im Rahmen der Errichtung einer gemischten Gesellschaft stattfinde.

21 Das Vereinigte Königreich führt aus, Art. 8 der Verordnung Nr. 2468/98 enthalte keine Aussage zu den Fanglizenzen. Außerdem sei diese Verordnung erst nach den dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Ereignissen erlassen worden und könne daher keinen Einfluss auf die Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs zum Zeitpunkt ihrer Entstehung haben.

22 Ferner könne die Verpflichtung zum Entzug der Fanglizenzen gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 erst ab dem Zeitpunkt wirksam werden, zu dem die Kommission ihre Zustimmung zur Übertragung der betreffenden Fahrzeuge an eine gemischte Gesellschaft erteilt und diese Entscheidung dem Vereinigten Königreich mitgeteilt habe. Im vorliegenden Fall hätten die Eigentümer der Schiffe Cleopatra und Ocean Quest die für diese erteilten Lizenzen verkauft, bevor die Entscheidung der Kommission über die Genehmigung der Übertragung dieser Schiffe auf eine gemischte Gesellschaft diesem Mitgliedstaat mitgeteilt worden sei. Da diese Eigentümer nicht mehr Inhaber dieser Lizenzen seien, habe das Vereinigte Königreich keine seiner Verpflichtungen aus dem genannten Art. 5 verletzt.

23 Der wirkliche "Fehler", der in dieser Rechtssache begangen worden sei, bestehe darin, dass die Eigentümer der Schiffe Cleopatra und Ocean Quest Geld sowohl für den Verkauf der Lizenzen für die Schiffe als auch von der Gemeinschaft erhalten hätten, obwohl sie als Folge eines solchen Verkaufs keine Beihilfe mehr im Zusammenhang mit der Ermittlung einer gemischten Gesellschaft hätten erhalten dürfen. Obwohl die Kommission davon unterrichtet gewesen sei, dass die Lizenzen sich noch im Verkehr befänden, habe sie beschlossen, den Eigentümern die Gemeinschaftsbeihilfen zu gewähren. Damit sei sie von der Vermutung ausgegangen, dass sie "gutgläubig" gehandelt hätten, was sie jedoch im Falle des Vereinigten Königreichs nicht angenommen habe.

24 Im Übrigen komme die Überführung eines Schiffes im Rahmen des Fischereiabkommens einer endgültigen Stilllegungsmaßnahme im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 nahe. Das Vereinigte Königreich habe daher ein Verfahren eingeführt, das darin bestehe, die Lizenz eines Schiffes "einzufrieren", wenn ein Antrag auf Ermittlung einer gemischten Gesellschaft bei den zuständigen Stellen eingehe. Die Lizenz könne nur dann wieder voll wirksam werden, wenn der Antrag auf Errichtung einer gemischten Gesellschaft zurückgenommen werde oder wenn die Übertragung eines Schiffes auf eine solche Gesellschaft nicht die Zustimmung der Kommission finde. Infolgedessen habe das Vereinigte Königreich sichergestellt, dass es in Zukunft keinen weiteren Fall einer Wiederverwendung von Lizenzen geben werde.

Würdigung durch den Gerichtshof

25 Vorab ist zu bemerken, dass im vorliegenden Fall feststeht, dass die Schiffe Cleopatra und Ocean Quest in das argentinische Register für Fischereifahrzeuge eingetragen und somit endgültig nach Argentinien überführt worden sind.

26 Der Vorwurf, den die Kommission in dem in Randnr. 1 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Klageantrag erhoben hat, ist auf die Feststellung durch den Gerichtshof gerichtet, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 verstoßen habe, dass es die Fanglizenzen für diese Schiffe nach deren endgültiger Überführung nach Argentinien nicht entzogen hat.

27 Gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 wird im Fall der endgültigen Stilllegung eines Fischereifahrzeugs die Fanglizenz für dieses Schiff entzogen.

28 Vor der Prüfung, ob der von der Kommission erhobene Vorwurf begründet ist, stellt sich daher als Vorfrage, erstens, worin genau die endgültige Stilllegung eines Fischereifahrzeugs besteht und, zweitens, ob die endgültige Überführung eines solchen Schiffes nach Argentinien im Rahmen der Errichtung einer gemischten Gesellschaft einer endgültigen Stilllegung im Sinne des Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 gleichgestellt werden kann.

