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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.1992
Aktenzeichen: C-67/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 3
EWG-Vertrag Art. 177
EWG-Vertrag Art. 214
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages Art. 2
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages Art. 11
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages Art. 20 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 177 EWG-Vertrag schafft den Rahmen für eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof, die auf einer Verteilung der Aufgaben zwischen ihnen beruht. In diesem Rahmen ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen der Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen.

Ein Ersuchen eines nationalen Gerichts um Vorabentscheidung kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von diesem Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht.

2. Selbst in den Fällen, in denen die nationalen Behörden die materiellen Regelungen der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag anwenden, sind sie verpflichtet, sie nach den nationalen Vorschriften durchzuführen. Die Verordnung Nr. 17 regelt nämlich die von der Kommission durchgeführten Verfahren zur Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln.

3. Artikel 214 EWG-Vertrag und die Verordnung Nr. 17 sind dahin auszulegen, daß die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen zuerkannten Befugnis zur Anwendung der nationalen und der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften weder nicht veröffentlichte Informationen, die in Antworten auf gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an Unternehmen gerichtete Auskunftsverlangen enthalten sind, noch Informationen, die in den nach den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Anträgen und Anmeldungen enthalten sind, als Beweismittel verwerten dürfen.

Der Umstand, daß diese Informationen nach Artikel 10 Absatz 1 dieser Verordnung den nationalen Behörden übermittelt werden, bedeutet nämlich keineswegs, daß diese Behörden sie nach ihrem Gutdünken verwerten dürfen.

Was die gemäß Artikel 11 gesammelten Informationen angeht, verbietet Artikel 20 der Verordnung zum Schutz der Verteidigungsrechte der Unternehmen die Verwendung zu einem anderen Zweck als demjenigen, zu dem sie angefordert worden sind, d. h. der Ausübung der eigenen Zuständigkeiten durch die Kommission, und verpflichtet, was diese Informationen angeht, sowohl die Kommission als auch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und deren Beamten und sonstige Bediensteten zur Beachtung des Berufsgeheimnisses, was nicht nur den Erlaß von Vorschriften erfordert, die die Weitergabe von vertraulichen Informationen verbieten, sondern auch, daß es den Behörden, die diese Informationen rechtmässig besitzen, unmöglich ist, sie, sofern dies nicht ausdrücklich vorgesehen ist, zu einem anderen Zweck als demjenigen verwerten, zu dem sie gesammelt worden sind.

Was die in den Anträgen und Anmeldungen gemäß den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung enthaltenen Informationen angeht, entfallen dadurch, daß eine Artikel 20 entsprechende Bestimmung fehlt, die aus der Wahrung der Verteidigungsrechte und des Berufsgeheimnisses resultierenden Erfordernisse nicht. Ausserdem ist bei der Verwertung der von den Unternehmen der Kommission übermittelten Informationen stets der rechtliche Rahmen des Verfahrens zu beachten, in dem diese Informationen gesammelt worden sind; das Anmeldeverfahren soll nämlich gerade ein Gleichgewicht zwischen der freiwilligen Anzeige einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise, die eine gewisse Gefahr für die Unternehmen begründet, und der Immunität für das Verhalten nach der Anmeldung schaffen, die Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe c der Verordnung vorsieht und die den Unternehmen einen Vorteil bietet; dieses Gleichgewicht würde gestört, wenn die übermittelten Informationen dazu verwertet würden, um im Rahmen eines Verfahrens nach nationalem Recht Sanktionen zu verhängen.

