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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.09.1999
Aktenzeichen: C-67/96
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 81
EG Art. 82
EG Art. 86
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, macht es erforderlich, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Dies gilt insbesondere in bestimmten Bereichen, wie dem des Wettbewerbs, die durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet sind.

Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen dem Gerichtshof nicht nur sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden.

2 Bei einer sachgerechten und zusammenhängenden Auslegung der Artikel 3 Buchstaben g und i EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben g und j EG), 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG), 118 und 118b EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) ergibt sich, daß die Verträge, die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern geschlossen worden sind, um sozialpolitische Ziele wie die Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zu erreichen, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen.

In diesem Zusammenhang fällt eine in Form eines Tarifvertrags geschlossene Vereinbarung, durch die in einem bestimmten Wirtschaftszweig ein Zusatzrentensystem geschaffen wird, das durch einen Rentenfonds verwaltet wird, bei dem die Mitgliedschaft durch den Staat verbindlich vorgeschrieben werden kann, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Ein solches System soll in seiner Gesamtheit ein bestimmtes Rentenniveau für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs gewährleisten und trägt daher unmittelbar zur Verbesserung einer der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, nämlich ihrer Entlohnung, bei.

Eine auf Antrag der Vertragsparteien getroffene Entscheidung des Staates, die Mitgliedschaft in einem solchen Fonds verbindlich anzuordnen, schreibt daher keine gegen Artikel 85 verstossende Kartellabsprachen vor, noch erleichtert sie solche Absprachen oder verstärkt deren Auswirkungen, und gehört folglich nicht zu den Arten von Verwaltungsmaßnahmen, die die praktische Wirksamkeit der Artikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag, 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) und 85 EG-Vertrag beeinträchtigen.

Die Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 85 EG-Vertrag stehen daher der Entscheidung des Staates nicht entgegen, auf Antrag der Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben.

3 Der Begriff des Unternehmens im Sinne der Artikel 85 ff. EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 ff. EG) umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.

Ein Rentenfonds, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, das durch einen Tarifvertrag zwischen den Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, geschaffen worden ist, bei dem die Mitgliedschaft für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs durch den Staat verbindlich vorgeschrieben worden ist, der nach dem Kapitalisierungsprinzip funktioniert und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit den Versicherungsgesellschaften ausübt, ist ein Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften. Weder das Fehlen eines Gewinnerzielungszwecks noch die Verfolgung einer sozialen Zielsetzung genügen, um einem solchen Fonds die Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln des Vertrages zu nehmen.

4 Die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) verwehren dem Staat nicht, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem bestimmten Wirtschaftszweig einzuräumen.

Das ausschließliche Recht eines Betriebsrentenfonds, die Zusatzrenten in einem bestimmten Wirtschaftszweig zu verwalten, und die sich daraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen können nach Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag als Maßnahme gerechtfertigt werden, die zur Erfuellung einer im allgemeinen Interesse liegenden besonderen sozialen Aufgabe erforderlich ist, mit der dieser Fonds betraut ist.


Urteil des Gerichtshofes vom 21. September 1999. - Albany International BV gegen Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Arnhem - Niederlande. - Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds - Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln - Qualifizierung eines Betriebsrentenfonds als Unternehmen. - Rechtssache C-67/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Kantongerecht Arnheim hat mit Urteil vom 4. März 1996 gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 86 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Albany International BV (im folgenden: Firma Albany) und der Stichting Bedrijfspensiönfonds Textielindustrie (Stiftung Betriebsrentenfonds für die Textilindustrie; im folgenden: Fonds) über die Weigerung der Firma Albany, an den Fonds die Beiträge für das Jahr 1989 zu zahlen, und zwar mit der Begründung, daß die Pflichtmitgliedschaft im Fonds, aufgrund deren diese Beiträge von ihr gefordert würden, gegen Artikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG) sowie die Artikel 85, 86 und 90 des Vertrages verstosse.

Die nationalen Rechtsvorschriften

3 Das niederländische Rentensystem ruht auf drei Pfeilern.

4 Der erste besteht aus einer gesetzlichen Grundrente, die vom Staat nach der Algemene Ouderdomswet (Gesetz zur Einführung eines allgemeinen Altersrentensystems; im folgenden: AOW) und der Algemene Nabestaandenwet (Gesetz über die Allgemeine Hinterbliebenenversicherung) gewährt wird. Dieses allgemeinverbindliche gesetzliche System begründet für die gesamte Bevölkerung einen Anspruch auf eine Rente von beschränkter Höhe, die unabhängig von dem zuvor tatsächlich bezogenem Lohn ist und auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechnet wird.

5 Den zweiten Pfeiler bilden die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger gewährten Zusatzrenten, die in den meisten Fällen die Grundrente ergänzen. Diese Zusatzrenten werden im allgemeinen im Rahmen von kollektiven Systemen, die für einen Wirtschaftssektor, einen Beruf oder die Arbeitnehmer eines Unternehmens gelten, durch Rentenfonds verwaltet, bei denen die Mitgliedschaft wie in den Ausgangsverfahren u. a. durch die Wet van 17 maart 1949 houdende vaststelling van en regeling betreffende verplichte deelneming in een bedrijfspensiönfonds (Gesetz vom 17. März 1949 über die Festlegung einer Regelung betreffend die Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds; im folgenden: BPW) verbindlich vorgeschrieben worden ist.

6 Der dritte Pfeiler wird durch individuelle Rentenversicherungs- oder Lebensversicherungsverträge gebildet, die auf freiwilliger Grundlage geschlossen werden können.

7 Nach der Wet op de loonbelasting (Lohnsteuergesetz) sind Prämien, die dazu dienen, einen Rentenanspruch zu begründen, nur abzugsfähig, wenn diese Rente ein "angemessenes" Niveau nicht überschreitet. Die Prämien sind bei der Begründung eines Rentenanspruchs, der dieses Niveau überschreitet, nicht abzugsfähig. Dieses Niveau beträgt für eine Berufslaufbahn von 40 Jahren 70 % der individuellen Bezuege am Ende der Berufslaufbahn. Diese steuerliche Regelung hat zur Folge, daß die gegenwärtig in den Niederlanden geltende Norm in bezug auf die Begründung eines Rentenanspruchs eine Rente einschließlich der Rente im Rahmen der AOW ist, die sich auf 70 % des letzten Lohnes beläuft.

8 Artikel 1 Absatz 1 BPW in der Fassung des Gesetzes vom 11. Februar 1988 bestimmt:

"1. In diesem Gesetz und den darauf beruhenden Bestimmungen bedeutet:

...

b. Betriebsrentenfonds: ein in einem Wirtschaftszweig tätiger Fonds, in dem entweder nur zugunsten von Personen, die als Arbeitnehmer, oder auch zugunsten von Personen, die in einer anderen Eigenschaft in diesem Wirtschaftszweig tätig sind, Mittel für Renten gesammelt werden.

...

f. unser Minister: der Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen."

9 Artikel 3 BPW in seiner geänderten Fassung sieht folgendes vor:

"1. Unser Minister kann auf Antrag einer seiner Auffassung nach hinreichend repräsentativen Vertretung der organisierten gewerblichen Wirtschaft in einem Wirtschaftszweig nach Rücksprache mit dem Leiter des Departement von Algemeen Bestuur (Abteilung für Allgemeine Verwaltung), in dessen Zuständigkeit die Angelegenheiten des betreffenden Wirtschaftszweigs fallen, und nach Anhörung des Sociaal-Economische Raad (Wirtschafts- und Sozialrat) und der Verzekeringskamer (Versicherungskammer) die Mitgliedschaft im Betriebsrentenfonds für alle oder für bestimmte Gruppen von Angehörigen des Wirtschaftszweigs verbindlich vorschreiben.

2. In dem im vorstehenden Absatz geregelten Fall sind alle zu den in diesem Absatz genannten Gruppen gehörenden Personen sowie, soweit es sich um Arbeitnehmer handelt, ihre Arbeitgeber verpflichtet, die in bezug auf sie durch die aufgrund der Satzungen und Geschäftsordnungen des Betriebsrentenfonds getroffenen Regelungen zu beachten. Die Beachtung dieser Regelungen kann, auch was die Zahlung der Prämien angeht, gerichtlich durchgesetzt werden."

