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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 23.03.2001
Aktenzeichen: C-7/01 P (R)
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Entscheidung 2000/117/EG, EGV, Verfahrensordnung
Vorschriften:
EG-Satzung Art. 50 Abs. 2 | |
Entscheidung 2000/117/EG | |
EGV Art. 242 | |
Verfahrensordnung Art. 104 |
1. Die Beurteilung des Richters der einstweiligen Anordnung, dass die Beschlüsse eines Unternehmensverbands für seine Mitglieder bindend seien, kann im Rahmen eines Rechtsmittels nicht in Frage gestellt werden. Nach den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und kann nur auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden.
( vgl. Randnrn. 38, 45 )
2. Betrifft ein Rechtsstreit eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsvorschriften, die durch einen Beschluss eines Unternehmensverbands erfolgt ist, und wird in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die objektiven Interessen des Verbandes nicht gegenüber den Interessen seiner Mitgliedsunternehmen selbständig sind, so kann der Richter der einstweiligen Anordnung, der mit einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission befasst ist, mit der gegen diesen Verband eine Geldbuße verhängt wurde, das Interesse des Verbandes an seinem Fortbestand nicht unabhängig von dem Interesse dieser Unternehmen beurteilen.
Die gegenteilige Auffassung würde praktisch darauf hinauslaufen, dass systematisch jedem Unternehmensverband eine Aussetzung des Vollzugs zu gewähren wäre, der Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission erhebt, mit der gegen ihn eine unter Berücksichtigung des von sämtlichen Mitgliedsunternehmen erzielten Umsatzes errechnete Geldbuße verhängt wird.
Einer solchen Auffassung kann nicht gefolgt werden, insbesondere nicht in dem ganz speziellen Rahmen eines Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung, eine Bankbürgschaft als Voraussetzung dafür zu stellen, dass eine von der Kommission verhängte Geldbuße nicht sofort beigetrieben wird; einem solchen Antrag kann nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stattgegeben werden.
Im Übrigen kann die bloße einseitige Weigerung der Mitglieder dieses Unternehmensverbands, Beistand zu leisten, kein hinreichender Grund dafür sein, dass die Finanzlage dieser Mitglieder unberücksichtigt bleibt. Der Umfang des behaupteten Schadens kann nämlich nicht vom einseitigen Willen der Mitglieder des Verbandes abhängig sein, der die Aussetzung in einer Situation verlangt, in der sich die Interessen des Verbandes und die seiner Mitglieder überschneiden.
( vgl. Randnrn. 42-44, 46 )
Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. März 2001. - Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, City Electrical Factors BV und CEF Holdings Ltd. - Rechtsmittel - Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Wettbewerb - Zahlung einer Geldbuße - Bankbürgschaft. - Rechtssache C-7/01 P (R).
Parteien:
In der Rechtssache C-7/01 P(R)
Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied mit Sitz in Den Haag (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: E. H. Pijnaker Hordijk, S. H. de Ranitz und S. B. Noë, advocaten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache T-5/00 R (FEG/Kommission, Slg. 2000, II-4121) wegen Aufhebung dieses Beschlusses, Zurückverweisung der Sache an das Gericht und Antrags, die Kostenentscheidung vorzubehalten,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Antragsgegnerin im ersten Rechtszug,
CEF City Electrical Factors BV mit Sitz in Rotterdam (Niederlande)
und
CEF Holdings Ltd mit Sitz in Kennilworth (Vereinigtes Königreich),
Prozessbevollmächtigte: C. M. H. C. Vinken-Geijselaers, F. Stuyck und M. A. Poelman, advocaten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelferinnen im ersten Rechtszug,
erlässt
DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFES
nach Anhörung des Generalanwalts P. Léger
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
1 Die Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied (im Folgenden: FEG) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 9. Januar 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 50 Absatz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache T-5/00 R (FEG/Kommission, Slg. 2000, II-4121), im Folgenden: angefochtener Beschluss) eingelegt, mit dem ihr Antrag auf einstweilige Anordnung der teilweisen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung 2000/117/EG der Kommission vom 26. Oktober 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/33.884 - Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie [FEG und TU]) (ABl. 2000, L 39, S. 1, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) zurückgewiesen worden ist.
