Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.05.1997
Aktenzeichen: C-69/94
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Kommission konnte sich für den Erlaß der Entscheidung 93/673 zur pauschalen Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Agrarausgaben bei Nichteinhaltung der Vorschriften für die Übermittlung der jährlichen Fragebogen über die Anwendung der Zusatzabgaberegelung für Milch und insbesondere für die Festsetzung einer Kürzung in Höhe von 1 % des Gesamtbetrags, der dem Mitgliedstaat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr gezahlt wurde, bei verspäteter Übermittlung sowie in Höhe von 0,5 % dieses Gesamtbetrags bei einer Berechnung der Abgabe, die einen Fehler von mehr als 10 % aufweist, und in Höhe von 0,04 % für jede fehlende Angabe auf Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor stützen, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den in Rede stehenden Fragebogen vor dem angegebenen Tag ordnungsgemäß ausgefuellt zu übermitteln, und die Kommission befugt ist, die Vorschüsse nicht nur bei einer verspäteten Übermittlung des Fragebogens, sondern auch bei einer unvollständigen oder falschen Beantwortung zu kürzen.

Die Entscheidung verstösst nicht gegen die Verordnung Nr. 729/70 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, da bei einer Kürzung der Vorschüsse, die nicht endgültig sein kann, die Überprüfung der Berechtigung dieser Maßnahme im Rahmen des durch die Verordnung vorgeschriebenen Rechnungsabschlusses nicht ausgeschlossen ist und sich der betreffende Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit dann zur Rechtmässigkeit der Kürzung äussern kann, so daß die Verteidigungsrechte gewahrt werden.

Die Entscheidung verstösst auch nicht gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz, da ihr Zweck darin besteht, die Art der Vornahme der pauschalen Kürzung der Vorschüsse im Interesse der Einheitlichkeit der Anwendung und der Rechtssicherheit näher zu regeln und sie hierfür die verschiedenen, mit einem entsprechenden Kürzungssatz geahndeten Fälle einer Nichteinhaltung umschreibt. Die Merkmale, die sich aus dem pauschalen Charakter der Kürzungsmodalitäten ergeben, können insoweit nicht dazu führen, daß die Kürzung im Hinblick auf ihren Zweck unverhältnismässig ist; diese Modalitäten erscheinen als solche im Hinblick auf die Bedeutung einer ordnungsgemässen Übermittlung für die Verwaltung für die Abgaberegelung nicht unangemessen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 29. Mai 1997. - Französische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Milch - Zusatzabgaberegelung - Durchführungsbestimmungen - Entscheidung 93/673/EG - Befugnis der Kommission. - Rechtssache C-69/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 21. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 93/673/EG der Kommission vom 10. Dezember 1993 zur pauschalen Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Agrarausgaben bei Nichteinhaltung der Vorschriften für die Übermittlung der jährlichen Fragebogen über die Anwendung der Zusatzabgaberegelung im Milchsektor gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates (ABl. L 310, S. 44; im folgenden: streitige Entscheidung).

2 Im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse wurde durch die Verordnungen (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10) und Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) eine Zusatzabgaberegelung für Milch eingeführt. Diese Regelung wurde zunächst bis zum 31. März 1993 und dann durch die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1) mit einigen Änderungen, die sie verbessern und vereinfachen sollen, für weitere sieben aufeinanderfolgende Zwölfmonatszeiträume verlängert.

3 Artikel 10 der Verordnung Nr. 3950/92 regelt Art und Verwendung der Abgabe wie folgt:

"Die Abgabe gilt als Teil der Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte und wird zur Finanzierung der Ausgaben im Milchsektor eingesetzt."

4 Die Kommission hat, gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage des Artikels 11 dieser Verordnung, wonach "die Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung und insbesondere die Merkmale der Milch - wie der Fettgehalt -, die bei der Feststellung der gelieferten oder gekauften Milchmengen als repräsentativ gelten,... nach dem Verfahren des Artikels 30 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 erlassen" werden, die Verordnung (EWG) Nr. 536/93 vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 57, S. 12) erlassen. Artikel 8 vierter Gedankenstrich dieser Verordnung lautet:

"Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission:

-...

-...

-...

