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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.02.1997
Aktenzeichen: C-71/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verordnung (EWG) Nr. 404/93 vom 13. Februar 1993


Vorschriften:

EG-Vertrag Artikel 173 Absatz 1
Verordnung (EWG) Nr. 404/93 vom 13. Februar 1993
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Beim Erlaß der Verordnungen Nrn. 3303/94, 479/95 und 1219/95, die für die ersten drei Quartale nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens vorsehen, daß die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten Marktbeteiligten mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet, die in den vorausgehenden Jahren Bananen eingeführt haben, die Genehmigung erteilen, bestimmte Sonderkontingente Bananen mit Ursprung in Drittländern einzuführen, und die insoweit von der durch die Verordnung Nr. 404/93 errichteten gemeinsamen Marktorganisation abweichen, hat sich die Kommission zu Recht auf Artikel 149 der Beitrittsakte gestützt, die sie ermächtigt, während eines begrenzten Zeitraums Übergangsmaßnahmen zu erlassen, die notwendig sind, um die Überleitung von der in den neuen Mitgliedstaaten bestehenden Regelung zu der Regelung zu erleichtern, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation ergibt.

Artikel 149 gestattet es nämlich, von dem in Artikel 137 Absatz 2 der Beitrittsakte aufgestellten Grundsatz abzuweichen, wonach die gemeinsame Marktorganisation für die neuen Mitgliedstaaten ab 1. Januar 1995 in vollem Umfang gilt, wobei die dort vorgesehenen Maßnahmen nur eine einzige Voraussetzung erfuellen, nämlich die genannte Überleitung erleichtern müssen. Diese Voraussetzung war erfuellt, da eine Einbeziehung der Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten in das für die Zwölfergemeinschaft festgesetze Zollkontingent zu einer Verringerung der Einfuhrrechte der Marktbeteiligten der ursprünglichen Mitgliedstaaten, zur Zuweisung unzureichender Rechte an die Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten und zu einer Unterversorgung der Gemeinschaft mit Bananen sowie zu einer Erhöhung der Preise geführt hätte, also zu Konsequenzen, die mit der Zielsetzung der Verordnung des Rates unvereinbar sind.

Auch wird das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 des Vertrages nicht dadurch verletzt, daß die angefochtenen Verordnungen für die Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten eine andere Regelung enthalten als diejenige, die für die Marktbeteiligten der ursprünglichen Mitgliedstaaten gilt, da sie nicht die Anwendung des in Artikel 19 der Verordnung Nr. 404/93 vorgesehenen Verteilungsschlüssels vorschreiben. Die tatsächliche und rechtliche Situation in den neuen Mitgliedstaaten unterschied sich nämlich von der, die in den alten Mitgliedstaaten herrschte, da die vorläufige Festsetzung eines Sonderkontingents aus den vorgenannten Gründen notwendig war und die Anwendung des Verteilungsschlüssels angesichts des Umstands, daß die Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten zu einer einzigen Kategorie gehörten, zu ernsthaften Versorgungsproblemen geführt hätte.

4 Die in Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann. Hält sich ein Rechtsakt im systematischen Rahmen der Gesamtregelung, zu der er gehört, so kann nicht verlangt werden, daß in seiner Begründung die verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten dargelegt werden, die er zum Gegenstand hat.


Urteil des Gerichtshofes vom 4. Februar 1997. - Königreich Belgien gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Bananen - Gemeinsame Marktorganisation - Einfuhrkontingent - Beitritt der neuen Mitgliedstaaten - Übergangsmaßnahmen. - Verbundene Rechtssachen C-71/95, C-155/95 und C-271/95.