2 Außer der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt die FEG, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.
3 Die Kommission hat mit am 13. Januar 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenem Schreiben Stellung genommen. Die CEF City Electrical Factors BV (im Folgenden: CEF City) und die CEF Holdings Ltd (im Folgenden: CEF Holdings) haben mit am 9. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenem Schreiben Stellung genommen.
Rechtlicher Rahmen, Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht
4 Was den rechtlichen Rahmen, den Sachverhalt und das Verfahren vor dem Gericht angeht, wird auf die Randnummern 1 bis 22 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
5 Aus diesen Randnummern geht insbesondere hervor, dass die Rechtsmittelführerin nach Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung mit am 25. September 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragt hat, den Vollzug dieser Entscheidung bis zum Ende des zweiten Monats nach Verkündung des Urteils auszusetzen.
6 Aus diesen Randnummern geht auch hervor, dass die Rechtsmittelführerin den ursprünglichen Antrag auf einstweilige Anordnung mit am 25. Oktober 2000 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragenem Schreiben geändert hat. Darin hat sie sich bereit erklärt, sich um eine Bankbürgschaft in Höhe ihres eigenen Vermögens am Ende des Geschäftsjahres 1999 zu bemühen (im Folgenden: vorgeschlagene Bürgschaft).
Der angefochtene Beschluss
7 Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Präsident des Gerichts, nachdem er dem Antrag der CEF City und der CEF Holdings auf Zulassung als Streithelferinnen im Verfahren der einstweiligen Anordnung stattgegeben hat, den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen.
8 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat zunächst festgestellt, dass der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung sinnvollerweise nur darauf gerichtet sein könne, der Rechtsmittelführerin zu gestatten, als Voraussetzung dafür, dass die durch diese Entscheidung auferlegte Geldbuße nicht sofort beigetrieben werde, statt der von der Kommission verlangten Bürgschaft (im Folgenden: verlangte Bürgschaft) die vorgeschlagene Bürgschaft zu stellen.
9 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat sodann darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung einem solchen Antrag nur stattgegeben werden könne, wenn außergewöhnliche Umstände vorlägen (Beschlüsse des Gerichtshofes vom 6. Mai 1982 in der Rechtssache 107/82 R, AEG/Kommission, Slg. 1982, 1549, Randnr. 6, und vom 14. Dezember 1999 in den Rechtssachen C-335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 55, und C-364/99 P[R], DSR-Senator Lines/Kommission, Slg. 1999, I-8733, Randnr. 48). Die Möglichkeit, die Stellung einer Bürgschaft zu verlangen, sei nämlich für die Verfahren der einstweiligen Anordnung ausdrücklich in den Verfahrensordnungen des Gerichtshofes und des Gerichts vorgesehen und entspreche einem generellen sachgerechten Verhalten der Kommission.
10 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat sich daher im Rahmen der Prüfung der Voraussetzung der Dringlichkeit mit der Frage befasst, ob die Rechtsmittelführerin den Beweis dafür erbracht hat, dass es ihr unmöglich war, die verlangte Bürgschaft zu stellen, ohne ihre Existenz zu gefährden.