10 Artikel 5 Absatz 2 BPW in seiner geänderten Fassung zählt mehrere Voraussetzungen dafür auf, daß der Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen einem Antrag auf Anordnung der Pflichtmitgliedschaft im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 entsprechen kann. So müssen die Satzungen und die Geschäftsordnungen des Betriebsrentenfonds gemäß Artikel 5 Absatz 2, III und IV BPW in der geänderten Fassung die Interessen der Mitglieder ausreichend gewährleisten, und die Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände des betreffenden Wirtschaftszweigs müssen mit der gleichen Zahl von Sitzen im Verwaltungsausschuß des Fonds vertreten sein.

11 Artikel 5 Absatz 2, II, Buchstabe l BPW in der geänderten Fassung sieht ausserdem vor, daß die Satzungen und Geschäftsordnungen des Betriebsrentenfonds Bestimmungen für die Fälle und die Voraussetzungen enthalten müssen, in denen bzw. unter denen Angehörige des betreffenden Wirtschaftszweigs nicht verpflichtet sind, Mitglieder dieses Fonds zu werden, oder von bestimmten Verpflichtungen gegenüber dem Fonds freigestellt werden können.

12 Artikel 5 Absatz 3 BPW der geänderten Fassung bestimmt:

"Unser Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen erlässt nach Anhörung der Versicherungskammer und des Wirtschafts- und Sozialrates Richtlinien für die in Absatz 2, II, Buchstabe l genannten Fragen. Beim Erlaß dieser Richtlinien ist davon auszugehen, daß die betroffenen Angehörigen des Wirtschaftszweigs, die bereits mindestens sechs Monate vor der Stellung des Antrags im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Mitglieder eines Unternehmensrentenfonds waren oder sich bei einer Lebensversicherungsgesellschaft versichert hatten, nicht verpflichtet sind, Mitglieder dieses Betriebsrentenfonds zu werden oder von der Verpflichtung zur Zahlung von Prämien an diesen Fonds ganz oder zu einem angemessenen Teil freigestellt werden, sofern und solange sie nachweisen können, daß sie während des Zeitraums, für den sie nicht Mitglied zu werden brauchen oder aber ganz oder zu einem angemessenen Teil von der Verpflichtung zur Prämienzahlung freigestellt sind, Rentenansprüche erwerben, die zumindest den Ansprüchen gleichwertig sind, die sie bei Mitgliedschaft in dem Betriebsrentenfonds erwerben würden. In bezug auf andere Teile des zweiten Absatzes kann unser Minister ebenfalls Richtlinien erlassen."

13 Durch die Beschikking van 29 december 1952 betreffende de vaststelling van de richtlijnen voor de vrijstelling van deelneming in een bedrijfspensiönfonds wegens een bijzondere pensiönvoorziening (Erlaß vom 29. Dezember 1952 betreffend die Festlegung der Richtlinien für die Freistellung von der Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds wegen einer besonderen Rentenversorgung in der Fassung des Erlasses vom 15. August 1988; im folgenden: Freistellungsrichtlinien) hat der Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen die in Artikel 5 Absatz 3 BPW in der geänderten Fassung genannten Richtlinien erlassen.

14 Artikel 1 der Freistellungsrichtlinien in ihrer geänderten Fassung sieht vor:

"Eine Freistellung von der Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds oder von der Verpflichtung zur Zahlung von Prämien an einen solchen Fonds kann auf Antrag eines Betroffenen durch diesen Fonds gewährt werden, wenn für den betroffenen Angehörigen des Wirtschaftszweigs eine besondere Rentenversicherung besteht, die folgenden Voraussetzungen entspricht:

a. sie muß bei einem Unternehmensrentenfonds, einem anderen Betriebsrentenfonds, einem Versicherer, der im Besitz einer Konzession im Sinne von Artikel 10 der Wet tözicht verzekeringsbedrijf (Versicherungsaufsichtsgesetz; Stb. 1986, 638) ist, bestehen oder aber auf die Algemene burgerlijke pensiönwet (Allgemeines Gesetz über die Zivilrenten des öffentlichen Dienstes, Stb. 1986, 540), die Spoorwegenpensiönwet (Gesetz über die Renten der Beschäftigten der niederländischen Eisenbahnen und ihrer Familienangehörigen, Stb. 1986, 541) oder auf die Algemene Militaire pensiönwet (Allgemeines Gesetz über die Militärrenten, Stb. 1979, 305) gestützt sein;

b. sie muß, was die Ansprüche angeht, die daraus hergeleitet werden können, insgesamt gesehen der Regelung des Betriebsrentenfonds mindestens gleichwertig sein;

c. die Rechte des betroffenen Angehörigen des Wirtschaftszweigs und die Beachtung seiner Verpflichtungen müssen angemessen gewährleistet sein;

d. wenn die Freistellung den Austritt aus dem Fonds zur Folge hat, muß ein nach Ansicht der Versicherungskammer angemessener Ausgleich für sich eventuell daraus ergebende versicherungstechnische Nachteile für den Fonds angeboten werden."

15 Artikel 5 dieser Richtlinien in ihrer geänderten Fassung bestimmt ausserdem:

"1. Die Freistellung muß gewährt werden, wenn die in Artikel 1 Buchstaben a, b und c genannten Voraussetzungen erfuellt sind und wenn die besondere Rentenversorgung sechs Monate vor der Stellung des Antrags galt, aufgrund dessen die Mitgliedschaft in dem Betriebsrentenfonds verbindlich vorgeschrieben worden ist, und wenn nachgewiesen worden ist, daß der betroffene Angehörige des Wirtschaftszweigs während des Zeitraums, in dem er nicht Mitglied zu werden braucht oder aber ganz oder zu einem angemessenen Teil von der Verpflichtung zur Prämienzahlung freigestellt ist, Rentenansprüche erwirbt, die zumindest den Ansprüchen gleichwertig sind, die er bei Mitgliedschaft im Betriebsrentenfonds erwerben würde.

2. Entspricht die besondere Rentenversicherung zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt der in Artikel 1 Buchstabe b genannten Voraussetzung nicht, muß vor der Entscheidung über den Antrag genügend Zeit für die Anpassung an diese Voraussetzung gelassen werden.

3. Eine Freistellung im Sinne dieses Artikels muß zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, in dem die Mitgliedschaft im Betriebsrentenfonds verbindlich vorgeschrieben wird."

16 Artikel 9 dieser Richtlinien in ihrer geänderten Fassung bestimmt:

"1. Gegen eine Entscheidung im Sinne von Artikel 8 kann binnen 30 Tagen nach dem Eingang der Entscheidung bei dem Betroffenen Beschwerde bei der Versicherungskammer eingelegt werden. Gleichzeitig mit dieser Entscheidung setzt der Betriebsrentenfonds den Betroffenen schriftlich von dem im vorstehenden Satz Bestimmten in Kenntnis.

2. Die Versicherungskammer setzt den Betriebsrentenfonds und den Beschwerdeführer von ihrer Entscheidung über die Beschwerde in Kenntnis."

17 Die Beurteilung durch die Versicherungskammer stellt einen Schlichtungsversuch dar. Es handelt sich nicht um eine Entscheidung, die im Rahmen eines Rechtsstreits verbindlich ist. Die Beurteilung durch die Versicherungskammer kann weder mit einer Beschwerde noch mit einer Klage angefochten werden.

18 Ausser den Vorschriften des BPW gilt für die Betriebsrentenfonds, bei denen die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben worden ist, die Wet van 15 mei 1962 houdende regelen betreffende pensiön- en spaarvoorzieningen (Gesetz vom 15. Mai 1962 über Rentenfonds und Sparfonds, in der Folge mehrfach geändert; im folgenden: PSW).

19 Die PSW soll soweit wie möglich gewährleisten, daß gegenüber den Arbeitnehmern gemachte Rentenzusagen tatsächlich eingehalten werden.

20 Dazu verpflichtet Artikel 2 Absatz 1 PSW die Arbeitgeber, eine von drei Regelungen zu wählen, durch die die für Rentenzwecke gesammelten Mittel vom restlichen Vermögen des Unternehmens getrennt werden sollen. Der Arbeitgeber kann sich einem Betriebsrentenfonds anschließen, einen Unternehmensrentenfonds bilden oder Gruppen- oder Einzelversicherungen bei einer Versicherungsgesellschaft abschließen.

21 Nach Artikel 1 Absatz 6 PSW gilt dieses Gesetz auch für Betriebsrentenfonds, bei denen die Mitgliedschaft nach der BPW verbindlich vorgeschrieben ist.

