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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.11.1998
Aktenzeichen: C-7/97
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 86
EG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Es ist allein Sache der nationalen Gerichte, die mit dem Rechtsstreit befasst sind und die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, nach Maßgabe der jeweiligen Sach- und Rechtslage sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Rechtserheblichkeit der Fragen, die sie dem Gerichtshof stellen, zu beurteilen. Wenn die von den nationalen Gerichten gestellten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.

Ausserdem geht Artikel 177 des Vertrages von einer klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen den staatlichen Gerichten und dem Gerichtshof aus und gestattet es diesem nicht, die Gründe des Vorlagebeschlusses zu überprüfen. Daher kann der Gerichtshof die Entscheidung über ein von einem nationalen Gericht vorgelegtes Ersuchen nur dann ablehnen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von diesem Gericht erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht.

Ist insoweit ein nationales Gericht mit einem Rechtsstreit befasst, der in Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts einschränkende Praktiken betrifft, so ist es deswegen nicht daran gehindert, den Gerichtshof um Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Artikels 86 des Vertrages, im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt zu ersuchen, wenn seiner Ansicht nach ein Konflikt zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem nationalen Recht möglich ist.

Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß ein und derselbe Sachverhalt sowohl unter das gemeinschaftsrechtliche als auch unter das nationale Wettbewerbsrecht fällt, auch wenn diese Rechtsordnungen einschränkende Praktiken unter unterschiedlichen Gesichtspunkten sehen.

Im Rahmen eines solchen Vorabentscheidungsersuchens unterliegen die Umstände, die die Anwendbarkeit von Artikel 86 des Vertrages auf den Sachverhalt betreffen, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, der Beurteilung durch das nationale Gericht und sind für die Prüfung der Zulässigkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen unerheblich.

2 Es stellt keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages dar, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.

Unter diesen Umständen ließe sich nämlich das Vorliegen eines Mißbrauchs im Sinne dieser Bestimmung nur dann feststellen, wenn die Verweigerung der in der Hauszustellung liegenden Dienstleistung zum einen geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Tageszeitungsmarkt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen wäre, und wenn zum anderen die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich wäre, daß kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz für das Hauszustellungssystem bestuende.

Dies ist nicht der Fall, wenn zum einen für Tageszeitungen andere Vertriebswege, wie die Postzustellung oder Laden- oder Kioskverkauf, bestehen - auch wenn sie für den Vertrieb bestimmter Tageszeitungen weniger günstig sein dürften - und von den Verlegern dieser Tageszeitungen auch in Anspruch genommen werden und zum anderen keine technischen, rechtlichen oder auch nur wirtschaftlichen Hindernisse bestehen, die geeignet wären, jedem anderen Verleger von Tageszeitungen - allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern - die Errichtung eines eigenen landesweiten Hauszustellungssystems und dessen Nutzung für den Vertrieb der eigenen Tageszeitungen unmöglich zu machen oder zumindest unzumutbar zu erschweren.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 26. November 1998. - Oscar Bronner GmbH & Co. KG gegen Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co. KG, Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co. KG und Mediaprint Anzeigengesellschaft mbH & Co. KG. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Wien - Österreich. - Artikel 86 EG-Vertrag - Mißbrauch einer beherrschenden Stellung - Weigerung eines Presseunternehmens in beherrschender Stellung in einem Mitgliedstaat, den Vertrieb einer Konkurrenztageszeitung eines anderen Unternehmens desselben Mitgliedstaats in sein eigenes System zur Hauszustellung von Zeitungen aufzunehmen. - Rechtssache C-7/97.

Entscheidungsgründe:

1 Das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht hat mit Beschluß vom 1. Juli 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Januar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 86 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen einer Kartellrechtssache nach § 35 des Bundesgesetzes vom 19. Oktober 1988 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (BGBl 1988/600) in der 1993 (BGBl 1993/693) und 1995 (BGBl 1995/520) geänderten Fassung (im folgenden: KartG) der Oscar Bronner Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden: Antragstellerin) gegen die Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, die Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG und die Mediaprint Anzeigengesellschaft mbH & Co KG (im folgenden: Antragsgegnerinnen).