- vor dem 1. September jedes Jahres den im Anhang abgedruckten, ordnungsgemäß ausgefuellten Fragebogen. Bei Nichteinhaltung der Frist nimmt die Kommission eine pauschale Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Agrarausgaben vor;

-..."

5 Im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Frist wird in der fünften Begründungserwägung dieser Verordnung ausgeführt:

"Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Regelung infolge erheblicher Verzögerungen bei der Übermittlung der Zahlen über die Lieferungen oder Direktverkäufe sowie bei der Zahlung der Abgabe nicht voll wirksam sein konnte. Daraus sind die erforderlichen Folgerungen zu ziehen, indem strenge Anforderungen in Form von Übermittlungs- und Zahlungsfristen gestellt werden, die mit Strafmaßnahmen bewehrt sein müssen."

6 Die Kommission hat, gestützt auf Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93, die streitige Entscheidung erlassen, die folgende drei Artikel enthält:

"Artikel 1

Wird der Fragebogen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 jährlich nicht bis zum 1. September übermittelt, so nimmt die Kommission gegenüber den betreffenden Mitgliedstaaten für September eine Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Ausgaben in Höhe von 1 % des Gesamtbetrags vor, der dem betreffenden Staat für den Sektor Milch und Milcherzeugnisse im vorangegangenen Wirtschaftsjahr gezahlt wurde.

Artikel 2

Erweist sich anhand der Antworten auf den Fragebogen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 536/93, daß die Berechnung der der Gemeinschaft geschuldeten Abgabe um mehr als 10 % differiert, so nimmt die Kommission gegenüber den betreffenden Mitgliedstaaten eine Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Ausgaben in Höhe von 0,5 % des Gesamtbetrags vor, der dem betreffenden Mitgliedstaat für den Sektor Milch und Milcherzeugnisse für das Haushaltsjahr gezahlt wurde, das demjenigen vorausging, in dem die falsche Angabe nachgewiesen werden konnte.

Artikel 3

Erweist sich, daß die Antworten auf den Fragebogen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 unvollständig sind, so nimmt die Kommission gegenüber den betreffenden Mitgliedstaaten für jede fehlende Angabe eine Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Ausgaben in Höhe von 0,04 % des Gesamtbetrags vor, der dem betreffenden Mitgliedstaat für den Sektor Milch und Milcherzeugnisse für das vorangegangene Haushaltsjahr gezahlt wurde."

7 Die Französische Republik führt für ihre Klage gegen die streitige Entscheidung drei Nichtigkeitsgründe an:

- Verstoß gegen die Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 und 11 der Verordnung Nr. 3950/92 sowie Verletzung bestimmter wesentlicher Formvorschriften,

- Verstoß gegen die Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) und

- Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 und 11 der Verordnung Nr. 3950/92

8 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

Zur Rüge eines Verstosses gegen Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93

9 Die französische Regierung macht geltend, Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 könne zwar als Rechtsgrundlage für den Erlaß des Artikels 1 der streitigen Verordnung, nicht aber der Artikel 2 und 3 herangezogen werden. Er sehe eine pauschale Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Agrarausgaben nur für den Fall vor, daß der in Rede stehende Fragebogen der Kommission verspätet, also nach der festgesetzten Frist, übermittelt werde; der in Artikel 2 der streitigen Entscheidung geregelte Fall einer falschen und der in Artikel 3 dieser Entscheidung behandelte Fall einer unvollständigen Beantwortung des Fragebogens würden daher nicht erfasst.

10 Was insbesondere die Sanktionen für die falsche oder unvollständige Beantwortung des Fragebogens angehe, so verlangten die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere der Grundsatz, daß die Strafbarkeit gesetzlich geregelt sein müsse, daß die Sanktionen abschließend in einer Vorschrift aufgeführt seien und restriktiv ausgelegt würden.

11 Dagegen ist die Kommission der Auffassung, Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 sei eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlaß der streitigen Entscheidung, die finanzielle Konsequenzen für den Fall der nicht ordnungsgemässen Ausfuellung des Fragebogens vorsehe. Die Angaben in den Fragebogen seien unerläßlich, damit die Milchquotenregelung ihre volle Wirksamkeit entfalten und die Kommission ihre Verwaltungsaufgaben rechtzeitig erfuellen könne. Die Erfuellung dieser Aufgabe werde im Falle unvollständiger Antworten beeinträchtigt.