22 Die PSW sieht auch eine Reihe von Voraussetzungen vor, denen die Satzungen und Geschäftsordnungen eines Betriebsrentenfonds entsprechen müssen. So bestimmt Artikel 4 PSW, daß die Bildung eines solchen Fonds dem Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen sowie der Versicherungskammer zu melden ist. Artikel 6 Absatz 1 PSW bekräftigt, daß die Vertreter der Arbeitgeberorganisationen und die Vertreter der Arbeitnehmerorganisationen des betreffenden Wirtschaftszweigs im Verwaltungsausschuß eines Betriebsrentenfonds mit der gleichen Zahl von Sitzen vertreten sein müssen.

23 Darüber hinaus legt die PSW in den Artikeln 9 und 10 die Regeln für die Bewirtschaftung der gesammelten Mittel fest. Die allgemeine Regel dafür ist in Artikel 9 formuliert, der die Rentenfonds verpflichtet, das mit den Rentenzusagen verbundene Risiko zu verlagern oder es rückzuversichern. Abweichend von der letztgenannten Regel erlaubt Artikel 10 den Rentenfonds, das gesammelte Kapital auf eigene Gefahr selbst zu bewirtschaften und anzulegen. Will ein Rentenfonds die Erlaubnis erhalten, in dieser Weise vorzugehen, so muß er den dafür verantwortlichen Stellen einen Wirtschaftsplan vorlegen, in dem genau dargelegt ist, wie er dem versicherungsmathematischen Risiko und dem finanziellen Risiko zu begegnen denkt. Der Plan muß von der Versicherungskammer genehmigt werden. Darüber hinaus stehen die Rentenfonds unter ständiger Überwachung. Die versicherungsmathematischen Erfolgsrechnungen des Systems müssen der Versicherungskammer regelmässig zur Genehmigung vorgelegt werden.

24 Die Artikel 13 bis 16 der PSW enthalten schließlich die Regeln für die Anlage der gesammelten Beträge. Nach Artikel 13 müssen die Aktiva des Systems zuzueglich der voraussichtlichen Einnahmen ausreichen, um die Rentenzusagen zu decken. Artikel 14 bestimmt, daß das Kapital umsichtig anzulegen ist.

Das Ausgangsverfahren

25 Der Fonds wurde nach der BPW errichtet. Durch einen Erlaß des Ministers für soziale und Arbeitsmarktfragen vom 4. Dezember 1975 (im folgenden: Pflichtmitgliedschaftserlaß) wurde die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben.

26 Die Firma Albany betreibt ein Textilunternehmen, das seit 1975 Mitglied des Fonds ist.

27 Bis 1989 war die Rentenregelung des Fonds eine Regelung mit Festbeträgen. Die den Arbeitnehmern gewährte Rente stand nicht im Verhältnis zu ihrem Lohn, sondern stellte einen Festbetrag für jeden Arbeitnehmer dar. Die Firma Albany war der Auffassung, daß diese Rentenregelung zu dürftig sei und vereinbarte 1981 mit einer Versicherungsgesellschaft eine Zusatzrentenregelung für ihre Arbeitnehmer mit dem Ziel, daß die Gesamtrente, auf die diese Anspruch haben werden, sich auf 70 % ihres letzten Lohnes beläuft.

28 Mit Wirkung vom 1. Januar 1989 änderte der Fonds seine Rentenregelung. Nach dieser erhalten die Arbeitnehmer nun einen Betrag, der ebenfalls 70 % des letzten Lohnes entspricht.

29 Nach der Änderung der Rentenregelung des Fonds beantragte die Firma Albany am 22. Juli 1989 eine Freistellung von der Mitgliedschaft. Dieser Antrag wurde vom Fonds am 28. Dezember 1990 abgelehnt. Dieser war nämlich der Auffassung, nach den Freistellungsrichtlinien dürfe eine solche Freistellung nur gewährt werden, wenn die in diesen Richtlinien festgelegten Voraussetzungen erfuellt seien, und die besonderen Rentenbestimmungen seien bereits sechs Monate vor der Stellung des Antrags der Sozialpartner anwendbar, aufgrund dessen die Mitgliedschaft im Betriebsrentenfonds für verbindlich erklärt worden sei.

30 Die Firma Albany legte gegen die Entscheidung des Fonds Beschwerde bei der Versicherungskammer ein. Mit Entscheidung vom 18. März 1992 stellte diese fest, auch wenn der Fonds im vorliegenden Fall nicht verpflichtet sei, die beantragte Freistellung zu gewähren, müsse von ihm verlangt werden, daß er von seiner Befugnis Gebrauch mache, eine Freistellung zu gewähren oder mindestens eine Kündigungsfrist insoweit einzuräumen, als die Firma Albany für ihr Personal seit mehreren Jahren eine Zusatzrentenregelung vertraglich vereinbart habe und als diese Regelung seit dem 1. Januar 1989 der vom Fonds eingeführten Regelung entspreche.

31 Der Fonds folgte der Stellungnahme der Versicherungskammer nicht und ließ der Firma Albany am 11. November 1992 einen Mahnbescheid zustellen, mit dem ihr aufgegeben wird, einen Betrag in Höhe von 36 700,29 NLG zu zahlen, der dem Betrag der satzungsmässigen Beiträge für 1989 zuzueglich Zinsen, Inkassokosten, aussergerichtlichen Kosten und Kosten für Rechtsbeistand entsprach.

32 Die Firma Albany legte gegen diesen Mahnbescheid Widerspruch beim Kantongerecht Arnheim ein. Sie machte u. a. geltend, daß das System der Pflichtmitgliedschaft beim Fonds gegen Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages, 52 und 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG und 49 EG) sowie gegen Artikel 85, 86 und 90 des Vertrages verstosse.

33 Die Firma Albany trägt vor, die Weigerung des Fonds, ihr eine Freistellung zu gewähren, habe für sie nachteilige Auswirkungen. Ihre Versicherungsgesellschaft räume ihr nämlich ungünstigere Bedingungen ein, da sie sich dem durch den Fonds eingeführten Zusatzversicherungssystem anschließen müsse. Ausserdem hätten andere Betriebsrentenfonds, wie z. B. der Bedrijfspensiönfonds voor de Bouwnijverheid (Betriebsrentenfonds für das Baugewerbe) und der Bedrijfspensiönfonds voor het Schildersbedrijf (Betriebsrentenfonds für das Malerhandwerk) den Unternehmen, die früher eine Zusatzrentenregelung vereinbart hätten, eine Freistellung gewährt.

34 Der Fonds blieb bei der Auffassung, daß es im vorliegenden Fall keine rechtliche Verpflichtung gebe, die beantragte Freistellung zu gewähren. Das Gericht könne daher in diesem Zusammenhang nur eine marginale Prüfung vornehmen. Nach Artikel 5 Absatz 3 BPW bestehe nur dann eine Verpflichtung zur Gewährung einer Freistellung, wenn ein Unternehmen eine gleichwertige Rentenregelung mindestens sechs Monate, bevor die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben war, eingeführt habe. Diese Freistellungsverpflichtung bestehe nur im Zeitpunkt des ersten Beitritts zum Fonds und gelte nicht bei Änderung der Rentenregelung. Der Fonds betonte ausserdem die Bedeutung einer guten, auf Solidarität gegründeten Rentenregelung für alle Arbeitnehmer und Unternehmen des Wirtschaftszweigs Textilindustrie und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Gewährung einer Freistellung für die Firma Albany bedeuten würde, daß 110 seiner etwa 8 800 Mitglieder ausscheiden würden.

35 Das Kantongerecht hat sich der Auffassung der Versicherungskammer angeschlossen, daß die Zusatzrentenregelung der Firma Albany seit dem 1. Januar 1989 der vom Fonds eingeführten Rentenregelung gleichwertig sei. Die Beziehungen zwischen einem Betriebsrentenfonds und einem Mitglied würden beherrscht durch die Erfordernisse der Gerechtigkeit und der Billigkeit sowie durch die allgemeinen Grundsätze einer ordnungsgemässen Verwaltung. Ein Betriebsrentenfonds müsse daher bei seiner Entscheidung über die Gewährung einer Freistellung die Stellungnahme einer durch Gesetz bestimmten unabhängigen und sachverständigen Stelle weitgehend berücksichtigen.