Zu den Maßnahmen der endgültigen Stilllegung

29 In Bezug auf den Begriff "endgültige Stilllegung" steht fest, dass weder Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 noch diese Verordnung als Ganzes Hinweise zur Definition dieses Begriffs geben. Demgegenüber ist er in der Verordnung Nr. 3699/93, genauer in deren Art. 8 Abs. 2, definiert, wonach die endgültige Stilllegung von Fischereifahrzeugen insbesondere durch Abwracken, die endgültige Überführung des Schiffes in einen Drittstaat, sofern diese Überführung nicht gegen internationales Recht verstößt und sofern sie mit den Erfordernissen der Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen vereinbar ist, sowie die endgültige Verwendung des Schiffes in den Gewässern der Gemeinschaft für andere Zwecke als den Fischfang erfolgt.

30 Die Verordnungen Nr. 3690/93 und Nr. 3699/93 unterscheiden sich sowohl ihrem Gegenstand als auch ihrer Zielsetzung nach erheblich voneinander. Die Verordnung Nr. 3690/93 legt nämlich, wie insbesondere aus ihrem dritten Erwägungsgrund hervorgeht, fest, welche Mindestangaben die Fanglizenzen enthalten müssen, während die Verordnung Nr. 3699/93 die Kriterien und Bedingungen für die Strukturmaßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Fischerei und Aquakultur bestimmt.

31 Auch wenn die Zielsetzung dieser beiden Verordnungen unterschiedlich ist, lässt jedoch nichts darauf schließen, dass die Definition des Begriffs "endgültige Stilllegung" ausschließlich auf die Verordnung Nr. 3699/93 beschränkt ist und dass diese Definition im Rahmen anderer Vorschriften des abgeleiteten Rechts auf dem Gebiet der Fischereipolitik nicht verwendet werden kann.

32 Die Verordnung Nr. 3699/93, die den Begriff der endgültigen Stilllegung definiert, wurde übrigens nach der Verordnung Nr. 3690/93 erlassen. Wie aus den verschiedenen Sprachfassungen der Verordnung Nr. 3699/93, insbesondere der deutschen, der spanischen, der französischen und der italienischen, hervorgeht, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber daher in voller Kenntnis der Umstände denselben Ausdruck wie bereits in der Verordnung Nr. 3690/93 gewählt.

33 Folglich spricht nichts dagegen, dass die Definition dieses Begriffs, auch wenn sie der Verordnung Nr. 3699/93 entstammt, im Rahmen der Durchführung des Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 über die vorübergehende oder endgültige Entziehung von Fanglizenzen verwendet werden kann.

34 Zu den in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3699/93 aufgeführten einzelnen Maßnahmen zur "endgültigen Stilllegung" von Fischereifahrzeugen gehört u. a. die "endgültige Überführung ... in ein Drittland". Im vorliegenden Fall wurden die Fischereifahrzeuge Cleopatra und Ocean Quest unstreitig in "ein Drittland", nämlich in die Argentinische Republik, überführt.

35 Somit stellt sich, zweitens, die Frage, ob die endgültige Überführung solcher Schiffe nach Argentinien im Rahmen der Errichtung einer gemischten Gesellschaft einer endgültigen Stilllegung im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 gleichgesetzt werden kann.

36 Der Wortlaut dieses Art. 8 Abs. 2 spricht keineswegs dagegen, den Begriff "endgültige Stilllegung" auf die endgültige Überführung von Schiffen auf der Grundlage eines zwischen der Gemeinschaft und einem Drittstaat geschlossenen internationalen Abkommens anzuwenden. Vielmehr nimmt Art. 8 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich ausdrücklich auf die Einhaltung des internationalen Rechts und dementsprechend internationaler Abkommen Bezug.

37 Das Fischereiabkommen seinerseits steht in keiner Weise der Einstufung einer gemäß seinen Bestimmungen erfolgten endgültigen Überführung von Fischereifahrzeugen als "endgültiger Stilllegung" von Fischereifahrzeugen im Sinne des Gemeinschaftsrechts entgegen.

38 Folglich stellt die aufgrund eines internationalen Abkommens erfolgte endgültige Überführung von Fischereifahrzeugen in einen Drittstaat eine der Maßnahmen zur endgültigen Stilllegung von Fischereifahrzeugen dar, wie sie in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3699/93 vorgesehen sind. Demnach ist im vorliegenden Fall die endgültige Überführung der Schiffe Cleopatra und Ocean Quest nach Argentinien als "endgültige Stilllegung" von Fischereifahrzeugen im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Definition einer solchen Maßnahme zu betrachten.