3 § 35 Absatz 1 KartG bestimmt:

"Das Kartellgericht hat auf Antrag den beteiligten Unternehmen aufzutragen, den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Dieser Mißbrauch kann insbesondere in folgendem bestehen:

1. der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen,

2. der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher,

3. der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen,

4. der an die Vertragsschließung geknüpften Bedingung, daß die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen."

4 Die Antragstellerin befasst sich mit der Redaktion und dem Verlag sowie mit der Herstellung und dem Vertrieb der Tageszeitung "Der Standard". 1994 hatte "Der Standard" am Markt der österreichischen Tageszeitungen einen Anteil von 3,6 % bei der Druckauflage und von 6 % bei den Werbeeinnahmen.

5 Die Antragsgegnerin Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG verlegt die Tageszeitungen "Neue Kronen Zeitung" und "Kurier". Sie wickelt den Vertrieb und das Anzeigengeschäft für diese beiden Zeitungen über ihre beiden Tochterunternehmen, die Antragsgegnerinnen Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG und Mediaprint Anzeigengesellschaft mbH & Co KG, ab, deren Kapital sie zu 100 % hält.

6 1994 hatten die "Neue Kronen Zeitung" und der "Kurier" am österreichischen Markt der Tageszeitungen einen Anteil von 46,8 % bei den Auflagen und von 42 % bei den Werbeeinnahmen. Die beiden Tageszeitungen hatten eine Reichweite von 53,3 % bei der Bevölkerung ab dem 14. Lebensjahr in Privathaushalten und von 71 % bei allen Tageszeitungslesern.

7 Für den Vertrieb ihrer Tageszeitungen haben die Antragsgegnerinnen ein landesweites Hauszustellungssystem geschaffen, das sie durch die Antragsgegnerin Mediaprint Zeitungsvertriebsgesellschaft mbH & Co KG betreiben. Dieses System garantiert die direkte Auslieferung der Zeitungen an die Abonnenten in den frühen Morgenstunden.

8 Mit ihrem Antrag nach § 35 KartG möchte die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen auftragen lassen, den Mißbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung dadurch abzustellen, daß sie den "Standard" gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts in ihr Hauszustellungs-Vertriebssystem aufnehmen. Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, die Postzustellung, die in der Regel erst am späten Vormittag erfolge, stelle keine gleichwertige Alternative zur Hauszustellung dar; ausserdem wäre es für sie angesichts ihrer geringen Abonnentenzahl völlig unrentabel, eine eigene Hauszustellung zu organisieren. Überdies liege eine Diskriminierung der Antragstellerin darin, daß die Antragsgegnerinnen die Tageszeitung "Wirtschaftsblatt" in ihr Hauszustellungssystem aufgenommen hätten, obwohl sie diese nicht verlegten.

9 Diesem Vorbringen halten die Antragsgegnerinnen entgegen, sie hätten ihr Hauszustellungssystem unter hohem administrativem und finanziellem Aufwand aufgebaut; ausserdem würde es die Kapazität ihres Zustellungssystems überfordern, wenn man dieses allen österreichischen Tageszeitungsverlegern öffnen würde. Auch als marktbeherrschendes Unternehmen seien sie nicht verpflichtet, den Wettbewerb durch Förderung von Konkurrenten zu subventionieren. Die Situation des "Wirtschaftsblatt" sei mit derjenigen des "Standard" insofern nicht vergleichbar, als der Verleger des "Wirtschaftsblatt" die Unternehmen der Mediaprint-Gruppe zugleich mit dem Druck und dem gesamten Vertrieb, also auch jenem über Verkaufsstellen, betraut habe, so daß die Hauszustellung nur einen Teil eines Gesamtpakets bilde.