12 Aus dem Wortlaut von Artikel 8 vierter Gedankenstrich Satz 1 der Verordnung Nr. 536/93 ergibt sich, daß diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zwei Verpflichtungen auferlegt. Sie müssen den in Rede stehenden Fragebogen nicht nur vor dem angegebenen Tag, dem 1. September jedes Jahres, sondern auch ordnungsgemäß ausgefuellt übermitteln.

13 Die durch Artikel 8 vierter Gedankenstrich Satz 1 der Verordnung Nr. 536/93 auferlegten Verpflichtungen können daher nicht als erfuellt angesehen werden, wenn der Inhalt des rechtzeitig übermittelten Fragebogens weder richtig noch vollständig ist. Eine pauschale Kürzung der Vorschüsse im Sinne von Satz 2 dieser Bestimmung erfolgt daher, wenn einer der drei in der streitigen Entscheidung genannten Fälle eintritt, d. h., wenn der in Rede stehende Fragebogen nicht vor dem 1. September übermittelt wird oder wenn der bis zu diesem Zeitpunkt übermittelte Fragebogen unvollständig oder in bestimmtem Masse falsch ist.

14 Diese Auslegung wird durch den Zweck des Fragebogens und durch dessen Funktion im Rahmen der Verwaltung der mit der Verordnung Nr. 3950/92 eingeführten Zusatzabgaberegelung bestätigt.

15 Die Verwaltung dieser Regelung, mit der eine Form finanzieller Verantwortung, nämlich die Zusatzabgabe, eingeführt worden ist, ist den Mitgliedstaaten und der Kommission übertragen. Wie sich aus der 16. und 17. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3950/92 ergibt, umfasst sie insbesondere zwei Arten von Tätigkeiten, nämlich zum einen die Erhebung der Abgabe, die Kontrolle dieser Abgabeerhebung und die Übermittlung des Abgabeaufkommens an die Gemeinschaft und zum anderen den Erlaß von korrigierenden Interventionsmaßnahmen im Hinblick auf Strukturentwicklung und -anpassung.

16 Die Verordnung Nr. 536/93 enthält gemäß ihrer zweiten Begründungserwägung die Kontrollregeln, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob die Abgabe ordnungsgemäß erhoben worden ist. Die Kontrollmaßnahmen werden gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 536/93 von den zuständigen nationalen Behörden getroffen; gemäß Artikel 8 vierter Gedankenstrich dieser Verordnung unterrichten diese Behörden die Kommission jährlich mittels des genannten Fragebogens über die Ergebnisse, die die Lage hinsichtlich der Abgabeerhebung wiedergeben.

17 Nach den von der französischen Regierung nicht beanstandeten Ausführungen der Kommission müssen dieser die genannten Angaben über die Abgabeerhebung gemacht werden, damit sie rechtzeitig beurteilen kann, ob und inwieweit mit der Milchquotenregelung bei der Erzeugung die erwarteten Ergebnisse erzielt werden und welche budgetären Auswirkungen sie aufgrund der Entwicklung dieser Erzeugung für das laufende Haushaltsjahr und für die folgenden Haushaltsjahre hat. Der Mitgliedstaat leitet nämlich das Aufkommen aus der von ihm erhobenen Abgabe an die Gemeinschaft weiter, genauer gesagt an den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (im folgenden: EAGFL), der es gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 3950/92 einsetzt, um Ausgaben zur Stabilisierung und Regulierung des Marktes für Milcherzeugnisse zu finanzieren.

18 Der Fragebogen ist aber für die Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemässe Erfuellung ihrer Aufgabe im Rahmen des Haushaltsverfahrens nur von Nutzen, wenn er die Lage hinsichtlich der Abgabeerhebung zutreffend wiedergibt. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die in ihm enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

19 Ferner kann die Kommission Interventionsmaßnahmen nur vorschlagen, wenn sie über richtige und vollständige Angaben verfügt. Da etwaige Maßnahmen angemessen und an die tatsächliche Entwicklung angepasst sein müssen, muß der Fragebogen somit zuverlässig sein, d. h., richtige und vollständige Angaben enthalten.

