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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.01.1993
Aktenzeichen: C-76/91
Rechtsgebiete: EWGV, Beitrittsakte


Vorschriften:

EWGV Art. 177
EWGV Art. 37
EWGV Art. 5
Beitrittsakte Art. 208
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte 1985 über die schrittweise Umformung staatlicher portugiesischer Handelsmonopole begründet für Portugal während der dort vorgesehenen Übergangszeit keine unbedingte und hinreichend klare Verpflichtung, auf die sich einzelne vor einem innerstaatlichen Gericht berufen könnten. Erst nach Ablauf der Übergangszeit ist nämlich das Verbot der Diskriminierung an keine Bedingung mehr geknüpft und bedarf zu seiner Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahme der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten.

2. Die Verpflichtung Portugals nach Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag und Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte, das Monopol für Äthylalkohol schrittweise umzuformen, schließt nicht notwendig die Verpflichtung ein, während der Übergangszeit Kontingente für die freie Einfuhr von dem Monopol unterliegenden Erzeugnissen aus den anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen. Aufgrund dieser Bestimmungen hat Portugal nämlich ein weites Ermessen bei der Wahl der Mittel zur vorgesehenen Umformung; es kann also, um seine Verpflichtungen während der Übergangszeit zu erfuellen, andere Maßnahmen als die Eröffnung von Kontingenten wählen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 19. JANUAR 1993. - CAVES NETO COSTA SA GEGEN MINISTRO DO COMERCIO E TURISMO UND SECRETARIO DE ESTADO DO COMERCIO EXTERNO. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SUPREMO TRIBUNAL ADMINISTRATIVO - PORTUGAL. - NATIONALES HANDELSMONOPOL FUER ALKOHOL IN PORTUGAL - AKTE UEBER DEN BEITRITT DER PORTUGIESISCHEN REPUBLIK ZU DEN EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN - EMPFEHLUNG DER KOMMISSION. - RECHTSSACHE C-76/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Supremo Tribunal Administrativo hat mit Beschluß vom 14. Februar 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 37 EWG-Vertrag und des Artikels 208 Absatz 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23, im folgenden: Beitrittsakte) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen Caves Neto Costa SA (Klägerin) und dem Minister für Handel und Tourismus sowie dem Staatssekretär für Aussenhandel.

3 Die Klägerin ist der Ansicht, der portugiesische Staat habe dadurch, daß er zu dem Zeitpunkt keine Einfuhrkontingente für Äthylalkohol eröffnet hatte, zu dem der Antrag der Klägerin, die Einfuhr von 28 t reinen Alkohols aus Frankreich zu gestatten, stillschweigend zurückgewiesen wurde, gegen die Verpflichtungen verstossen, die sich aus Artikel 5 EWG-Vertrag, Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte, Absatz 2 der gemeinsamen Erklärung über die Auflösung der Monopole, die in den neuen Mitgliedstaaten im Bereich der Landwirtschaft bestehen (ABl. 1985, L 302, S. 480), sowie aus der Empfehlung der Kommission 87/525/EWG vom 8. Oktober 1987 an die Portugiesische Republik zur Umformung des staatlichen Handelsmonopols für Alkohol gegenüber den übrigen Mitgliedstaaten (ABl. L 306, S. 32, im folgenden: Empfehlung) ergaben.

4 Das Supremo Tribunal Administrativo ist der Ansicht, die Klage werfe Probleme der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf. Es hat daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Verpflichtet die schrittweise Umformung der staatlichen Handelsmonopole durch die Portugiesische Republik vom 1. Januar 1986 an in der Weise, daß vor dem 1. Januar 1993 jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, die Portugiesische Republik im Hinblick auf das Einfuhrmonopol für reinen Alkohol des öffentlichen Unternehmens Administraçaõ do Açúcar e do Alcool, Kontingente für die freie Einfuhr aus den anderen Mitgliedstaaten für sämtliche Jahre der Übergangszeit festzulegen, oder erlaubt sie es, daß diese Festlegung während der ersten Jahre des betreffenden Zeitraums nicht erfolgt?

2) Wenn die zweite Alternative zutrifft, von welchem Zeitpunkt der Übergangszeit an kann dann von der Portugiesischen Republik vernünftigerweise die Abschwächung des ausschließlichen Rechts zur Einfuhr von reinem Alkohol durch Festsetzung von Kontingenten für die freie Einfuhr erwartet werden?

3) Sind die von der Kommission in ihrer Empfehlung vom 8. Oktober 1987, die in dem zitierten Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte ausdrücklich vorgesehen ist, festgelegten Kontingente für Äthylalkohol als korrekt anzusehen?

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Nach Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte ist die Portugiesische Republik verpflichtet, ihre staatlichen Handelsmonopole im Sinne des Artikels 37 Absatz 1 EWG-Vertrag in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 1. Januar 1993 (im folgenden: Übergangszeit) schrittweise derart umzuformen, daß vor dem 1. Januar 1993 jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.