36 Das Kantongerecht hat ausgeführt, daß die letzten drei Fragen nach der Vereinbarkeit des niederländischen Systems der Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft vom Gerichtshof im Urteil vom 14. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-430/93 und C-431/93 (Van Schijndel und Van Veen, Slg. 1995, I-4705) nicht geprüft worden seien.

37 Unter diesen Voraussetzungen hat das Kantongerecht Arnheim unter Verweisung auf seine Zwischenurteile vom 19. April 1993, 17. Januar 1994 und 9. Januar 1995 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorbentscheidung vorgelegt:

1. Ist ein Betriebsrentenfonds im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b BPW ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 oder 90 EG-Vertrag?

2. Bei Bejahung der ersten Frage: Ist es eine von einem Mitgliedstaat getroffene Maßnahme, die die praktische Wirksamkeit der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufhebt, wenn die Mitgliedschaft für Industrieunternehmen verbindlich vorgeschrieben wird?

3. Bei Verneinung der zweiten Frage: Können sonstige Umstände dazu führen, daß die Pflichtmitgliedschaft mit Artikel 90 des Vertrages unvereinbar ist, und wenn ja, welche?

Zur Zulässigkeit

38 Die französische Regierung, die niederländische Regierung und die Kommission bezweifeln wegen des Fehlens einer hinreichend genauen Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens der Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Vorlageurteil die Zulässigkeit der Vorlagefragen. Mangels einer detaillierten Darstellung der für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten geltenden Regelung, der Umstände, unter denen der Fonds errichtet worden sei, sowie der Regeln für die Bewirtschaftung des Fonds durch das vorlegende Gericht könne der Gerichtshof keine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts vornehmen und die Mitgliedstaaten sowie die sonstigen Beteiligten seien nicht in der Lage, schriftliche Erklärungen vorzulegen, in denen eine Antwort auf die Vorabentscheidungsfragen vorgeschlagen werde.

39 Nach ständiger Rechtsprechung macht die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Dies gilt insbesondere in bestimmten Bereichen, wie dem des Wettbewerbs, die durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet sind (siehe u. a. Urteile vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90 bis C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993 I-393, Randnrn. 6 und 7, vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-284/95, Safety Hi-Tech, Slg. 1998, I-4301, Randnrn. 69 und 70, und in der Rechtssache C-341/95, Bettati, Slg. 1998, I-4355, Randnrn. 67 und 68).

40 Die Angaben und Fragen in den Vorlageentscheidungen sollen dem Gerichtshof nicht nur sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (siehe u. a. Beschlüsse vom 30. April 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-128/97 und C-137/97, Testa und Modesti, Slg. 1998, I-2181, Randnr. 6, und vom 11. Mai 1999 in der Rechtssache C-325/98, Anssens, Slg. 1999, I-0000, Randnr. 8).

41 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den von den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes eingereichten Erklärungen, daß die in den Vorlageurteilen enthaltenen Angaben sie nicht daran gehindert haben, zu den dem Gerichtshof vorgelegten Fragen sachdienlich Stellung zu nehmen.

42 Darüber hinaus verweist die französische Regierung in ihren Erklärungen auf ihre Erklärungen in den Rechtssachen Brentjens (Urteil vom heutigen Tage in den verbundenen Rechtssachen C-115/97 bis C-117/97, Slg. 1999, I-6025), in denen ausdrücklich auf die Rechtssache Bokken (Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache C-219/97, Slg. 1999, I-6121), Bezug genommen wird, während die Kommission die letztgenannte Rechtssache in ihren Erklärungen unmittelbar anspricht. Der Vorlagebeschluß in der Rechtssache Bokken, die ebenfalls die Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft betrifft, enthält aber eine eingehende Darstellung der für den Ausgangsrechtsstreit geltenden Regelung.

43 Selbst wenn die niederländische und die französische Regierung im vorliegenden Fall annehmen durften, daß sie anhand der Angaben des vorlegenden Gerichts zu einigen Gesichtspunkten der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen nicht Stellung nehmen konnten, ist ferner zu unterstreichen, daß diese Angaben durch Angaben ergänzt worden sind, die aus den von dem nationalen Gericht übermittelten Akten, den schriftlichen Erklärungen und den Antworten auf Fragen des Gerichtshofes hervorgehen. Alle diese im Sitzungsbericht wiedergegebenen Angaben sind den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten im Hinblick auf die mündliche Verhandlung, in der sie gegebenenfalls ihre Erklärungen ergänzen konnten, zur Kenntnis gebracht worden.

44 Schließlich ist festzustellen, daß die Angaben des vorlegenden Gerichts, soweit erforderlich ergänzt durch die oben genannten Angaben, dem Gerichtshof eine ausreichende Kenntnis des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens des Ausgangsrechtsstreits verschafft, so daß er die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in bezug auf den Sachverhalt, der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist, auslegen kann.

45 Die vorgelegten Fragen sind folglich zulässig.

Zur zweiten Frage

46 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts, die zuerst zu prüfen ist, geht im wesentlichen dahin, ob die Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages, 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) und 85 des Vertrages der Entscheidung des Staates entgegenstehen, auf Antrag der Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben.

47 Die Firma Albany macht geltend, der Antrag der Sozialpartner, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, stelle eine Vereinbarung zwischen den in dem betreffenden Wirtschaftszweig tätigen Unternehmen dar, die gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstosse.

48 Eine solche Vereinbarung beschränke den Wettbewerb unter zwei Gesichtspunkten; zum einen nehme sie den in dem betreffenden Wirtschaftszweig tätigen Unternehmen dadurch, daß sie die Durchführung eines Pflichtversicherungssystems einem einzigen Betreiber übertrage, die Möglichkeit, sich einem von anderen Versicherern verwalteten abweichenden Rentensystem anzuschließen. Zum anderen schließe die Vereinbarung diese Versicherer von einem erheblichen Teil des Rentenversicherungsmarktes aus.

49 Die Auswirkungen einer solchen Vereinbarung auf den Wettbewerb seien insoweit "spürbar", als sie den gesamten niederländischen Textilsektor beträfen. Diese Auswirkungen würden durch die kumulative Wirkung verstärkt, die damit verbunden sei, daß die Mitgliedschaft in Rentensystemen in zahlreichen Wirtschaftszweigen und für alle Unternehmen dieser Wirtschaftszweige verbindlich vorgeschrieben worden sei.

50 Darüber hinaus beeinträchtige eine solche Vereinbarung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten insoweit, als sie Unternehmen betreffe, die eine grenzueberschreitende Tätigkeit ausübten, und sie den in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Versicherern die Möglichkeit nehme, in den Niederlanden ein vollständiges Rentensystem als grenzueberschreitende Dienstleistung oder durch Tochtergesellschaften oder Zweigstellen anzubieten.

51 Der Staat habe somit dadurch, daß er einen gesetzlichen Rahmen geschaffen und dem Antrag der Sozialpartner, die Mitgliedschaft im Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, stattgegeben habe, die Durchführung und das Funktionieren von gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossenden Vereinbarungen zwischen in den betreffenden Wirtschaftszweigen tätigen Unternehmen gefördert oder wirksamer gemacht und damit gegen die Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 85 des Vertrages verstossen.

52 Zur Beantwortung der zweiten Frage ist zunächst zu prüfen, ob der Beschluß, den die Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, im Rahmen eines Tarifvertrags treffen, in diesem Wirtschaftszweig einen einzigen Rentenfonds einzurichten, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, und beim Staat zu beantragen, die Mitgliedschaft in diesem Fonds für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs verbindlich vorzuschreiben, gegen Artikel 85 des Vertrages verstösst.

53 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verbietet, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Die Wichtigkeit dieser Regel hat die Verfasser des Vertrages dazu veranlasst, in Artikel 85 Absatz 2 des Vertrages ausdrücklich vorzusehen, daß die nach dieser Vorschrift verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind.

54 Ferner umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft nach Artikel 3 Buchstaben g und i EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben g und j EG) nicht nur "ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt", sondern auch "eine Sozialpolitik". Nach Artikel 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 2 EG) ist es nämlich u. a. Aufgabe der Gemeinschaft, "eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens", "ein hohes Beschäftigungsniveau" und "ein hohes Maß an sozialem Schutz" zu fördern.

55 In diesem Zusammenhang bestimmt Artikel 118 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden), daß die Kommission die Aufgabe hat, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in sozialen Fragen zu fördern, und zwar insbesondere auf dem Gebiet des Koalitionsrechts und der Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

56 Nach Artikel 118b EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) bemüht sich die Kommission ausserdem darum, den Dialog zwischen den Sozialpartnern, der, wenn diese es für wünschenswert halten, zu vertraglichen Beziehungen führen kann, auf europäischer Ebene zu entwickeln.

57 Darüber hinaus haben die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten nach Artikel 1 des Abkommens über die Sozialpolitik (ABl. 1992, C 191, S. 91) u. a. folgende Ziele: die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials im Hinblick auf ein dauerhaftes hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen.

58 Gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 des Abkommens über die Sozialpolitik kann der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene, falls sie es wünschen, zur Herstellung vertraglicher Beziehungen, einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen, führen, deren Durchführung entweder nach den jeweiligen Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner und der Mitgliedstaaten oder auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluß des Rates auf Vorschlag der Kommission erfolgt.

59 Zwar sind mit Tarifverträgen zwischen Organisationen, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer vertreten, zwangsläufig gewisse den Wettbewerb beschränkende Wirkungen verbunden. Die Erreichung der mit derartigen Verträgen angestrebten sozialpolitischen Ziele wäre jedoch ernsthaft gefährdet, wenn für die Sozialpartner bei der gemeinsamen Suche nach Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen Artikel 85 Absatz 1 Geltung hätte.

60 Bei einer sachgerechten und zusammenhängenden Auslegung der Bestimmungen des Vertrages in ihrer Gesamtheit ergibt sich daher, daß die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf diese Ziele geschlossenen Verträge aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fallen.

61 Es ist daher zu prüfen, ob die Art und der Gegenstand der im Ausgangsverfahren streitigen Vereinbarung es rechtfertigen, sie dem Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages zu entziehen.

62 Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, daß die im Ausgangsverfahren streitige Vereinbarung wie die oben genannten durch den Dialog zwischen den Sozialpartnern zustande gekommenen Vereinbarungen in Form eines Tarifvertrags abgeschlossen worden ist und das Ergebnis einer Tarifverhandlung zwischen den Organisationen ist, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten.

63 Zum anderen wird durch die im Ausgangsverfahren streitige Vereinbarung, was ihren Gegenstand angeht, in einem bestimmten Wirtschaftszweig ein Zusatzrentensystem geschaffen, das durch einen Rentenfonds verwaltet wird, bei dem die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben werden kann. Ein solches System soll in seiner Gesamtheit ein bestimmtes Rentenniveau für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs gewährleisten und trägt daher unmittelbar zur Verbesserung einer der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, nämlich ihrer Entlohnung, bei.

64 Die im Ausgangsverfahren streitige Vereinbarung fällt daher aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.

65 Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 21. September 1988 in der Rechtssache 267/86 (Van Eycke, Slg. 1988, 4769, Randnr. 16) entschieden hat, betrifft Artikel 85 des Vertrages an sich nur das Verhalten von Unternehmen und nicht durch Gesetz oder Verordnung getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes dürfen die Mitgliedstaaten jedoch aufgrund des Artikels 85 in Verbindung mit Artikel 5 des Vertrages keine Maßnahmen, und zwar auch nicht in Form von Gesetzen oder Verordnungen, treffen oder beibehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten. Nach der Rechtsprechung ist ein solcher Fall dann gegeben, wenn ein Mitgliedstaat gegen Artikel 85 verstossende Kartellabsprachen vorschreibt, erleichtert oder deren Auswirkungen verstärkt oder wenn er der eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, daß er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt (siehe auch Urteile vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-2/91, Meng, Slg. 1993, I-5751, Randnr. 14, in der Rechtssache C-185/91, Reiff, Slg. 1993, I-5801, Randnr. 14, in der Rechtssache C-245/91, Ohra Schadeverzekeringen, Slg. 1993, I-5851, Randnr. 10, sowie vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnrn. 53 und 54, und in der Rechtssache C-266/96, Corsica Ferries France, Slg. 1998, I-3949, Randnrn. 35, 36 und 49).

66 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß der von den Organisationen, die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten, beim Staat gestellte Antrag, die Mitgliedschaft in dem von ihnen errichteten Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, sich in eine in mehreren nationalen Rechtssystemen vorgesehene Regelung einfügt, die die Ausübung der Befugnis zum Erlaß von Verordnungen in sozialen Fragen betrifft. Da die im Ausgangsverfahren streitige Vereinbarung nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fällt, wie sich aus den Randnummern 52 bis 64 dieses Urteils ergibt, steht es den Mitgliedstaaten frei, sie für Personen, die durch die Vereinbarung nicht gebunden sind, für verbindlich zu erklären.

67 Im übrigen ist in Artikel 4 Absatz 2 des Abkommens über die Sozialpolitik ausdrücklich vorgesehen,daß die Sozialpartner gemeinsam vom Rat die Durchführung ihrer Vereinbarungen verlangen können.

68 Die Entscheidung des Staates, die Mitgliedschaft in einem solchen Fonds verbindlich anzuordnen, schreibt daher keine gegen Artikel 85 verstossende Kartellabsprachen vor, noch erleichtert sie solche Absprachen oder verstärkt deren Auswirkungen.

69 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Entscheidung des Staates, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, nicht zu den Arten von Verwaltungsmaßnahmen gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die praktische Wirksamkeit der Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 85 des Vertrages beeinträchtigen.

70 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß die Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 85 des Vertrages der Entscheidung des Staates nicht entgegenstehen, auf Antrag der Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben.

Zur ersten Frage

71 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, geht im wesentlichen dahin, ob ein mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds, der durch einen Tarifvertrag zwischen den Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, eingerichtet worden ist und bei dem die Mitgliedschaft von den Trägern der öffentlichen Gewalt für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs verbindlich vorgeschrieben worden ist, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. des Vertrages ist.

72 Nach Auffassung des Fonds und der am Verfahren beteiligten Regierungen stellt ein solcher Fonds kein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. des Vertrages dar. Dabei verweisen sie auf die einzelnen Merkmale des Betriebsrentenfonds und des von ihm verwalteten Zusatzrentensystems.

73 Erstens habe die Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs in einem Zusatzrentensystem in dem in den Niederlanden geltenden Rentensystem wegen der äusserst geringen Höhe der auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechneten gesetzlichen Rente eine wesentliche soziale Funktion. Da ein Zusatzrentensystem durch Tarifvertrag in einem durch Gesetz bestimmten Rahmen geschaffen und die Mitgliedschaft in diesem System vom Staat verbindlich vorgeschrieben worden sei, stelle es einen Bestandteil des niederländischen Systems des sozialen Schutzes dar, und der mit seiner Verwaltung betraute Betriebsrentenfonds wirke an der Verwaltung des staatlichen Systems der sozialen Sicherheit mit.

74 Zweitens habe der Betriebsrentenfonds keinen Gewinnzweck. Er werde durch die im Verwaltungsausschuß paritätisch vertretenen Sozialpartner gemeinsam verwaltet. Der Betriebsrentenfonds erhalte einen durchschnittlichen Beitrag, der durch diesen Ausschuß nach einem Gesamtgleichgewicht zwischen der Höhe der Prämien, dem Umfang der Leistungen und dem Ausmaß der Risiken festgesetzt werde. Darüber hinaus dürften die Beiträge nicht unter einer bestimmten Höhe liegen, damit angemessene Rückstellungen gebildet werden könnten, und dürften, damit weiterhin kein Gewinnzweck gegeben sei, einen Hoechstbetrag, dessen Einhaltung durch die Sozialpartner und die Versicherungskammer sichergestellt werde, nicht überschreiten. Auch wenn die einbehaltenen Beiträge nach dem System der Kapitalbildung angelegt würden, würden diese Anlagen unter der Aufsicht der Versicherungskammer und gemäß der PSW und der Satzung des Betriebsrentenfonds vorgenommen.

75 Drittens arbeite der Betriebsrentenfonds nach dem Grundsatz der Solidarität. Diese Solidarität äussere sich in der Verpflichtung, alle Arbeitnehmer ohne vorherige ärztliche Untersuchung aufzunehmen, in der Fortsetzung des Erwerbs von Rentenansprüchen unter Befreiung von der Beitragszahlung bei Arbeitsunfähigkeit, in der Übernahme der vom Arbeitgeber geschuldeten Beitragsrückstände durch den Fonds bei Konkurs des Arbeitgebers sowie in der Indexierung der Höhe der Renten zur Erhaltung ihres Wertes. Der Grundsatz der Solidarität komme auch dadurch zum Ausdruck, daß im Einzelfall keine Gleichwertigkeit zwischen dem gezahlten Beitrag, bei dem es sich um einen durchschnittlichen und risikounabhängigen Beitrag handele, und den Rentenansprüchen, bei deren Festlegung ein Durchschnittslohn zugrunde gelegt werde, bestehe. Eine solche Solidarität mache die Pflichtmitgliedschaft im Zusatzrentensystem unabdingbar. Andernfalls hätte das Ausscheiden der "guten" Risiken ein negative Kettenreaktion zur Folge, die das finanzielle Gleichgewicht des Systems gefährden würde.

