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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.07.1994
Aktenzeichen: C-75/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, VO 3433/91 EWG


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
VO 3433/91 EWG Art. 2 Abs. 6
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Verordnung über die Einführung von Antidumpingzöllen betrifft eine Gesellschaft aus einem Drittland, gegen die die Gemeinschaft keine Antidumpingzölle verhängt hat und die durch die vorbereitenden Handlungen im Antidumpingverfahren nicht betroffen war, da sie durch die Untersuchung nicht erfasst worden war und nur als Stelle zur Übermittlung von Schriftstücken zwischen der Kommission und einem Unternehmen aus einem anderen Drittland, zu dessen Lasten Dumpingpraktiken festgestellt worden sind, tätig geworden ist, nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 7. JULI 1994. - GAO YAO (HONG KONG) HUA FA INDUSTRIAL CO. LTD GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN UNION. - NICHTIGKEITSKLAGE - ZULAESSIGKEITSVORAUSSETZUNGEN - ANTIDUMPINGZOELLE - TASCHENFEUERZEUGE. - RECHTSSACHE C-75/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Gao Yao (Hong Kong) Hua Fa Industrial Co. Ltd (im folgenden: Gao Yao Hongkong) mit Sitz in Hongkong hat mit Klageschrift, die am 11. März 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Artikel 1, 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3433/91 des Rates vom 25. November 1991 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von nicht nachfuellbaren Taschenfeuerzeugen mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in Japan, der Volksrepublik China, der Republik Korea und Thailand und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls (ABl. L 326, S. 1), soweit sie die Klägerin betreffen.

2 Gao Yao Hongkong ist eine am 22. April 1987 gegründete Gesellschaft, für die das Recht von Hongkong gilt. Durch einen Auszug aus dem Gesellschaftsregister von Hongkong mit der Bezeichnung "The Companies Ordinance" wird ihre Eintragung in dieses Register unter der Nummer 189024 bescheinigt. Diesem Auszug ist ein Protokoll der Verwaltungsratssitzung am 9. Dezember 1988 beigefügt.

3 Im November 1989 wurde vom Europäischen Verband der Feuerzeughersteller ein Antrag auf Einleitung eines Antidumpingverfahrens gegen Einfuhren von nicht nachfuellbaren Taschenfeuerzeugen mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in der Volksrepublik China, der Republik Korea und Thailand eingereicht. In dem Antrag wurde als Hersteller unter anderem die in der Volksrepublik China niedergelassene Firma Gao Yao (im folgenden: Gao Yao China) genannt.

4 Am 7. April 1990 gab die Kommission die Einleitung des in der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1) vorgesehenen Verfahrens bekannt. In der Bekanntmachung über die Einleitung des Verfahrens (ABl. 1990, C 89, S. 3) forderte die Kommission die interessierten Parteien dazu auf, ihren Standpunkt darzulegen, insbesondere durch Beantwortung eines Antidumping-Fragebogens. Einer dieser Fragebogen wurde der Firma Gao Yao Hua Fa Industrial, Guangdong, Volksrepublik China, zugesandt.

5 Am 25. Mai 1990 erhielt die Kommission eine Antwort auf diesen Fragebogen, in der die genannte Firma Angaben zu ihrer Struktur und zu ihren Tätigkeiten machte. Ausserdem gab sie darin ihre Anschrift an (Guangdong Province, Zhaoging City, Gao Yao County, Jing Dao, People' s Republic of China) und führte aus, daß sie über ein "Sales Office" (Verkaufsbüro) in der Hillwood Road, Tsim Sha Tsui, Kowloon, Hongkong, verfüge. In der Antwort auf den Fragebogen wurde darum gebeten, die Korrespondenz der Einfachheit halber an das Representative Office in Hongkong zu Händen von C. K. Chu, Gao Yao (HK) Hua Fa Industrial Ltd zu richten.

6 Am 19. Februar 1991 legte die Kommission das Ergebnis ihrer Untersuchungen den Vertretern der Unternehmen dar, die Auskünfte erteilt hatten. Zu Gao Yao China führte sie aus, daß nur die Verkäufe dieser chinesischen Firma in die Gemeinschaft berücksichtigt worden seien und daß die Verkäufe auf dem Binnenmarkt von Hongkong ausser acht gelassen worden seien. Die Kommission setzte die Dumpingspanne für China auf 18,0 % fest.

7 Am 26. März 1991 legte die Klägerin der Kommission einen Schriftsatz mit Unterlagen vor, in denen Gesichtspunkte angegeben waren, aufgrund deren die Berechnungsmethode für den Normalwert des betroffenen Erzeugnisses geändert werden und sich eine Dumpingspanne von 0,6 % ergeben müsse.

8 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 1386/91 der Kommission vom 23. Mai 1991 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von nicht nachfuellbaren Taschenfeuerzeugen mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in Japan, der Volksrepublik China, der Republik Korea und Thailand (ABl. L 133, S. 20) wurde der Antidumpingzollsatz auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Volksrepublik China auf 17,8 % festgesetzt.

9 Am 19. Juni 1991 machte die Klägerin anläßlich einer Anhörung bei der Kommission geltend, Gao Yao China könne im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung Nr. 2423/88 nicht als Ausführerin angesehen werden, da alle in China hergestellten und von Gao Yao Hongkong verkauften Feuerzeuge von Hongkong, einem Marktwirtschaftsland, aus exportiert würden. Der Normalwert müsse daher der tatsächlich gezahlte vergleichbare Preis einer gleichartigen Ware auf dem Inlandsmarkt des Ausfuhrlandes, d. h. Hongkongs, sein.

10 Am 2. August 1991 teilte die Kommission der Klägerin die Gesichtspunkte mit, aufgrund deren sie eine endgültige Position einzunehmen und einen Antidumpingzoll von 16,9 % festzusetzen beabsichtige.

11 Am 28. Oktober 1991 legte die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung vor. Danach sollte für Waren mit Ursprung in China ein Antidumpingzoll von 16,9 % festgesetzt werden, was mit der Verordnung Nr. 3433/91 tatsächlich geschah.

12 Gegen diese Verordnung hat Gao Yao Hongkong die vorliegende Klage erhoben.

13 Der Rat hält die Klage für unzulässig. Die Klägerin stelle sich nämlich zum einen als ein chinesisches Unternehmen, d. h. als Verkaufsbüro der chinesischen Herstellerfirma, und zum anderen als eine Firma aus Hongkong dar, um als eine von der Herstellerfirma formal unabhängige Exportfirma zu erscheinen.

14 Diese Herstellerfirma sei ein Joint-venture, das in China gegründet worden sei, um dort unter Ausnutzung der Bedingungen eines Landes zu produzieren, das weiterhin keine Marktwirtschaft besitze. Dieses Joint-venture betreibe von Hongkong aus, das ein vollständig in das Welthandelssystem integriertes Marktwirtschaftsland sei, Handel mit der Gemeinschaft.

15 Es handele sich also um einen Fall, in dem das als Verkaufsplattform eingesetzte Land (Hongkong) von der Untersuchung oder der angefochtenen Verordnung nicht erfasst werde und die betroffene Ware auch nicht herstelle.

16 Die Klägerin trägt vor, sie sei eine nicht selbständige, in die Herstellerfirma integrierte Exportfirma. Sowohl die Kapitalstruktur als auch die Alleinvertriebsvereinbarung, die ihr gestatte, die gesamte Produktion der chinesischen Firma zu verkaufen, belegten das Verhältnis der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen ihr und dem chinesischen Hersteller.