7 Um dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung zu geben, die für das Verfahren nützlich sein könnten, ist ° ehe auf die vorgelegten Fragen eingegangen wird ° daran zu erinnern, daß einer ständigen Rechtsprechung zufolge eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts unmittelbare Wirkung in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Rechtsunterworfenen nur entfaltet, wenn sie klar und unbedingt ist.

8 Weder Artikel 37 EWG-Vertrag noch der ihm entsprechende Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte begründet für die betreffenden Mitgliedstaaten während der in diesen Vorschriften vorgesehenen Übergangszeit eine unbedingte und hinreichend klare Verpflichtung, auf die sich einzelne vor einem innerstaatlichen Gericht berufen könnten.

9 So hat der Gerichtshof zu Artikel 37 EWG-Vertrag in einem Urteil vom 17. Februar 1976 zu der Rechtssache 45/75 (Rewe/Hauptzollamt Landau, Slg. 1976, 181, Randnr. 24) festgestellt, erst nach Ablauf der Übergangszeit sei das für das Ende der Übergangszeit vorgesehene Verbot der Diskriminierung an keine Bedingung mehr geknüpft und bedürfe zu seiner Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahme der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten.

Zu den ersten beiden Fragen

10 Diesen Fragen zufolge soll geklärt werden, ob Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag und Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte dahin auszulegen sind, daß die der Portugiesischen Republik obliegende Verpflichtung zur Umformung des Monopols für Äthylalkohol unumgänglich die Verpflichtung einschließt, während der Übergangszeit Kontingente für die freie Einfuhr von dem Monopol unterliegenden Erzeugnissen aus den anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen, und ° falls dies zutrifft ° von welchem Zeitpunkt an diese Kontingente festzusetzen sind.

11 Ein Monopol der im vorliegenden Fall fraglichen Art stellt ein staatliches Handelsmonopol im Sinne von Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag dar und fällt somit in den Anwendungsbereich des Artikels 208 Absatz 1 der Beitrittsakte.

12 Für die Beantwortung der gestellten Fragen ist daher von Bedeutung, welche Tragweite die in Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte festgelegte Verpflichtung der Portugiesischen Republik in bezug auf die schrittweise Umformung dieser Monopole während der Übergangszeit hat.

13 Der Ausschluß jeder Diskriminierung nach Ablauf der Übergangszeit stellt eine klare Verpflichtung dar, deren Erfuellung dadurch, daß die vorgesehene Umformung schrittweise erfolgen soll, zwar erleichtert, nicht aber bedingt werden soll. Dies hat der Gerichtshof in dem Urteil Rewe unter Randnummer 24 zu Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag entschieden, der dem Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte inhaltsgleiche Verpflichtungen enthält.

14 Nach diesem Urteil soll die Frist, die den Mitgliedstaaten gesetzt ist, um ihre staatlichen Monopole schrittweise umzuformen, die Schaffung neuer, mit dem Verbot jeder Diskriminierung nach Ablauf der Übergangszeit zu vereinbarender Verhältnisse erleichtern.

15 Im Lichte dieser Zielrichtung ist die der Kommission in Artikel 208 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Beitrittsakte zugewiesene Aufgabe zu verstehen, an die betreffenden Mitgliedstaaten in Form von Empfehlungen nicht verbindliche Akte über die Art und Weise und den Zeitplan der in diesem Artikel vorgesehenen Umformung zu richten.

16 Während Artikel 208 Absatz 2 der Beitrittsakte für das Monopol für Erdölerzeugnisse eingehende Vorschriften zur Liberalisierung der Märkte enthält, bezeichnet Artikel 208 Absatz 1 im übrigen in keiner Weise die Mittel näher, mit denen die schrittweise Umformung eines Monopols der erörterten Art vorzunehmen ist.

17 Aufgrund von Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte hat die Portugiesische Republik demnach ein weites Ermessen bei der Wahl der Mittel zur schrittweisen Umformung der fraglichen Monopole in der Weise, daß spätestens bei Ablauf der Übergangszeit der in dieser Vorschrift vorgesehene Ausschluß jeder Diskriminierung sichergestellt ist. Sie kann also, um ihre Verpflichtungen während der Übergangszeit zu erfuellen, andere Maßnahmen als die Eröffnung von Kontingenten für die freie Einfuhr aus den anderen Mitgliedstaaten wählen.

18 Auf die beiden ersten Fragen ist somit zu antworten, daß die Verpflichtung der Portugiesischen Republik aus Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag und Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte, das Monopol für Äthylalkohol schrittweise umzuformen, nicht notwendig die Verpflichtung einschließt, während der Übergangszeit Kontingente für die freie Einfuhr von dem Monopol unterliegenden Erzeugnissen aus den anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen.

19 Angesichts dieser Antwort braucht auf die dritte Frage nicht eingegangen zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Die Auslagen der portugiesischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Supremo Tribunal Administrativo mit Beschluß vom 14. Februar 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Verpflichtung der Portugiesischen Republik nach Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag und Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte, das Monopol für Äthylalkohol schrittweise umzuformen, schließt nicht notwendig die Verpflichtung ein, während der Übergangszeit Kontingente für die freie Einfuhr von dem Monopol unterliegenden Erzeugnissen aus den anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen.

Ende der Entscheidung

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