76 Nach alledem sind der Fonds und die am Verfahren beteiligten Regierungen der Auffassung, daß der Betriebsrentenfonds eine mit der Verwaltung eines Systems der sozialen Sicherheit betraute Einrichtung wie jene Einrichtung darstelle, um die es im Urteil vom 17. Februar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91 (Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637) gegangen sei, und zwar im Gegensatz zu der im Urteil vom 16. November 1995 in der Rechtssache C-244/94 (Fédération française des sociétés d'assurance u. a., Slg. 1995, I-4013) betroffenen Einrichtung, die als ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. des Vertrages angesehen worden sei.

77 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Rahmen des Wettbewerbsrechts entschieden hat, daß der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst (siehe u. a. Urteil vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21, sowie Urteile Poucet und Pistre, Randnr. 17, und Fédération française des sociétés d'assurance u. a., Randnr. 14).

78 Im Urteil Poucet und Pistre hat der Gerichtshof weiter entschieden, daß Einrichtungen, die obligatorische, auf dem Grundsatz der Solidarität beruhende Systeme der sozialen Sicherheit verwalten, nicht unter den Begriff des Unternehmens fallen. In dem dort geprüften Versicherungssystem für Krankheit und Mutterschaft waren die Leistungen für alle Empfänger die gleichen, während sich die Beiträge nach dem Einkommen richteten; in dem ebenfalls dort geprüften Rentenversicherungssystem wurden die Renten von den erwerbstätigen Arbeitnehmern finanziert; die Rentenansprüche waren gesetzlich festgelegt und richteten sich nicht nach den Beiträgen zur Rentenversicherung. Soweit die Systeme schließlich Überschüsse erwirtschafteten, waren sie an der Finanzierung der Systeme mit strukturellen finanziellen Schwierigkeiten beteiligt. Diese Solidarität hatte zur notwendigen Voraussetzung, daß die verschiedenen Versicherungssysteme von einem einzigen Träger verwaltet wurden und eine Pflichtmitgliedschaft bestand.

79 Dagegen hat der Gerichtshof im oben genannten Urteil Fédération française des sociétés d'assurance u. a. für Recht erkannt, daß eine Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ein zur Ergänzung einer Grundpflichtversicherung durch Gesetz geschaffenes, auf Freiwilligkeit beruhendes Rentenversicherungssystem verwaltet, das nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. EG-Vertrag ist. Die freiwillige Mitgliedschaft, die Anwendung des Kapitalisierungsprinzips und der Umstand, daß die Leistungen sich ausschließlich nach der Höhe der von den Leistungsempfängern gezahlten Beiträge und den Erträgen der von der das System verwaltenden Einrichtung vorgenommenen Investitionen richteten, implizierten, daß diese Einrichtung eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit Lebensversicherungsunternehmen ausübte. Weder die Verfolgung eines sozialen Zwecks, noch das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, noch die Anforderungen der Solidarität, noch die sonstigen Regelungen, die u. a. die Beschränkungen betreffen, denen der Versicherungsträger bei der Durchführung von Investitionen unterliegt, nahmen der vom Versicherungsträger ausgeuebten Tätigkeit ihren wirtschaftlichen Charakter.

80 Im Licht des Vorstehenden ist zu beurteilen, ob eine Einrichtung wie der im Ausgangsverfahren betroffene Betriebsrentenfonds unter den Begriff des Unternehmens im Sinne der Artikel 85 ff. des Vertrages fällt.

81 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der Betriebsrentenfonds die Höhe der Beiträge und der Leistungen selbst bestimmt und daß der Fonds nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet.

82 Anders als bei den Leistungen, die von den mit der Verwaltung von Pflichtsystemen der sozialen Sicherheit betrauten Einrichtungen gewährt werden, auf die sich das Urteil Poucet und Pistre bezieht, hängt die Höhe der vom Fonds gewährten Leistungen von den Erträgen der Anlagen ab, die er vornimmt und bei denen er wie eine Versicherungsgesellschaft der Aufsicht der Versicherungskammer unterliegt.

83 Wie aus Artikel 5 BPW sowie den Artikeln 1 und 5 der Freistellungsrichtlinien hervorgeht, ist ein Betriebsrentenfonds ausserdem verpflichtet, einem Unternehmen eine Freistellung zu gewähren, wenn dieses seine Arbeitnehmer mindestens sechs Monate vor der Stellung des Antrags, aufgrund dessen die Mitgliedschaft im Fonds verbindlich vorgeschrieben worden ist, in einem Rentensystem versichert hat, das ihnen Ansprüche einräumt, die den Ansprüchen mindestens gleichwertig sind, die sie bei Mitgliedschaft in dem Fonds erwerben würden. Ferner hat der Fonds gemäß Artikel 1 dieser Richtlinien auch die Befugnis, einem Unternehmen eine Freistellung zu gewähren, wenn dieses für seine Arbeitnehmer eine Rentenversicherung bietet, die diesen Ansprüche einräumt, die den sich aus dem Fonds ergebenden mindestens gleichwertig sind, sofern bei Ausscheiden aus dem Fonds eine von der Versicherungskammer als angemessen angesehene Entschädigung für den Schaden angeboten wird, den der Fonds infolge des Ausscheidens versicherungstechnisch möglicherweise erleidet.

84 Ein Betriebsrentenfonds wie der im Ausgangsverfahren betroffene übt folglich eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit den Versicherungsgesellschaften aus.

85 Unter diesen Umständen genügen das Fehlen eines Gewinnerzielungszwecks und die Solidaritätsgesichtspunkte, auf die der Fonds und die am Verfahren beteiligten Regierungen sich berufen, nicht, um dem Betriebsrentenfonds die Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln des Vertrages zu nehmen.

86 Gewiß könnten die Verfolgung einer sozialen Zielsetzung, die genannten Solidaritätsgesichtspunkte und die Beschränkungen oder Kontrollen in bezug auf Investitionen des Betriebsrentenfonds die von diesem Fonds erbrachte Dienstleistung weniger wettbewerbsfähig als die vergleichbare von Versicherungsgesellschaften erbrachte Dienstleistungen machen. Zwar hindern derzeitige Zwänge nicht daran, die vom Fonds ausgeuebte Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, sie könnten aber das ausschließliche Recht einer solchen Einrichtung zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems rechtfertigen.

87 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß ein Rentenfonds, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, das durch einen Tarifvertrag zwischen den Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, geschaffen worden ist und bei dem die Mitgliedschaft für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs durch den Staat verbindlich vorgeschrieben worden ist, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. des Vertrages ist.

Zur dritten Frage

88 Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob die Artikel 86 und 90 des Vertrages es einem Staat verwehren, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem bestimmten Wirtschaftszweig einzuräumen.

89 Die niederländische Regierung macht geltend, der Erlaß, durch den die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben werde, bewirke lediglich, daß die Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweigs dazu verpflichtet würden, sich dem Fonds anzuschließen. Dieser Erlaß räume dem Fonds kein auschließliches Recht im Bereich der Zusatzrenten ein. Der Fonds verfüge auch nicht über eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages.

90 Zunächst ist festzustellen, daß die Entscheidung des Staates, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds wie im vorliegenden Fall verbindlich vorzuschreiben, notwendigerweise impliziert, daß diesem Fonds das ausschließliche Recht verliehen wird, die zur Begründung von Rentenansprüchen gezahlten Beiträge zu sammeln und zu verwalten. Ein solcher Fonds ist daher als ein Unternehmen, dem der Staat ausschließliche Rechte gewährt hat, im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Vertrages anzusehen.

91 Sodann kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein Unternehmen, das auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattet ist, als ein Unternehmen angesehen werden, das eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages besitzt (siehe Urteile vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90, Merci convenzionali porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 14, und vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88, GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5491, Randnr. 17).