Daß die den zuständigen nationalen Behörden übermittelten Informationen in der internen Sphäre dieser Behörden bleiben müssen, was ihre Übermittlung an andere nationale Behörden oder an Dritte ausschließt, und daß sich diese Behörden auf diese Informationen weder in einem Voruntersuchungsverfahren noch zur Begründung einer Entscheidung berufen können, die aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, sei es des nationalen oder des Gemeinschaftsrechts, erlassen wird, steht dem nicht entgegen, daß sie dennoch Anhaltspunkte darstellen, die gegebenenfalls bei der Beurteilung verwendet werden können, ob die Einleitung eines nationalen Verfahrens angebracht ist; in diesem Verfahren müssten die Tatsachen unter Beachtung der im nationalen Recht vorgesehenen Garantien mit den diesem Recht eigentümlichen Beweismitteln bewiesen werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 16. JULI 1992. - DIRECCION GENERAL DE DEFENSA DE LA COMPETENCIA GEGEN ASOCIACION ESPANOLA DE BANCA PRIVADA UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DE DEFENSA DE LA COMPETENCIA - SPANIEN. - WETTBEWERBSRECHT - VERORDNUNG NR. 17 - VERWERTUNG VON INFORMATIONEN, DIE DIE KOMMISSION ERLANGT HAT, DURCH DIE NATIONALEN BEHOERDEN. - RECHTSSACHE C-67/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal de Defensa de la Competencia hat mit Beschluß vom 28. Januar 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 214 EWG-Vertrag und der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Dirección General de Defensa de la Competencia (Generaldirektion für die Verteidigung des Wettbewerbs; im folgenden: DGDC) einerseits und der Asociación Española de Banca Privada (im folgenden: ÄB) sowie den Banken Banco Hispano Americano, Banco Exterior de España, Banco Popular Español, Banco Bilbao Vizcaya, Banco Central, Banco Español de Crédito und Banco de Santander - SA de Crédito (im folgenden: Banco de Santander) andererseits.

3 Die DGDC erhob beim Tribunal de Defensa de la Competencia Klage gegen die ÄB und die obengenannten Banken. Diesen wird zur Last gelegt, sie hätten in bezug auf bestimmte Dienstleistungen und Bankprovisionen gegen das spanische Gesetz Nr. 110/1963 vom 20. Juli 1963 zur Bekämpfung von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen verstossen.

4 Die Banken machen geltend, Ausgangspunkt dieses nationalen Verfahrens seien in Wirklichkeit nicht die verschiedenen Auskunftsverlangen der DGDC von Anfang 1987, sondern die späteren Handlungen der nationalen Behörden, die auf die von der Kommission gemäß der Verordnung Nr. 17 gesammelten Informationen gestützt seien.

5 Diese Informationen seien in einem "Formblatt A/B", das die ÄB und die obengenannten Banken im März 1988 vorgelegt hätten, um von der Kommission ein Negativattest gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 oder eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag zu erhalten, sowie in den Antworten auf Auskunftsverlangen enthalten, die die Kommission seit März 1987 nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an die Banken gerichtet habe.

6 Die ÄB und die Banken vertreten die Auffassung, diese Informationen dürften von den nationalen Behörden nicht als Grundlage für ein Verfahren zur Ahndung von Verstössen gegen die nationalen Wettbewerbsvorschriften verwertet werden.

7 Unter diesen Umständen hat das Tribunal de Defensa de la Competencia das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Darf die nationale Behörde, der in einem Mitgliedstaat die Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag übertragen ist, Informationen, die die Dienststellen der EWG-Kommission

a) gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates oder

b) durch eine freiwillige Anmeldung, die in diesem Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen gemäß den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 vorgelegt haben,

erlangt haben, in einem Sanktionsverfahren verwerten, das allein nach den Artikeln 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag durchgeführt wird?

2) Darf diese Behörde die unter 1 a und 1 b genannten Informationen in einem Sanktionsverfahren verwerten, das zugleich nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und dem nationalen Wettbewerbsrecht durchgeführt wird?

3) Darf diese Behörde die unter 1 a und 1 b genannten Informationen in einem Sanktionsverfahren verwerten, das allein nach nationalem Wettbewerbsrecht durchgeführt wird?

4) Darf diese Behörde die unter 1 a und 1 b genannten Informationen in einem Verfahren zur Genehmigung von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen verwerten, das allein nach ihrem nationalen Recht durchgeführt wird?

8 In den Gründen des Vorlagebeschlusses führt das vorlegende Gericht aus, seiner Ansicht nach seien diese Fragen zu bejahen.