11 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat insoweit darauf hingewiesen, dass für den Fall der Begehung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG durch einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung die Hoechstgrenze der Geldbuße, die nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), 10 % des im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes entspreche, unter Berücksichtigung des Umsatzes berechnet werden müsse, der von sämtlichen Mitgliedsunternehmen der Vereinigung erzielt worden sei, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten könne (Beschluss des Gerichts vom 4. Juni 1996 in der Rechtssache T-18/96 R, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, II-407, Randnr. 33, in der Rechtsmittelinstanz bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 35). Diese Feststellung beruhe auf dem Gedanken, dass der Einfluss, den eine Unternehmensvereinigung auf den Markt ausüben könne, nicht von ihrem eigenen Umsatz abhänge, der weder ihre Größe noch ihre Wirtschaftskraft aufzeige, sondern von dem ihrer Mitglieder, der einen Hinweis auf ihre Größe und Wirtschaftskraft darstelle (Urteile des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 137, und vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 385, sowie Beschluss SCK und FNK/Kommission vom 4. Juni 1996, Randnr. 33).
12 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat daher geprüft, ob die Satzung und die Geschäftsordnung der FEG Bestimmungen enthalten, die es ihr erlauben, ihre Mitglieder zu verpflichten.
13 Dazu wird im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 3 Buchstaben f und g ihrer Satzung die FEG das Ziel habe, die gemeinsamen Belange des lagerhaltenden Großhandels für elektrotechnische Artikel wahrzunehmen, u. a. durch die Förderung geordneter Marktverhältnisse im weitesten Sinne des Wortes und durch den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit anderen Körperschaften oder Organisationen, die einen Bezug zum Großhandel mit elektrotechnischen Artikeln haben. Alle Mitglieder seien insbesondere nach Artikel 16 der Satzung gehalten, sich genauestens an die Bestimmungen der Satzung, die Geschäftsordnung und die Entscheidungen des Vorstands und der Vollversammlung zu halten. Aus Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 6 der Satzung ergebe sich, dass ein Mitglied aus dem Verband ausgeschlossen werden könne, wenn es nicht mehr die in der Satzung und der Geschäftsordnung festgelegten Voraussetzungen erfuelle. Habe ein Mitglied nach Ansicht des Vorstands die Satzung, die Geschäftsordnung oder vom Verband rechtmäßig getroffene Entscheidungen missachtet, so könne ihm eine Rüge erteilt, seine Mitgliedschaft ausgesetzt oder gegen ihn eine Geldbuße von bis zu 10 000 NLG verhängt werden.
14 Weiter heißt es in dem angefochtenen Beschluss, dass es zu den in den Artikeln 1 und 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen der Rechtsmittelführerin insbesondere in den Begründungserwägungen 39, 44, 48, 53, 71, 76, 79, 82, 84, 85, 92, 111 und 122 der angefochtenen Entscheidung zahlreiche Hinweise darauf gebe, dass das Verhalten des Verbandes bei der Entstehung der behaupteten Absprachen - der kollektiven Ausschließlichkeitsregelung und der Preisabsprachen zwischen seinen Mitgliedern - für seine Mitglieder bindend gewesen sei.
15 Der Richter der einstweiligen Anordnung führt aus, dass, obwohl die Rechtsmittelführerin die Richtigkeit der Schlussfolgerungen bestreite, die die Kommission bezüglich des Vorliegens dieser Zuwiderhandlungen in der angefochtenen Entscheidung gezogen habe, es auf den ersten Blick in den Akten keinen Anhaltspunkt für Zweifel daran gebe, dass die Anwendung dieser behaupteten Absprachen im Interesse ihrer Mitglieder gelegen habe.
16 Aus diesen Feststellungen hat der Richter der einstweiligen Anordnung den Schluss gezogen, dass die objektiven Interessen der Rechtsmittelführerin auf den ersten Blick nicht als unabhängig von den Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen angesehen werden könnten.
17 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat daher festgestellt, dass die Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens, die im vorliegenden Fall aus der Stellung der verlangten Bürgschaft resultieren solle, unter Berücksichtigung der Größe und der Wirtschaftskraft der Mitgliedsunternehmen der FEG zu beurteilen sei.