92 Ein Betriebsrentenfonds wie der im Ausgangsverfahren betroffene, der über das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem Wirtschaftszweig eines Mitgliedstaats und damit in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes verfügt, kann daher als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages angesehen werden.

93 Zwar ist die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Vertrages als solche noch nicht mit Artikel 86 unvereinbar, jedoch verstösst ein Mitgliedstaat gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die blosse Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Mißbrauch begeht (Urteil Höfner und Elser, Randnr. 29, Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 37, Urteil Merci convenzionali porto di Genova, Randnrn. 16 und 17, sowie Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93, Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 18, und vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-163/96, Raso u. a., Slg. 1998, I-533, Randnr. 27).

94 Die Firma Albany macht in diesem Zusammenhang geltend, das System der Pflichtmitgliedschaft in dem vom Fonds verwalteten Zusatzrentensystem verstosse gegen Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 des Vertrages. Die vom Fonds angebotenen Rentenleistungen entsprächen den Bedürfnissen der Unternehmen nicht oder nicht mehr. Diese Leistungen seien zu niedrig, nicht an die Löhne gekoppelt und demzufolge regelmässig unzureichend. Die Arbeitgeber müssten daher für die Renten andere Vorkehrungen treffen. Das System der Pflichtmitgliedschaft nehme ihnen aber die Möglichkeit, bei einer Versicherungsgesellschaft für die Renten eine globale Deckung zu vereinbaren. Der Abschluß von Versicherungen bei mehreren Rentensystemen mit verschiedenen Versicherern erhöhe die Verwaltungkosten und mindere die Effizienz.

95 Im bereits genannten Urteil Höfner und Elser hat der Gerichtshof in Randnummer 34 entschieden, daß ein Mitgliedstaat, der einem öffentlichen Unternehmen das ausschließliche Recht zur Arbeitsvermittlung gewährt hat, gegen Artikel 90 Absatz 1 des Vertrages verstösst, wenn er damit eine Lage schafft, in der das betroffene Unternehmen gezwungen ist, gegen Artikel 86 zu verstossen, insbesondere, weil es offensichtlich nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen.

96 Im vorliegenden Fall ist das von dem Fonds angebotene Zusatzrentensystem auf die gegenwärtig in den Niederlanden geltende Norm gestützt, wonach ein Arbeitnehmer, der während der Hoechstdauer der Mitgliedschaft in diesem System Beiträge geleistet hat, eine Rente einschließlich der Rente nach der AOW in Höhe von 70 % seines letzten Lohnes erhält.

97 Zwar könnten einige Unternehmen des Wirtschaftszweigs den Wunsch haben, ihre Arbeitnehmer bei einem Versicherungssystem zu versichern, das über das vom Fonds angebotene hinausgeht. Die für diese Unternehmen bestehende Unmöglichkeit, die Verwaltung eines solchen Rentensystems einem einzigen Versicherer zu übertragen, und die sich daraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen beruhen jedoch unmittelbar auf dem dem Betriebsrentenfonds übertragenen ausschließlichen Recht.

98 Es ist daher zu prüfen, ob - wie der Fonds, die niederländische Regierung und die Kommission vortragen - das ausschließliche Recht des Betriebsrentenfonds, die Zusatzrenten in einem bestimmten Wirtschaftszweig zu verwalten, und die sich daraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nach Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages als Maßnahme gerechtfertigt werden können, die zur Erfuellung einer im allgemeinen Interesse liegenden besonderen sozialen Aufgabe erforderlich ist, mit der dieser Fonds betraut ist.

99 Die Firma Albany macht geltend, die Pflichtmitgliedschaft im Betriebsrentenfonds sei nicht erforderlich, um eine angemessene Höhe der Rente für die Arbeitnehmer zu gewährleisten. Dieses Ziel könne dadurch erreicht werden, daß Mindestanforderungen, denen die Renten entsprechen müssten, entweder von den Sozialpartnern auf Betreiben des Staates oder unmittelbar durch den Staat festgelegt würden. Die Tarifverträge sähen regelmässig die Verpflichtung der Arbeitnehmer vor, eine Mindestrentenregelung zu gewährleisten, wobei sie es ihnen freistellten, einen unternehmenseigenen Rentenfonds einzurichten, sich einem Betriebsrentenfonds anzuschließen oder sich an eine Versicherungsgesellschaft zu wenden.

100 Auch die Zahlung einer "Durchschnittsprämie" rechtfertige die Pflichtmitgliedschaft nicht. Zum einen verlangten weder die BPW noch der Erlaß, durch die die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben werde, ein auf eine solche Prämie gestütztes System. Zum anderen funktionierten verschiedene Betriebsrentenfonds, bei denen die Mitgliedschaft nicht verbindlich vorgeschrieben sei, sehr gut auf der Grundlage eines Systems von "Durchschnittsprämien".

101 Zur Aufnahme aller Arbeitnehmer eines Wirtschaftszweigs ohne vorherige ärztliche Untersuchung, damit die "schlechten" Risiken nicht zurückgewiesen werden könnten, trägt die Firma Albany vor, in der Praxis sähen die mit den Versicherern geschlossenen Rentenversicherungsverträge eine Verpflichtung des Arbeitgebers, alle seine Arbeitnehmer zu melden, sowie eine Verpflichtung des Versicherers, alle angemeldeten Arbeitnehmer ohne vorherige ärztliche Untersuchung aufzunehmen, vor.

102 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 90 Absatz 2 für die Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, die Wettbewerbsregeln gelten, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert.

103 Artikel 90 Absatz 2 soll dadurch, daß er unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften des Vertrages zulässt, das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen, insbesondere solcher des öffentlichen Sektors, als Instrument der Wirtschafts- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang bringen (Urteile vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88, Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnr. 12, und vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-157/94, Kommission/Niederlande, Slg. 1997, I-5699, Randnr. 39).

104 Unter Berücksichtigung dieses Interesses der Mitgliedstaaten kann es diesen nicht verboten sein, bei der Umschreibung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, mit denen sie bestimmte Unternehmen betrauen, die eigenen Ziele ihrer staatlichen Politik zu berücksichtigen und diese durch Verpflichtungen und Beschränkungen zu verwirklichen zu suchen, die sie diesen Unternehmen auferlegen (Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 40).

105 Das im Ausgangsverfahren betroffene Zusatzrentensystem erfuellt aber im Rentensystem in den Niederlanden wegen der auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechneten äusserst geringen Höhe der gesetzlichen Rente eine wesentliche soziale Funktion.

106 Darüber hinaus ist die Bedeutung der den Zusatzrenten zugewiesenen sozialen Funktion kürzlich dadurch anerkannt worden, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Richtlinie 98/49/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 209, S. 46), erlassen hat.

107 Ferner ist der Tatbestand des Artikels 90 Absatz 2 des Vertrages nicht erst dann erfuellt, wenn das finanzielle Gleichgewicht oder das wirtschaftliche Überleben des mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmens bedroht ist. Vielmehr genügt es, daß ohne die streitigen Rechte die Erfuellung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben gefährdet wäre, wie sie sich aus den ihm obliegenden Verpflichtungen und Beschränkungen ergeben, oder daß die Beibehaltung dieser Rechte erforderlich ist, um ihrem Inhaber die Erfuellung seiner im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Aufgaben zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu ermöglichen (Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91, Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Randnrn. 14 bis 16, und Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 53).

108 Bei Wegfall des ausschließlichen Rechts des Fonds, das Zusatzrentensystem für alle Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs zu verwalten, würden sich die Unternehmen, die junges und gesundes Personal mit nicht gefährlichen Tätigkeiten beschäftigen, bei privaten Versicherern um günstigere Versicherungsbedingungen bemühen. Das fortschreitende Ausscheiden von "guten" Risiken beließe dem Betriebsrentenfonds die Verwaltung eines wachsenden Anteils von "schlechten" Risiken, was zu einer Erhöhung des Aufwands für die Renten der Arbeitnehmer, insbesondere derjenigen kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem älteren, gefährliche Tätigkeiten ausübenden Personal, führen würde, denen der Fonds zu annehmbaren Kosten keine Renten mehr anbieten könnte.