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

10 Vor der Bestimmung des Gegenstands der dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen und vor der Entscheidung über ihre Zulässigkeit sind vorab der rechtliche Rahmen, in dem diese Fragen gestellt werden, und insbesondere der jeweilige Anwendungsbereich der gemeinschaftlichen und der nationalen Wettbewerbsvorschriften, die Tragweite der Verordnung Nr. 17 und die in dieser Verordnung vorgesehenen Formen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten darzulegen.

11 Das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und das nationale Wettbewerbsrecht beurteilen die restriktiven Verhaltensweisen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. Die Artikel 85 und 86 stellen darauf ab, ob diese Verhaltensweisen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten behindern können, während den innerstaatlichen Regelungen jeweils eigene Erwägungen zugrunde liegen und sie die restriktiven Verhaltensweisen lediglich nach ihnen beurteilen. Hieraus folgt, daß die nationalen Behörden auch im Hinblick auf Sachverhalte tätig werden dürfen, die Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sein können (siehe in diesem Sinn die Urteile vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Wilhelm, Slg. 1969, 1, und vom 10. Juli 1980, in den verbundenen Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79, Giry und Guerlain, Slg. 1980, 2327, Randnrn. 15 und 16).

12 In den vorgenannten Urteilen hat der Gerichtshof jedoch auch hervorgehoben, daß eine gleichzeitige Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts nur statthaft ist, soweit sie die einheitliche Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft und die volle Wirksamkeit der aufgrund dieser Vorschriften ergangenen Maßnahmen im gesamten Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.

13 Die Verordnung Nr. 17 gilt für die Verfahren, die die Kommission zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag durchführt. Wie es in ihrer siebten Begründungserwägung heisst, legt sie die Vorschriften fest, nach denen die Kommission die zur Anwendung dieser Bestimmungen erforderlichen Maßnahmen treffen kann.

14 In diesem Rahmen regelt die Verordnung Nr. 17 die Voraussetzungen, unter denen einerseits die Unternehmen der Kommission Auskünfte erteilen und unter denen andererseits diese die dadurch erlangten Informationen verwertet und an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten weiterleitet.

15 So nimmt die Kommission die gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 eingereichten Anträge der Unternehmen auf Erteilung eines Negativattests entgegen, die dahin gehen, festzustellen, daß für sie kein Anlaß besteht, aufgrund von Artikel 85 Absatz 1 oder von Artikel 86 EWG-Vertrag einzuschreiten. Ausserdem erhält sie die in den Artikeln 4 und 5 der Verordnung vorgesehenen Anmeldungen von Vereinbarungen, Beschlüssen und Verhaltensweisen, aufgrund deren sie durch eine Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag Artikel 85 Absatz 1 für auf bestimmte Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen nicht anwendbar erklären soll.

16 Diese Anträge und Anmeldungen werden auf einem als "Formblatt A/B" bezeichneten gemeinschaftlichen Formblatt eingereicht, dessen Inhalt in der Verordnung Nr. 27 der Kommission vom 3. Mai 1962, Erste Ausführungsverordnung zur Verordnung Nr. 17 (ABl. 1962, Nr. 35, S. 1118), in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2526/85 der Kommission vom 5. August 1985 (ABl. L 240, S. 1) festgelegt ist.

17 Im übrigen räumt die Verordnung Nr. 17 der Kommission weitgehende Ermittlungs- und Nachprüfungsbefugnisse ein; in ihrer achten Begründungserwägung heisst es, die Kommission müsse im gesamten Bereich des Gemeinsamen Marktes über die Befugnis verfügen, Auskünfte zu verlangen und Nachprüfungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag zu ermitteln (Urteil vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 15).

18 Es ist daher ein von dem streitigen Verfahren nach Artikel 19 der Verordnung verschiedenes Voruntersuchungsverfahren eingeführt worden, das unter anderem Auskunftsverlangen (Artikel 11 der Verordnung) und Nachprüfungen durch die Bediensteten der Kommission (Artikel 14 der Verordnung) umfasst. Der Zweck dieses Verfahrens besteht darin, es der Kommission zu ermöglichen, die Auskünfte einzuholen und sich die Unterlagen zu beschaffen, die erforderlich sind, um das Vorliegen und die Bedeutung einer bestimmten Sach- und Rechtslage prüfen zu können (Urteil vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, a. a. O., Randnr. 21).