20 Schließlich ist auf die Urteile vom 17. Oktober 1991 in den Rechtssachen C-342/89 (Deutschland/Kommission, Slg. 1991, I-5031, Randnr. 16) und C-346/89 (Italien/Kommission, Slg. 1991, I-5057, Randnr. 16) zu verweisen, nach denen die Kommission befugt ist, die monatlichen Vorschüsse zu kürzen, wenn sie feststellt, daß die staatliche Einrichtung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht für den EAGFL bestimmte Abgaben nicht eingezogen hat.

21 Die Kommission kann jedoch die ihr damit übertragene Befugnis unabhängig davon, welche Befugnis ihr nach Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 zusteht, nur ausüben, wenn die im Fragebogen enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind und es ihr somit ermöglichen, festzustellen, ob es die nationalen Behörden unterlassen haben, von Wirtschaftsteilnehmern, die die Quoten überschreiten, die geschuldete Abgabe zu erheben.

22 Die von der französischen Regierung erhobene Rüge eines Verstosses gegen Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 ist daher zurückzuweisen.

Zur Rüge eines Verstosses gegen Artikel 11 der Verordnung Nr. 3950/92

23 Die französische Regierung macht geltend, die Artikel 2 und 3 der streitigen Entscheidung könnten auch nicht auf Artikel 11 der Verordnung Nr. 3950/92 gestützt werden. Nach dieser Vorschrift sei die Kommission befugt, nach dem Verfahren des Artikels 30 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 (ABl. L 148, S. 13), dem sogenannten Verwaltungsausschußverfahren, die Durchführungsbestimmungen zu der Zusatzabgaberegelung zu erlassen. Auch wenn sich die in den Artikeln 2 und 3 der streitigen Entscheidung geregelten Sanktionen als Durchführungsbestimmungen im Sinne von Artikel 11 der Verordnung Nr. 3950/92 auffassen ließen, sei jedenfalls der Verwaltungsausschuß, dessen Beteiligung am Verfahren zum Erlaß der fraglichen Durchführungsmaßnahmen ausdrücklich vorgeschrieben sei, beim Erlaß der streitigen Entscheidung nicht angehört worden.

24 In der streitigen Entscheidung werden die Voraussetzungen für die Ausübung der Kürzungsbefugnis näher geregelt, die der Kommission durch Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 übertragen wurde, so daß nicht angenommen werden kann, daß sie als Durchführungsregelung unter Artikel 11 der Verordnung Nr. 3950/92 fällt.

25 Indem die streitige Entscheidung allgemein und für alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise die unterschiedlichen Kürzungssätze für die verschiedenen Arten von Mängeln festlegt, mit denen die Übermittlung des Fragebogens behaftet sein kann, regelt sie im Interesse der Rechtssicherheit die Art und Weise näher, in der die Kommission in den verschiedenen Fällen Kürzungen der Vorschüsse vorzunehmen gedenkt.

26 Auch die Rüge eines Verstosses gegen Artikel 11 der Verordnung Nr. 3950/92 ist demnach nicht begründet.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung Nr. 729/70

27 Da die Befugnisse, die der Kommission durch die fragliche Gemeinschaftsregelung übertragen werden, nicht ausdrücklich festgelegt sind, stützt sich die französische Regierung für diesen Nichtigkeitsgrund auf die oben angeführten Urteile Deutschland/Kommission und Italien/Kommission.

28 Sie macht geltend, die durch die streitige Entscheidung eingeführten finanziellen Sanktionen gegen die Mitgliedstaaten stellten im Gegensatz zu den Kürzungen, die Gegenstand der Urteile Deutschland/Kommission und Italien/Kommission gewesen seien, endgültige Sanktionen dar. Die Anwendung dieser Sanktionen erfolge damit automatisch. Was im übrigen die Wahrung der Verteidigungsrechte anbelange, so sei der betroffene Mitgliedstaat weder nach der streitigen Entscheidung noch nach der Verordnung Nr. 536/93 berechtigt, zu einer gegen ihn erlassenen Kürzungsmaßnahme Stellung zu nehmen, insbesondere Rechtfertigungsgründe für die geahndete Verzögerung vorzubringen.