Zum Entzug der Fanglizenzen und zur Zuteilung neuer Fanglizenzen

39 Mithin stellt sich die Frage, ob im vorliegenden Fall die Fanglizenz für die beiden endgültig nach Argentinien überführten Schiffe Cleopatra und Ocean Quest von den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs entzogen wurde.

40 Das Vereinigte Königreich trägt vor, dass die Rechte, die die Fanglizenzen den ehemaligen Eigentümern der Schiffe Cleopatra und Ocean Quest eingeräumt hätten, an Dritte verkauft worden seien, die sie für andere Schiffe verwendet hätten. Daher seien die Lizenzen für diese Schiffe sehr wohl entzogen worden.

41 Die Kommission bestreitet nicht, dass die Lizenzen für die Schiffe Cleopatra und Ocean Quest entzogen worden sind. Sie stellt jedoch fest, dass die durch die Überführung dieser Schiffe frei gewordene Fangkapazität für andere Schiffe wiederverwendet worden sei.

42 Aus Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 ergebe sich, dass der Mitgliedstaat im Fall der endgültigen Überführung von Schiffen in einen Drittstaat nicht nur die Lizenzen für die überführten Schiffe entziehen müsse, sondern die so im nationalen Register frei gewordene Fangkapazität auch nicht für die Erteilung neuer Lizenzen verwenden dürfe. Eine solche Verwendung verstieße nämlich gegen die Ziele des Art. 8 der Verordnung Nr. 2468/98, der im Rahmen einer gemeinschaftlichen Politik zur Umstrukturierung der Gemeinschaftsflotte zu sehen sei.

43 Der Wortlaut des Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 verbietet als solcher nicht, die durch die Überführung von Schiffen in einen Drittstaat frei gewordene Fangkapazität zur Erteilung neuer Lizenzen zu verwenden, da dieser Artikel lediglich die Verpflichtung des Flaggenmitgliedstaats zum Entzug der Fanglizenzen für die endgültig stillgelegten Schiffe vorsieht. Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedoch, dass das Vereinigte Königreich dieser Verpflichtung zum Entzug der Fanglizenzen nachgekommen ist.

44 Des Weiteren nimmt Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93, den die Kommission als einzige Bestimmung in ihrem Antrag angeführt hat, in keiner Weise Bezug auf Art. 8 der Verordnung Nr. 3699/93, auch nicht in seiner durch die Verordnung Nr. 2468/98 geänderten Fassung. Jedenfalls bestimmt der letztgenannte Artikel u. a., wie die endgültige Stilllegung von Fischereifahrzeugen erfolgen kann, und verlangt, dass die aus dem Register gestrichenen Schiffe endgültig vom Fischfang in den Gemeinschaftsgewässern ausgeschlossen werden. Dem Wortlaut dieser Bestimmung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die durch die endgültige Überführung von Schiffen in Drittstaaten im nationalen Register für Fischereifahrzeuge frei gewordene Fangkapazität nicht zur Erteilung neuer Fanglizenzen verwendet werden kann.

45 Selbst wenn die Kommission auf der Grundlage anderer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen gegen das Vereinigte Königreich wegen der Regelung für die Erteilung neuer Fanglizenzen nach dem Verfahren des Art. 226 EG hätte vorgehen können - wie von der Generalanwältin in Nr. 45 ihrer Schlussanträge ausgeführt -, steht jedenfalls fest, dass der Verstoß gegen diese Bestimmungen nicht Gegenstand der vorgeworfenen Vertragsverletzung ist (vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-6/04, Slg. 2005, I-9017, Randnrn. 58 bis 60, vom 15. Juni 2006, Kommission/Frankreich, C-255/04, Slg. 2006, I-5251, Randnr. 24, und vom 15. Februar 2007, Kommission/Niederlande, C-34/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 53).

46 Nach alledem ist die Rüge einer Verletzung des Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93, auf die die Kommission ihre Klage stützt, nicht begründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen, ohne dass das Argument des Vereinigten Königreichs in seiner Klagebeantwortung geprüft zu werden braucht, dass keine Verpflichtung zum Entzug der Fanglizenzen gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 3690/93 bestanden habe, da die Schiffe Cleopatra und Ocean Quest nach Argentinien überführt worden seien, bevor die Kommission über die Genehmigung dieser Überführung entschieden habe.

47 Somit ist die Klage der Kommission abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

48 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich dementsprechend die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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