19 Die Verordnung Nr. 17 regelt die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten an den von der Kommission betriebenen Verfahren beteiligt werden. Wie sich aus der siebten Begründungserwägung der Verordnung ergibt, sollen die betreffenden Vorschriften sicherstellen, daß die Kommission in enger und stetiger Verbindung mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die zur Anwendung der Artikel 85 und 86 erforderlichen Maßnahmen treffen kann.

20 Nach Artikel 10 Absätze 1 und 2 der Verordnung übermittelt die Kommission den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unverzueglich eine Abschrift der Anträge und Anmeldungen sowie der wichtigsten Schriftstücke, die zur Feststellung von Verstössen gegen die Artikel 85 oder 86 des Vertrages, zur Erteilung eines Negativattests oder zur Abgabe einer Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 bei ihr eingereicht werden. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sind berechtigt, zu diesen Verfahren Stellung zu nehmen. Zu den Informationen, die den Mitgliedstaaten aufgrund dieser Vorschriften mitgeteilt werden können, gehören insbesondere diejenigen, die in Antworten auf Auskunftsverlangen der Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung enthalten sind. Artikel 11 sieht darüber hinaus in den Absätzen 2 und 6 vor, daß den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats eine Abschrift dieser Auskunftsverlangen oder der Entscheidungen übermittelt wird, die die Kommission nach erfolglos gebliebenen Auskunftsverlangen getroffen hat.

21 Schließlich bestimmt Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung:

"Die bei Anwendung der Artikel 11, 12, 13 und 14 erlangten Kenntnisse dürfen nur zu dem mit der Auskunft oder Nachprüfung verfolgten Zweck verwertet werden."

Nach Artikel 20 Absatz 2, durch den der das Berufsgeheimnis betreffende Artikel 214 EWG-Vertrag durchgeführt wird (siehe in diesem Sinn Urteil vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 1965, Randnr. 26), sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sowie ihre Beamten und sonstigen Bediensteten verpflichtet, Kenntnisse nicht preiszugeben, die sie bei Anwendung der Verordnung erlangt haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen.

Zum Gegenstand und zur Zulässigkeit der dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen

22 Die Vorlagefragen betreffen ausschließlich die Verwertung der von der Kommission im Rahmen der Anwendung der Verordnung Nr. 17 gesammelten Informationen durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Die Fragen des vorlegenden Gerichts gehen im wesentlichen dahin, ob die nationalen Behörden für die Zwecke der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft oder des nationalen Wettbewerbsrechts Informationen verwerten dürfen, die ihnen von der Kommission übermittelt worden sind und in

- Antworten auf gemäß Artikel 11 der Verordnung an Unternehmen gerichtete Auskunftsverlangen oder

- in Anträgen auf Erteilung eines Negativattests und Anmeldungen von Vereinbarungen, Beschlüssen und Verhaltensweisen gemäß den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung

enthalten waren.

23 Es ist festzuhalten, daß die Vorlagefragen sich darauf beziehen, ob die nationalen Behörden von der Kommission gesammelte Informationen verwerten dürfen, die nicht gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 veröffentlicht worden sind und nicht in einer unter den Voraussetzungen des Artikels 21 dieser Verordnung veröffentlichten Entscheidung der Kommission erwähnt worden sind.

24 Die ÄB und mehrere Banken tragen vor, einige Vorlagefragen seien insoweit nicht erheblich, als sie sich unter anderem auf die Verwertung dieser Informationen durch die nationalen Behörden für die Zwecke der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft bezögen. Sie machen geltend, im Ausgangsverfahren sei nur die Verwertung der nach der Verordnung Nr. 17 gesammelten, insbesondere in einem Formblatt A/B enthaltenen Informationen durch die nationalen Behörden im Rahmen eines auf das nationale Wettbewerbsrecht gestützten nationalen Sanktionsverfahrens im Streit.