Entscheidungsgründe:

1 Das Königreich Belgien hat mit Klageschriften, die am 14. Mai 1995 (Rechtssache C-71/95), am 17. Mai 1995 (Rechtssache C-155/95) und am 10. August 1995 (Rechtssache C-271/95) bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag beantragt, folgende Verordnungen für nichtig zu erklären: die Verordnung (EG) Nr. 3303/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994 mit Übergangsmaßnahmen zur Einfuhr von Bananen in Österreich, Finnland und Schweden im ersten Vierteljahr 1995 (ABl. L 341, S. 46), die Verordnung (EG) Nr. 479/95 der Kommission vom 1. März 1995 mit Übergangsmaßnahmen, die infolge des Beitritts von Österreich, Finnland und Schweden im zweiten Vierteljahr 1995 hinsichtlich der für die Einfuhr von Bananen erlassenen Zollkontingentsregelung anzuwenden sind (ABl. L 49, S. 18), und die Verordnung (EG) Nr. 1219/95 der Kommission vom 30. Mai 1995 mit Übergangsmaßnahmen, die infolge des Beitritts Österreichs, Finnlands und Schwedens im dritten Vierteljahr 1995 hinsichtlich der für die Einfuhr von Bananen erlassenen Zollkontingentregelung anzuwenden sind (ABl. L 120, S. 20) (im folgenden: die angefochtenen Verordnungen).

2 Die Französische Republik ist durch zwei Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. September 1995 (Rechtssache C-155/95) und vom 4. Oktober 1995 (Rechtssache C-71/95) als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

3 Die drei Rechtssachen sind durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Juni 1996 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

4 Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1, im folgenden: Verordnung des Rates) hat in Titel IV die verschiedenen vorher geltenden nationalen Regelungen durch eine gemeinsame Regelung für den Handel mit dritten Ländern ersetzt.

5 Artikel 18 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über erforderliche Anpassungen und Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor zur Anwendung der im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte (ABl. L 349, S. 105), daß für das Jahr 1994 ein Zollkontingent in Höhe von 2,1 Millionen Tonnen (Eigengewicht) und für die Folgejahre in Höhe von 2,2 Millionen Tonnen (Eigengewicht) für Einfuhren von "Drittlandsbananen" und "nichttraditionellen AKP-Bananen" eröffnet wird.

6 Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung des Rates nimmt eine Aufteilung des Zollkontingents vor, das zu 66,5 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten eröffnet wird, die Drittlandsbananen oder nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, zu 30 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben, und zu 3,5 v. H. für in der Gemeinschaft niedergelassene Marktbeteiligte, die ab 1992 mit der Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- oder traditionellen AKP-Bananen begonnen haben.

Artikel 19 Absatz 4 bestimmt:

"Im Fall einer Aufstockung des Zollkontingents wird die zusätzlich verfügbare Menge den Marktbeteiligten der in Absatz 1 genannten Kategorien... zugeteilt."

7 Zur Durchführung der Verordnung des Rates erließ die Kommission u. a. die Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 vom 10. Juni 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen (ABl. L 142, S. 6), in der die Unterscheidung zwischen den drei oben in Randnummer 6 genannten Gruppen von Marktbeteiligten übernommen wird, die als Gruppe A, Gruppe B und Gruppe C bezeichnet werden.

8 Die Akte über die Bedingungen des Beitritts und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge im Anhang zum Vertrag über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union (ABl. 1994, C 241, S. 21, im folgenden: Beitrittsakte) sieht in Artikel 137 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich vor, daß "die Rechte und Pflichten aufgrund der Gemeinsamen Agrarpolitik... für die neuen Mitgliedstaaten im vollen Umfang" gelten.

9 Artikel 148 der Beitrittsakte bestimmt:

"(1) Sofern nicht in bestimmten Fällen etwas anderes bestimmt ist, erlässt der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission die zur Durchführung dieses Titels erforderlichen Bestimmungen.

(2) Der Rat kann... die bei einer Änderung der Gemeinschaftsregelung gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen der in diesem Titel enthaltenen Bestimmungen vornehmen."

10 In Artikel 149 Absatz 1 der Beitrittsakte heisst es:

"Sind Übergangsmaßnahmen notwendig, um die Überleitung von der in den neuen Mitgliedstaaten bestehenden Regelung zu der Regelung zu erleichtern, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisationen nach Maßgabe dieses Titels ergibt, so werden diese Maßnahmen nach dem [Verwaltungsausschuß-]Verfahren... getroffen. Diese Maßnahmen können während eines Zeitraums, der am 31. Dezember 1997 endet, getroffen werden; sie sind nur bis zu diesem Zeitpunkt anwendbar."

11 Artikel 150 der Beitrittsakte bestimmt:

"(1) Die Übergangsmaßnahmen zur Anwendung der in dieser Akte nicht genannten Rechtsakte im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik einschließlich der Agrarstruktur, die infolge des Beitritts erforderlich sind, werden vor dem Beitritt nach dem Verfahren des Absatzes 3 erlassen und treten frühestens mit dem Beitritt in Kraft.

...

(3) Die Übergangsmaßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission erlassen. Die Maßnahmen, die sich auf ursprünglich von der Kommission erlassene Rechtsakte beziehen, werden jedoch von diesem Organ nach dem in Artikel 149 Absatz 1 genannten Verfahren erlassen."

12 Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3303/94 und der jeweilige Artikel 1 Absatz 1 der Verordnungen Nrn. 479/95 und 1219/95 sehen für das erste, das zweite bzw. das dritte Quartal des Jahres 1995 vor, daß die zuständigen Behörden von Österreich, Finnland und Schweden Marktbeteiligten mit Sitz in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet, die 1991, 1992 und/oder 1993 Bananen eingeführt haben, die Genehmigung erteilen, bestimmte festgesetzte Kontingente Bananen mit Ursprung in Drittländern nach Österreich, Finnland bzw. Schweden einzuführen.

13 Artikel 4 Absatz 1 Unterabsätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 3303/94 und der jeweilige Artikel 1 Absatz 1 Unterabsätze 3 und 4 der Verordnungen Nrn. 479/95 und 1219/95 bestimmen:

"Eine Einfuhrgenehmigung bezieht sich auf höchstens [einen bestimmten Prozentsatz] des Durchschnitts der Mengen, die der Marktbeteiligte 1991, 1992 und 1993 eingeführt hat.

Durch diese Genehmigung wird der dem Marktbeteiligten gemäß... der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 für 1995 zuzuteilenden Referenzmenge nicht vorgegriffen."

14 Diese Verordnungen, die auf die Beitrittsakte, namentlich Artikel 149 Absatz 1, gestützt werden, werden in der zweiten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3303/94 und in der jeweiligen dritten Begründungserwägung der Verordnungen Nrn. 479/95 und 1219/95 damit begründet, daß "zur Erleichterung der Umstellung von der in den neuen Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt geltenden Regelung auf die, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen ergibt,... den dort ansässigen Marktbeteiligten im Rahmen von Übergangsmaßnahmen die Möglichkeit zu geben [ist], im [in Rede stehenden] Vierteljahr 1995 bestimmte Mengen Bananen mit Ursprung in Drittländern einzuführen".

15 Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 479/95 bestimmt:

"Die zuständigen Behörden erstellen bis zum 31. März 1995 die Verzeichnisse der betreffenden Marktbeteiligten und der von ihnen jeweils vermarkteten Bananenmengen gemäß... der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93"

und teilen sie der Kommission spätestens am 7. April 1995 mit.

16 Am 6. April 1995 legte die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung zur Anpassung der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 hinsichtlich des für die Einfuhr von Bananen vorgesehenen Jahreszollkontingents infolge des Beitritts von Österreich, Finnland und Schweden vor (ABl. C 136, S. 22).

17 Am 3. August 1995 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1924/95 mit infolge des Beitritts Österreichs, Finnlands und Schwedens erforderlichen Übergangsmaßnahmen zur Anwendung der Zollkontingentregelung für die Einfuhr von Bananen (ABl. L 185, S. 24). Diese Verordnung ist auf Artikel 149 Absatz 1 der Beitrittsakte gestützt und wird in ihrer vierten Begründungserwägung damit begründet, daß der Rat nicht über den Vorschlag der Kommission zur Aufstockung des Zollkontingents entschieden habe.

18 In Artikel 1 dieser Verordnung heisst es, daß für das Jahr 1995 eine zusätzliche Menge von 353 000 Tonnen Eigengewicht für Einfuhren von Drittlandsbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen nach Österreich, Finnland und Schweden eröffnet wird, um die das in Artikel 18 der Verordnung des Rates vorgesehene Zollkontingent aufgestockt wird.

Die Mengen, die aufgrund der angefochtenen Verordnungen bereits in die drei neuen Mitgliedstaaten eingeführt worden waren, sind auf die so festgesetzte Gesamtmenge anzurechnen.

Für das vierte Quartal 1995 sieht Artikel 2 der Verordnung Nr. 1924/95 die Erteilung von Einfuhrlizenzen an Österreich, Finnland und Schweden vor, wobei er zwischen den Marktbeteiligten der Gruppe A und der Gruppe C unterscheidet, die von den zuständigen Behörden der drei neuen Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung Nr. 479/95 registriert worden sind.

19 Die Kommission begründete den Erlaß dieser Verordnung mit der Erwägung, daß die Einfuhrgenehmigungen in den neuen Mitgliedstaaten für die ersten drei Quartale 1995 auf das Gesamtkontingent der Gemeinschaft hätten angerechnet werden müssen, daß sich die neuen Mitgliedstaaten ausschließlich mit Drittlandsbananen versorgt hätten, daß deshalb die Einfuhrgenehmigungen für die ersten drei Quartale Marktbeteiligten der Gruppe A erteilt worden seien, daß es selbst nach einer Aufstockung um eine zusätzliche Menge angesichts der den drei neuen Mitgliedstaaten seit Anfang 1995 bereits erteilten Einfuhrgenehmigungen nicht möglich sei, den verbleibenden Teil des Zollkontingents gemäß Artikel 19 der Verordnung des Rates für das vierte Quartal auf die einzelnen Gruppen von Marktbeteiligten aufzuteilen und daß zudem der Versorgungsbedarf der Gemeinschaft so nicht gedeckt werden könne.

20 Die Kommission setzte durch die Verordnung (EG) Nr. 2008/95 vom 18. August 1995 den einheitlichen Koeffizienten fest, mit dem die Menge Drittlandsbananen und nichttraditionelle AKP-Bananen zu verringern waren, die den Marktbeteiligten in Österreich, Finnland oder Schweden für das vierte Quartal 1995 zugeteilt wurden (ABl. L 196, S. 3).

Zum ersten Klagegrund

21 Das Königreich Belgien macht in den Klageschriften in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 geltend, es sei nicht Sache der Kommission, sondern des Rates, aufgrund des Artikels 149 der Beitrittsakte die angefochtenen Verordnungen zu erlassen, die von der Verordnung des Rates abweichende Übergangsmaßnahmen enthielten.

22 Das Königreich Belgien führt in den Erwiderungen in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 sowie in der Klageschrift in der Rechtssache C-271/95 aus, daß die angefochtenen Verordnungen nicht auf der Grundlage des Artikels 149, sondern des Artikels 148 oder eventuell des Artikels 150 der Beitrittsakte hätten erlassen werden müssen. Es räumt ein, daß es in den Klageschriften in den erstgenannten beiden Rechtssachen irrtümlich auf Artikel 149 der Beitrittsakte verwiesen habe, wobei es sich auf eine frühere und nicht die endgültige Fassung der Beitrittsakte gestützt habe.

23 Das Königreich Belgien fügt hinzu, es bezweifle nicht die Notwendigkeit der Aufstockung des Kontingents aufgrund der neuen Beitritte. Dazu hätte sich die Kommission auf Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung des Rates stützen und das dort vorgesehene Verfahren einhalten können.

Zur Zulässigkeit

24 Die Kommission führt in den Klagebeantwortungen in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 aus, dem Königreich Belgien sei bei der Verweisung auf die anwendbaren Vorschriften ein Irrtum unterlaufen. Dieser Irrtum sei grundlegend, da Artikel 149 der Beitrittsakte, auf den die Verordnungen gestützt seien, sie entgegen dem Vorbringen des Klägers ermächtige, Übergangsmaßnahmen zu treffen.

25 Die Kommission trägt in den Gegenerwiderungen in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 im übrigen vor, die Argumente des Königreichs Belgien in den Erwiderungen in diesen beiden Rechtssachen wichen von der in den Klageschriften enthaltenen zusammenfassenden Darstellung ab, da der Kläger dort ausführe, daß die Verordnungen vom Rat hätten erlassen werden müssen, während er in den Erwiderungen besonders auf die Funktionen der Artikel 148, 149 und 150 der Beitrittsakte abstelle.

26 Es sei Sache des Gerichtshofes, zu entscheiden, ob das Königreich Belgien im Rahmen dieses Klagegrundes den Anforderungen der Artikel 38 und 42 der Verfahrensordnung entsprochen habe.

27 Die Französische Republik führt aus, in den Klageschriften in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 bestreite das Königreich Belgien die Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß der streitigen Verordnungen; die Frage der Rechtsgrundlage werfe es erst in der Erwiderung auf.

28 Was die Zulässigkeit des ersten Nichtigkeitsgrundes der Klagen in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 betrifft, muß die Klageschrift nach Artikel 38 der Verfahrensordnung den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten; Artikel 42 der Verfahrensordnung verbietet es, im Laufe des Verfahrens neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, es denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

29 Ein Vorbringen kann nur dann als neu angesehen werden, wenn es weder unmittelbar noch mittelbar in der Klageschrift erwähnt worden ist (vgl. Urteile vom 15. Dezember 1961 in den Rechtssachen 19/60, 21/60, 2/61 und 3/61, Fives Lille Cail u. a./Hohe Behörde, Slg. 1961, 613, und vom 30. September 1982 in der Rechtssache 108/81, Amylum/Rat, Slg. 1982, 3107, Randnr. 25).

30 Trotz der unterschiedlichen Formulierung dieses Vorbringens in den Klageschriften und in den Erwiderungen sind die geltend gemachten Argumente im wesentlichen gleich, denn der Kläger bestreitet, daß die angefochtenen Verordnungen von der Kommission aufgrund einer Kompetenzvorschrift der Beitrittsakte erlassen werden durften; vielmehr hätten sie vom Rat aufgrund einer Vorschrift über die Zuständigkeiten dieses Organs erlassen werden müssen.

31 Ausserdem geht aus den Klagebeantwortungen und den Gegenerwiderungen der Kommission hervor, daß diese den Inhalt der im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Beanstandungen nicht mißverstanden hat, so daß sie die Möglichkeit hatte, ihren Standpunkt angemessen zu vertreten.

32 Deshalb sind die Klagen in den Rechtssachen C-71/95 und C-155/95 hinsichtlich des ersten Nichtigkeitsgrundes zulässig.

Zur Begründetheit

33 Für die Begründetheit dieses Klagegrundes ist von Bedeutung, daß Artikel 149 Absatz 1 der Beitrittsakte der Kommission die Befugnis verleiht, während eines Zeitraums, der am 31. Dezember 1997 abläuft, im sogenannten Verwaltungsausschußverfahren die erforderlichen Übergangsmaßnahmen zu erlassen.

34 Die gemeinsame Marktorganisation für Bananen konnte auf die neuen Mitgliedstaaten nicht ohne eine vorherige Aufstockung des Zollkontingents durch den Rat angewandt werden. Eine Einbeziehung der Marktbeteiligten der drei neuen Mitgliedstaaten in das für die Zwölfergemeinschaft festgesetzte Zollkontingent hätte nämlich zu einer Verringerung der Einfuhrrechte der Marktbeteiligten der ursprünglichen Mitgliedstaaten, zur Zuweisung unzureichender Rechte an die Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten und zu einer Unterversorgung der Gemeinschaft mit Bananen sowie zu einer Erhöhung der Preise geführt, also zu Konsequenzen, die mit der Zielsetzung der Verordnung des Rates unvereinbar sind.

35 Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien hätte die Aufstockung des Kontingents, die durch die neuen Beitritte erforderlich wurde, nicht aufgrund des Artikels 16 Absatz 3 der Verordnung des Rates beschlossen werden können. Es ging im vorliegenden Fall nämlich nicht darum, das Zollkontingent aufgrund einer Revision der Vorausschätzung des Verbrauchs in der Gemeinschaft anzupassen, sondern eine Regelung zu treffen, die durch den Beitritt der drei neuen Mitgliedstaaten notwendig geworden und in der Beitrittsakte nicht vorgesehen war.

36 Ausserdem hätte, wie die Kommission zu Recht dargelegt hat, die sofortige Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen auf die neuen Mitgliedstaaten zu ernsthaften Versorgungsproblemen geführt, da die Marktbeteiligten in diesen Staaten Drittlandsbananen einführten und somit ausschließlich der Gruppe A angehörten.

37 Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien hätten weder Artikel 148 noch Artikel 150 der Beitrittsakte die Rechtsgrundlage für die erforderlichen Übergangsmaßnahmen bilden können.

38 Artikel 148 Absatz 1 der Beitrittsakte verleiht dem Rat die Befugnis, die zur Durchführung des Titels VI betreffend die Landwirtschaft erforderlichen Bestimmungen zu erlassen. Er gestattet es somit nicht, von Artikel 137 Absatz 2 der Beitrittsakte abzuweichen, der bestimmt, daß die gemeinsame Marktorganisation in vollem Umfang anwendbar ist. Artikel 150 hingegen betrifft nur den Zeitraum zwischen der Unterzeichnung und dem Inkrafttreten der Beitrittsakte.

39 Das Königreich Belgien macht geltend, Artikel 149 der Beitrittsakte könne nicht die Rechtsgrundlage für Übergangsmaßnahmen bilden, durch die wie im vorliegenden Fall die Anwendung einer gemeinsamen Marktorganisation ausgesetzt werde. Die dort vorgesehenen - von der Kommission zu treffenden - Maßnahmen müssten "nach Maßgabe dieses Titels" erlassen werden; die gemeinsame Marktorganisation müsse also beachtet werden, und aufgrund dieser Vorschrift dürften nur solche Maßnahmen getroffen werden, die die Überleitung zu der gemeinsamen Marktorganisation beschleunigen und erleichtern sollten.

40 Die in Artikel 149 vorgesehenen Maßnahmen sollen die Überleitung zu der Regelung erleichtern, die sich aus "der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation nach Maßgabe dieses Titels ergibt". Diese Anwendung ist in Artikel 137 der Beitrittsakte geregelt, wonach die gemeinsame Marktorganisation für Bananen in den neuen Mitgliedstaaten ab 1. Januar 1995 anwendbar ist, ohne daß irgendeine Anpassung oder Übergangsmaßnahme vorgesehen wäre.

41 Die nach Artikel 149 zulässigen Maßnahmen müssen nur eine einzige Voraussetzung erfuellen, nämlich die Überleitung von der in den neuen Mitgliedstaaten bestehenden Regelung zu der Regelung erleichtern, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation in diesen Ländern ergibt.

42 Wie die französische Regierung zu Recht festgestellt hat, verleiht allein diese Auslegung Artikel 149 praktische Wirksamkeit. Die Kommission verfügt nämlich bereits über Durchführungsbefugnisse, die nicht zeitlich begrenzt sind. Die besonderen Maßnahmen, die sie gemäß Artikel 149 treffen kann, sind dagegen nur bis zum 31. Dezember 1997 anwendbar.

43 Demnach konnte die Kommission die angefochtenen Verordnungen rechtsgültig aufgrund des Artikels 149 der Beitrittsakte erlassen. Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund

44 Das Königreich Belgien trägt vor, die angefochtenen Verordnungen enthielten, da sie nicht die Anwendung des Verteilungsschlüssels vorsähen, für die Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten eine andere Regelung als diejenige, die für die Marktbeteiligten der ursprünglichen Mitgliedstaaten gelte. Diese Ungleichbehandlung sei nicht objektiv gerechtfertigt und verletze daher das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EG-Vertrag.

45 Der Gerichtshof hat oben in den Randnummern 34 bis 36 festgestellt, daß es mangels einer Anpassung des Gesamtkontingents für die erweiterte Gemeinschaft durch den Rat erforderlich war, daß die Kommission für die neuen Mitgliedstaaten im Wege einer Übergangsmaßnahme ein besonderes Kontingent festsetzte.

46 Aus den oben in Randnummer 36 dargelegten Gründen war die Kommission verpflichtet, eine Übergangsregelung zu erlassen, ohne den in Artikel 19 der Verordnung des Rates vorgesehenen Verteilungsschlüssel für die Marktbeteiligten zu übernehmen.

47 Um die Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation in den neuen Mitgliedstaaten in vollem Umfang zu erleichtern, machte sie jedoch die Einfuhren von Bananen in diese Staaten von der Erteilung von Lizenzen abhängig und sah einen einheitlichen Reduktionsköffizienten vor.

48 Schließlich begrenzte die Kommission die Anwendung der Übergangsregelung auf ein Jahr. Es ist nicht dargetan, daß ihr ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie diesen Zeitraum für notwendig gehalten hat, um die vollständige Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation in den neuen Mitgliedstaaten zu erleichtern.

49 Im übrigen bestimmten die angefochtenen Verordnungen, daß die den Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten erteilten Einfuhrgenehmigungen den diesen Marktbeteiligten gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 1442/93 für das Jahr 1995 zuzuteilenden Referenzmengen nicht vorgreifen. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, müssen die Marktbeteiligten der neuen Mitgliedstaaten daher über das ganze Jahr 1995 ebenso behandelt werden wie die der ursprünglichen Mitgliedstaaten.

50 Somit ist festzustellen, daß die tatsächliche und rechtliche Situation in den neuen Mitgliedstaaten sich von derjenigen unterschied, die in den ursprünglichen zwölf Mitgliedstaaten herrschte, und daß dieser Unterschied den Erlaß der angefochtenen Verordnungen durch die Kommission rechtfertigte.

51 Unter diesen Umständen ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund

52 Das Königreich Belgien macht geltend, die Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnungen enthielten keine ausreichende Begründung; die Kommission habe somit Artikel 190 EG-Vertrag verletzt.

53 Nach ständiger Rechtsprechung muß die in Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich ausserdem, daß nicht verlangt werden kann, daß in der Begründung eines Rechtsakts die verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten dargelegt werden, die Gegenstand des Rechtsakts sind, wenn dieser sich im systematischen Rahmen der Gesamtregelung hält, zu der er gehört (Urteile vom 13. Oktober 1992 in den Rechtssachen C-63/90 und C-67/90, Portugal und Spanien/Rat, Slg. 1992, I-5073, Randnr. 16, und vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-353/92, Griechenland/Rat, Slg. 1994, I-3411, Randnr. 19).

54 Die Verordnungen Nrn. 3303/94 und 479/95 sollen nach ihrer zweiten bzw. dritten Begründungserwägung die Umstellung von der in den neuen Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt zur Gemeinschaft geltenden Regelung auf diejenige erleichtern, die sich aus der gemeinsamen Marktorganisation ergibt.

55 Die Kommission weist, wenn auch mit anderen Worten, in der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1219/95 erneut auf diesen Zweck hin.

56 Mangels einer Anpassung des Zollkontingents für die erweiterte Gemeinschaft durch den Rat war es für die Betroffenen, insbesondere die ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, völlig klar, daß die Kommission gezwungen war, vorläufig besondere Kontingente für die neuen Mitgliedstaaten festzusetzen, ohne daß es ihr möglich gewesen wäre, auf diese Kontingente den Verteilungsschlüssel anzuwenden.

57 Somit ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

58 Nach alledem sind die vom Königreich Belgien in den drei Rechtssachen erhobenen Klagen abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Französische Republik trägt als Streithelferin ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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