10 Nach Ansicht des Kartellgerichts stellt es, wenn das Verhalten eines Marktteilnehmers gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstösst, denknotwendig auch einen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des inhaltsgleichen § 35 KartG dar, da ein nach Gemeinschaftsrecht verpöntes Verhalten wegen des prinzipiellen Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht nach nationalem Recht geduldet werden dürfe. Daher sei es eine Vorfrage, ob das Verhalten der Antragsgegnerinnen gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstosse. Die Anwendbarkeit von Artikel 86 EG-Vertrag setze voraus, daß durch das mißbräuchliche Verhalten von Marktteilnehmern der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden könne. Diese Voraussetzung erscheine erfuellt, da die Gefahr bestehe, daß die Antragstellerin infolge der Nichtzulassung zum Hauszustellungs-Vertriebssystem der Antragsgegnerinnen völlig vom Tageszeitungsmarkt verdrängt werde, und da die Antragstellerin als Verlegerin einer österreichischen und auch im Ausland erhältlichen Tageszeitung am grenzueberschreitenden Wirtschaftsverkehr teilnehme.

11 Das Kartellgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 86 EG-Vertrag so auszulegen, daß es die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung unter dem Gesichtspunkt der mißbräuchlichen Behinderung des Marktzutrittes darstellt, wenn sich ein Unternehmen, das sich mit dem Verlag, der Herstellung und dem Vertrieb von Tageszeitungen befasst und mit seinen Produkten auf dem österreichischen Tageszeitungsmarkt eine überragende Marktstellung besitzt (nämlich 46,8 %, gemessen an der Gesamtauflage, 42 %, gemessen an den Einnahmen für Anzeigen, und 71 % Reichweite, gemessen an der Zahl aller Tageszeitungen) und das einzige in Österreich existierende überregionale Hauszustellungsvertriebssystem für Abonnenten betreibt, weigert, einem anderen Unternehmen, das sich ebenfalls mit dem Verlag, der Herstellung und dem Vertrieb einer Tageszeitung in Österreich befasst, ein bindendes Offert zur Aufnahme dieser Tageszeitung in ihr Hauszustellungssystem zu legen, dies unter der weiteren Voraussetzung, daß es dem die Aufnahme in das Hauszustellungssystem anstrebenden Unternehmen aufgrund der geringen Auflagenhöhe und der damit verbundenen geringen Abonnementdichte weder allein noch in Zusammenarbeit mit den übrigen Unternehmen, die auf dem Markt Tageszeitungen anbieten, möglich ist, unter Einsatz vertretbarer Kosten ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und rentabel zu betreiben?

2. Stellt es einen Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag dar, wenn - unter den bereits in Frage 1 näher dargestellten Umständen - der Betreiber des Hauszustellungssystems für Tageszeitungen die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zum Verleger eines Konkurrenzproduktes davon abhängig macht, daß ihn dieser nicht nur mit der Hauszustellung, sondern auch mit weiteren angebotenen Leistungen (z. B. Vertrieb durch Verkaufsstellen, Druck) im Rahmen eines Gesamtpakets beauftragt?

Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

12 Die Antragsgegnerinnen und die Kommission vertreten die Auffassung, der Ausgangsrechtsstreit betreffe nur österreichisches Wettbewerbsrecht, insbesondere § 35 KartG. Das Kartellgericht sei auf die Anwendung von nationalem Wettbewerbsrecht spezialisiert und nicht zur Durchführung von Artikel 86 EG-Vertrag befugt, den es auch nicht unmittelbar anwenden könne.

13 Grundsätzlich sei das nationale Wettbewerbsrecht unabhängig vom Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft neben diesem anwendbar; nach dem Urteil Walt Wilhelm (vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Slg. 1969, 1) sei nur dann auf die Regel des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts abzustellen, wenn die Gefahr bestehe, daß die Durchführung des nationalen Wettbewerbsrechts die einheitliche Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln im gesamten Gemeinsamen Markt und die uneingeschränkte Wirkung der auf der Grundlage dieser Regeln vorgenommenen Handlungen beeinträchtige. Dies sei bei einer Sachlage wie der des Ausgangsrechtsstreits jedoch nicht der Fall, bei der zum einen nur die nationale Behörde befasst sei und zum anderen auch eine für die Antragsgegnerinnen günstige Entscheidung im Ausgangsverfahren, die auf § 35 KartG gestützt wäre, die Kommission nicht an einer Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag hindern würde.

14 Daher bestehe kein Zusammenhang zwischen der von dem innerstaatlichen Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens, so daß die Vorlagefragen nicht zu beantworten seien.

15 Für den hypothetischen Charakter der Vorlagefragen spreche ausserdem, daß eine der Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag, die auch noch die Funktion habe, den jeweiligen Anwendungsbereich von nationalem und gemeinschaftsrechtlichem Wettbewerbsrecht zu begrenzen, nämlich diejenige einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, im vorliegenden Fall höchstwahrscheinlich nicht erfuellt sei. Hierzu führt die Kommission insbesondere aus, der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens sei insoweit auf Österreich beschränkt, als eine österreichische Tageszeitung die Zulassung zu einem Hauszustellungssystem begehre, das von einem österreichischen Unternehmen betrieben werde und jedenfalls geographisch auf Österreich beschränkt sei. Die Antragsgegnerinnen weisen darauf hin, daß die Antragstellerin täglich weniger als 700 Exemplare des "Standard" im Ausland verbreite, was weniger als 0,8 % der Gesamtauflage entspreche.

16 Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache der nationalen Gerichte, die mit dem Rechtsstreit befasst sind und die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, nach Maßgabe der jeweiligen Sach- und Rechtslage sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Rechtserheblichkeit der Fragen, die sie dem Gerichtshof stellen, zu beurteilen. Wenn die von den nationalen Gerichten gestellten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Oktober 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-297/88 und C-197/89, Dzodzi, Slg. 1990, I-3763, Randnrn. 34 und 35, und vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-231/89, Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I-4003, Randnrn. 19 und 20).

17 Ausserdem geht Artikel 177 EG-Vertrag von einer klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen den staatlichen Gerichten und dem Gerichtshof aus und gestattet es diesem nicht, die Gründe des Vorlagebeschlusses zu überprüfen. Daher kann der Gerichtshof die Entscheidung über ein von einem nationalen Gericht vorgelegtes Ersuchen nur dann ablehnen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von diesem Gericht erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht (Urteil vom 18. Januar 1996 in der Rechtssache C-446/93, SEIM, Slg. 1996, I-73, Randnr. 28).

18 Überdies hat das vorlegende Gericht, wie aus Randnummer 10 hervorgeht, im Ausgangsverfahren die Notwendigkeit seines Vorabentscheidungsersuchens ausdrücklich damit begründet, daß es ihm darum gehe, die Beachtung der Regel des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen und demgemäß im nationalen Recht keine Situation zu dulden, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstieße.

19 Wie sich namentlich aus dem Urteil Walt Wilhelm ergibt, ist nicht auszuschließen, daß ein und derselbe Sachverhalt sowohl unter das gemeinschaftsrechtliche als auch unter das nationale Wettbewerbsrecht fällt, auch wenn diese Rechtsordnungen einschränkende Praktiken unter unterschiedlichen Gesichtspunkten sehen (vgl. auch Urteile vom 10. Juli 1980 in den verbundenen Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79, Giry und Guerlain u. a., Slg. 1980, 2327, Randnr. 15, und vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-67/91, Asociación Española de Banca Privada u. a., Slg. 1992, I-4785, Randnr. 11).

20 Ist also ein nationales Gericht mit einem Rechtsstreit befasst, der in Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts einschränkende Praktiken betrifft, so ist es deswegen nicht daran gehindert, den Gerichtshof um Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Artikels 86 EG-Vertrag, im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt zu ersuchen, wenn seiner Ansicht nach ein Konflikt zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem nationalen Recht möglich ist.

21 Schließlich ist festzustellen, daß die von den Antragsgegnerinnen und der Kommission angeführten Umstände, die gegen eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten sprechen sollen, unmittelbar die Anwendbarkeit von Artikel 86 EG-Vertrag auf den Sachverhalt betreffen, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist. Insoweit unterliegen sie der Beurteilung durch das nationale Gericht und sind für die Prüfung der Zulässigkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen unerheblich.

22 Infolgedessen sind die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zu beantworten.

Zur ersten Frage

23 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellt, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.

24 Hierzu macht die Antragstellerin geltend, die in der Hauszustellung von Tageszeitungen liegende Dienstleistung bilde einen eigenen Markt, da diese Dienstleistung regelmässig getrennt von anderen Leistungen angeboten und nachgefragt werde. Ausserdem handele es sich bei der in der Gestellung einer Einrichtung liegenden Dienstleistung und der unter Nutzung dieser Einrichtung erbrachten Dienstleistung nach der "essential facilities"-Lehre, wie sie vom Gerichtshof im Urteil vom 6. April 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, im folgenden: Urteil Magill) entwickelt worden sei, grundsätzlich um getrennte Märkte. Als Inhaber einer solchen "essential facility", nämlich des einzigen in Österreich bestehenden landesweiten rentablen Hauszustellungssystems, seien die Antragsgegnerinnen verpflichtet, ihr System zu marktüblichen Preisen und Konditionen für Konkurrenzprodukte zu öffnen.

25 Weiter ergebe sich aus dem Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 25), daß die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, unmittelbar nachgelagerte Unternehmen zu beliefern, nur dann rechtmässig sei, wenn diese Weigerung sachlich gerechtfertigt sei. Die Entscheidung des Gerichtshofes im Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (CBEM, Slg. 1985, 3261), daß es einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 darstelle, wenn ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehabe, sich oder einem zur selben Gruppe gehörenden Unternehmen ohne objektives Bedürfnis eine Hilfstätigkeit vorbehalte, die von einem dritten Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit auf einem benachbarten, aber getrennten Markt ausgeuebt werden könnte, so daß jeglicher Wettbewerb seitens dieses Unternehmens ausgeschaltet zu werden drohe, lasse sich auch auf den Fall eines Unternehmens übertragen, das eine beherrschende Stellung auf dem Markt einer bestimmten Dienstleistung innehabe, die für die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auf einem anderen Markt unerläßlich sei.

26 Die Antragsgegnerinnen entgegnen, daß grundsätzlich auch für marktbeherrschende Unternehmen das Recht auf Privatautonomie in dem Sinne gelte, daß sie in aller Regel berechtigt seien, frei darüber zu entscheiden, wem sie ihre Leistungen anbieten und insbesondere wem sie Zugang zu ihren unternehmenseigenen Einrichtungen verschaffen wollten. So könne, wie der Gerichtshof im Urteil Magill ausdrücklich ausgeführt habe, ein Kontrahierungszwang des Unternehmens in beherrschender Stellung nur unter aussergewöhnlichen Umständen auf Artikel 86 EG-Vertrag gestützt werden.

27 Nach den Urteilen Commercial Solvents/Kommission und CBEM lägen solche aussergewöhnlichen Umstände nur dann vor, wenn die Lieferverweigerung des Unternehmens in beherrschender Stellung geeignet sei, jeglichen Wettbewerb auf einem nachgeordneten Markt auszuschließen, was im Ausgangsverfahren nicht der Fall sei, bei dem neben der Hauszustellung noch andere Vertriebssysteme bestuenden, die der Antragstellerin einen Absatz ihrer Tageszeitungen in Österreich ermöglichten.

28 Selbst wenn solche aussergewöhnlichen Umstände vorliegen sollten, wäre die Kontrahierungsverweigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung doch nicht mißbräuchlich, wenn sie objektiv gerechtfertigt sei. Im Ausgangsrechtsstreit wäre dies dann der Fall, wenn die Aufnahme des "Standard" in das Hauszustellungssystem der Antragsgegnerinnen die Funktionsfähigkeit dieses Systems gefährden würde oder aus Gründen der Kapazität dieses Systems nicht möglich wäre.

29 Die Kommission weist darauf hin, daß es Sache des nationalen Gerichts sei, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Artikels 86 EG-Vertrag vorlägen: Nur wenn ein eigener Markt für Hauszustellungssysteme bestehe und die Antragsgegnerinnen auf diesem Markt eine beherrschende Stellung innehätten, sei zu prüfen, ob ihre Weigerung, die Antragstellerin zu diesem System zuzulassen, einen Mißbrauch darstelle.

30 Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergebe, sei einem dritten Unternehmen der Zugang zum Hauszustellungssystem der Antragsgegnerinnen gewährt worden. Ein Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag könne nach Artikel 86 Buchstabe c in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern bestehen. Dies sei im Ausgangsrechtsstreit jedoch nicht der Fall, da die von der Antragstellerin beanspruchte Leistung nicht etwa von anderen Bedingungen als den für andere Handelspartner geltenden abhängig gemacht worden sei, sondern überhaupt nicht angeboten worden wäre, wenn die Antragsgegnerinnen nicht zugleich auch mit anderen Leistungen betraut worden wären.

31 Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, ist zunächst daran zu erinnern, daß Artikel 86 EG-Vertrag die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben verbietet, soweit dies dazu führen kann, daß der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird.

32 Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag einnimmt, ist, wie der Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, der Bestimmung des betroffenen Marktes und der Abgrenzung des wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes, auf dem dieses Unternehmen gegebenenfalls mißbräuchliche Praktiken anwenden kann, die einen wirksamen Wettbewerb verhindern, wesentliche Bedeutung beizumessen (vgl. Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-242/95, GT-Link, Slg. 1997, I-4449, Randnr. 36).

33 Nach gefestigter Rechtsprechung umfasst der relevante Erzeugnis- oder Dienstleistungsmarkt im Rahmen der Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag alle Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen nur in geringem Masse austauschbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, L'Oréal, Slg. 1980, 3775, Randnr. 25, und vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 51).

34 Bei der Abgrenzung des im Ausgangsverfahren relevanten Marktes hat somit das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen, ob die Hauszustellungssysteme einen besonderen Markt darstellen oder ob andere Arten des Zeitungsvertriebs, wie der Laden- oder Kioskverkauf oder die Postzustellung, mit ihnen in einem Masse austauschbar sind, daß sie ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Das Gericht wird bei der Beurteilung der Frage der beherrschenden Stellung, wie die Kommission hervorgehoben hat, ausserdem das etwaige Bestehen regionaler Hauszustellungssysteme berücksichtigen müssen.

35 Wenn sich aus dieser Prüfung ergeben sollte, daß ein besonderer Markt für Hauszustellungssysteme besteht und daß zwischen dem landesweit betriebenen System der Antragsgegnerinnen und anderen, regionalen Systemen kein ausreichender Grad der Austauschbarkeit besteht, so folgte daraus zwingend, daß die Antragsgegnerinnen, die nach den Angaben des Vorlagebeschlusses Betreiberin des einzigen landesweiten Hauszustellungssystems in Österreich sind, auf dem so definierten Markt eine tatsächliche Monopolstellung und damit eine beherrschende Stellung innehaben.

36 Ausserdem stuende dann auch fest, daß die Antragsgegnerinnen auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehaben, da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes das Gebiet eines Mitgliedstaats, auf das sich eine beherrschende Stellung erstreckt, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28, und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93, Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 17).

37 Schließlich wäre zu prüfen, ob es eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellt, daß der Betreiber des einzigen im gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats bestehenden Hauszustellungssystems, der dieses System für den Vertrieb seiner eigenen Tageszeitungen benutzt, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung den Zugang zu diesem System verweigert, weil der genannte Wettbewerber durch diese Weigerung um einen für den Verkauf seiner Tageszeitung als wesentlich angesehenen Vertriebsweg gebracht wird.

38 Zum einen hat es der Gerichtshof in seinen Urteilen Commercial Solvents/Kommission und CBEM nur dann als mißbräuchlich angesehen, daß sich ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat, weigert, einem Unternehmen, mit dem es auf einem benachbarten Markt in Wettbewerb steht, die für die Ausübung von dessen Tätigkeit unerläßlichen Rohstoffe (Urteil Commercial Solvents/Kommission, Randnr. 25) oder Dienstleistungen (Urteil CBEM, Randnr. 26) zu liefern bzw. zu erbringen, wenn das betreffende Verhalten geeignet war, jeglichen Wettbewerb durch dieses Unternehmen auszuschalten.

39 Zum anderen hat der Gerichtshof im Urteil Magill (Randnrn. 49 und 50) entschieden, daß die Verweigerung einer Lizenz durch den Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts selbst dann, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgesprochen wird, als solche keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, daß aber unter aussergewöhnlichen Umständen die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber ein mißbräuchliches Verhalten darstellen kann.

40 Im Urteil Magill hat der Gerichtshof das Vorliegen solcher aussergewöhnlichen Umstände darin gesehen, daß die streitige Weigerung ein Erzeugnis (Informationen über die wöchentlichen Programme bestimmter Fernsehsender) betraf, dessen Lieferung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit (Herausgabe eines allgemeinen Fernsehprogrammführers) unentbehrlich in dem Sinne war, daß demjenigen, der einen solchen Programmführer anbieten wollte, es ohne diese Lieferung unmöglich war, den Programmführer zu verlegen und auf dem Markt anzubieten (Randnr. 53), daß diese Weigerung das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher bestand, verhinderte (Randnr. 54), daß die Weigerung nicht durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt war (Randnr. 55) und daß sie geeignet war, jeglichen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschließen (Randnr. 56).

41 Selbst wenn diese Rechtsprechung zur Ausübung eines gewerblichen Schutzrechts auf die Ausübung eines beliebigen Eigentumsrechts anwendbar wäre, ließe sich aus dem Urteil Magill bei einem Sachverhalt wie dem, der Gegenstand der ersten Vorlagefrage ist, nur dann auf einen Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag schließen, wenn die Verweigerung der in der Hauszustellung liegenden Dienstleistung zum einen geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Tageszeitungsmarkt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen wäre, und zum anderen die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich wäre, daß kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz für das Hauszustellungssystem bestuende.

42 Dies aber ist mit Sicherheit nicht einmal dann der Fall, wenn, wie im Ausgangsverfahren, in einem Mitgliedstaat nur ein einziges landesweites Hauszustellungssystem existiert und wenn zudem der Inhaber dieses Systems auf dem Dienstleistungsmarkt, der durch dieses System gebildet wird oder zu dem dieses System gehört, eine beherrschende Stellung innehat.

43 Zum einen steht nämlich fest, daß für Tageszeitungen andere Vertriebswege, wie die Postzustellung oder Laden- oder Kioskverkauf, bestehen - auch wenn sie für den Vertrieb bestimmter Tageszeitungen weniger günstig sein dürften - und von den Verlegern dieser Tageszeitungen auch in Anspruch genommen werden.

44 Zum anderen sind keine technischen, rechtlichen oder auch nur wirtschaftlichen Hindernisse ersichtlich, die geeignet wären, jedem anderen Verleger von Tageszeitungen - allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern - die Errichtung eines eigenen landesweiten Hauszustellungssystems und dessen Nutzung für den Vertrieb der eigenen Tageszeitungen unmöglich zu machen oder zumindest unzumutbar zu erschweren.

45 Daß die Schaffung eines solchen Systems keine realistische potentielle Alternative darstelle und daher der Zugang zum bestehenden System unverzichtbar sei, ist nicht schon mit der Behauptung dargetan, daß die Schaffung eines solchen Systems wegen der geringen Auflagenhöhe der zu vertreibenden Zeitung oder Zeitungen unrentabel sei.

46 Wie der Generalanwalt in Nummer 68 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, könnte der Zugang zum bestehenden System nur dann als unverzichtbar angesehen werden, wenn zumindest dargetan wäre, daß es unrentabel wäre, für den Vertrieb von Tageszeitungen mit einer Auflagenhöhe, die mit derjenigen der anhand des vorhandenen Systems vertriebenen Tageszeitungen vergleichbar wäre, ein zweites Hauszustellungssystem zu schaffen.

47 Aufgrund dessen ist auf die erste Frage zu antworten, daß es keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellt, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.

Zur zweiten Frage

48 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob es eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellt, wenn dieses Unternehmen unter den in der ersten Frage näher dargestellten Umständen dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung den Zugang zu seinem Hauszustellungssystem verweigert, wenn dieser es nicht zugleich auch mit weiteren Dienstleistungen wie dem Vertrieb durch Verkaufsstellen oder dem Druck beauftragt.

49 In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Beantwortung dieser Frage.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Die Auslagen der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 1. Juli 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Es stellt keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag dar, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.

Ende der Entscheidung

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