25 Es ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 177 EWG-Vertrag nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes den Rahmen für eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof schafft, die auf einer Verteilung der Aufgaben zwischen ihnen beruht. In diesem Rahmen ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen der Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen.

26 Ein Ersuchen eines nationalen Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von diesem Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht (siehe unter anderem Urteil vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-186/90, Durighello, Slg. 1991, I-5773, Randnr. 9). Dies ist aber in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall.

Zur Befugnis der Behörden der Mitgliedstaaten, Informationen zu verwerten, die in Antworten auf gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an Unternehmen gerichtete Auskunftsverlangen enthalten sind

27 Die Kommission, die ÄB und die betroffenen Banken machen geltend, Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 verbiete es den Behörden der Mitgliedstaaten, diese Informationen als Beweise in einem Verfahren zu verwerten, in dem das nationale Wettbewerbsrecht angewandt werde. Nach Auffassung der Kommission dürfen diese Informationen dagegen von den nationalen Behörden dazu verwertet werden, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Artikel 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag anzuwenden.

28 Die spanische Regierung trägt vor, diese Informationen dürften von den Behörden der Mitgliedstaaten zur Anwendung sowohl des gemeinschaftlichen als auch des nationalen Wettbewerbsrechts verwertet werden, deren Zwecke und Zielsetzung übereinstimmten.

29 Um die Frage des vorlegenden Gerichts beantworten zu können, bedarf es der Auslegung des Artikels 20 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 sowie ausserdem des Artikels 11 Absatz 3 dieser Verordnung, wonach in dem an ein Unternehmen gerichteten Auskunftsverlangen die Rechtsgrundlagen und der Zweck des Verlangens anzugeben sind.

30 Bei der Auslegung dieser Bestimmungen sind die allgemeine Systematik der Verordnung Nr. 17, der Zweck der Vorschriften über das Verfahren bei Auskunftsverlangen sowie die Erfordernisse zu berücksichtigen, die sich aus der Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Grundrechte ergeben (siehe in diesem Sinn Urteil vom 21. September 1989 in den verbundenen Rechtssachen 46/87 und 227/88, Hoechst/Kommission, Slg. 1989, 2859, Randnr. 12).

31 Wie oben ausgeführt, regelt die Verordnung Nr. 17 nicht die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführten Verfahren, und zwar auch nicht in den Fällen, in denen mit diesen Verfahren die Artikel 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag angewandt werden sollen. Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung, der die Zuständigkeit der nationalen Behörden für die Anwendung dieser Bestimmungen festlegt und begrenzt, Artikel 20 Absatz 2 über das Berufsgeheimnis sowie Artikel 10, wonach die Mitgliedstaaten an den gemeinschaftlichen Verfahren beteiligt werden, sollen die Voraussetzungen festlegen, unter denen die nationalen Behörden in einer Weise tätig werden können, daß sie die von der Kommission betriebenen Verfahren nicht behindern, sondern vielmehr die Wirksamkeit dieser Verfahren unter Beachtung der Rechte der Betroffenen sicherstellen.

32 Die von der Kommission bei der Beantwortung der Vorlagefrage getroffene Unterscheidung zwischen den Fällen, in denen diese Behörden die betreffenden Informationen zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts verwerten, und den Fällen, in denen diese Behörden zur Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts tätig werden, ist somit nicht erheblich. In beiden Fällen unterscheidet sich das von den Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführte Verfahren nämlich von dem von der Kommission durchgeführten Verfahren, und für das Sammeln von Beweisen durch die nationalen Behörden gelten vorbehaltlich der Beachtung des Gemeinschaftsrechts die Vorschriften des nationalen Rechts. Selbst in den Fällen, in denen die nationalen Behörden die materiellen Regelungen der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag anwenden, habe sie dabei nach den nationalen Vorschriften zu verfahren.

33 In diesem allgemeinen Rahmen soll ein Auskunftsverlangen, das gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an ein Unternehmen gerichtet wird, der Kommission die sachlichen oder rechtlichen Grundlagen an die Hand geben, deren sie zur Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten bedarf. Der Beweiswert der dabei erteilten Auskünfte und die Voraussetzungen, unter denen diese Auskünfte den Unternehmen entgegengehalten werden können, bestimmen sich folglich nach dem Gemeinschaftsrecht und sind auf die durch die Verordnung Nr. 17 geregelten Verfahren beschränkt. Der Zweck eines Auskunftsverlangens besteht nicht darin, Beweise zu liefern, die dazu bestimmt wären, von den Mitgliedstaaten in den Verfahren nach nationalem Recht verwertet zu werden.

34 Die Übermittlung der so von der Kommission gesammelten Informationen an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 dient einem doppelten Zweck. Zum einen sollen die Mitgliedstaaten von den gemeinschaftlichen Verfahren unterrichtet werden, die in ihrem Hoheitsgebiet ansässige Unternehmen betreffen, und zum anderen soll der Informationsstand der Kommission dadurch verbessert werden, daß es ihr ermöglicht wird, die Auskünfte der Unternehmen mit den eventuellen Angaben und Stellungnahmen des betreffenden Mitgliedstaats zu vergleichen. Die Übermittlung dieser Informationen an die Mitgliedstaaten bedeutet als solche nicht, daß diese sie unter Voraussetzungen verwerten dürften, die die Anwendung der Verordnung Nr. 17 und die Grundrechte der Unternehmen in Frage stellen würden.

35 Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 soll dadurch, daß er die Verwertung von gemäß Artikel 11 dieser Verordnung gesammelten Informationen zu anderen Zwecken als demjenigen, zu dem sie angefordert worden sind, verbietet und daß er die Kommission wie auch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und ihre Beamten und sonstigen Bediensteten zur Beachtung des Berufsgeheimnisses verpflichtet, die Rechte der Unternehmen schützen (siehe in diesem Sinn Urteil vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 85/87, Dow Benelux/Kommission, Slg. 1989, 3137, Randnrn. 17 und 18).

36 Die Verteidigungsrechte, die schon im Voruntersuchungsverfahren zu beachten sind, gebieten es zum einen, daß die Unternehmen - wie es Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung vorsieht - anläßlich des Auskunftsverlangens über die von der Kommission verfolgten Ziele und die Rechtsgrundlagen des Verlangens unterrichtet werden, und zum anderen, daß die so gesammelten Informationen später nicht ausserhalb des rechtlichen Rahmens des Auskunftsverlangens verwendet werden.

37 Das Berufsgeheimnis erfordert nicht nur den Erlaß von Vorschriften, die die Weitergabe von vertraulichen Informationen verbieten, sondern auch, daß es den Behörden, die diese Informationen rechtmässig besitzen, unmöglich ist, sie, sofern dies nicht ausdrücklich vorgesehen ist, zu einem anderen Zweck als demjenigen zu verwerten, zu dem sie gesammelt worden sind.

38 Diese Garantien würden aber nicht beachtet, wenn eine andere Behörde als die Kommission Informationen, die gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 eingeholt worden sind, als Beweise im Rahmen von nicht durch diese Verordnung geregelten Verfahren verwerten könnte.

39 Diese Auslegung lässt keineswegs die Erfordernisse ausser acht, die sich aus dem Grundsatz der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten ergeben. Die Mitgliedstaaten sind nämlich nicht verpflichtet, die ihnen übermittelten Informationen zu ignorieren und damit, um den von der Kommission und vom vorlegenden Gericht verwendeten Ausdruck zu übernehmen, unter "akuter Amnesie" zu leiden. Diese Informationen stellen Indizien dar, die gegebenenfalls berücksichtigt werden können, um die Einleitung eines nationalen Verfahrens zu begründen (siehe in diesem Sinn das Urteil vom 17. Oktober 1989, Dow Benelux/Kommission, a. a. O., Randnrn. 18 und 19).

40 In diesem Zusammenhang ist näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die zuständigen nationalen Behörden derartige Informationen verwerten können.

41 Diese Behörden haben gemäß Artikel 214 EWG-Vertrag und Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 darauf zu achten, daß sie unter das Berufsgeheimnis fallende Informationen nicht an andere nationale Behörden oder Dritte weitergeben.

42 Auf diese Informationen können sich die Behörden der Mitgliedstaaten weder in einem Voruntersuchungsverfahren noch zur Begründung einer Entscheidung berufen, die aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, sei es des nationalen oder des Gemeinschaftsrechts, erlassen wird. Diese Informationen müssen in der internen Sphäre dieser Behörden verbleiben und dürfen nur zur Beurteilung der Frage verwertet werden, ob es angebracht ist, ein nationales Verfahren einzuleiten.

43 Zu dem von der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argument, daß eine solche Auslegung zur Folge hätte, daß die blosse Erwähnung einer Tatsache in einem der Kommission übermittelten Dokument genügen würde, diese Tatsache der Verwertung in einem nationalen Verfahren zu entziehen, ist festzustellen, daß eine solche Tatsache rechtswirksam Gegenstand eines nationalen Verfahrens sein kann, sofern nur der Nachweis für ihr Vorliegen nicht durch die von der Kommission erlangten Unterlagen und Informationen, sondern unter Beachtung der im nationalen Recht vorgesehenen Garantien mit den diesem Recht eigentümlichen Beweismitteln erbracht wird.

Zur Verwertung von in Anträgen und Anmeldungen gemäß den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 enthaltenen Informationen durch die Behörden der Mitgliedstaaten

44 Die Kommission trägt vor, solche Informationen dürften von den Behörden der Mitgliedstaaten nicht zur Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts verwertet werden. Sie stützt sich dabei insbesondere auf Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17, der die Freistellung von Geldbussen zugunsten der Unternehmen betrifft, die Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen bei der Kommission angemeldet haben. Sie macht geltend, das Gleichgewicht und die allgemeine Systematik dieser Vorschrift würden gestört, wenn die nationalen Behörden die in den Anmeldungsformularen enthaltenen Informationen gegenüber den Unternehmen verwerten dürften. Sie hält dagegen die nationalen Behörden für befugt, solche Informationen zur Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EWG-Vertrag zu verwerten, sofern sie dabei die Vorschriften über die Grenzen ihrer Zuständigkeit in diesem Bereich beachten.

45 Die ÄB und die betroffenen Banken stützen sich ihrerseits insbesondere auf die Vorschriften über das Berufsgeheimnis und auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze, nach denen es verboten sei, im Rahmen eines Sanktionsverfahrens gegenüber einer Person Informationen zu verwerten, die diese Person von sich aus zur Begründung eines an die zuständige Behörde gerichteten Antrags übermittelt habe.

46 Die spanische Regierung trägt vor, die nationalen Behörden könnten, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt sei, solche Informationen bei der Anwendung des gemeinschaftlichen und des nationalen Wettbewerbsrechts verwerten, ohne gegen die Verordnung Nr. 17 zu verstossen.

47 Anders als die in den Antworten auf Auskunftsverlangen enthaltenen Informationen sind die in Anträgen und Anmeldungen gemäß den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 enthaltenen Informationen nicht Gegenstand einer Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung entsprechenden Vorschrift, die die Voraussetzungen, unter denen diese Informationen verwertet werden dürfen, einschränken würde.

48 Doch ist auch ohne eine solche ausdrückliche Vorschrift bei der Verwertung der von den Unternehmen der Kommission übermittelten Informationen der rechtliche Rahmen des Verfahrens zu beachten, in dem diese Informationen gesammelt worden sind.

49 Aus Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag und aus der Verordnung Nr. 17 geht hervor, daß die Anmeldung von Vereinbarungen, Beschlüssen und Verhaltensweisen bei der Kommission im Rahmen von spezifisch gemeinschaftlichen Verfahren erfolgt. Darüber hinaus ist sowohl im Formblatt A/B als auch in dem diesem Formblatt beigefügten Ergänzenden Vermerk, der zur Information der Unternehmen bestimmt ist, ausschließlich von diesen Verfahren und in keiner Weise von der Möglichkeit die Rede, daß eine andere Behörde als die Kommission die in diesem Formblatt enthaltenen Informationen verwerten könnte.