109 Dies würde um so mehr gelten, wenn das ausschließlich vom Fonds verwaltete Zusatzrentensystem wie in den Ausgangsverfahren durch einen erhöhten Grad an Solidarität gekennzeichnet ist, und zwar insbesondere wegen der Unabhängigkeit der Beiträge vom Risiko, der Verpflichtung, alle Arbeitnehmer ohne vorherige ärztliche Untersuchung aufzunehmen, der Fortsetzung der Begründung von Rentenansprüchen unter Befreiung von der Beitragszahlung bei Arbeitsunfähigkeit, der Übernahme von vom Arbeitgeber bei dessen Konkurs geschuldeten Beitragsrückständen durch den Fonds sowie der Indexierung der Höhe der Renten zur Erhaltung ihres Wertes.

110 Derartige Zwänge, die die vom Fonds erbrachte Dienstleistung weniger wettbewerbsfähig als eine vergleichbare von Versicherungsgesellschaften erbrachte Dienstleistung machen, tragen nämlich dazu bei, das ausschließliche Recht dieses Fonds zur Verwaltung des Zusatzrentensystems zu rechtfertigen.

111 Nach alledem könnte die Entziehung des dem Fonds übertragenen ausschließlichen Rechts dazu führen, daß es ihm unmöglich würde, die ihm übertragenen Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu erfuellen, und daß sein finanzielles Gleichgewicht gefährdet würde.

112 Unter Verweisung auf das bereits genannte Urteil GB-Inno-BM vertritt die Firma Albany jedoch die Auffassung, der Umstand, daß der Fonds die doppelte Eigenschaft eines Verwalters des Rentensystems und der mit der Befugnis zur Gewährung von Freistellungen ausgestatteten Stelle habe, könne Anlaß zu einer ungerechten Ausübung der Freistellungsbefugnis geben.

113 Im Urteil GB-Inno-BM (Randnr. 28) hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß die Artikel 3 Buchstabe g, 86 und 90 des Vertrages es einem Mitgliedstaat untersagen, der Gesellschaft, die das öffentliche Fernmeldenetz betreibt, die Befugnis zu übertragen, Normen für Fernsprechgeräte zu erlassen und deren Einhaltung durch die Wirtschaftsteilnehmer zu überwachen, wenn diese Gesellschaft gleichzeitig auf dem Markt für diese Geräte im Wettbewerb mit den Wirtschaftsteilnehmern steht.

114 In Randnummer 25 dieses Urteils hat der Gerichtshof nämlich entschieden, daß die Vereinigung der Befugnisse in der Hand einer solchen Gesellschaft, den Anschluß von Fernsprechgeräten an das Netz zu genehmigen oder zu verweigern, und zum anderen die technischen Normen festzulegen, denen diese Anlagen genügen müssen, um zu prüfen, ob die nicht von ihr hergestellten Geräte den von ihr erlassenen Spezifikationen entsprechen, darauf hinausläuft, ihr die Befugnis zu übertragen, nach Belieben zu bestimmen, welche Endgeräte an das öffentliche Netz angeschlossen werden können, und ihr damit einen eindeutigen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern zu verschaffen.

115 Der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt weist aber Unterschiede gegenüber dem Sachverhalt auf, der Gegenstand des Urteils GB-Inno-BM ist.

116 Erstens ist ein Betriebsrentenfonds nach Artikel 5 Absatz 1 der Freistellungsrichtlinien verpflichtet, einem Unternehmen eine Freistellung zu gewähren, wenn dieses seinen Arbeitnehmern mindestens sechs Monate vor der Stellung des Antrags, aufgrund dessen die Mitgliedschaft im Fonds verbindlich vorgeschrieben worden ist, bereits eine Rentenversicherung geboten hat, die den Arbeitnehmern Ansprüche einräumt, die denjenigen, die sie bei Mitgliedschaft im Fonds erwerben würden, mindestens gleichwertig sind.

117 Da die genannte Vorschrift den Betriebsrentenfonds in bezug auf die Ausübung seiner Freistellungsbefugnis bindet, kann nicht angenommen werden, daß sie den Fonds zum Mißbrauch dieser Befugnis veranlassen könnte. Der Fonds beschränkt sich in einem solchen Fall nämlich auf die Prüfung, ob die vom zuständigen Minister festgelegten Voraussetzungen erfuellt sind (siehe in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-46/90 und C-93/91, Lagauche u. a., Slg. 1993, I-5267, Randnr. 49).

118 Ferner hat ein Betriebsrentenfonds gemäß Artikel 1 der Freistellungsrichtlinien die Befugnis, einem Unternehmen eine Freistellung einzuräumen, wenn dieses seinen Arbeitnehmern eine Rentenversicherung bietet, die diesen Ansprüche einräumt, die den sich aus dem Fonds ergebenden mindestens gleichwertig sind, sofern bei Ausscheiden aus dem Fonds eine von der Versicherungskammer als angemessen angesehene Entschädigung für den Schaden angeboten wird, den der Fonds aus versicherungstechnischer Sicht infolge des Ausscheidens gegebenenfalls erleidet.

119 Nach der genannten Vorschrift kann ein Betriebsrentenfonds also von der Verpflichtung zur Mitgliedschaft ein Unternehmen freistellen, das seinen Arbeitnehmern eine Rentenversicherung bietet, die derjenigen des Fonds gleichwertig ist, wenn eine solche Freistellung das finanzielle Gleichgewicht des Fonds nicht gefährdet. Die Ausübung dieser Freistellungsbefugnis setzt eine komplexe Bewertung der die beteiligten Rentensysteme und das finanzielle Gleichgewicht des Fonds betreffenden Daten voraus, was notwendigerweise einen weiten Ermessensspielraum impliziert.

120 In Anbetracht der Komplexität einer solchen Bewertung sowie der Risiken, die die Gewährung von Freistellungen für das finanzielle Gleichgewicht des Betriebsrentenfonds und damit für die Erfuellung der ihm übertragenen sozialen Aufgabe mit sich bringt, kann ein Mitgliedstaat der Auffassung sein, daß die Freistellungsbefugnis keiner anderen Stelle eingeräumt werden darf.

121 Jedoch haben die nationalen Gerichte, bei denen wie im vorliegenden Fall eine Klage gegen eine Aufforderung zur Zahlung der Beiträge anhängig ist, eine Kontrolle über die Entscheidung des Fonds, mit der eine Freistellung von der Mitgliedschaft abgelehnt wird, auszuüben, die ihnen zumindest die Prüfung ermöglicht, ob der Fonds von seiner Befugnis, eine Freistellung zu gewähren, keinen willkürlichen Gebrauch gemacht hat, und ob das Diskriminierungsverbot sowie die sonstigen die Rechtmässigkeit dieser Entscheidung betreffenden Voraussetzungen beachtet worden sind.

122 Was das Vorbringen der Firma Albany angeht, daß ein angemessenes Rentenniveau für die Arbeitnehmer durch die Festlegung von Mindestanforderungen sichergestellt werden könne, denen die von den Versicherungsgesellschaften angebotenen Renten genügen müssten, ist schließlich festzustellen, daß es in Anbetracht der sozialen Funktion der Zusatzrentensysteme und des Ermessensspielraums, über den die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung bei der Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit verfügen (Urteil vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 238/82, Duphar u. a., Slg. 1984, 523, Randnr. 16, Urteil Poucet und Pistre, Randnr. 6, und Urteil vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-70/95, Sodemare u. a., Slg. 1997, I-3395, Randnr. 27), Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats ist, unter Berücksichtigung der Besonderheiten seines nationalen Rentensystems zu prüfen, ob die Festlegung von Mindestanforderungen ihm noch ermöglichen würde, das Rentenniveau sicherzustellen, das er in einem Wirtschaftszweig dadurch zu gewährleisten beabsichtigt, daß er die Mitgliedschaft in einem Rentenfonds verbindlich vorschreibt.

123 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, daß die Artikel 86 und 90 des Vertrages dem Staat nicht verwehren, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem bestimmten Wirtschaftszweig einzuräumen.

Kostenentscheidung:

Kosten

124 Die Auslagen der niederländischen, der deutschen, der französischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Kantongerecht Arnheim mit Urteil vom 4. März 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Artikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG), 5 und 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG und 81 EG) stehen der Entscheidung des Staates nicht entgegen, auf Antrag der Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben.

2. Ein Rentenfonds, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, das durch einen Tarifvertrag zwischen den Organisationen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftszweigs vertreten, geschaffen worden ist und bei dem die Mitgliedschaft für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs durch den Staat verbindlich vorgeschrieben worden ist, ist ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. des Vertrages.

3. Die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) verwehren dem Staat nicht, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem bestimmten Wirtschaftszweig einzuräumen.

Ende der Entscheidung

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