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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.03.1992
Aktenzeichen: C-78/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Artikel 30
EWG-Vertrag Artikel 12
EWG-Vertrag Artikel 95
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine nach denselben Erhebungsmodalitäten auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhobene parafiskalische Abgabe, deren Aufkommen ausschließlich zugunsten der inländischen Erzeugnisse so verwendet wird, daß die sich daraus ergebenden Vorteile die diese Erzeugnisse treffende Belastung vollständig ausgleichen, stellt eine nach Artikel 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll dar. Gleichen diese Vorteile dagegen nur einen Teil der Belastung aus, die die inländischen Erzeugnisse trifft, so stellt die betreffende Abgabe eine diskriminierende Abgabe im Sinne von Artikel 95 EWG-Vertrag dar, deren Erhebung für den Bruchteil ihres Betrags verboten ist, der für den Ausgleich verwendet wird, der den inländischen Erzeugnissen zugute kommt.

Eine solche parafiskalische Abgabe fällt unter die Artikel 12 ff. oder unter Artikel 95 EWG-Vertrag und damit nicht unter Artikel 30 EWG-Vertrag.

2. Eine nach denselben Erhebungsmodalitäten auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhobene parafiskalische Abgabe, deren Aufkommen ausschließlich zugunsten der inländischen Erzeugnisse so verwendet wird, daß die sich daraus ergebenden Vorteile die diese Erzeugnisse treffende Belastung vollständig ausgleichen, kann je nach der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind, wobei die Feststellung, daß diese Voraussetzungen vorliegen, nach dem dafür in Artikel 93 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahren zu treffen ist.

3. Artikel 37 EWG-Vertrag steht der Einführung einer parafiskalischen Abgabe nicht entgegen, die unabhängig von der in einem Mitgliedstaat geltenden Regelung für die Einfuhr und den Vertrieb von Erdöl geschaffen wird und nicht mit der Ausübung der in dieser Regelung vorgesehenen ausschließlichen Rechte zusammenhängt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 11. MAERZ 1992. - COMPAGNIE COMMERCIALE DE L'OUEST UND ANDERE GEGEN RECEVEUR PRINCIPAL DES DOUANES DE LA PALLICE PORT. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL DE POITIERS - FRANKREICH. - STEUERAEHNLICHE ABGABEN AUF ERDOELERZEUGNISSE. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-78/90, C-79/90, C-80/90, C-81/90, C-82/90 UND C-83/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' appel Poitiers hat mit Urteilen vom 14. Februar 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 22. März 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag Fragen nach der Auslegung der Artikel 3, 5, 6, 12, 13, 30, 31 Absatz 1, 32 Absatz 1, 37 Absatz 2, 92 und 95 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen verschiedenen mit Erdölerzeugnissen handelnden Unternehmen und der französischen Zollverwaltung über die Rechtmässigkeit einer in Frankreich auf bestimmte Erdölerzeugnisse erhobenen parafiskalischen Abgabe.

3 Aus den Akten geht hervor, daß die Raffinerieuebernahmepreise für Erdölerzeugnisse in Frankreich von der Verwaltung anhand verschiedener Faktoren festgelegt wurden, zu denen der Kurs des amerikanischen Dollars, der Zahlungswährung für Rohöl auf den internationalen Märkten, gehörte. Die Einzelhandelspreise dieser Erzeugnisse wurden ebenfalls von der Verwaltung anhand verschiedener Faktoren festgesetzt, zu denen die Raffinerieuebernahmepreise gehörten. Diese Übernahmepreise wurden 1978 nach dem Rückgang des Dollarkurses gesenkt.

4 Um zu verhindern, daß diese Preissenkung zu einer Erhöhung des Verbrauchs von Erdölerzeugnissen führte, beschloß die staatliche Verwaltung, die Senkung der Übernahmepreise nicht auf die Einzelhandelspreise durchschlagen zu lassen. Zu diesem Zweck wurde zum Ausgleich dieser Senkung bis zum 31. Dezember 1978 durch zwei Dekrete vom 30. August und vom 2. November 1978 eine parafiskalische Abgabe auf Superkraftstoff, Benzin und Heizöl eingeführt. Diese Abgabe wurde durch Ministerialverordnungen auf 6,85 FF pro Hektoliter für Superkraftstoff und Benzin und auf 2,06 FF pro Hektoliter für Heizöl festgesetzt.

5 Nach diesen beiden Dekreten war der Entstehungstatbestand der parafiskalischen Abgabe das Inverkehrbringen der betreffenden Erzeugnisse unabhängig davon, ob sie eingeführt oder in französischen Raffinerien aus Rohöl inländischen oder ausländischen Ursprungs hergestellt worden waren.

6 Nach den genannten Dekreten sollte diese Abgabe zugunsten der Agence pour les économies d' énergie (Agentur für Energieeinsparung), eines Wirtschaftsbetriebs der öffentlichen Hand, erhoben werden, die das Aufkommen zur Finanzierung von Maßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung oder des rationellen Einsatzes von nicht ausreichend genutzten Energiequellen verwenden sollte.

7 Vier Unternehmen, deren Tätigkeit im Kauf, in der Einfuhr und im Vertrieb von Erdölerzeugnissen besteht, hielten die Erhebung der Abgabe für rechtswidrig und verklagten die Zollverwaltung beim Tribunal d' instance La Rochelle auf Erstattung der aufgrund der beiden genannten Dekrete erhobenen Beträge.

8 Das Tribunal d' instance war der Meinung, die klägerischen Unternehmen hätten nicht den nach Artikel 13-5 der Loi de finances vom 30. Dezember 1980 - jetzt Artikel 352bis des Code des douanes - vorgeschriebenen Nachweis erbracht, daß die gezahlten Abgaben nicht auf den Verbraucher abgewälzt worden seien. Es wies ihre Klagen daher ab.

9 Die Cour d' appel Poitiers, bei der die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung anhängig ist, setzte das Verfahren bis zum Erlaß des Urteils aus, das der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auf eine Frage zu erlassen hatte, die die Cour de cassation ihm nach ähnlichen Klagen anderer betroffener Unternehmen zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte.

10 Mit Urteil vom 25. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 331/85, 376/85 und 378/85 (Bianco und Girard, Slg. 1988, 1099) hat der Gerichtshof diese Frage wie folgt beantwortet:

"1) Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, Bestimmungen zu erlassen, die die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftrecht erhobenen nationalen Abgaben von dem Nachweis abhängig machen, daß diese Abgaben nicht auf die Abnehmer der abgabenpflichtigen Erzeugnisse abgewälzt wurden, und die allein den natürlichen oder juristischen Personen, die die Erstattung beantragen, die Beweislast dafür auferlegen.

2) Für die Beantwortung der Frage kommt es nicht auf die etwaige Rückwirkung der nationalen Vorschriften, auf die Rechtsnatur der betreffenden Abgabe oder darauf an, ob der Markt ganz oder teilweise durch Wettbewerb, durch Reglementierung oder durch eine monopolistische Struktur gekennzeichnet ist."

11 Die Cour d' appel Poitiers stellte fest, daß dieses Urteil des Gerichtshofes sich nur auf das Beweisrecht in bezug auf einen Antrag auf Erstattung von "unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen nationalen Abgaben" beziehe, und gelangte zu dem Ergebnis, daß zu entscheiden sei, ob die streitigen Abgaben unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht eingeführt und erhoben worden seien.

12 Mit sechs gleichlautenden Urteilen vom 14. Februar 1990 hat die Cour d' appel Poitiers daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist eine von einem Mitgliedstaat eingeführte parafiskalische Abgabe, mit der eine Ware bei ihrem Inverkehrbringen zugunsten einer nationalen Einrichtung des öffentlichen Rechts belastet wird, mit den Artikeln 3, 5, 6, 12 und 13 EWG-Vertrag, durch die der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten eingeführt wird, vereinbar,

a) wenn sie für eine eingeführte Ware gilt,

b) wenn sie nach den gleichen Festsetzungs- und Erhebungsmodalitäten sowohl für eine eingeführte als auch für eine inländische Ware gilt?

2) Stellt eine von einem Mitgliedstaat eingeführte parafiskalische Abgabe, mit der ein gewerbliches Erzeugnis wie Benzin, Superkraftstoff oder Heizöl bei seinem Inverkehrbringen auf dem Inlandsmarkt belastet wird, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung dar, und ist sie mit den Artikeln 30, 31 Absatz 1 und 32 Absatz 1 EWG-Vertrag vereinbar,

a) wenn sie für eine eingeführte Ware gilt,

b) wenn sie nach den gleichen Erhebungsmodalitäten sowohl für eingeführte als auch für inländische Erdölerzeugnisse gilt, auch wenn letztere nur einen geringen Teil des nationalen Verbrauchs ausmachen?

3) Ist eine parafiskalische Abgabe, wie sie sich aus den streitigen Dekreten ergibt, mit Artikel 37 Absatz 2 EWG-Vertrag vereinbar?

4) Kann die parafiskalische Abgabe, soweit sie nicht als Abgabe gleicher Wirkung angesehen werden kann, als eine inländische Abgabe im Sinne von Artikel 95 EWG-Vertrag betrachtet werden?

5) Ist eine parafiskalische Abgabe, mit deren Aufkommen nur inländische Unternehmen subventioniert werden sollen - im vorliegenden Fall die Agentur für Energieeinsparuung, die nach Artikel 5 des Dekrets vom 30. August 1978 die Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung oder des rationellen Einsatzes von nicht ausreichend genutzten Energiequellen verwenden soll - mit dem EWG-Vertrag, insbesondere Artikel 92, vereinbar?

13 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zu den Vorabentscheidungsfragen

14 Die Kommission trägt vor, zur Beantwortung der Vorabentscheidungsfragen dürfe die Abgabe nicht isoliert geprüft werden, da sie sich in ein System reglementierter Preise einfüge, das nach den Urteilen des Gerichtshofes vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 231/83 (Leclerc, Slg. 1985, 305) und vom 6. November 1979 in den verbundenen Rechtssachen 16/79 bis 20/79 (Danis, Slg. 1979, 3327) mit Artikel 30 EWG-Vertrag nicht vereinbar sei. Die parafiskalischen Abgaben, die Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage seien, seien untrennbar mit dem System der Preisfestsetzung verbunden, dessen Komponenten sämtlich von der Verwaltung bestimmt würden. Sie würden somit vom Verbot des Artikels 30 EWG-Vertrag erfasst, weil diese Regelung zur Folge habe, daß die Stellung der inländischen Erzeugnisse im Wettbewerb sich nicht geändert habe, da die Belastung durch die Abgabe durch die Herabsetzung des Preises ausgeglichen worden sei; dagegen werde die Lage der aus den anderen Mitgliedstaaten eingeführten Erdölerzeugnisse dadurch verschlechtert, daß sie mit der Abgabe belastet würden, ohne daß ihnen die Herabsetzung des Preises zugute komme.

15 Hierzu ist festzustellen, daß die Vorabentscheidungsfragen sich im vorliegenden Fall nicht auf das französische System reglementierter Preise, sondern nur auf die parafiskalische Abgabe als solche beziehen. Der Gerichtshof beschränkt sich folglich auf diese Fragestellung und prüft die streitige parafiskalische Abgabe, ohne sich mit der Frage zu befassen, in welchem Zusammenhang diese Abgabe mit der Herabsetzung der Preise der Erdölerzeugnisse steht.

16 Die Vorlagefragen sind daher wie folgt zu verstehen:

Stehen die Artikel 3, 5, 6, 12, 13, 30, 31 Absatz 1, 32 Absatz 1, 37 Absatz 2, 92 und 95 EWG-Vertrag der Einführung einer beim Inverkehrbringen bestimmter Erdölerzeugnisse erhobenen parafiskalischen Abgabe, die inländische und eingeführte Erzeugnisse unterschiedslos belastet, zugunsten einer öffentlichen Einrichtung entgegen, die die Erträge aus der Abgabe zur Finanzierung von Maßnahmen zur Förderung von Energieeinsparungen oder des rationellen Einsatzes von nicht ausreichend genutzten Energiequellen verwendet?

Zu den Artikeln 3, 5 und 6 EWG-Vertrag

17 Artikel 3 EWG-Vertrag nennt allgemein die Bereiche, auf die sich die Tätigkeit der Gemeinschaft "nach der [im Vertrag] vorgesehenen Zeitfolge" erstreckt.

18 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 231/83 (Leclerc, a. a. O., 305, Randnr. 10) in bezug auf Artikel 3 Buchstabe f ausgeführt hat, gehören die Regelungen in Artikel 3 zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes, die in Verbindung mit den sie jeweils konkretisierenden Kapiteln des EWG-Vertrags Anwendung finden, wobei die darin genannten allgemeinen Ziele durch die spezifischen Regeln genauer bestimmt werden, die in anderen Vorschriften enthalten sind. Daraus folgt, daß dieser Artikel neben den spezifischen Vorschriften des EWG-Vertrags, die die betreffende Materie regeln, keine selbständige Anwendung finden kann.

19 Auch die Artikel 5 und 6 EWG-Vertrag sind so allgemein formuliert, daß ihre selbständige Anwendung nicht in Frage kommt, wenn die betreffende Fallgestaltung durch eine spezifische Vorschrift des EWG-Vertrags geregelt ist, wie es in der vorliegenden Rechtssache der Fall ist. In bezug auf die Artikel 3, 5 und 6 EWG-Vertrag braucht die Frage daher nicht beantwortet zu werden.

Zu den Artikeln 12, 13, 30 ff. und 95 EWG-Vertrag

20 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 74/76, Iannelli und Volpi, Slg. 1977, 557) erfasst der Anwendungsbereich des Artikels 30 EWG-Vertrag solche Beeinträchtigungen nicht, für die sonstige spezifische Vertragsvorschriften gelten, so daß die in den Artikeln 9 bis 16 und 95 EWG-Vertrag bezeichneten Beeinträchtigungen fiskalischer Art oder mit zollgleicher Wirkung nicht dem Verbot des Artikels 30 unterliegen.

21 In Anbetracht dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof zunächst zu prüfen, ob eine Maßnahme wie die in den Fragen des vorlegenden Gerichts beschriebene unter die Artikel 12 und 13 oder unter Artikel 95 EWG-Vertrag fällt; nur wenn dies zu verneinen wäre, hätte er zu prüfen, ob die betreffende Maßnahme in den Anwendungsbereich des Artikels 30 EWG-Vertrag fällt.

22 Da die Vorschriften über Abgaben gleicher Wirkung und diejenigen über diskriminierende inländische Abgaben nicht kumulativ angewendet werden können (vgl. Urteil vom 18. Juni 1975 in der Rechtssache 94/74, IGAV, Slg. 1975, 699), ist der jeweilige Anwendungsbereich dieser Vorschriften zu definieren.

23 Die Artikel 12 und 13 EWG-Vertrag verbieten Einfuhr- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung im Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Was Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung angeht, hat der Gerichtshof im Urteil vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 (Capolongo, Slg. 1973, 611) festgestellt, daß dieses Verbot sich grundsätzlich auf alle anläßlich und wegen der Einfuhr geforderten Abgaben bezieht, die eingeführte Waren, nicht aber gleichartige inländische Waren spezifisch treffen, und daß auch Geldlasten, die zur Finanzierung der Tätigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bestimmt sind, Abgaben zollgleicher Wirkung darstellen können.

24 Der Gerichtshof hat in diesem Urteil ausgeführt, daß es bei der Auslegung des Begriffs "Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll" angebracht sein kann, den Bestimmungszweck der auferlegten Geldlasten zu berücksichtigen. Wenn nämlich eine solche finanzielle Belastung oder ein solcher Beitrag ausschließlich dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die allein den belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kommen, dann kann sich daraus ergeben, daß der allgemeine Beitrag, der nach denselben Kriterien auf eingeführte und inländische Erzeugnisse erhoben wird, dennoch für die einen eine zusätzliche Nettobelastung bedeutet, während er für die anderen in Wirklichkeit eine Gegenleistung für erhaltene Vorteile oder Beihilfen darstellt. Folglich kann ein Beitrag, auch wenn er Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung ist, die inländische und eingeführte Erzeugnisse nach denselben Kriterien erfasst, trotzdem eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll darstellen, sofern er ausschließlich dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die in spezifischer Weise den erfassten inländischen Erzeugnissen zugute kommen.

25 Artikel 95 verbietet es den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben zu erheben, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, oder Abgaben, die geeignet sind, andere inländische Produktionen zu schützen. Das Kriterium für die Anwendung dieser Vorschrift besteht folglich darin, ob eine inländische Abgabe diskriminierenden oder schützenden Charakter hat.

26 In bezug auf eine Abgabe, die auf inländische und eingeführte Erzeugnisse nach demselben Kriterien erhoben wird, hat der Gerichtshof jedoch festgestellt, daß es angebracht sein kann, den Bestimmungszweck des Aufkommens aus der Abgabe zu berücksichtigen. Wenn nämlich das Aufkommen aus einer solchen Abgabe dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die speziell den belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kommen, dann kann sich daraus ergeben, daß der Beitrag, der nach denselben Kriterien erhoben wird, dennoch insoweit eine diskriminierende Besteuerung bedeutet, als die steuerliche Belastung der inländischen Erzeugnisse durch die Vorteile, deren Finanzierung sie dient, aufgehoben wird, während sie für die eingeführten Erzeugnisse eine Nettobelastung darstellt (Urteil vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache 73/79, Kommission/Italien, Slg. 1980, 1533, Randnr. 15).

27 Wenn die Vorteile, die sich aus der Verwendung des Aufkommens der betreffenden Abgabe ergeben, die Belastung des inländischen Erzeugnisses bei seinem Inverkehrbringen vollständig ausgleichen, stellt diese Abgabe somit eine gegen die Artikel 12 ff. EWG-Vertrag verstossende Abgabe zollgleicher Wirkung dar. Wenn diese Vorteile dagegen nur einen Teil der Belastung des inländischen Erzeugnisses ausgleichen, fällt die betreffende Abgabe unter Artikel 95 EWG-Vertrag. In diesem Fall wäre die Abgabe insoweit unvereinbar mit Artikel 95 EWG-Vertrag und daher verboten, als sie zum Nachteil des eingeführten Erzeugnisses diskriminierend ist, also insoweit, als sie die Belastung des erfassten inländischen Erzeugnisses teilweise ausgleicht.

28 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Belastung des inländischen Erzeugnisses vollständig oder teilweise durch die Verwendung der Einnahmen aus der betreffenden Abgabe in der Weise ausgeglichen wird, daß sie den inländischen Erzeugnisses zugute kommt.

29 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen, wonach die streitige parafiskalische Abgabe je nach den vom nationalen Gericht festzustellenden tatsächlichen Gegebenheiten entweder unter die Artikel 12 ff. oder unter Artikel 95 EWG-Vertrag fällt, kann Artikel 30 im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.

30 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß eine parafiskalische Abgabe wie die in der vorliegenden Rechtssache betroffene unter die Artikel 12 ff. oder unter Artikel 95 EWG-Vertrag und damit nicht unter Artikel 30 EWG-Vertrag fällt.

Zu den Artikeln 92 ff. EWG-Vertrag

31 Das vorlegende Gericht fragt, ob eine parafiskalische Abgabe wie die in der vorliegenden Rechtssache betroffene mit den Vorschriften des EWG-Vertrags über staatliche Beihilfen vereinbar ist.

32 Wie ausgeführt worden ist, fällt die streitige parafiskalische Abgabe entweder unter die Artikel 12 und 13 oder unter Artikel 95 EWG-Vertrag. Die Verwendung ihres Aufkommens kann jedoch eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag, so wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofes ausgelegt werden, im vorliegenden Fall erfuellt sind.

33 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Unvereinbarkeit von staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt jedoch weder absolut noch unbedingt. Der Vertrag regelt in Artikel 93 die fortlaufende Überprüfung und die Kontrolle der Beihilfen durch die Kommission und geht somit davon aus, daß die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in einem geeigneten Verfahren zu erfolgen hat, dessen Durchführung vorbehaltlich der Kontrolle durch den Gerichtshof Sache der Kommission ist. Dem einzelnen ist es daher verwehrt, sich auf Artikel 92 allein zu berufen, um die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht vor einem nationalen Gericht geltend zu machen und zu beantragen, dieses Gericht möge eine solche Unvereinbarkeit unmittelbar oder inzidenter feststellen (Urteile vom 22. März 1977 in der Rechtssache 74/76, Iannelli und Volpi, a. a. O., und in der Rechtssache 78/76, Steinicke und Weinlig, Slg. 1977, 595).

34 Dagegen ist auf die Befugnisse des nationalen Gerichts bei Nichtbeachtung des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag durch den betreffenden Mitgliedstaat hinzuweisen, so wie diese Befugnisse vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache 354/90 (Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires, Slg. 1991, I-5505) definiert worden sind.

35 Eine parafiskalische Abgabe wie die in der vorliegenden Rechtssache betroffene kann daher je nach der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind, wobei die Feststellung, daß diese Voraussetzungen vorliegen, nach dem dafür in Artikel 93 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahren zu treffen ist.

Zu Artikel 37 EWG-Vertrag

36 In dem von dem vorlegenden Gericht angesprochenen Fall ist festzustellen, daß die betreffende parafiskalische Abgabe unabhängig von der Regelung für die Einfuhr und den Vertrieb von Erdöl in Frankreich geschaffen worden ist und nicht mit der Ausübung der in dieser Regelung vorgesehenen ausschließlichen Rechte zusammenhing.

37 Dem vorlegenden Gericht ist folglich zu antworten, daß Artikel 37 EWG-Vertrag der Einführung einer parafiskalischen Abgabe nicht entgegensteht, die unabhängig von einer in einem Mitgliedstaat geltenden Regelung für die Einfuhr und den Vertrieb von Erdöl geschaffen wird und nicht mit der Ausübung der nach dieser Regelung vorgesehenen ausschließlichen Rechte zusammenhängt.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm von der Cour d' appel Poitiers mit Urteilen vom 14. Februar 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Eine nach denselben Erhebungsmodalitäten auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhobene parafiskalische Abgabe, deren Aufkommen ausschließlich zugunsten der inländischen Erzeugnisse so verwendet wird, daß die sich daraus ergebenden Vorteile die diese Erzeugnisse treffende Belastung vollständig ausgleichen, stellt eine nach Artikel 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll dar. Gleichen diese Vorteile dagegen nur einen Teil der Belastung aus, die die inländischen Erzeugnisse trifft, so stellt die betreffende Abgabe eine nach Artikel 95 EWG-Vertrag verbotene diskriminierende Abgabe dar.

2) Eine solche parafiskalische Abgabe kann je nach der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind, wobei die Feststellung, daß diese Voraussetzungen vorliegen, nach dem dafür in Artikel 93 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahren zu treffen ist.

3) Eine solche parafiskalische Abgabe fällt unter die Artikel 12 ff. oder unter Artikel 95 EWG-Vertrag und damit nicht unter Artikel 30 EWG-Vertrag.

4) Artikel 37 EWG-Vertrag steht der Einführung einer parafiskalischen Abgabe nicht entgegen, die unabhängig von der in einem Mitgliedstaat geltenden Regelung für die Einfuhr und den Vertrieb von Erdöl geschaffen wird und nicht mit der Ausübung der in dieser Regelung vorgesehenen ausschließlichen Rechte zusammenhängt.

Ende der Entscheidung

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