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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: C-65/02 P
Rechtsgebiete: EGKS-Vertrag


Vorschriften:

EGKS-Vertrag Art. 65 § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 14. Juli 2005. - ThyssenKrupp Stainless GmbH (C-65/02 P) und ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA (C-73/02 P) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - EGKS-Vertrag - Kartelle - Legierungszuschlag - Herabsetzung der Geldbuße - Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens - Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung - Verteidigungsrechte. - Verbundene Rechtssachen C-65/02 P und C-73/02 P.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-65/02 P und C-73/02 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Artikel 49 der EGKSSatzung des Gerichtshofes, eingereicht am 28. Februar 2002,

ThyssenKrupp Stainless GmbH, früher Krupp Thyssen Stainless GmbH, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Klusmann,

Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-65/02 P,

ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA, früher Acciai speciali Terni SpA, Prozessbevollmächtigte: A. Giardina und G. Di Tommaso, avvocati, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin in der Rechtssache -C73/02 P,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Whelan als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt H.J. Freund (C-65/02 P) sowie A. Whelan und V. Superti als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dal Ferro, avvocato (C-73/02 P), Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Lenaerts und S. von Bahr (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Oktober 2004

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die ThyssenKrupp Stainless GmbH (im Folgenden: TKS) und die ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA (im Folgenden: AST) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T45/98 und T47/98 (Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II3757, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihren Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 98/247/EGKS der Kommission vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (Sache IV/35.814 - Legierungszuschlag) (ABl. L 100, S. 55, im Folgenden: streitige Entscheidung) nur teilweise stattgegeben hatte.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2. Der den Klagen vor dem Gericht zugrunde liegende Sachverhalt, wie er von diesem in dem angefochtenen Urteil wiedergegeben worden ist, lässt sich für die Zwecke dieses Urteils wie folgt zusammenfassen.

3. Die TKS, eine Gesellschaft deutschen Rechts, entstand am 1. Januar 1995 durch eine Zusammenlegung der Tätigkeiten der Fried Krupp AG Hoesch-Krupp (im Folgenden: Krupp) und der Thyssen Stahl AG (im Folgenden: Thyssen) im Bereich nichtrostende säure und hochtemperaturbeständige Flachstahlerzeugnisse. Der Firmenname der TKS lautete zunächst KruppThyssen Nirosta GmbH, später von September 1997 an Krupp Thyssen Stainless GmbH.

4. Die AST, früher Acciai speciali Terni SpA, eine Gesellschaft italienischen Rechts, deren eine Haupttätigkeit die Herstellung von Flachprodukten aus rostfreiem Stahl ist, wurde am 1. Januar 1994 gegründet. Am 21. Dezember 1994 genehmigte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den gemeinsamen Erwerb der AST durch mehrere Unternehmen, darunter Krupp und Thyssen. Im Dezember 1995 erhöhte Krupp ihre Beteiligung an der AST von 50 % auf 75 % und am 10. Mai 1996 auf 100 %. Krupp übertrug anschließend die Gesamtheit ihrer Anteile an der AST auf die TKS.

5. Aufgrund von Informationen in der Fachpresse und von Klagen einiger Verbraucher ersuchte die Kommission am 16. März 1995 gemäß Artikel 47 EGKSVertrag mehrere Hersteller von rostfreiem Stahl um Auskünfte über einen von ihnen angewandten gemeinsamen Aufpreis, der unter der Bezeichnung Legierungszuschlag bekannt ist.

6. Der Legierungszuschlag ist ein Aufpreis, der entsprechend den Kursen der Legierungselemente berechnet wird und um den sich der Grundpreis für rostfreien Stahl erhöht. Die Kosten der von den Herstellern rostfreien Stahls eingesetzten Legierungselemente (Nickel, Chrom und Molybdän) machen einen sehr hohen Anteil der gesamten Herstellungskosten aus. Die Kurse dieser Rohstoffe unterliegen außerordentlichen Schwankungen.

7. Aufgrund der eingegangenen Informationen richtete die Kommission am 19. Dezember 1995 an 19 Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: erste Mitteilung der Beschwerdepunkte).

8. Nachdem die Kommission eine Reihe von Überprüfungen vor Ort durchgeführt hatte, teilten ihr im Dezember 1996 und Januar 1997 die Rechtsanwälte oder Vertreter einiger Unternehmen ihren Wunsch nach Zusammenarbeit mit. Dazu reichten am 17. Dezember 1996 die TKS und am 10. Januar 1997 die AST Erklärungen bei der Kommission ein.

9. Am 24. April 1997 übermittelte die Kommission diesen Unternehmen sowie Thyssen eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte, die diejenige vom 19. Dezember 1995 ersetzte (im Folgenden: zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte).

10. Mit Schreiben vom 23. Juli 1997 erklärte sich die TKS bereit, die Verantwortung für die Thyssen von 1993 an zur Last gelegten Handlungen zu übernehmen, obwohl ihr der Geschäftsbereich Flacherzeugnisse aus rostfreiem Stahl von Thyssen erst am 1. Januar 1995 übertragen worden sei.

11. Am 21. Januar 1998 erließ die Kommission die streitige Entscheidung.

12. Dieser Entscheidung zufolge gingen die Preise für Legierungselemente und rostfreien Stahl 1993 erheblich zurück. Nachdem der Nickelkurs von September 1993 an gestiegen war, verringerten sich die Erzeugerspannen beträchtlich. Angesichts dieser Situation vereinbarten die meisten Hersteller von Flacherzeugnissen aus rostfreiem Stahl bei einer Zusammenkunft in Madrid am 16. Dezember 1993 (im Folgenden: Madrider Zusammenkunft), ihre Preise in abgestimmter Weise durch eine Änderung der Berechnungsparameter für den Legierungszuschlag anzuheben. Zu diesem Zweck beschlossen sie, vom 1. Februar 1994 an einen Legierungszuschlag nach der letztmals 1991 benutzten Formel anzuwenden, und wählten für alle Hersteller als Referenzwerte für die Legierungen die vom September 1993, als der Nickelkurs auf einen historischen Tiefstand gefallen war.

13. Nach den Angaben in der streitigen Entscheidung wurde der auf der Grundlage der neu festgesetzten Referenzwerte berechnete Legierungszuschlag von allen Herstellern vom 1. Februar 1994 an für ihre Verkäufe in Europa mit Ausnahme von Spanien und Portugal angewandt.