50 Unter diesen Umständen sowie unter Berücksichtigung der aus der Beachtung der Verteidigungsrechte und des Berufsgeheimnisses resultierenden Erfordernisse, auf die oben hingewiesen worden ist, kann das Schweigen der Verordnung nicht dahin ausgelegt werden, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber den Unternehmen nicht die gleichen Rechte zuerkennen wollte, wie er sie ihnen zum Schutz der Informationen einräumt, die in Antworten auf Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung enthalten sind.

51 Diese Auslegung ist um so mehr geboten, als dem Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17, wie die Kommission vorträgt, teilweise die praktische Wirksamkeit genommen würde, wenn den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt würde, die im Formblatt A/B enthaltenen Informationen zu verwerten.

52 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Anmeldung keine von den Unternehmen zu erfuellende Formalität, sondern eine unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährung bestimmter Vergünstigungen ist. Nach Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 darf keine Geldbusse für Handlungen festgesetzt werden, die nach der Anmeldung begangen werden, soweit sie in den Grenzen der in der Anmeldung dargelegten Tätigkeit liegen. Diese Vergünstigung für ein Unternehmen, das eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise angemeldet hat, stellt den Ausgleich für das Risiko dar, das das Unternehmen dadurch eingeht, daß es selbst die Vereinbarung oder die abgestimmte Verhaltensweise anzeigt. Das Unternehmen muß nämlich nicht nur damit rechnen, daß festgestellt wird, die Vereinbarung oder die Verhaltensweise verstosse gegen Artikel 85 Absatz 1, daß die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 abgelehnt wird und daß es der angemeldeten Vereinbarung oder Verhaltensweise ein Ende setzen muß (siehe in diesem Sinn Urteil vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 76), sondern es muß auch gewärtigen, daß ihm für seine vor der Anmeldung vorgenommenen Handlungen eine Geldbusse auferlegt wird (siehe in diesem Sinn Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion Française/Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 93). Wie der Gerichtshof im genannten Urteil vom 10. Dezember 1985 festgestellt hat, ermöglichen es diese Regelungen ausserdem, indem sie die Unternehmen zu Anmeldungen veranlassen, die Nachprüfungspflichten der Kommission entsprechend zu verringern.

53 Die allgemeine Systematik dieser Regelungen erfordert daher, daß die Unternehmen, die unter den in der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Voraussetzungen Anmeldungen vorgenommen haben, zum Ausgleich bestimmte Vergünstigungen erhalten können. Eine Auslegung dieser Verordnung, wonach die Mitgliedstaaten die in diesen Anmeldungen enthaltenen Informationen als Beweise zur Begründung nationaler Sanktionen verwerten könnten, würde die Bedeutung der den Unternehmen durch Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung eingeräumten Vergünstigung erheblich schmälern.

54 Daraus folgt, daß die Mitgliedstaaten - ebenso wie dies für in Antworten auf Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 enthaltene Informationen gilt - die in Anträgen und Anmeldungen nach den Artikeln 2, 4 und 5 dieser Verordnung enthaltenen Informationen nicht als Beweismittel verwerten dürfen.

55 Aus allen diesen Gründen ist zu antworten, daß Artikel 214 EWG-Vertrag und die Verordnung Nr. 17 dahin auszulegen sind, daß die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen zuerkannten Befugnis zur Anwendung der nationalen und der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften weder nicht veröffentlichte Informationen, die in Antworten auf gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an Unternehmen gerichtete Auskunftsverlangen enthalten sind, noch Informationen, die in Anträgen und Anmeldungen nach den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 enthalten sind, als Beweise verwerten dürfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

56 Die Auslagen der Regierung des Königreichs Spanien und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Tribunal de Defensa de la Competencia mit Beschluß vom 28. Januar 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 214 EWG-Vertrag und die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, sind dahin auszulegen, daß die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen zuerkannten Befugnis zur Anwendung der nationalen und der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften weder nicht veröffentlichte Informationen, die in Antworten auf gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an Unternehmen gerichtete Auskunftsverlangen enthalten sind, noch Informationen, die in Anträgen und Anmeldungen nach den Artikeln 2, 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 enthalten sind, als Beweise verwerten dürfen.

Ende der Entscheidung

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