29 Dieser Klagegrund ist zurückzuweisen. Wie bereits in Randnummer 20 dieses Urteils ausgeführt, hat der Gerichtshof in den Urteilen Deutschland/Kommission und Italien/Kommission entschieden, daß die Kommission befugt ist, die monatlichen Vorschüsse bis zur endgültigen Entscheidung über den Jahresrechnungsabschluß zu kürzen, wenn die staatliche Einrichtung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht für den EAGFL bestimmte Abgaben nicht eingezogen hat.

30 Wie der Gerichtshof ferner in Randnummer 18 der Urteile Deutschland/Kommission und Italien/Kommission festgestellt hat, haben die Entscheidungen über die monatlichen Vorschüsse, die im Laufe des Haushaltsjahrs allein anhand der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Daten getroffen werden, nur einstweiligen, provisorischen Charakter und können die abschließende endgültige Entscheidung über den Jahresrechnungsabschluß nicht vorwegnehmen. Diese Entscheidung fällt am Ende des besonderen kontradiktorischen Verfahrens, in dem die betroffenen Mitgliedstaaten alle für die Darstellung ihres Standpunkts erforderlichen Garantien besitzen.

31 Wenn nun eine solche Entscheidung über die Kürzung der monatlichen Vorschüsse, die erlassen wird, wenn unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht für den EAGFL bestimmte Abgaben nicht eingezogen worden sind, nur einstweilig und provisorisch ist und dem Rechnungsabschlußverfahren unterliegt, so muß das gleiche für eine Entscheidung gelten, durch die diese monatlichen Vorschüsse gemäß Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 gekürzt werden, weil die vorgeschriebenen Angaben über solche Abgaben nicht ordnungsgemäß übermittelt worden sind. Diese Entscheidung kann daher nicht endgültig sein und einer Überprüfung im Rahmen des Rechnungsabschlusses nicht entgegenstehen.

32 Entgegen den Ausführungen der französischen Regierung ist folglich bei einer Kürzung der Vorschüsse nach Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 die Überprüfung der Berechtigung dieser Maßnahme im Rahmen des durch die Verordnung Nr. 729/70 vorgeschriebenen Rechnungsabschlusses nicht ausgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit kann sich die französische Regierung dann zur Rechtmässigkeit einer Kürzung der Vorschüsse äussern, so daß die Verteidigungsrechte gewahrt werden.

Dritter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

33 Die französische Regierung weist zunächst darauf hin, daß die Kommission für die Verwaltung des Marktes für Milch über andere Informationsquellen als den Fragebogen verfüge und daß kein Zusammenhang zwischen der Einhaltung der für die Übermittlung des Fragebogens festgesetzten Frist und der Wirksamkeit der Regelung bestehe.

34 Die französische Regierung macht ferner unter Berufung auf die Urteile vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 122/78 (Buitoni, Slg. 1979, 677), vom 24. September 1985 in der Rechtssache 181/84 (Man [Sugar], Slg. 1985, 2889) und vom 18. April 1989 in der Rechtssache 358/87 (Drewes, Slg. 1989, 891) geltend, die Verpflichtung zur Übermittlung des Fragebogens innerhalb der festgesetzten Frist sei eine Nebenpflicht, deren Nichtbeachtung nicht mit einer Sanktion geahndet werden dürfe, die ebenso streng oder gar strenger sei als die Sanktion, die bei Nichtbeachtung einer Hauptpflicht, nämlich bei der Nichteinziehung der von den Erzeugern im Falle der Überschreitung ihrer Referenzmengen geschuldeten Zusatzabgabe, verhängt werden könne.

35 Die durch die streitige Entscheidung eingeführten Sanktionen seien in Anbetracht ihrer automatischen Verhängung, ihrer fehlenden Abstufung und der Höhe der einbehaltenen Beträge unverhältnismässig. So seien bei einer nicht ordnungsgemässen Anwendung von Verwaltungsmaßnahmen pauschal und automatisch verhängte Sanktionen zu streng im Sinne des Urteils Buitoni (a. a. O.). Es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem einbehaltenen Betrag und dem finanziellen Schaden des EAGFL. Dieser sich aus der Verzögerung der Einziehung ergebende Schaden werde nämlich schon durch die von den Marktbeteiligten geschuldeten Verzugszinsen ausgeglichen. Im übrigen könnten die in den Artikeln 1 und 3 der streitigen Entscheidung vorgesehenen Sanktionen einem Mitgliedstaat selbst dann auferlegt werden, wenn keine Zusatzabgabe an den EAGFL zu entrichten sei.