17 Die Gemeinschaftsbehörden seien davon unterrichtet worden, daß die Gesellschaft chinesischen Rechts Feuerzeuge für die Gesellschaft in Hongkong herstelle, die den Verkauf dieser Feuerzeuge sowohl auf dem Inlandsmarkt von Hongkong als auch zur Ausfuhr in die Gemeinschaft übernehme. Das Produktionsunternehmen chinesischen Rechts entfalte keine Verkaufstätigkeit und führe nicht in die Gemeinschaft aus. Sein gesamter Verkauf werde von einer Gesellschaft durchgeführt, für die das Recht von Hongkong gelte. Kein Kaufvertrag werde mit unabhängigen Dritten abgeschlossen.

18 Sie ° die Klägerin ° sei an dem Verwaltungsverfahren bei der Kommission beteiligt gewesen. Sie sei in der endgültigen Verordnung namentlich genannt und durch die vorbereitenden Handlungen betroffen. Wenn sie nur ein Zwischenhändler wäre und nur Gao Yao China durch die Verordnung betroffen wäre, hätte die letztgenannte Firma darüber hinaus, abgesehen von der Angabe, daß ihre gesamte Produktion nach Hongkong befördert werde, den Fragebogen nicht beantworten können.

19 Die Kommission, die durch Beschluß vom 7. September 1992 als Streithelferin zugelassen worden ist, trägt vor, die Klägerin sei eine Gesellschaft, für die das Recht von Hongkong gelte und die die Nichtigerklärung einer Verordnung beantrage, die Waren mit Ursprung in der Volksrepublik China betreffe.

20 Was die Beteiligung von Gao Yao Hongkong am Verwaltungsverfahren angeht, macht die Kommission geltend, bei einer Antidumpinguntersuchung sei es ihre Pflicht, alle für die Sachaufklärung erforderlichen Informationen einzuholen; dabei habe jeder das Recht, ihr Informationen zu erteilen. Wer eine Information erteile, sei unerheblich, wenn die Information nur zuverlässig und sachdienlich sei. Sie habe daher in der Regel keine Veranlassung, die rechtliche Identität der Person zu prüfen, die die Informationen erteile. Es sei nicht erforderlich, daß sie sich der Beachtung der Förmlichkeiten vergewissere, die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage vor dem Gerichtshof seien, wenn es nur um das Sammeln von Informationen im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung gehe.

21 Die Antwort auf den Fragebogen und die sonstigen Informationen über die streitigen Feuerzeuge seien von einem chinesischen Hersteller und Ausführer oder in dessen Auftrag erteilt worden. Selbst wenn die Klägerin an der Untersuchung durch die Verwaltung als Informantin beteiligt gewesen sei, erfuelle ihre Klage nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellt habe.

22 Die Klägerin müsse nachweisen, daß sie in anderer Weise als durch ihre Beteiligung an der Untersuchung durch die Verwaltung unmittelbar und individuell betroffen sei, oder zumindest, daß sie eine besondere Behandlung hätte erfahren und gegen sie ein individueller Antidumpingzoll hätte festgesetzt werden müssen.

23 Ein Antidumpingverfahren gegen ein Land ohne Marktwirtschaft führe im Unterschied zu den andere Länder betreffenden Antidumpingverfahren normalerweise zu der Festsetzung eines einheitlichen Antidumpingzolls für das ganze Land. Dies sei darauf zurückzuführen, daß der Normalwert für ein solches Land auf der Grundlage einer besonderen Berechnung ermittelt werde und für das ganze Land gelten müsse, sowie darauf, daß wegen der zentralen Kontrolle der Ausfuhren angenommen werde, daß die Ausfuhrpreise koordiniert seien. Die Festsetzung eines einheitlichen Antidumpingzolls für ein solches Land habe zur Folge, daß nur der Staat oder die für die Ausfuhr der betreffenden Ware zuständige staatliche Stelle von Antidumpingmaßnahmen unmittelbar und individuell betroffen sei. Eine besondere Behandlung einzelner Ausführer, d. h. die Festsetzung von spezifischen Antidumpingzöllen für jeden einzelnen Wirtschaftsteilnehmer in einem solchen Land, werde daher nur möglich, wenn nachgewiesen werden könne, daß die Ausführer in ihrem Handeln unabhängig seien.

24 Der Europäische Verband der Feuerzeughersteller, der durch Beschluß vom 19. Februar 1993 als Streithelfer zugelassen worden ist, vertritt die Auffassung, eine Gesellschaft aus Hongkong sei nicht befugt, Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 3433/91 zu erheben, die Waren mit Ursprung in der Volksrepublik China betreffe.

25 Da der Rat, die Kommission und der Europäische Verband der Feuerzeughersteller geltend machen, die Klage sei unzulässig, ist diese Frage vorab zu prüfen.

26 Zwar haben Verordnungen über die Einführung von Antidumpingzöllen nach Kriterien des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite tatsächlich insofern normativen Charakter, als sie für die Gesamtheit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten. Dies schließt jedoch nicht aus, daß ihre Bestimmungen einzelne Wirtschaftsteilnehmer individuell betreffen können (siehe Urteile vom 21. Februar 1984 in den Rechtssachen 239/82 und 275/82, Allied Corporation u. a./Kommission, Slg. 1984, 1005, Randnr. 11, und vom 23. Mai 1985 in der Rechtssache 53/83, Allied Corporation u. a./Rat, Slg. 1985, 1621, Randnr. 4).

27 Der Gerichtshof hat anerkannt, daß dies im allgemeinen bei produzierenden und exportierenden Unternehmen, die nachweisen, daß sie in den Rechtsakten der Kommission oder des Rates namentlich genannt oder von den vorbereitenden Handlungen betroffen waren, sowie bei Einführern der Fall ist, deren Wiederverkaufspreise für die betreffenden Waren zur Festsetzung des Ausfuhrpreises dienen.

28 Die Klägerin war von den vorbereitenden Handlungen nicht betroffen, da es sich bei ihr um eine in Hongkong niedergelassene Gesellschaft handelt, gegen die die Gemeinschaft keine Antidumpingzölle festgesetzt hat und die durch die Untersuchung nicht erfasst war (siehe die Bekanntmachung über die Einleitung des Verfahrens, a. a. O.).

29 Ausserdem ist die Klägerin nach ihrer eigenen Aussage nur als in Hongkong niedergelassene Übermittlungsstelle tätig geworden, um den Schriftwechsel zwischen den Dienststellen der Kommission und Gao Yao China zu erleichtern. So hat die Klägerin den Fragebogen der Kommission in ihrer Eigenschaft als Vertreterin dieser Firma beantwortet.

30 Eine solche Vorgehensweise steht im übrigen im Einklang mit den Grundsätzen, die für die Sachaufklärung in Dumpingsachen gelten, da die Verordnung Nr. 2423/88 die Kommission dazu verpflichtet, alle für die Untersuchung erforderlichen Informationen unabhängig von der Quelle dieser Informationen einzuholen. Der Umstand, daß für Gao Yao China bestimmte Schreiben an eine Anschrift in Hongkong gerichtet werden, bedeutet daher nicht, daß Gao Yao Hongkong als mit der Übermittlung von Schriftstücken betraute Stelle von der Kommission in bezug auf den Gegenstand der Untersuchung als Gesprächspartner anerkannt worden ist.

31 Daraus folgt, daß die Klägerin nicht infolge ihres Tätigwerdens als mit der Übermittlung von Schriftstücken betraute Stelle im Sinne der oben genannten Urteile durch die vorbereitenden Handlungen betroffen war.

32 Die Klage ist daher für unzulässig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung die Kosten einschließlich der Kosten des Europäischen Verbandes der Feuerzeughersteller als Streithelfer aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Europäischen Verbandes der Feuerzeughersteller. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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