14. In Artikel 1 der streitigen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Compañía española para la fabricación de aceros inoxidables SA (Acerinox) (im Folgenden: Acerinox), die ALZ NV, die AST, die Avesta Sheffield AB (im Folgenden: Avesta), Krupp und Thyssen, die seit dem 1. Januar 1995 die TKS bilden, sowie die Ugine SA, die spätere Usinor SA (im Folgenden: Usinor), ab Dezember 1993 bis November 1996 im Fall von Avesta und bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung im Fall aller anderen Unternehmen durch abgestimmte Änderung der Referenzwerte der Formel zur Berechnung des Legierungszuschlags und durch Anwendung dieser Änderung gegen Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag verstoßen haben. Diese Handlungsweise hatte nach Ansicht der Kommission die Beschränkung und Verfälschung des normalen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt sowohl bezweckt als auch bewirkt.

15. In Artikel 2 der streitigen Entscheidung wurden folgende Geldbußen festgelegt:

- Acerinox: 3 530 000 ECU,

- ALZ NV: 4 540 000 ECU,

- AST: 4 540 000 ECU,

- Avesta: 2 810 000 ECU,

- TKS: 8 100 000 ECU sowie

- Usinor: 3 860 000 ECU.

Die Klagen vor dem Gericht und das angefochtene Urteil

16. Mit Klageschriften, die am 11. bzw. 13. März 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben die TKS und die AST Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, soweit sie von ihr betroffen waren, hilfsweise auf eine erhebliche Herabsetzung der in der Entscheidung gegen sie festgesetzten Geldbußen.

17. Das Gericht hat mit dem angefochtenen Urteil

- die Rechtssachen T45/98 und T47/98 zu gemeinsamer Entscheidung verbunden;

- Artikel 1 der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt, soweit der TKS die Verantwortung für die von Thyssen begangene Zuwiderhandlung auferlegt worden war;

- die in Artikel 2 der streitigen Entscheidung gegen die TKS und die AST festgesetzten Geldbußen auf 4 032 000 Euro festgesetzt;

- im Übrigen die beiden Klagen abgewiesen;

- in der Rechtssache T45/98 die TKS und die Kommission zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt und

- in der Rechtssache T47/98 die AST zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie von zwei Dritteln der Kosten der Kommission und die Kommission zur Tragung eines Drittels ihrer eigenen Kosten verurteilt.

Die Anträge der Parteien und die zur Stützung ihrer Rechtsmittel vorgetragenen Gründe

18. In der Rechtssache C65/02 P beantragt die TKS,

- das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es ihre Klage abweist;

- die in Artikel 1 der streitigen Entscheidung für die Rechtsmittelführerin getroffene Feststellung zum Zeitraum des Verstoßes zu berichtigen;

- das ihr gegenüber in Artikel 2 der streitigen Entscheidung verhängte Bußgeld angemessen herabzusetzen;

- hilfsweise hinsichtlich der beiden letztgenannten Anträge den Rechtsstreit an das Gericht zurückzuverweisen;

- das Anschlussrechtsmittel der Kommission zurückzuweisen und

- der Kommission die Kosten des Verfahrens des Rechtsmittels und Anschlussrechtsmittels aufzuerlegen.

19. Die Kommission beantragt in dieser Sache,

- das Rechtsmittel zurückzuweisen;

- hilfsweise für den Fall, dass das angefochtene Urteil aufgehoben werden sollte, den Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße zurückzuweisen;

- das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als das Gericht

i) Artikel 1 der streitigen Entscheidung, mit dem der TKS die Verantwortung für die von Thyssen begangene Zuwiderhandlung auferlegt worden ist, für nichtig erklärt hat;

ii) die gegen die TKS in Artikel 2 der streitigen Entscheidung festgesetzte Geldbuße auf weniger als 7 596 000 Euro festgesetzt hat;

iii) angeordnet hat, dass die Kommission ihre eigenen Kosten trägt, und

- der TKS die Kosten des Verfahrens beim Gerichtshof aufzuerlegen.

20. In der Rechtssache C73/02 P beantragt die AST,

- das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die streitige Entscheidung aufrechterhält, mit der gegen sie eine pauschalierte Geldbuße verhängt worden ist, obwohl sie zur TKSGruppe gehörte, gegen die ebenfalls eine pauschalierte Geldbuße verhängt worden ist;

- hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es Artikel 1 der streitigen Entscheidung aufrechterhält, dem zufolge der ihr zur Last gelegte Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln bis zum Erlass dieser Entscheidung fortgedauert hat;

- das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es ihrem Antrag nicht stattgegeben hat, die Geldbuße wegen ihrer Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren zusätzlich um 40 % herabzusetzen, und

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21. Die Kommission beantragt in dieser Rechtssache,

- das Rechtsmittel zurückzuweisen;

- hilfsweise, den Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zurückzuweisen, falls einer der Punkte des angefochtenen Urteils für nichtig erklärt wird, und

- der AST die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22. Die TKS führt zur Stützung ihres Rechtsmittels drei Gründe an:

- rechtsfehlerhafte Feststellung der Dauer der Zuwiderhandlung;

- unzutreffende Berechnung der pauschalierten Geldbuße und

- Rechtsfehler hinsichtlich der Folgen der Mitwirkung der TKS im Ermittlungsverfahren für die Herabsetzung der Geldbuße.

23. Die AST führt ebenfalls zur Stützung ihres Rechtsmittels drei Gründe an:

- rechtsfehlerhafte Festsetzung einer Geldbuße gegen sie, obwohl sie zur TKSGruppe gehörte;

- rechtsfehlerhafte Feststellung der Dauer der Zuwiderhandlung und

- Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot im Rahmen der Herabsetzung der Geldbuße.

24. Die Kommission führt für ihr Anschlussrechtsmittel drei Gründe an:

- Verfälschung bestimmter Beweisunterlagen und Rechtsfehler bei der Beurteilung des Übergangs der Verantwortlichkeit von Thyssen auf die TKS;

- Verkennung der Anforderungen an die Gewährung des rechtlichen Gehörs und

- unzutreffende Feststellung einer Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte.

Zur Verbindung der Rechtssachen

25. Nach Anhörung des Generalanwalts und der Parteien hierzu ist die Verbindung der vorliegenden Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung gemäß Artikel 43 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes anzuordnen, da die Rechtssachen den gleichen Gegenstand betreffen und miteinander im Zusammenhang stehen.

Zu den Rechtsmitteln der TKS und der AST

26. Da die drei von der TKS und der AST zur Stützung ihrer Rechtsmittel vorgetragenen Gründe im Wesentlichen übereinstimmen, sind sie zusammen zu untersuchen und die gegebenenfalls von der einen oder der anderen Rechtsmittelführerin geltend gemachten Besonderheiten im Rahmen des jeweiligen Rechtsmittelgrundes zu behandeln.

Zum Rechtsmittelgrund einer rechtsfehlerhaften Feststellung der Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

27. Die TKS und die AST machen mit ihrem ersten bzw. zweiten Rechtsmittelgrund geltend, dass die Zuwiderhandlung nicht vier Jahre, d. h. von der Madrider Zusammenkunft bis zum Erlass der streitigen Entscheidung gedauert habe, sondern entgegen der Feststellung des Gerichts in Randnummer 182 des angefochtenen Urteils ein punktueller Verstoß gewesen sei. Erst von dieser Zusammenkunft an habe die Zuwiderhandlung Wirkung gezeigt und nur wenige Wochen gedauert.

28. Die TKS und die AST weisen darauf hin, dass jedes Unternehmen seine Preise unabhängig vom anderen festgesetzt habe, wie die Preisschwankungen bewiesen. Sie hätten selbständig ohne irgendeine Abstimmung entschieden, den Referenzwert des Legierungszuschlags nicht zu ändern. Das Gericht habe das Ergebnis, zu dem es bei der Frage der Dauer der Zuwiderhandlung gelangt sei, insbesondere in Randnummer 178 des angefochtenen Urteils unzutreffend begründet.

29. Im Übrigen werfen die TKS und die AST dem Gericht vor, nicht den Fehler berücksichtigt zu haben, den die Kommission begangen habe, als sie den Unternehmen im Verwaltungsverfahren nicht klar mitgeteilt habe, dass sie von einem noch bestehenden Kartell ausgehe. Durch dieses Versäumnis habe die Kommission das berechtigte Vertrauen der beiden Unternehmen verletzt.

Würdigung durch den Gerichtshof

30. Der Rechtsmittelgrund der TKS und der AST enthält zwei Teile. Der erste betrifft die Würdigung des Sachverhalts zum Nachweis der Dauer des Kartells, mit dem zweiten wird eine Verletzung des berechtigten Vertrauens der Unternehmen gerügt.

31. Was den ersten Teil des Rechtsmittelgrundes betrifft, so hat das Gericht in Randnummer 174 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass die Kommission nicht nur das Vorliegen eines Kartells, sondern auch dessen Dauer beweisen muss.

32. In Randnummer 176 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Kartells die Übernahme gleicher Referenzwerte in die Berechnungsformel für den Legierungszuschlag durch sämtliche Hersteller von Flacherzeugnissen aus rostfreiem Stahl gewesen sei, um eine Anhebung ihrer Endpreise zu erreichen. Sodann hat das Gericht in Randnummer 177 des Urteils ausgeführt, dass nach der streitigen Entscheidung das Kartell mit der Madrider Zusammenkunft begonnen habe und die TKS und die AST sowie andere Mitglieder des Kartells bei ihren Verkäufen in Europa mit Ausnahme von Spanien und Portugal vom 1. Februar 1994 an tatsächlich einen Legierungszuschlag angewandt hätten, der nach der Formel berechnet worden sei, die auf den bei dieser Zusammenkunft vereinbarten Referenzwerten beruht habe.

33. Das Gericht hat schließlich in Randnummer 178 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die TKS und die AST nicht bestritten hätten, dass die Referenzwerte, auf die sie sich bei dieser Zusammenkunft geeinigt hätten, bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht geändert worden seien. Das Gericht hat in eben dieser Randnummer daraus geschlossen, dass aufgrund der Tatsache, dass die Unternehmen diese Referenzwerte weiterhin angewandt hätten, das Fehlen einer ausdrücklichen Entscheidung über die Dauer des Kartells kein Beweis dafür sein könne, dass es sich um einen punktuellen Verstoß und kein Dauerdelikt gehandelt habe.

34. Das Ergebnis, zu dem das Gericht in Randnummer 178 des angefochtenen Urteils gelangt ist, stellt eine Würdigung von Tatsachen dar, die im Rechtsmittelverfahren nicht angegriffen werden kann, wenn keine Anhaltspunkte für eine Verfälschung der Beweismittel oder einen Fehler bei der rechtlichen Prüfung des Sachverhalts vorliegen.

35. Die TKS und die AST tragen dazu vor, das Gericht habe andere Tatsachen nicht berücksichtigt, die bewiesen, dass es von 1994 bis 1998 kein Kartell gegeben habe, nämlich die unterschiedlichen Preise, die die Unternehmen festgesetzt hätten, und das parallele Verhalten der Unternehmen.

36. Dazu ist jedoch festzustellen, dass diese Tatsachen entweder unerheblich oder völlig unzulänglich sind, um die Würdigung des Gerichts in Frage zu stellen.

37. Was erstens die Unterschiede der Preise, die von der TKS und der AST gegenüber ihren verschiedenen Kunden festgesetzt wurden, und die Schwankungen dieser Preise betrifft, die für ein unabhängiges Verhalten auf dem Markt und gegen jede Abstimmung sprechen sollen, so ist dieses Vorbringen, wie das Gericht zu Recht in Randnummer 179 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, unerheblich. Die genannten Preise stellen nämlich den Endpreis dieser Unternehmen für Flacherzeugnisse aus rostfreiem Stahl dar. Die Tatsache, dass diese Preise unterschiedlich waren und die beiden Unternehmen sie zu unterschiedlichen Zeiten in dem in Betracht kommenden Zeitraum angewandt haben, kann das Ergebnis, zu dem die Kommission und das Gericht gelangt sind, nicht entkräften, dass nämlich diese Preise weitgehend die Folge eines Kartells waren, das einen für die Preisbildung entscheidenden Bestandteil, in diesem Fall den Legierungszuschlag, betraf.

38. Was zweitens das angebliche Parallelverhalten betrifft, so kann dieses Argument die Feststellung der Fortführung des Kartells ebenfalls nicht in Frage stellen, da sich eine andere Erklärung hierfür aufdrängt. Das Gericht hat in Randnummer 180 des angefochtenen Urteils zu Recht annehmen können, dass die Beibehaltung der gleichen Referenzwerte in der Berechnungsformel für den Legierungszuschlag durch die betroffenen Unternehmen sich durch die Anwendung der Referenzwerte erklärt, die von den Herstellern bei ihren Gesprächen im Dezember 1993 gemeinsam festgelegt worden waren.

39. Somit ergibt sich, dass das Gericht in den Randnummern 174 bis 184 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass die Kommission zutreffend davon ausgehen konnte, dass die Zuwiderhandlung vier Jahre gedauert hat, d. h. von der Zusammenkunft in Madrid bis zum Erlass der streitigen Entscheidung. Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkt ausreichend begründet.

40. Was den zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes angeht, mit dem eine Verletzung des berechtigten Vertrauens der TKS und der AST gerügt wird, so hat das Gericht in Randnummer 215 des angefochtenen Urteils entgegen dem Vorbringen der TKS und der AST den Vorwurf zurückgewiesen, die Kommission sei von einer fortgesetzten Zuwiderhandlung ausgegangen, ohne dies den Rechtsmittelführerinnen im Verwaltungsverfahren mitgeteilt zu haben. Das Gericht hat seine Feststellung insbesondere mit dem Hinweis untermauert, dass die Kommission in Nummer 50 der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt habe, dass die Abstimmung mit der Zusammenkunft von Madrid im Dezember 1993 begonnen und sich seither fortgesetzt hat.

41. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht von einer Person geltend gemacht werden kann, die sich einer offensichtlichen Verletzung der geltenden Bestimmungen schuldig gemacht hat (Urteil vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C96/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I2461, Randnr. 30). Daher kann sich, wie der Generalanwalt zutreffend in Nummer 112 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein Unternehmen, das sich vorsätzlich wettbewerbswidrig verhält, nicht auf eine Verletzung dieses Grundsatzes mit der Begründung berufen, die Kommission habe ihm nicht klar mitgeteilt, dass sein Verhalten eine Zuwiderhandlung darstelle.

42. Nach alledem ist der Rechtsmittelgrund, den die TKS und die AST bezüglich der Dauer der ihnen zur Last gelegten Zuwiderhandlung angeführt haben, als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Rechtsmittelgrund, mit dem gerügt wird, dass die Geldbuße rechtsfehlerhaft nicht weiter herabgesetzt worden sei

Vorbringen der Parteien

43. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund machen die TKS und die AST geltend, dass sie den der streitigen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt eingeräumt hätten, wie sich aus den Feststellungen des Gerichts in den Randnummern 262 und 268 des angefochtenen Urteils ergebe, und ihre Geldbuße daher in demselben Umfang herabgesetzt werden müsse wie bei den Unternehmen, die die Zuwiderhandlung ausdrücklich eingeräumt hätten. Es könne bei diesen Unternehmen kein Unterschied im Hinblick auf den Grad ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission gemacht werden, und ihr Verhalten könne nicht zu unterschiedlichen Nachlässen bei den festgesetzten Geldbußen führen.

44. Wie sich aus der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) und der früheren Fassung dieser Mitteilung (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit) ergebe, genüge für eine Herabsetzung der Geldbuße, dass die betroffenen Unternehmen Beweismittel überließen und folglich den Sachverhalt einräumten. Es sei nicht erforderlich, dass die Unternehmen den Sachverhalt rechtlich qualifizierten und auf diese Weise ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung einräumten. Die rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts und die daraus folgende Feststellung der Zuwiderhandlung gehörten zu den Aufgaben, die der Kommission oblägen.

45. So könne die Kommission einem Unternehmen, das die rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts anerkannt oder seine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ausdrücklich eingeräumt habe, keine zusätzliche Herabsetzung der Geldbuße gewähren. Eine Herabsetzung der Geldbuße in diesen Fällen würde die Verteidigungsrechte beeinträchtigen, da sie auf eine Bestrafung derjenigen Unternehmen hinausliefe, die beschlossen hätten, sich damit zu verteidigen, dass keine Zuwiderhandlung vorliege.

46. Die TKS trägt außerdem vor, sie habe mit dem Hinweis, ihre Entscheidungen autonom getroffen zu haben, nicht ihre Teilnahme an einer Zuwiderhandlung, im vorliegenden Fall an einer abgestimmten Verhaltensweise, bestritten. Die AST macht ihrerseits geltend, sie habe lediglich der Qualifizierung als Vereinbarung widersprochen, nicht aber den Verstoß des Kartells gegen die Wettbewerbsvorschriften in Abrede gestellt.

47. Die TKS und die AST sind somit der Ansicht, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es in den Randnummern 260 bis 281 des angefochtenen Urteils es abgelehnt habe, ihnen eine zusätzliche Herabsetzung der Geldbuße in gleichem Umfang zu gewähren, wie sie Usinor und Avesta zugebilligt worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

48. Um festzustellen, ob das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es der TKS und der AST eine geringere Ermäßigung der gegen sie festgesetzten Geldbuße zugesprochen hat, als sie Usinor und Avesta gewährt worden war, ist im Hinblick auf das Erfordernis der Wahrung der Rechte der Verteidigung die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Umfang der Befugnisse der Kommission in den Voruntersuchungs- und Verwaltungsverfahren heranzuziehen.

49. Nach dem Urteil vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87 (Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnrn. 34 f.) ist die Kommission berechtigt, ein Unternehmen zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen, doch darf sie dem Unternehmen nicht die Verpflichtung auferlegen, Antworten zu erteilen, durch die es die Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat.

50. Auch wenn die Kommission ein Unternehmen nicht zwingen kann, seine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung einzugestehen, ist sie doch nicht daran gehindert, bei der Bemessung der Geldbuße den Beitrag zu berücksichtigen, den das Unternehmen freiwillig zum Nachweis der Zuwiderhandlung geleistet hat.

51. Wie sich aus dem Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache C298/98 P (Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I10157), insbesondere aus dessen Randnummern 56, 59 und 60, ergibt, kann die Kommission für die Bemessung der Geldbuße den Beitrag, den das betreffende Unternehmen geleistet hat, um den Nachweis der Zuwiderhandlung zu erleichtern, und insbesondere dessen Eingeständnis einer Beteiligung an der Zuwiderhandlung berücksichtigen. Sie kann dem Unternehmen, das sie auf diese Weise unterstützt hat, eine erhebliche Ermäßigung der Geldbuße gewähren und einem anderen Unternehmen, das sich damit begnügt hat, die wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen, auf die die Kommission ihre Vorwürfe gestützt hat, nicht zu bestreiten, einen deutlich geringeren Nachlass einräumen.

52. Das Eingeständnis der zur Last gelegten Zuwiderhandlung beruht nämlich, wie der Generalanwalt in Nummer 140 seiner Schlussanträ ge hervorgehoben hat, auf einer rein freiwilligen Entscheidung des betroffenen Unternehmens. Dieses ist keineswegs gezwungen, das Bestehen des Kartells einzuräumen.

53. Somit stellt es keine Beeinträchtigung der Rechte der Verteidigung dar, wenn die Kommission für eine Ermäßigung der Geldbuße den Umfang der Zusammenarbeit des betreffenden Unternehmens mit ihr und auch das Eingeständnis der Zuwiderhandlung berücksichtigt.

54. In diesem Sinne ist die Mitteilung über die Zusammenarbeit, insbesondere deren Abschnitt D zu verstehen, wonach die Kommission einem Unternehmen eine Ermäßigung von 10 % bis 50 % des Betrages der Geldbuße, der ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, gewähren kann, insbesondere wenn das Unternehmen der Kommission mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet. Die Art der Mitwirkung des betreffenden Unternehmens, die eine Ermäßigung der Geldbuße rechtfertigen kann, ist somit nicht auf die Einräumung der Tatsachen an sich beschränkt, sondern umfasst auch das Eingeständnis einer Beteiligung an der Zuwiderhandlung.

55. Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnummer 261 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass laut der streitigen Entscheidung nur Usinor und Avesta die Abstimmung eingeräumt hätten, während die TKS und die AST das Bestehen der Abstimmung bestritten und folglich die Zuwiderhandlung nicht zugegeben hätten. Die Kommission hat nach den Ausführungen des Gerichts daraus hergeleitet, dass die Kooperation der TKS und der AST geringer gewesen sei als die von Usinor und Avesta und eine ebenso große Ermäßigung der Geldbußen wie im Fall der Letztgenannten nicht gerechtfertigt habe.

56. Die TKS hat nach den Ausführungen des Gerichts in Randnummer 263 des angefochtenen Urteils behauptet, ihre Entscheidungen bezüglich des Legierungszuschlags autonom getroffen zu haben. In Randnummer 264 des Urteils hat das Gericht daraus rechtsfehlerfrei hergeleitet, dass die TKS stillschweigend, aber zwangsläufig zu verstehen gegeben habe, dass die einer abgestimmten Verhaltensweise eigenen Kriterien der Koordinierung und Zusammenarbeit nicht erfüllt gewesen seien. In Randnummer 266 des Urteils ist das Gericht aufgrund dessen zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses Unternehmen seine Beteiligung an der Zuwiderhandlung damit nicht ausdrücklich eingestanden habe.

57. Die AST hat nach den Ausführungen des Gerichts in Randnummer 268 des angefochtenen Urteils zwar den Sachverhalt, auf den die Kommission sich gestützt hat, eingeräumt, eine Abstimmung aber nicht eingestanden.

58. Dazu ist festzustellen, dass das Gericht in Randnummer 269 des angefochtenen Urteils das Argument der AST, ein solches Eingeständnis sei darin zu sehen, dass sie die Möglichkeit einer Qualifizierung ihres Verhaltens als abgestimmte Verhaltensweise nicht geleugnet habe, zu Recht zurückgewiesen hat. Das Gericht hat in Randnummer 270 des Urteils richtigerweise zwischen dem ausdrücklichen Eingeständnis einer Zuwiderhandlung und dem bloßen Nichtbestreiten differenziert, das zur Erleichterung der Aufgabe der Kommission, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft festzustellen und zu verfolgen, nichts beiträgt.

59. Außerdem hat sich das Gericht richtigerweise auf die Mitteilung über die Zusammenarbeit von 1996 bezogen, da die Fassung von 2002 dieser Mitteilung zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht vorlag. In diesem Zusammenhang hat das Gericht in Randnummer 275 des Urteils ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die in dieser Mitteilung ausdrücklich genannte Möglichkeit des Eingeständnisses der Zuwiderhandlung in einem verhältnismäßig frühen Abschnitt des Verfahrens nicht ausschließt, dass das Eingeständnis auch zu einem späteren Zeitpunkt vor oder nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte an das betroffene Unternehmen erfolgen kann und die Kommission dieses Eingeständnis für eine Ermäßigung der Geldbuße berücksichtigt.

60. Das Gericht hat somit zu Recht die Auffassung vertreten, dass das ausdrückliche Eingeständnis der Zuwiderhandlung zu einer zusätzlichen Ermäßigung der Geldbuße führen kann, und ist aufgrund dessen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Umfang der Zusammenarbeit der TKS und der AST mit der Kommission in Ermangelung eines solchen Eingeständnisses eine ebenso große Ermäßigung ihrer Geldbuße, wie sie Usinor und Avesta gewährt worden ist, nicht rechtfertigt.

61. Somit ist der Rechtsmittelgrund, mit dem gerügt wird, dass die gegen die TKS und die AST festgesetzte Geldbuße nicht weiter herabgesetzt worden sei, als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Rechtsmittelgrund eines Rechtsfehlers bei der Festsetzung der pauschalierten Geldbuße

Vorbringen der Parteien

62. Die TKS und die AST machen mit ihrem zweiten bzw. mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund geltend, das Gericht habe in den Randnummern 189 bis 192 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, indem es nicht dem Umstand Rechnung getragen habe, dass zum Zeitpunkt der Festsetzung der Geldbuße, d. h. am 21. Januar 1998, die drei Einheiten TKS, der früher zu Thyssen gehörende Geschäftsbereich Edelstahl-Flacherzeugnisse und die AST zur selben Unternehmensgruppe gehörten und damit eine einzige wirtschaftliche Einheit unter der Leitung der TKS bildeten.

63. Wenn der Betrag der Geldbuße pauschal und einheitlich berechnet werde, müsse die Kommission diesen Betrag auf die wirtschaftliche Einheit anwenden. Indem sie eine Geldbuße gegen jede der drei Einheiten der TKS-Gruppe festgesetzt habe, habe sie gegen die Gruppe in Wirklichkeit eine dreimal höhere Geldbuße festgesetzt als gegen die anderen betroffenen Unternehmen, nämlich Acerinox, die ALZ NV, Avesta und Usinor.

64. Die AST fügt hinzu, die Festsetzung zweier getrennter Geldbußen, die eine gegen die TKS und die andere gegen sie selbst, könne nicht mit dem Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-354/94 (Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, Slg. 1998, II2111) gerechtfertigt werden; zum einen habe der TKS beim Erwerb sämtlicher Anteile der AST deren Beteiligung am Kartell nämlich nicht verborgen geblieben sein können, da die TKS dem Kartell selbst beigetreten sei, und zum anderen sei die AST bei Beginn der Aktivitäten des Kartells nur eine unbedeutende Zeit unabhängig gewesen.

65. Die TKS wirft dem Gericht eine Verweigerung des Rechtsschutzes und eine unzureichende Begründung des angefochtenen Urteils vor, weil es nur das Verhältnis des Unternehmens zur AST geprüft habe, ihr Vorbringen bezüglich der Gruppe, die sie mit dem früher zu Thyssen gehörenden Geschäftsbereich Edelstahl-Flacherzeugnisse gebildet habe, nicht behandelt habe und gegen Thyssen und sie selbst getrennte Geldbußen festgesetzt habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

66. Das Gericht hat in den Randnummern 189 und 191 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass die Verantwortlichkeit eines Unternehmens für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften davon abhängt, ob es eigenständig gehandelt hat oder den Anweisungen der Muttergesellschaft gefolgt ist. Im letztgenannten Fall kann, wie das Gericht in Randnummer 189 zutreffend ausgeführt hat, das wettbewerbswidrige Verhalten eines Unternehmens der Muttergesellschaft zugerechnet werden.

67. Handeln dagegen an einem Kartell beteiligte Konzernunternehmen eigenständig, kann die Kommission, ausgehend von einem pauschalierten Betrag, gegen jedes von ihnen eine Geldbuße festsetzen.

68. Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnummer 191 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die TKS und die AST nicht bestritten hätten, während der gesamten Dauer des Kartells eigenständig gehandelt zu haben. Diese Feststellung ist mit den Rechtsmitteln nicht angegriffen worden. Infolgedessen konnte die Kommission auf jedes dieser Unternehmen den pauschalierten Grundbetrag sowie einen der Dauer der Zuwiderhandlung entsprechenden Betrag anwenden und die auf diese Weise berechnete Geldbuße von jedem der Unternehmen verlangen, da sie vom Anfang des Kartells an zwei getrennte juristische Personen geblieben waren. Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es in Randnummer 192 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis kam, dass das Vorbringen der TKS und der AST, wonach nur eine einzige pauschalierte Geldbuße gegen die Gruppe insgesamt hätte festgesetzt werden dürfen, zurückzuweisen war.

69. Zu dem Vorbringen der AST bezüglich des Urteils Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission genügt der Hinweis, dass dieses Urteil vom Gerichtshof in dem von der AST angeführten Punkt aufgehoben wurde. Wie der Gerichtshof nämlich entschieden hat, reicht die Tatsache, dass einer Muttergesellschaft die Beteiligung der von ihr erworbenen Tochtergesellschaften an einem Kartell nicht verborgen geblieben sein kann, weil sie selbst an dem Kartell beteiligt war, nicht aus, um ihr die Verantwortung für die Zuwiderhandlungen aufzuerlegen, die die Tochtergesellschaften vor ihrem Erwerb begangen hatten (Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-286/98 P, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, Slg. 2000, I9925, Randnr. 39).

70. Zu dem Vorwurf der TKS gegenüber dem Gericht, es habe sein Vorbringen zum Konzernverhältnis zwischen der TKS und dem ehemaligen Geschäftsbereich Edelstahl-Flacherzeugnisse von Thyssen nicht behandelt, ist, wie der Generalanwalt in den Nummern 91 und 93 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, festzustellen, dass das Gericht aus Gründen der Prozessökonomie von einer besonderen Behandlung dieses Punktes absehen konnte. Da das Gericht Artikel 1 der streitigen Entscheidung, soweit dort der TKS die Verantwortung für die von Thyssen begangene Zuwiderhandlung auferlegt wurde, für nichtig erklärt und folglich die Höhe der in Artikel 2 der Entscheidung gegen die TKS festgesetzten Geldbuße abgeändert hatte und damit dem von dem Unternehmen geltend gemachten Klagegrund eines Verstoßes gegen sein Recht auf Anhörung zu den Handlungen von Thyssen stattgegeben hatte, war es zur Prüfung eines anderen Klagegrundes, der auf das gleiche Ergebnis abzielte, nicht verpflichtet.

71. Somit ist der Rechtsmittelgrund eines Rechtsfehlers bei der Festsetzung der pauschalierten Geldbuße unbegründet.

72. Da keiner der von der TKS und der AST zur Stützung ihrer Rechtsmittel angeführten Gründe durchgreift, sind diese zurückzuweisen.

Zum Anschlussrechtsmittel

Zum ersten Anschlussrechtsmittelgrund einer Verfälschung der Beweise und einer rechtsfehlerhaften Beurteilung des Übergangs der Verantwortung von Thyssen auf die TKS

Vorbringen der Parteien

73. Die Kommission macht geltend, das Gericht habe die Erklärung vom 23. Juli 1997 zu eng ausgelegt, in der die TKS sich bereit erklärt habe, die Verantwortung für die Thyssen von 1993 an zur Last gelegten Handlungen zu übernehmen, obwohl ihr deren Geschäftsbereich Edelstahl-Flacherzeugnisse erst zum 1. Januar 1995 übertragen worden sei.

74. Das Gericht habe den Inhalt dieser Erklärung entstellt, indem es in Randnummer 64 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen habe, dass die Erklärung nicht so verstanden werden könne, dass die TKS neben der Übernahme der Verantwortung auch auf ihr Recht verzichtet hätte, zu den Handlungen von Thyssen gehört zu werden.

75. Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht die Schriftstücke, die zu der Erklärung vom 23. Juli 1997 geführt hätten, nicht vollständig geprüft und dadurch verfälscht.

76. Die TKS habe in ihrer Antwort auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte ebenso wie im Schreiben vom 17. Dezember 1996 sowohl in eigenem Namen als auch im Namen von Thyssen zu deren Geschäftstätigkeiten vor dem 1. Januar 1995 Stellung genommen. Außerdem habe sich die TKS in ihrer Antwort auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen dieser Geschäftstätigkeiten auf das Schreiben vom 17. Dezember 1996 bezogen. Thyssen habe in ihrer Antwort auf die beiden Mitteilungen der Beschwerdepunkte lediglich auf die Erklärungen der TKS verwiesen und nur höchst vorsorglich Stellung genommen. Schließlich habe Thyssen geltend gemacht, die Kommission könne das Verfahren nicht parallel gegen die TKS und Thyssen fortführen.

77. Die Kommission fügt hinzu, dass durch die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte klargestellt worden sei, dass die TKS die Verantwortung für die Handlungen von Thyssen vor der Übertragung der Geschäftstätigkeiten dieses Unternehmens zum 1. Januar 1995 übernommen habe, wie sie denn auch für die Handlungen von Krupp eingestanden sei.

78. Dass die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte der TKS und Thyssen getrennt zugestellt worden sei und die beiden Unternehmen getrennt hierzu Stellung genommen hätten, sei ohne Bedeutung. Die Unternehmen hätten nämlich nur formal getrennt erwidert. Wenn dennoch Zweifel bestanden hätten, seien diese dadurch ausgeräumt worden, dass die Kommission im Anschluss an die Erwiderungen der Unternehmen auf diese Mitteilung die TKS nochmals um eine Bestätigung der Übernahme der Verantwortung für die Verhaltensweise von Thyssen seit 1993 gebeten habe.

79. Außerdem macht die Kommission geltend, das Gericht habe die außergewöhnlichen Umstände nicht berücksichtigt, die es ihr erlaubt hätten, die Verantwortung für eine Zuwiderhandlung einer anderen juristischen Person als derjenigen, die sie begangen habe, aufzuerlegen. Zunächst sei die TKS der Rechtsnachfolger und der wirtschaftliche Nachfolger von Thyssen. Sodann habe sich das Verhalten dieser beiden Unternehmen bezüglich des Geschäftsbereichs von Thyssen, den die TKS übernommen habe, durch eine offensichtliche Handlungseinheit ausgezeichnet. Schließlich habe die TKS im Verwaltungsverfahren Erklärungen im Namen von Thyssen abgegeben. Die Kommission fügt hinzu, dass die Rechtsprechung ihren Standpunkt stütze, dass sie der TKS eine Geldbuße für das Verhalten von Thyssen habe auferlegen können.

Würdigung durch den Gerichtshof

80. Es ist zu prüfen, ob das Gericht mit der Feststellung, dass die Erklärung vom 23. Juli 1997 keinen Verzicht der TKS auf ihr Anhörungsrecht bedeutet habe, dieses Beweismittel sowie u. U. die in den Randnummern 76 und 77 des vorliegenden Urteils genannten Schriftstücke verfälscht und damit einen Rechtsfehler begangen hat.

81. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang in Randnummer 62 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass es unstreitig sei, dass die Kommission wegen der Erklärung vom 23. Juli 1997 ausnahmsweise berechtigt gewesen sei, der TKS die Verantwortung für das Verhalten von Thyssen aufzuerlegen, das Letzterer für die Zeit vom 1. Dezember 1993 bis zum 1. Januar 1995, dem Übergang ihrer Geschäftstätigkeiten auf die TKS, zur Last gelegt worden sei.

82. Das Gericht hat jedoch in Randnummer 63 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass eine solche Erklärung, da sie von dem Grundsatz abweicht, dass eine natürliche oder juristische Person nur für ihr individuell zur Last gelegte Handlungen mit Sanktionen belegt werden darf, eng auszulegen ist. Das Gericht hat daraus zutreffend abgeleitet, dass mangels entgegengesetzter Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden kann, dass derjenige, der eine solche Erklärung abgibt, auf die Ausübung seiner Verteidigungsrechte verzichtet.

83. Allerdings ist zu prüfen, ob das Gericht bei der Auslegung der Erklärung vom 23. Juli 1997 nicht andere Beweismittel im Zusammenhang mit dieser Erklärung übersehen hat.

84. Nach Ansicht der Kommission ergibt sich aus den Antworten der TKS auf die beiden Mitteilungen der Beschwerdepunkte und dem Schreiben des Unternehmens vom 17. Dezember 1996, dass die TKS Erklärungen in eigenem Namen sowohl zu den eigenen Geschäftstätigkeiten als auch zu den von ihr übernommenen Geschäftstätigkeiten von Thyssen vor dem Erwerb dieses Unternehmens abgegeben habe. Thyssen habe selbst auf die Antworten der TKS verwiesen. Folglich sei davon auszugehen, dass die TKS mit dem Hinweis in ihrer Erklärung vom 23. Juli 1997, dass sie die Verantwortung für die Handlungen von Thyssen für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 übernehme, sich bereit erklärt habe, die Geldbuße zu zahlen, die ihr wegen der Handlungen von Thyssen nach Abschluss des Verfahrens, wie es von der Kommission geführt worden sei, auferlegt würde. Daher könne diese Erklärung vom 23. Juli 1997 nicht so verstanden werden, dass die TKS sich zur Übernahme der Verantwortung nur unter der Bedingung bereit erklärt habe, zu den Vorwürfen noch einmal gehört zu werden.

85. Festzustellen ist, dass die TKS in ihrem Schreiben vom 17. Dezember 1996 nicht ausdrücklich erklärt hat, auch im Namen von Thyssen zu sprechen. Zudem hat die TKS ihre Stellungnahme auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte in eigenem Namen und für sich abgegeben. Auch wenn die TKS in diesen Schriftstücken zu bestimmten Geschäftstätigkeiten von Thyssen vor dem Erwerb des Unternehmens im Jahr 1995 Stellung nahm, lässt sich aus der Erklärung vom 23. Juli 1997 nicht herauslesen, dass die TKS ihre Verteidigung in diesem Punkt für umfassend und ausreichend hielt, so dass die Kommission ohne eine erneute Anhörung des Unternehmens hierzu gegen dieses eine Geldbuße wegen der Handlungen von Thyssen hätte festsetzen können.

86. Da die Kommission an die TKS und an Thyssen getrennte Mitteilungen der Beschwerdepunkte gerichtet hatte und die Unternehmen zu den ihnen jeweils vorgeworfenen Handlungen getrennt Stellung genommen hatten, war die Kommission verpflichtet, die TKS zu den Handlungen von Thyssen zu befragen und anzuhören, bevor sie das Unternehmen für diese Handlungen zur Verantwortung ziehen und ihm eine Geldbuße für die Thyssen vorgeworfene Zuwiderhandlung auferlegen konnte.

87. Infolgedessen ist festzustellen, dass das Gericht die Bedeutung der Erklärung vom 23. Juli 1997 oder der anderen der Kommission von der TKS vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht hat. Es hat keinen Rechtsfehler mit der Feststellung begangen, dass die Übernahme der Verantwortung für die Handlungen von Thyssen nicht so zu verstehen war, dass die TKS auf eine Anhörung hierzu verzichtet hätte.

88. Zu den in Randnummer 79 dieses Urteils genannten außergewöhnlichen Umständen, die von der Kommission geltend gemacht werden, genügt der Hinweis, dass die TKS nicht der wirtschaftliche Nachfolger von Thyssen ist, da Thyssen weiterhin als eigenständige juristische Person bis zum Erlass der streitigen Entscheidung bestanden hat. Die Handlungseinheit, die möglicherweise das Verhalten von Thyssen und der TKS nach dem 1. Januar 1995 gekennzeichnet hat, genügt wegen des in Randnummer 82 dieses Urteils angeführten Grundsatzes, dass eine juristische Person nur für die Handlungen mit einer Sanktion belegt werden kann, die ihr individuell zur Last gelegt worden sind, nicht, um der TKS die Handlungen von Thyssen vor diesem Zeitpunkt zurechnen zu können. Zu den Erklärungen der TKS im Verwaltungsverfahren bezüglich der Geschäftstätigkeiten von Thyssen ist in den Randnummern 85 und 86 dieses Urteils bereits festgestellt worden, dass sie es nicht erlauben, der TKS die Verantwortung für die Handlungen von Thyssen vor diesem Zeitpunkt aufzuerlegen.

89. Somit ist der von der Kommission zur Stützung ihres Anschlussrechtsmittels vorgetragene erste Grund zurückzuweisen.

Zum zweiten und zum dritten Grund des Anschlussrechtsmittels, mit denen geltend gemacht wird, dass der Grundsatz des rechtlichen Geh örs und die Wahrung der Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt worden seien

Vorbringen der Parteien

90. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass sie den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht beeinträchtigt habe, da sie im Abschnitt 11 F der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf hingewiesen habe, dass die TKS die Verantwortung für die Handlungen von Thyssen vor der Übertragung des Geschäftsbereichs dieses Unternehmens zum 1. Januar 1995 zu tragen habe, und außerdem die TKS nochmals um eine ausdrückliche Bestätigung der Übernahme der Verantwortung gebeten habe.

91. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, dass die TKS an der Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte nicht gehindert worden sei, wie sich aus den Erwiderungen und Stellungnahmen ergebe, die das Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens abgegeben habe. Zur Untermauerung dieses Vorbringens beruft sich die Kommission auf die Randnummern 142 bis 146 des Urteils vom 16. März 2000 in den Rechtssachen C395/96 P und C396/96 P, (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 2000, I1365). In der diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache sei anders als in der vorliegenden Rechtssache in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als Urheber der Zuwiderhandlung nur die Associated Central West Africa Lines, eine Linienkonferenz, und nicht deren Mitglieder genannt worden. Die Kommission verweist auch auf das Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-137/94 (ARBED/Kommission, Slg. 1999, II-303). Ebenso wie die ARBED SA, der nach Ansicht des Gerichts die Verantwortung für die Handlungen ihrer Tochtergesellschaft TradeARBED SA habe auferlegt werden können, weil sie auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und das Auskunftsverlangen, die an die Tochtergesellschaft gerichtet gewesen seien, geantwortet habe, habe die TKS ihre Stellungnahme im Namen von Thyssen abgegeben, die sich ihrerseits auf diese Stellungnahme bezogen habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

92. Dazu ist festzustellen, dass das Gericht in den Randnummern 55 und 56 des angefochtenen Urteils zu Recht erklärt hat, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, einen durch Artikel 36 Absatz 1 EGKS-Vertrag gewährleisteten fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt. Es hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Beachtung dieses allgemeinen Grundsatzes es erfordert, dass dem betroffenen Unternehmen bereits im Verwaltungsverfahren Gelegenheit gegeben wird, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptungen herangezogenen Schriftstücken gebührend Stellung zu nehmen. In Randnummer 57 des Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung leitet, für diese Handlung einstehen muss, selbst wenn zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die Feststellung der Zuwiderhandlung eine andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist. In eben diesem Sinne ist hinzuzufügen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte angesichts ihrer Bedeutung eindeutig angeben muss, gegen welche juristische Person Geldbußen festgesetzt werden können, und an diese Person gerichtet werden muss (u. a. Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-176/99 P, ARBED/Kommission, Slg. 2003, I-10687, Randnr. 21).

93. Da die Kommission entsprechend diesen Grundsätzen an Thyssen und an die TKS getrennte Mitteilungen der Beschwerdepunkte übersandt hatte, konnten Zweifel bestehen, wie weit die Vorwürfe gegen die TKS reichten und ob sich das Unternehmen gegen die Vorwürfe verteidigen musste, die in der getrennt an Thyssen gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten waren. Der Hinweis in der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass die Handlungen von Thyssen vor der Gründung der TKS unter deren Verantwortung fielen, konnte diese Zweifel nicht völlig ausräumen. Im Übrigen ergibt sich aus den Randnummern 84 bis 86 dieses Urteils, dass zwar das an die TKS gerichtete Ersuchen um Bestätigung der Übernahme der Verantwortung für Thyssen und die Erklärung der TKS hierzu die Frage der Übernahme klären konnten, damit aber nicht die Frage erledigt war, ob die TKS Gelegenheit gehabt hatte, zur Gesamtheit der Vorwürfe Stellung zu nehmen, die gegen Thyssen für die Zeit zwischen 1993 und 1995 erhoben worden waren.

94. Da die Kommission an Thyssen und an die TKS getrennte Mitteilungen der Beschwerdepunkte gerichtet hatte, konnte sie die vollständige Beachtung der Verteidigungsrechte der Letztgenannten nicht dadurch erreichen, dass sie die TKS im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu der Erklärung aufforderte, ob sie noch anderes zu den speziell gegen Thyssen erhobenen Vorwürfen vorzutragen habe.

95. Somit hat die Kommission, auch wenn die TKS sich tatsächlich ausführlich zu den Handlungen von Thyssen vor dem 1. Januar 1995 geäußert hatte, einen Verfahrensfehler begangen, der von der TKS zu Recht gerügt wurde. Daher hat das Gericht in Randnummer 66 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass die Kommission der TKS keine Gelegenheit gegeben hatte, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der Thyssen zur Last gelegten Handlungen Stellung zu nehmen, so dass die TKS ihre Verteidigungsrechte insoweit nicht ausüben konnte.

96. Die von der Kommission angeführte Rechtsprechung, d. h. das Urteil des Gerichts in der Rechtssache ARBED/Kommission und das des Gerichtshofes in der Rechtssache Companie maritime belge transports u. a./Kommission, kann die Argumentation, zu deren Stützung sie angeführt worden ist, nicht untermauern. Das Urteil des Gerichts ist nämlich auf ein Rechtsmittel hin vom Gerichtshof aufgehoben worden. Der Gerichtshof hat unter Hinweis namentlich auf das genannte Urteil Companie maritime belge transports u. a./Kommission festgestellt, dass das Gericht zu Unrecht entschieden hatte, dass die Tatsache, dass die Kommission an die ARBED SA keine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hatte, obwohl sie ihr eine Geldbuße für die Handlungen ihrer Tochtergesellschaft TradeARBED SA auferlegt hatte, nicht zur Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission wegen Verletzung der Verteidigungsrechte führen könne (Urteil des Gerichtshofes ARBED/Kommission, Randnr. 24).

97. Infolgedessen sind der zweite und der dritte Grund, die die Kommission zur Stützung ihres Anschlussrechtsmittels angeführt hat, zurückzuweisen.

98. Da keiner der von der Kommission zur Stützung ihres Anschlussrechtsmittels geltend gemachten Gründe durchgreift, ist dieses zurückzuweisen.

Kosten

99. Nach Artikel 69 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach § 3 Absatz 1 dieses Artikels kann der Gerichtshof jedoch beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da die TKS und die AST mit ihrem Vorbringen im Rahmen ihrer Rechtsmittel und die Kommission mit ihrem Vorbringen im Rahmen des Anschlussrechtsmittels unterlegen sind, trägt jede von ihnen ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Rechtsmittel und das Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.

2. Die ThyssenKrupp Stainless GmbH, die ThyssenKrupp Acciai speciali Terni SpA und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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