36 Artikel 1 der streitigen Entscheidung enthalte keine Abstufung der Sanktionen nach dem Ausmaß der Verzögerung. Bei Artikel 2 sei schwer verständlich, weshalb ein Mitgliedstaat für Abgabenverkürzungen bestraft werden sollte, die er selbst durch die von ihm vorgenommenen Nachprüfungen aufgedeckt habe. Nach dieser Bestimmung könne ferner häufig eine Sanktion verhängt werden, die ebenso schwer, ja sogar schwerer wiege als die Berichtigung, die sich im Rahmen des Rechnungsabschlusses ergeben hätte, wenn der tatsächlich geschuldete Betrag und der anhand der Antworten auf den in Rede stehenden Fragebogen berechnete Betrag um 10 % differierten. Artikel 3 enthalte ebenfalls keine Abstufung nach der Bedeutung des Fehlens der einzelnen Angaben.

37 Die Kommission hält dem entgegen, die Rechtsprechung zu den Haupt- und Nebenpflichten sei nicht anwendbar, da der Gerichtshof sie in dem ganz besonderen Rahmen der Kautionsleistung entwickelt habe. Im übrigen sei die Übermittlung der mit dem Fragebogen verlangten Angaben vor dem 1. September keine unerfuellbare Aufgabe, da die Mitgliedstaaten vor diesem Zeitpunkt über die entsprechenden Daten verfügten. Die finanziellen Nachteile, insbesondere die in Artikel 2 der streitigen Entscheidung geregelten Folgen falscher Angaben, beträfen nur eine begrenzte Zahl der Angaben, auf die sich der Fragebogen beziehe. So sei die in Artikel 2 der streitigen Entscheidung geregelte Marge von 10 % von der Französischen Republik nur einmal während des Wirtschaftsjahres 1987/88 mit einer Differenz von 12,67 % überschritten worden. Die streitige Entscheidung enthalte demnach eine Abstufung der finanziellen Nachteile nach der Art des Verstosses des Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtung, den Fragebogen vor dem 1. September zu übermitteln.

38 Zur Beurteilung der Vereinbarkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift insbesondere aus dem Bereich der gemeinsamen Agrarmarktorganisationen mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist zu prüfen, ob die durch diese Vorschrift eingeführten Maßnahmen die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zweckes angemessen und erforderlich ist. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Maßnahmen, die die fragliche Vorschrift zur Erreichung des verfolgten Zweckes vorsieht, dessen Bedeutung entsprechen und ob sie erforderlich sind, um diesen Zweck zu erreichen (vgl. Urteil vom 21. Januar 1992 in der Rechtssache C-319/90, Preßler, Slg. 1992, I-203, Randnr. 12).

39 Der Zweck der streitigen Entscheidung besteht darin, die Art der Vornahme der pauschalen Kürzung der Vorschüsse im Interesse der Einheitlichkeit der Anwendung und der Rechtssicherheit näher zu regeln. Sie umschreibt hierfür die verschiedenen Fälle einer Nichteinhaltung der Pflicht zur Übermittlung des Fragebogens innerhalb der festgesetzten Frist und legt für jeden Fall einen entsprechenden Kürzungssatz fest.

40 Erstens wird die Verhältnismässigkeit der durch die streitige Entscheidung vorgesehenen Kürzungsmodalitäten weder dadurch in Frage gestellt, daß andere Informationsquellen bestehen, noch dadurch, daß angeblich kein Zusammenhang zwischen der Einhaltung der für die Rücksendung des Fragebogens festgesetzten Frist und der Wirksamkeit der Regelung besteht.

41 Zwar verfügt die Kommission tatsächlich über andere Informationsquellen, jedoch steht nicht fest, daß die sich aus diesen Quellen ergebenden Informationen inhaltlich und hinsichtlich des Zeitpunkts ihrer Verfügbarkeit denen entsprechen, die mit dem Fragebogen angefordert werden.

