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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: C-74/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen


Vorschriften:

Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen Art. 12 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 226 EG ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde.

( vgl. Randnr. 15 )

2. Nach dem System des Artikels 226 EG ist der Umstand, dass der Erlass einer Maßnahme zur Umsetzung einer Richtlinie kurz bevorsteht, irrelevant und nicht dazu angetan, der Kommission jedes Interesse an der Vertragsverletzungsklage zu nehmen, denn die Kommission entscheidet nach ihrem Ermessen, ob es angebracht ist, eine solche Klage zu erheben.

( vgl. Randnr. 17 )

3. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichtbeachtung der in einer Richtlinie vorgeschriebenen Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen.

( vgl. Randnr. 18 )


Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 25. September 2003. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 1999/94/EG - Nichtumsetzung innerhalb der vorgeschriebenen Frist. - Rechtssache C-74/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-74/02

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. zur Hausen als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,

eklagte,

wegen Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (ABl. 2000, L 12, S. 16) verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet (Berichterstatter) sowie der Richter P. Jann und A. Rosas,

Generalanwalt: J. Mischo,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 5. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (ABl. 2000, L 12, S. 16, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2 Da die Kommission von den deutschen Behörden keine Mitteilung über die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht erhalten hatte, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren ein. Nachdem sie die Bundesrepublik Deutschland gemahnt hatte, sich zu äußern, und durch die Argumente, mit denen die deutsche Regierung geantwortet hatte, nicht überzeugt worden war, richtete sie am 25. Juli 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Bundesrepublik. Da diese auf die Stellungnahme nicht antwortete, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Rechtlicher Rahmen

3 Zweck der Richtlinie ist es, sicherzustellen, dass die Verbraucher Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von neuen Personenkraftwagen, die in der Gemeinschaft zum Kauf oder Leasing angeboten werden, erhalten und so ihre Entscheidung in voller Sachkenntnis treffen können.

4 Nach Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich waren, um der Richtlinie bis 18. Januar 2001 nachzukommen, und die Kommission unverzüglich hiervon in Kenntnis setzen.

Zur Vertragsverletzung

Vorbringen der Parteien

5 Die Kommission trägt vor, nach den Artikeln 249 Absatz 3 EG und 10 Absatz 1 EG seien die Mitgliedstaaten, an die sich eine Richtlinie wende, verpflichtet, die darin genannten Ziele innerhalb der angegebenen Frist zu verwirklichen.

6 Im vorliegenden Fall verpflichte Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie die Mitgliedstaaten, die Richtlinie bis zum 18. Januar 2001 in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen und die Kommission von den getroffenen Umsetzungsmaßnahmen zu unterrichten, was nicht geschehen sei.

7 Die deutsche Regierung bestreitet nicht die Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie.

8 Sie hebt jedoch hervor, dass die Umsetzung der Richtlinie alsbald abgeschlossen sein werde, ein Umstand, den die Kommission vor der Erhebung der Klage hätte berücksichtigen müssen und der ihr das rechtliche Interesse an der Klage nehme.

9 Außerdem sei die Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie dadurch zu erklären, dass das deutsche Recht vor der Umsetzung der Richtlinie die Schaffung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage verlange. Dies sei am 30. Januar 2002 durch das Gesetz zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Energieeinsparung bei Geräten und Kraftfahrzeugen - Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz (EnVKG) erfolgt. Die Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie könne jetzt auf dieser Grundlage verabschiedet werden.

10 Die deutsche Regierung trägt schließlich vor, die Umsetzung der Richtlinie sei aus Gründen der Verfahrensökonomie verzögert worden, um sie gleichzeitig mit der der Richtlinie 2000/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über Energieeffizienzanforderungen an Vorschaltgeräte für Leuchtstofflampen (ABl. L 279, S. 33) vornehmen zu können.

11 Die Kommission weist die Argumente der deutschen Regierung im Ganzen zurück, die sich auf das Vorhandensein bestimmter Besonderheiten ihrer internen Rechtsordnung sowie darauf beziehen, dass sich die Bundesrepublik im Interesse der Verfahrensökonomie dafür entschieden habe, die fragliche Richtlinie und die später erlassenen anderen Umweltschutzrichtlinien auf einmal umzusetzen.

12 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes seien diese Umstände nämlich im Rahmen der Prüfung einer Vertragsverletzungsklage unerheblich.

13 Die Kommission hält es auch für irrelevant, dass die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht kurz bevorstehe. Dies allein könne ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis nehmen.

14 Schließlich sei nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes das Vorliegen einer Vertragsverletzung bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist zu beurteilen.

Würdigung durch den Gerichtshof

15 Vorab ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (u. a. Urteile vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-147/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-2387, Randnr. 26, vom 4. Juli 2002 in der Rechtssache C-173/01, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I-6129, Randnr. 7, und vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-114/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 9).

16 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um die vollständige Umsetzung der Richtlinie innerhalb der dafür gesetzten Frist sicherzustellen.

17 Der Umstand, dass der Erlass einer Umsetzungsmaßnahme kurz bevorsteht, ist irrelevant und nicht dazu angetan, der Kommission jedes Interesse an der Vertragsverletzungsklage zu nehmen, denn die Kommission entscheidet nach ständiger Rechtsprechung nach ihrem Ermessen, ob es angebracht ist, eine solche Klage zu erheben (u. a. Urteil vom 14. Mai 2002 in der Rechtssache C-383/00, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-4219, Randnr. 19).

18 Außerdem kann sich ein Mitgliedstaat nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichtbeachtung der in einer Richtlinie vorgeschriebenen Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen (u. a. Urteile vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-276/98, Kommission/Portugal, Slg. 2001, I-1699, Randnr. 20, und vom 10. April 2003, Kommission/Frankreich, Randnr. 11).

19 Die Klage der Kommission ist demnach begründet.

20 Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

21 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen verstoßen, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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