18 Dazu heißt es im angefochtenen Beschluss, die Kommission habe vorgetragen, ohne dass die Rechtsmittelführerin ihr widersprochen hätte, dass die Geldbuße weniger als 0,5 % des Gesamtumsatzes der Mitglieder der FEG im Wirtschaftsjahr 1994 darstelle. Somit sei davon auszugehen, dass die Mitglieder der FEG über ausreichende Finanzkraft für die Zahlung der verhängten Geldbuße und erst recht für die Stellung der verlangten Bürgschaft verfügten.
19 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat daher den Schluss gezogen, dass die Rechtsmittelführerin nicht dargelegt habe, dass der Vollzug von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der angefochtenen Entscheidung vor einer Entscheidung des Gerichts über die Klage geeignet wäre, den behaupteten schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zu verursachen, der im Konkurs der Rechtsmittelführerin bestehen solle.
20 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat schließlich hinzugefügt, dass diese Schlussfolgerung durch das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zur vorgeschlagenen Bürgschaft nicht beeinträchtigt werde.
21 Die bloße Tatsache nämlich, dass sich die Rechtsmittelführerin bereit erkläre, eine solche Bürgschaft zu stellen, die angeblich dem Wert ihres Vermögens am Ende des Geschäftsjahres 1999 entspreche, in dem die Geldbuße verhängt worden sei, sei unerheblich. Aus den Ausführungen der Rechtsmittelführerin in der Verhandlung sowie aus ihrem letzten Schreiben vom 6. November 2000 gehe klar hervor, dass der von der vorgeschlagenen Bürgschaft gedeckte kleine Teil (ungefähr 4 %) der verhängten Geldbuße nur den Anteil darstelle, den bestimmte Mitglieder der FEG letztlich zu tragen bereit gewesen seien, um der Rechtsmittelführerin die Weiterverfolgung ihrer Klage zu ermöglichen. Die Rechtsmittelführerin habe keinen Beweis dafür erbracht, dass ihre Mitglieder nicht in der Lage seien, die für die Stellung der verlangten Bürgschaft erforderlichen Mittel aufzubringen.
22 Demgemäß ist der Richter der einstweiligen Anordnung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rechtsmittelführerin nicht der Nachweis dafür gelungen sei, dass ihr ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstuende, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen würde.
23 Folglich sei der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, ohne dass geprüft zu werden brauche, ob die anderen Voraussetzungen für die beantragte Aussetzung erfuellt seien.
Das Rechtsmittel
24 Die Rechtsmittelführerin beantragt in ihrer Rechtsmittelschrift,
- den angefochtenen Beschluss aufzuheben,
- die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und
- die Kostenentscheidung vorzubehalten.
25 Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Rechtsmittelführerin aus, der angefochtene Beschluss habe zur Folge, dass sie, obwohl sie gegen die angefochtene Entscheidung, mit der ein Bußgeld gegen sie verhängt worden sei, Klage erhoben habe, auf Veranlassung derjenigen Stelle aufgelöst werde, die die Geldbuße gegen sie verhängt habe, und zwar noch bevor sie mit ihrer Klage gegen die angefochtene Entscheidung vor einem unabhängigen Richter Gehör gefunden habe. Im Einzelnen bestreitet die Rechtsmittelführerin, dass auf den ersten Blick anzunehmen sei, dass ihre objektiven Interessen mit denen ihrer Mitglieder gleichzusetzen seien, und dass deshalb für die Beurteilung der Frage, ob sie einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde, wenn die beantragte Aussetzung nicht angeordnet werde, die finanzielle Situation der Mitglieder zu berücksichtigen sei.
26 Dieser einzige Rechtsmittelgrund gliedert sich in vier Rügen. Erstens habe der Richter der einstweiligen Anordnung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht die Rechtsmittelführerin mit ihren Mitgliedern gleichgesetzt. Zweitens verkenne der angefochtene Beschluss den Anspruch der Rechtsmittelführerin auf einen umfassenden und effektiven Rechtsschutz. Drittens liege wegen einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung ein Verstoß gegen Artikel 242 EG in Verbindung mit Artikel 104 der Verfahrensordnung des Gerichts vor. Viertens habe der Richter der einstweiligen Anordnung das Gemeinschaftsrecht dadurch verletzt, dass er zugelassen habe, dass die Kommission den Anspruch der FEG auf Rechtsschutz missbrauche.
27 Die Kommission sowie die CEF City und die CEF Holdings beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu verurteilen.
Würdigung
28 Da die schriftlichen Erklärungen der Parteien alle für die Entscheidung über das Rechtsmittel erforderlichen Informationen enthalten, besteht kein Anlass, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Zum ersten Teil des Rechtsmittelgrundes
29 Mit dem ersten Teil ihres Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, der Richter der einstweiligen Anordnung habe nicht allein deswegen, weil auf den ersten Blick die Anwendung der Absprachen im Interesse der Mitglieder liege und das Verhalten des Verbandes bei der Begehung der Zuwiderhandlungen für seine Mitglieder bindend gewesen sei, den Schluss ziehen dürfen, dass die Interessen der Rechtsmittelführerin nicht unabhängig von denen ihrer Mitglieder gewesen seien.
30 Erstens könne in einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 ein Verband nicht allgemein mit seinen Mitgliedern gleichgesetzt werden. Zweitens gelte der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsame Grundsatz, dass Dritte normalerweise nicht für die Verbindlichkeiten einer juristischen Person haften, auch für die Mitglieder eines Verbandes mit eigener Rechtspersönlichkeit. Selbst wenn es anders wäre, sei es drittens rechtlich nicht zulässig, einen Unternehmensverband, der eine eigene Rechtspersönlichkeit besitze, mit seinen Mitgliedern gleichzusetzen, wenn der Verband und seine Mitglieder weder eine wirtschaftliche Einheit bildeten noch derart eng miteinander verbunden seien, dass sie in ihren Beziehungen zu Dritten als eine Einheit angesehen werden könnten.
31 Das Interesse der Rechtsmittelführerin an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung unterscheide sich im vorliegenden Fall von dem Interesse ihrer Mitglieder. Dazu weist die Rechtsmittelführerin darauf hin, dass die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an sechs ihrer Mitglieder erlassen habe, dass sie sich aber letztlich für deren Rücknahme entschieden habe. Sie trägt außerdem vor, sie könne ihre Mitglieder nicht zwingen, ihr Beistand zu leisten.
32 Der Richter der einstweiligen Anordnung habe zu Unrecht angenommen, dass die festgestellten Zuwiderhandlungen auf Entscheidungen der Rechtsmittelführerin beruhten, die für ihre Mitglieder bindend gewesen seien.
33 In dieser Hinsicht ist vorab darauf hinzuweisen, dass aus dem angefochtenen Beschluss weder hervorgeht, dass die Rechtsmittelführerin allgemein mit ihren Mitgliedern gleichgestellt wurde, noch, dass in ihm die Auffassung vertreten wurde, dass die Mitglieder für die Schulden der Rechtsmittelführerin haften.
34 Der Richter der einstweiligen Anordnung hat nach Prüfung der ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände lediglich festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin nach ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten könne und dass es auf den ersten Blick keinen Anhaltspunkt für Zweifel daran gebe, dass die Anwendung der der Rechtsmittelführerin zur Last gelegten Absprachen im Interesse ihrer Mitglieder liege. Aufgrund dieser Vermischung der Interessen der FEG und ihrer Mitglieder ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Beurteilung der Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens die Größe und die Wirtschaftskraft der Mitgliedsunternehmen der Rechtsmittelführerin zu berücksichtigen seien.
35 Zwar erfolgte die beanstandete Zuwiderhandlung durch einen Beschluss der FEG, doch geht aus den Feststellungen des Richters der einstweiligen Anordnung hervor, dass bei der Begehung der Zuwiderhandlung auf den ersten Blick die Interessen der Rechtsmittelführerin mit denen ihrer Mitglieder vermengt wurden.
36 Dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin ist nicht zu entnehmen, dass der Richter der einstweiligen Anordnung dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass er diese Vermengung der Interessen berücksichtigt hat, um beurteilen zu können, ob der Rechtsmittelführerin tatsächlich ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht.
37 Insbesondere ist die Tatsache, dass die Rechtsmittelführerin ihre Mitglieder nicht zwingen kann, ihr Beistand zu leisten - worüber sich der Richter der einstweiligen Anordnung übrigens vollständig im Klaren war - unerheblich. Angesichts der festgestellten Interessenvermischung genügte nämlich die Feststellung, dass die Verbandsmitglieder in der Lage waren, die Bürgschaft zu stellen, so dass sich der behauptete Schaden in vollem Umfang als vermeidbar erwies.
38 Was die Beurteilung des Richters der einstweiligen Anordnung anbelangt, dass die Beschlüsse des Verbandes für seine Mitglieder bindend seien, so kann diese Beurteilung im Rahmen eines Rechtsmittels nicht in Frage gestellt werden. Nach den Artikeln 225 EG und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und kann nur auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden.
Zum zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes
39 Die Rechtsmittelführerin macht geltend, der angefochtene Beschluss habe ihren Anspruch auf einen umfassenden und effektiven Rechtsschutz verletzt, da die Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnung ihren Konkurs herbeiführe und sie dadurch außerstande sei, das Hauptverfahren fortzusetzen.
40 Der Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnung und dem behaupteten Konkurs sei bewiesen. Die Mitglieder der Rechtsmittelführerin seien nämlich zwar in der Lage, ihr Beistand zu leisten, um den Konkurs abzuwenden, sie seien jedoch hierzu rechtlich nicht verpflichtet.
41 In dieser Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der Richter der einstweiligen Anordnung zu Recht auf die zwischen der Rechtsmittelführerin und ihren Mitgliedern bestehende Interessenvermengung stützen konnte, um zu entscheiden, inwieweit die Lage der Rechtsmittelführerin den Erlass einstweiliger Anordnungen rechtfertigte.
42 Betrifft nämlich ein Rechtsstreit eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsvorschriften, die durch einen Beschluss eines Unternehmensverbands erfolgt ist, und wird in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die objektiven Interessen des Verbandes nicht gegenüber den Interessen seiner Mitgliedsunternehmen selbständig sind, so kann das Interesse des Verbandes an seinem Fortbestand nicht unabhängig von dem Interesse dieser Unternehmen beurteilt werden.
43 Die gegenteilige Auffassung, die die Rechtsmittelführerin vertritt, würde praktisch darauf hinauslaufen, dass systematisch jedem Unternehmensverband eine Aussetzung des Vollzugs zu gewähren wäre, der Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission erhebt, mit der gegen ihn eine unter Berücksichtigung des von sämtlichen Mitgliedsunternehmen erzielten Umsatzes errechnete Geldbuße verhängt wird.
44 Einer solchen Auffassung kann nicht gefolgt werden, insbesondere nicht in dem ganz speziellen Rahmen eines Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung, eine Bankbürgschaft als Voraussetzung dafür zu stellen, dass eine von der Kommission verhängte Geldbuße nicht sofort beigetrieben wird; nach ständiger Rechtsprechung kann einem solchen Antrag nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stattgegeben werden (Beschlüsse AEG/Kommission, Randnr. 6, vom 7. Mai 1982 in der Rechtssache 86/82 R, Hasselblad/Kommission, Slg. 1982, 1555, Randnr. 3, und vom 15. März 1983 in der Rechtssache 234/82 R, Ferriere di Roè Volciano/Kommission, Slg. 1983, 725, Randnrn. 5 und 6).
45 Aus dem angefochtenen Beschluss geht außerdem hervor, dass der Richter der einstweiligen Anordnung die Ansicht vertreten hat, dass kein Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der beantragten Aussetzung und dem von der Rechtsmittelführerin behaupteten Schaden bestehe. Es handelt sich dabei um eine tatsächliche Feststellung, die im Rechtsmittelverfahren aus den in Randnummer 38 des vorliegenden Beschlusses genannten Gründen nicht in Frage gestellt werden kann.