42 Im Hinblick auf das angebliche Fehlen eines Zusammenhangs zwischen der Wirksamkeit der Regelung und der Frist genügt die Bemerkung, daß die Französische Republik selbst auf die Funktion und die Bedeutung der Frist im Rahmen des Haushaltsverfahrens hinweist. Die Erkenntnisse, die sich im Rahmen dieses Verfahrens aus den mit Hilfe der Fragebogen übermittelten Angaben ergeben, ermöglichen es der Kommission, ihre Rolle als Verwalterin auszuüben, und sei es auch nur dadurch, daß sie den zuständigen Organen etwa gebotene Korrekturmaßnahmen vorschlägt.

43 Zweitens ist die Rüge der französischen Regierung betreffend die Erforderlichkeit einer Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenpflichten zurückzuweisen, da eine vorläufige monatliche Kürzung der Vorschüsse auf die Übernahme der Agrarausgaben wegen Nichtbeachtung der Frist für die Übermittlung des in Rede stehenden Fragebogens nicht mit der endgültigen Ablehnung der Übernahme eines Betrages wegen einer durch den Mitgliedstaat zu Unrecht nicht erhobenen Abgabe zu vergleichen ist.

44 Indem durch die streitige Entscheidung Kürzungssätze festgelegt werden, die für die verschiedenen Fälle der Nichtbeachtung der sich aus Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 ergebenden Verpflichtung unterschiedlich hoch sind, wird berücksichtigt, welche Bedeutung der jeweilige Fall der Nichtbeachtung für die Kommission bei der Erfuellung ihrer Aufgabe als Verwalterin der Zusatzabgaberegelung hat.

45 Allerdings haben die Kürzungsmodalitäten der streitigen Entscheidung, wie die französische Regierung hervorhebt, trotz der Abstufung der Kürzungssätze nach Maßgabe der verschiedenen Nichtbeachtungsfälle einen gewissen pauschalen Charakter.

46 So wird die unterschiedliche Bedeutung der Teile des Fragebogens bei der Anwendung der Artikel 1 und 3 der streitigen Entscheidung nicht berücksichtigt; in Artikel 2 dieser Entscheidung wird kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Kürzung und der Höhe der Berichtigung hergestellt, die bei einer Differenz von mehr als 10 % zwischen der tatsächlich geschuldeten und der anhand des Fragebogens berechneten Abgabe vorzunehmen ist; die streitige Entscheidung berücksichtigt in keiner Weise, welcher finanzielle Schaden dem EAGFL durch die Nichtbeachtung der in Artikel 8 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 536/93 geregelten Verpflichtung entsteht.

47 Diese Merkmale, die sich aus dem pauschalen Charakter der Kürzungsmodalitäten ergeben, können jedoch nicht dazu führen, daß die Kürzung im Hinblick auf ihren Zweck unverhältnismässig ist. Diese Kürzungsmodalitäten (Kürzung, allerdings nur der Vorschüsse für September, in Höhe von 1 % des Gesamtbetrags, der dem Mitgliedstaat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr gezahlt wurde, bei verspäteter Übermittlung des Fragebogens, Kürzung in Höhe von 0,5 % dieses Gesamtbetrags bei einer Berechnung der Abgabe, die einen Fehler von mehr als 10 % aufweist, und Kürzung in Höhe von 0,04 % für jede fehlende Angabe) erscheinen als solche im Hinblick auf die Bedeutung einer ordnungsgemässen Übermittlung für die Verwaltung der Abgaberegelung nicht unangemessen. Sie sind dies insbesondere deshalb nicht, weil sie nicht endgültig auf die zu berücksichtigenden Ausgaben, sondern, wie sich aus den Ausführungen zum Verstoß gegen die Verordnung Nr. 729/70 ergibt, nur auf die monatlichen Vorschüsse anzuwenden sind, so daß sie nur vorläufig sind und ihre Berechtigung der Überprüfung im Rahmen des Rechnungsabschlusses unterliegt.

48 Auch dieser letzte Klagegrund greift daher nicht durch.

49 Nach alledem ist die Klage somit insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück