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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: C-79/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten


Vorschriften:

Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten Art. 8 Abs. 1
Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten Art. 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 9. Dezember 2004. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 79/409/EWG - Erhaltung der wild lebenden Vogelarten - Jagd mit Leimruten. - Rechtssache C-79/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-79/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingegangen am

21. Februar 2003

,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Valero Jordana als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann (Berichterstatter), J. Makarczyk, P. Kris und J. Kluka,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

9. September 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 8 Absatz 1 und 9 Absatz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass es im Gebiet der Gemeinschaft Valencia (Spanien) die Jagd mit Leimruten mittels der unter der Bezeichnung Parany bekannten Methode duldet.

2. Der Parany ist eine Vorrichtung zum Fang von Vögeln. Er besteht aus einem Gestell von Leimruten, das in einem Baum angebracht wird, in den die bejagten Vögel mit Lockpfeifen gelockt werden. Bei Berührung einer Leimrute verliert der Vogel im Allgemeinen seine Fähigkeit zu fliegen und kann vom Jäger gefangen und getötet werden.

Gemeinschaftsrecht

3. Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt: Was die Jagd, den Fang oder die Tötung von Vögeln... betrifft, so untersagen die Mitgliedstaaten sämtliche Mittel, Einrichtungen oder Methoden, mit denen Vögel in Mengen oder wahllos gefangen oder getötet werden oder die gebietsweise das Verschwinden einer Vogelart nach sich ziehen können, insbesondere die in Anhang IV Buchstabe a) aufgeführten Mittel, Einrichtungen und Methoden.

4. In Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie werden u. a. die Leimruten genannt.

5. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie sieht die Möglichkeit vor, sofern es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt, aus den in den Buchstaben a bis c genannten Gründen von den Artikeln 5, 6, 7 und 8 der Richtlinie abzuweichen. Eine solche Ausnahme ist u. a. möglich zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen (Buchstabe a dritter Gedankenstrich) oder, um unter streng überwachten Bedingungen selektiv den Fang, die Haltung oder jede andre vernünftige Nutzung bestimmter Vogelarten in geringen Mengen zu ermöglichen (Buchstabe c).

Nationales Recht

6. Das von der Regierung der Gemeinschaft Valencia am 12. September 2000 erlassene Decreto 135/2000 regelt die Erteilung von Erlaubnissen in Ausnahmefällen zur Ausübung der Jagd auf Drosseln in der Gemeinschaft Valencia nach der ParanyMethode (im Folgenden: Decreto 135/2000). Es legt Folgendes fest,

- die Anforderungen, denen der Parany genügen muss, insbesondere den Abstand zwischen den Leimruten und die Eigenschaften des zu verwendenden Leims;

- die Vogelarten, deren Fang zulässig ist: Singdrossel (Turdus philomelos), Rotdrossel (Turdus iliacus), Wacholderdrossel (Turdus pilaris) und Misteldrossel (Turdus viscivorus);

- die Jagdsaison und die Tageszeiten, zu denen gejagt werden darf;

- die Höchstfangmenge je Parany.

7. Dieses Decreto wurde mit Urteil des Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana (Spanien) vom 26. September 2002 für nichtig erklärt. Die Regierung der Gemeinschaft Valencia legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo ein.

Vorprozessuales Verfahren

8. Nachdem die Kommission mit Beschwerden über die Praxis der Jagd mit dem Parany im Gebiet der Gemeinschaft Valencia befasst worden war, setzte sie diese Frage auf die Tagesordnung eines Treffens zu Umweltfragen, das am 12. und 13. November 1998 in Madrid stattfand. Die spanischen Behörden räumten bei diesem Treffen ein, diese Praxis nach Maßgabe der in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen zugelassen zu haben, weil es keine zufriedenstellenderen Lösungen zur Abwendung der Schäden an Kulturen gegeben habe.

9. Da die Kommission der Ansicht war, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 8 Absatz 1 und 9 Absatz 1 der Richtlinie verstoßen habe, dass es im Gebiet der Gemeinschaft Valencia die Ausübung der Jagd mit dem Parany dulde und das Fehlen einer anderen zufrieden stellenden Lösung in den Fällen der in dieser Gemeinschaft bewilligten Ausnahmen nicht begründe, richtete sie am 25. Oktober 2000 ein Mahnschreiben an das Königreich Spanien.

10. Die spanische Regierung antwortete der Kommission mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 und führte aus, dass die Regierung der Gemeinschaft Valencia insbesondere im Hinblick auf das Gesetz 40/97, mit dem Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie in spanisches Recht umgesetzt werde, bemüht gewesen sei, der Drosseljagd mit Hilfe von Paranys einen angemessenen rechtlichen Rahmen zu geben, der ihre Ausübung unter Beachtung des Grundsatzes der Beschränkung, der Selektivität und der angemessenen Kontrolle gewährleiste. Dementsprechend habe die Regierung dieser Gemeinschaft das Decreto 135/2000 erlassen.

11. Im Mai 2001 erläuterten die spanischen Behörden bei einem Treffen mit Vertretern der Kommission, dass die Jagd mit Leimruten eine in der Region Valencia tief verwurzelte Praxis sei und dass deren Verbot dort ein gesellschaftliches Unbehagen ausgelöst hätte. Andere Methoden, die es ermöglichten, die Schäden an Kulturen abzuwenden, gebe es nicht.

12. Am 26. Juli 2001 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie im Wesentlichen die im Mahnschreiben vorgetragenen Rügen wiederholte und dem Königreich Spanien eine Frist von zwei Monaten setzte, die geeigneten Maßnahmen zu erlassen, um seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen.

13. In ihrer Antwort vom 28. September 2001 wiederholte und ergänzte die spanische Regierung die Argumente, mit denen sie die beanstandete jagdliche Praxis gerechtfertigt hatte.

14. In der Erwägung, dass der vom Königreich Spanien begangene Verstoß gegen die Richtlinie fortbestehe, hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

15. Die Kommission macht geltend, dass die Drosseljagd mit der Methode des Parany nichtselektiv sei und weder mit der in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie genannten Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen noch als Fang bestimmter Vogelarten in geringen Mengen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie gerechtfertigt werden könne.

Zur fehlenden Selektivität der Jagd mit dem Parany

Vorbringen der Parteien

16. Nach Ansicht der Kommission ist die Jagd mit Leimruten trotz der von den spanischen Behörden erlassenen Maßnahmen wie derjenigen betreffend u. a. die Größe des Paranys, die Anbringung der Leimruten, die Verwendung von Lockpfeifen und die Verpflichtung der Eigentümer von Paranys, andere gefangene Vögel als Drosseln zu säubern und freizulassen, eine nach Artikel 8 der Richtlinie verbotene nichtselektive Fangmethode. Mit diesen Maßnahmen werde nämlich nicht der Fang von Vögeln verhindert, die zu nicht unter die Ausnahmeregelung fallenden Arten gehörten.

17. Die spanische Regierung trägt vor, die Leimrute sei nach den Begründungserwägungen des Decreto 135/2000 an sich eine nichtselektive Vorrichtung, sie werde aber zu einer völlig selektiven Fangmethode oder -technik, wenn sie in angemessener Weise und im Einklang mit den Schranken und Grenzen, die in diesem Decreto gezogen seien, eingesetzt werde. So würden Vögel, die nicht zu den Arten gehörten, die mit Leimruten gefangen werden dürften, nur versehentlich gefangen. Die den Jägern durch das Decreto 135/200 auferlegte Verpflichtung, jeden versehentlich gefangenen Vogel zu säubern und wieder freizulassen, gewährleiste die Selektivität der Jagd mit dem Parany.

Würdigung durch den Gerichtshof

18. Was die Jagd, den Fang oder die Tötung von Vögeln betrifft, so sieht Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten sämtliche Mittel, Einrichtungen oder Methoden untersagen, mit denen Vögel in Mengen oder wahllos gefangen oder getötet werden oder die gebietsweise das Verschwinden einer Vogelart nach sich ziehen können, insbesondere die in Anhang IV Buchstabe a dieser Richtlinie aufgeführten Mittel, Einrichtungen und Methoden einschließlich der Leimruten.

19. Unstreitig ist es aber bei der Drosseljagd mit Hilfe von Leimruten, so wie sie im Gebiet der Gemeinschaft Valencia organisiert ist, nicht möglich, den Fang anderer Vögel als Drosseln abzuwenden. Dem dritten Bericht der spanischen Gesellschaft für Ornithologie zum Drosselfang mit dem Parany in der Gemeinschaft Valencia (im Folgenden: SGOBericht BirdLife), der im September 2001 im Rahmen eines beim Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana anhängigen Rechtsstreits eingereicht und von der Kommission zu den Akten der vorliegenden Rechtssache gegeben wurde, ist hierzu zu entnehmen, dass unter den nach dieser Methode gefangenen Vögeln das Verhältnis von Drosseln zu Vögeln anderer Arten in einem Bereich von 1,24 bis 4 liegt. Im Übrigen findet sich in der Akte des Gerichtshofes kein Beweis des Gegenteils.

20. Folglich ist die Jagd mit dem Parany auf eine nichtselektive Fangmethode gestützt. Dass die Jäger dann, wenn andere als in dem Decreto 135/2000 genannte Vögel an den Leimruten festkleben, verpflichtet sind, die Vögel zu säubern und freizulassen, ändert nichts an der fehlenden Selektivität dieser Fangmethode.

21. Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Jagd mit dem Parany unter das in Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie ausgesprochene Verbot fällt.

Zu der in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie genannten Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen als Rechtfertigung für die Jagd mit dem Parany

Vorbringen der Parteien

22. Nach Ansicht der Kommission sind die Voraussetzungen, die nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie eine Abweichung von dem in Artikel 8 Absatz 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Verbot, Leimruten zum Vogelfang zu verwenden, rechtfertigen können, im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Erstens gebe es andere zufrieden stellende Lösungen zur Abwendung der angeblich erheblichen Schäden, die von den Drosseln an Weinstöcken und Olivenbäumen verursacht würden. So werde im Gebiet anderer Autonomer Gemeinschaften Spaniens erfolgreich die Jagd mit dem Gewehr oder die Verwendung von Schreckschussanlagen praktiziert. Die Kommission bestreitet zweitens das Ausmaß der von der spanischen Regierung geltend gemachten Schäden. Die Schätzungen sowohl der Drosselpopulationen, die von der mit dem Decreto 135/2000 eingeführten Ausnahmeregelung für die Jagd betroffen seien, als auch die tägliche Menge der von diesen Vögeln aufgenommenen pflanzlichen Nahrung seien zu hoch angesetzt. Drittens stimme die geografische Konzentration der für die Verwendung von Paranys erteilten Genehmigungen nicht mit der der Olivenbaum- und Rebenkulturen überein.

23. Die spanische Regierung trägt vor, dass die von der Kommission genannten Alternativlösungen zur Abwendung von Schäden an Kulturen nicht zufrieden stellend seien. Bei Schreckschussanlagen seien die Kosten im Verhältnis zu den Kosten der entstandenen Schäden zu hoch, und ihr Einsatz könne Waldbrände auslösen. Der Einsatz von Gewehren würde eine höhere Zahl von Jagderlaubnissen und eine Verlängerung der Jagdperiode mit sich bringen. Dies würde das Gleichgewicht des Wildvogelbestands in dem betroffenen Gebiet umso mehr beeinträchtigen, als das Verhalten der Jäger aus Valencia mit dem der Jäger aus anderen Autonomen Gemeinschaften nicht zu vergleichen sei. Zum Ausmaß der Schäden an Reben- und Olivenbaumkulturen führt die spanische Regierung aus, dass ihre Behauptungen hierzu zutreffend seien und dass die Kommission bei ihren Bewertungen nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

24. Eine Abweichung von Artikel 8 der Richtlinie kann nach Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie nur dann bewilligt werden, wenn es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt und die in diesem Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a bis c abschließend aufgezählten Gründe vorliegen (vgl. u. a. Urteil vom 8. Juli 1987 in der Rechtssache 262/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 3073, Randnr. 7); dazu zählt die Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen.

25. Hierzu ist festzustellen, dass in anderen Regionen Spaniens wie CastillaLa Mancha und insbesondere Andalusien, wo in großem Umfang Olivenbäume und Reben angepflanzt werden und sich auch große Drosselpopulationen aufhalten, die Jagd mit Leimruten nicht zulässig ist. Die Drosseln dürfen dort mit dem Gewehr, einem selektiven Tötungsmittel, bejagt werden. Es ist aber nicht ersichtlich, dass an den Olivenhainen und Weingärten der genannten Regionen größere Schäden entstünden als an den gleichen, in der Gemeinschaft Valencia gelegenen Kulturen.

26. Das Argument der spanischen Regierung, wonach das Ersetzen der Drosseljagd mit Hilfe von Paranys durch die Jagd mit dem Gewehr wegen der daraus folgenden Erhöhung der Anzahl von Gewehren und Jagdtagen eine solche Belästigung anderer Wildvogelarten zur Folge hätte, dass deren Populationen schrumpfen würden, findet keine Stütze in den Akten der vorliegenden Rechtssache. Insoweit hat die spanische Regierung selbst eingeräumt, dass das Rothuhn, eine Vogelart, die gemäß Artikel 7 und Anhangs II Teil 1 der Richtlinie bejagt werden darf, und die Drosseln im Gebiet der Gemeinschaft Valencia gleichzeitig und völlig problemlos bejagt würden. Da nichts Gegenteiliges vorgetragen worden ist, spricht dieser Umstand im Übrigen nicht für die angebliche Sonderstellung der Jäger aus Valencia, was deren Verhalten betrifft.

27. Außerdem geht aus den Begründungserwägungen des Decreto 135/2000 hervor, dass die dort getroffene Feststellung des Fehlens anderer, zufriedenstellenderer Lösungen als die Drosseljagd mit Hilfe von Paranys eher damit zusammenhängt, dass diese Jagd einer in der Gemeinschaft Valencia tief verwurzelten Tradition entspricht, als dass sie im Hinblick auf die Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen getroffen worden wäre.

28. Im Übrigen ist unbestritten, dass sich 80 % der im Gebiet dieser Gemeinschaft aufgestellten Paranys in der Provinz Castellón befinden und davon 69,5 % in Gegenden ohne Olivenbaum- oder Rebenkulturen. Die Rechtfertigung mit der Abwendung erheblicher Schäden an diesen Kulturen scheint mit diesem Befund nicht in Einklang zu stehen.

29. Demnach kann weder als erwiesen angesehen werden, dass es keine andere zufrieden stellende Lösung als die Jagd mit dem Parany gibt, um erhebliche Schäden an Kulturen abzuwenden, noch, dass diese Art der Jagd durch ein solches Ziel motiviert ist.

30. Folglich erweist sich die Jagd mit dem Parany nicht als durch Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie gerechtfertigt.

31. Der Klage der Kommission ist daher in diesem Punkt stattzugeben.

Zu dem in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie genannten Fang bestimmter Vogelarten in geringen Mengen als Rechtfertigung für die Jagd mit dem Parany

Vorbringen der Parteien

32. Nach Ansicht der Kommission entspricht die hier in Rede stehende Jagd weder der Voraussetzung, dass der Fang selektiv zu erfolgen hat, noch der Voraussetzung, dass dieser Vögel in geringen Mengen im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie betrifft.

33. Die spanische Regierung erwidert, dass die Jagd mit Leimruten, so wie sie durch das Decreto 135/2000 geregelt sei, eine selektive Fangmethode sei. Außerdem sei unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen der Anzahl von Drosseln, die mit Leimruten bejagt werden dürften, und dem gesamten Drosselbestand im Gebiet der Gemeinschaft Valencia davon auszugehen, dass diese Jagd einer vernünftigen Nutzung bestimmter Vogelarten in geringen Mengen entspreche.

Würdigung durch den Gerichtshof

34. Eine in einem Mitgliedstaat eingeführte Abweichung vom Verbot der Verwendung von Leimruten zum Fang von Vögeln steht nur dann mit Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie im Einklang, wenn sie selektiv angewandt wird und den Fang von Vögeln nur in geringen Mengen mit sich bringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 1988 in der Rechtssache 252/85, Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 2243, Randnr. 28).

35. Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob die letztgenannte Voraussetzung hier tatsächlich erfüllt ist.

36. Dazu heißt es in dem Zweite[n] Bericht [der Kommission] über die Anwendung der Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (KOM[93] 572 endg. vom 24. November 1993), dass im Einklang mit den Arbeiten des ORNISAusschusses als geringe Menge jede Entnahme von weniger als 1 % der jährlichen Gesamtsterblichkeitsrate der betroffenen Population (Durchschnittswert) bei den Arten, die nicht bejagt werden dürften, und von 1 % bei den Arten, die bejagt werden dürften, anzusehen sei, wobei unter betroffener Population bei Zugvogelarten die Population in den Regionen verstanden werde, die die hauptsächlichen Kontingente stellten, die durch die Region zögen, in der von der Abweichung während des Zeitraums ihrer Anwendung Gebrauch gemacht werde. Beim ORNISAusschuss handelt es sich um den gemäß Artikel 16 der Richtlinie eingesetzten Ausschuss zur Anpassung dieser Richtlinie an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Er besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten, und ein Vertreter der Kommission führt in ihm den Vorsitz.

37. Im SGOBericht BirdLife wird festgestellt, dass nach dem umfassendsten Werk über die Naturgeschichte der Vogelarten der westlichen paläarktischen Region (The BIRDS of Western Palearctic: Cramp 1988, Snow und Perrins 1988) die jährliche Sterblichkeitsrate der Singdrossel zwischen 40 % und 54 % schwanken könne, während die der Rotdrossel bei 57 % bis 58 % liege.

38. Es steht fest, dass die Drosselpopulation in den Regionen, die die hauptsächlichen Zugvogelkontingente stellen, etwa 16 Millionen Singdrosseln und 5,9 Millionen Rotdrosseln umfasst. Eine Entnahme in Höhe von 1 % der jährlichen Gesamtsterblichkeitsrate würde bei der Singdrossel 86 400 Exemplare und bei der Rotdrossel 34 200 Exemplare nicht übersteigen.

39. Es steht weiter fest, dass im Jahr 2001 die von den zuständigen Behörden der Gemeinschaft Valencia erteilten Genehmigungen für die Jagd mit dem Parany Fänge von bis zu 429 600 Exemplaren zuließen.

40. Somit zeigt sich, dass die Anzahl der Drosseln, für die die Jagd mit dem Parany zugelassen ist, unabhängig von dem Mengenverhältnis gefangener Singdrosseln zu Rotdrosseln, den zur Definition der geringen Mengen vom ORNISAusschuss festgelegten und von der Kommission herangezogenen Schwellenwert weit übersteigt.

41. Es trifft zwar zu, dass das Kriterium der geringen Mengen, wie es der ORNISAusschuss erarbeitet hat, für die Mitgliedstaaten rechtlich nicht verbindlich ist, jedoch kann es im vorliegenden Fall aufgrund der wissenschaftlichen Autorität, die die Stellungnahmen dieses Ausschusses genießen, und des Fehlens jedes wissenschaftlichen Beweises des Gegenteils vom Gerichtshof als Bezugsgrundlage verwendet werden, um zu beurteilen, ob die von dem beklagten Mitgliedstaat gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie bewilligte Ausnahme die Voraussetzung erfüllt, dass der Fang der betreffenden Vogelarten in geringen Mengen erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 1998 in der Rechtssache C3/96, Kommission/Niederlande, Slg. 1998, I3031, Randnrn. 69 und 70).

42. Aus dem Vorstehenden, insbesondere aus Randnummer 40 des vorliegenden Urteils, ergibt sich, dass die Jagd mit dem Parany, so wie sie in der Gemeinschaft Valencia ausgestaltet ist, diese Voraussetzung nicht erfüllt.

43. Daher ist die Rüge der Kommission, dass die Jagd mit dem Parany den Anforderungen des Artikels 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie nicht gerecht werde, gleichfalls als begründet anzusehen.

44. Daher ist, ohne dass die weiteren zur Stützung der vorliegenden Rüge vorgetragenen Argumente geprüft zu werden brauchen, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 8 Absatz 1 und 9 Absatz 1 der Richtlinie verstoßen hat, dass es im Gebiet der Gemeinschaft Valencia die Jagd mit Leimruten mittels der unter der Bezeichnung Parany bekannten Methode duldet.

Kostenentscheidung:

Kosten

45. Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm dem Antrag der Kommission gemäß die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 8 Absatz 1 und 9 Absatz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten verstoßen, dass es im Gebiet der Gemeinschaft Valencia die Jagd mit Leimruten mittels der unter der Bezeichnung Parany bekannten Methode duldet.

2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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