46 Schließlich kann die bloße einseitige Weigerung der Mitglieder der FEG, Beistand zu leisten, kein hinreichender Grund dafür sein, dass die Finanzlage dieser Mitglieder unberücksichtigt bleibt. Der Umfang des behaupteten Schadens kann nämlich nicht vom einseitigen Willen der Mitglieder des Verbandes abhängig sein, der die Aussetzung in einer Situation verlangt, in der sich die Interessen des Verbandes und die seiner Mitglieder überschneiden.
Zum dritten Teil des Rechtsmittelgrundes
47 Die Rechtsmittelführerin macht geltend, der Richter der einstweiligen Anordnung habe eine offensichtlich fehlerhafte Abwägung der fraglichen Interessen vorgenommen, da die Kommission nicht das geringste finanzielle Interesse an einem sofortigen Vollzug ihrer Entscheidung gehabt habe und ihr Interesse daran, dass die Entscheidung befolgt werde, durch die Aussetzung der Beitreibung der Geldbuße in keiner Weise berührt worden wäre.
48 In dieser Hinsicht ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen worden ist, weil die Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen hat, dass ihr der Eintritt eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens drohte, und zwar ohne dass eine Abwägung zwischen den Interessen der Kommission am sofortigen Vollzug ihrer Entscheidung einerseits und dem Interesse der Rechtsmittelführerin am Aufschub ihrer Verpflichtung zur Stellung der verlangten Bürgschaft andererseits stattgefunden hätte.
49 Die Rechtsmittelführerin kann somit dem Richter der einstweiligen Anordnung nicht vorwerfen, eine fehlerhafte Abwägung der fraglichen Interessen vorgenommen zu haben. Der Antrag konnte also zurückgewiesen werden, da die Rechtsmittelführerin nicht imstande gewesen ist, nachzuweisen, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfuellt war.
50 Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs bestehen nämlich kumulativ, so dass der Aussetzungsantrag zurückzuweisen ist, sofern eine Voraussetzung fehlt (Beschluss vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, Randnr. 30).
Zum vierten Teil des Rechtsmittelgrundes
51 Die Rechtsmittelführerin ist der Auffassung, der Richter der einstweiligen Anordnung habe es zugelassen, dass die Kommission den Anspruch der FEG auf Rechtsschutz dazu missbrauche, eine vollständige Zahlung der mit der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbuße zu erreichen, obwohl doch unstreitig sei, dass die Kommission diese Geldbuße niemals hätte beitreiben können, wenn keine Klage erhoben worden wäre.
52 Dazu ist jedoch festzustellen, dass, wenn die Rechtsmittelführerin ihren Anspruch auf Rechtsschutz nicht wahrgenommen hätte, die Kommission berechtigt gewesen wäre, die angefochtene Entscheidung insgesamt zu vollziehen.
53 Diese Möglichkeit, über die die Kommission verfügt, kann in Anbetracht des Umstands, dass, wie sich aus Artikel 242 EG ergibt, eine Klage keine aufschiebende Wirkung hat, nicht dadurch entfallen, dass Klage erhoben wird.
54 Unter diesen Umständen kann die Tatsache, dass sich die Kommission nach Erhebung der Nichtigkeitsklage bereit erklärt hat, während der Anhängigkeit der Rechtssache von der Beitreibung der Geldbuße abzusehen, sofern eine angemessene Bürgschaft gestellt wird, kein missbräuchliches Verhalten darstellen, und der angefochtene Beschluss ist in diesem Punkt nicht rechtsfehlerhaft.
55 Nach alledem ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
56 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission sowie die CEF City und die CEF Holdings beantragt haben, die Rechtsmittelführerin in die Kosten zu verurteilen, und da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFES
beschlossen:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.