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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: C-82/03
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit
Vorschriften:
EGV Art. 10 | |
Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit Anhang I |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 13. Juli 2004. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 10 - Zusammenarbeit mit Gemeinschaftsorganen - Nichtübermittlung von Auskünften an die Kommission. - Rechtssache C-82/03.
Parteien:
In der Rechtssache C-82/03
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo und P. Gentili, avvocati dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verstoßen hat, dass sie in einer die Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmern betreffenden Sache nicht loyal mit der Kommission zusammengearbeitet hat,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann und J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric (Berichterstatterin),
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des Berichts der Berichterstatterin,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom
1. April 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
1. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 25. Februar 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage auf Feststellung erhoben, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verstoßen hat, dass sie in einer die Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmern betreffenden Sache nicht loyal mit der Kommission zusammengearbeitet hat.
2. Artikel 10 EG bestimmt:
Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe.
Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.
Das Vorverfahren
3. Im Jahr 2000 ging bei der Kommission eine Beschwerde eines Wirtschaftsteilnehmers ein, die die Anwendung der Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 393, S. 13) in der italienischen Rechtsordnung betraf. Nach Angabe des Beschwerdeführers waren die in den Nummern 2.5, 2.8, 2.14, 2.16 und 2.19 des Anhangs I der Richtlinie 89/655 genannten Sicherheitsanforderungen in einer Kläranlage nicht beachtet worden.
4. Am 3. August 2000 richtete die Kommission an die Italienische Republik ein Schreiben, in dem sie um Auskünfte über den dieser zur Last gelegten Sachverhalt ersuchte, um eine sorgfältigere Prüfung des Falles vornehmen zu können.
5. Da die italienischen Behörden auf dieses erste Schreiben nicht antworteten, schickte die Kommission am 19. März 2001 diesem Mitgliedstaat ein zweites Schreiben mit einem Ersuchen um Auskünfte, das ebenfalls unbeantwortet blieb.
6. Aus diesen Schreiben geht hervor, dass die Zuwiderhandlung, auf die in der bei der Kommission eingegangenen Beschwerde hingewiesen wurde, eine in der Gemeinde Mandello del Lario in der Lombardei gelegene Kläranlage betreffe.
7. Die Kommission war insbesondere der Auffassung, dass die Nichtbeantwortung der Schreiben durch die italienischen Behörden bedeute, dass es auf Seiten dieser Regierung an einer loyalen Zusammenarbeit im Sinne von Artikel 10 EG fehle, und leitete das Verfahren des Artikels 226 EG ein. Nachdem die Kommission die Italienische Republik darum ersucht hatte, sich zu äußern, gab sie am 18. Juli 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten von deren Zugang an nachzukommen.
8. Nachdem sie keine Antwort der italienischen Behörden erhalten hatte, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
Vorbringen der Parteien
9. Die Kommission trägt vor, sie habe eine fehlende Zusammenarbeit von Seiten der italienischen Behörden festgestellt, die trotz zahlreicher von ihr hergestellter Kontakte keine Angaben über den von dem Beschwerdeführer angezeigten Sachverhalt gemacht hätten. Durch ihr beharrliches Schweigen habe die italienische Regierung die Ermittlung der für eine detaillierte Prüfung der Beschwerde unbedingt erforderlichen Tatsachen vereitelt. Dieser Mangel an Zusammenarbeit entspreche weder dem Geist noch dem Wortlaut der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit, die für die Mitgliedstaaten nach Artikel 10 EG bestehe.
10. Die italienische Regierung macht geltend, die Klage sei unzulässig und auf jeden Fall nicht begründet.
11. Die Klageschrift enthalte auch nicht die geringste Darstellung des tatsächlichen Rahmens, die für die Ausübung der Verteidigungsrechte und für die sich anschließende gerichtliche Entscheidung unbedingt erforderlich sei. Weder aus der Klageschrift noch aus irgendeinem der ihr beigefügten Dokumente ergebe sich nämlich eine Information über die Bezeichnung und die Lage der Anlage, die Gegenstand der Beschwerde sei.
12. Daraus ergebe sich für die italienischen Behörden eine objektive Schwierigkeit, die zuständigen Aufsichtsorgane auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes zu ermitteln, um schnell gezielte Kontrollen veranlassen zu können. Die Verantwortung dafür, dass sich diese Sache in einer Sackgasse befinde, treffe ausschließlich die Kommission.
Würdigung durch den Gerichtshof
13. Die Klage ist zulässig, da die Klageschrift den Anforderungen der Artikel 21 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und 38 § 1 der Verfahrensordnung entspricht, insbesondere was die Angabe des Streitgegenstands und die kurze Darstellung der Klagegründe angeht. Es geht um den Vorwurf, dass die Beklagte dadurch gegen Artikel 10 EG verstoßen hat, dass sie keine Auskünfte zu dem ihr in einer Beschwerde zur Last gelegten und erstmals im Schreiben vom 3. August 2000 dargestellten Sachverhalt erteilt hat. Die Italienische Republik war sehr wohl in der Lage, ihre Verteidigungsrechte gegenüber diesem Vorwurf auszuüben.
14. Die Klage ist auch begründet.
15. Nach Artikel 10 EG müssen die Mitgliedstaaten nach Treu und Glauben an den Untersuchungen der Kommission im Rahmen von Artikel 226 EG mitwirken und ihr alle zu diesem Zweck angeforderten Auskünfte erteilen (u. a. Urteile vom 11. Dezember 1985 in der Rechtssache 192/84, Kommission/Griechenland, Slg. 1985, 3967, Randnr. 19, und vom 6. März 2003 in der Rechtssache C-478/01, Kommission/Luxemburg, Slg. 2003, I-2351, Randnr. 24).
16. Die Italienische Republik hat aber, selbst nachdem sie mehrfach dazu aufgefordert worden war, die angeforderten Auskünfte nicht erteilt.
17. Die Angabe des Ortes, der Gegenstand der Beschwerde ist, erscheint eindeutig in den Schreiben, die die Kommission vor der Einleitung des Vorverfahrens versandt hat und auf die sie in ihrem Mahnschreiben vom 23. Oktober 2001 und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 18. Juli 2002 Bezug nimmt. Die italienischen Behörden verfügten daher über die tatsächlichen Angaben, anhand deren sie auf das Ersuchen der Kommission antworten konnten.
18. Demzufolge ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verstoßen hat, dass sie in einer die Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmern in einer in der Gemeinde Mandello del Lario in der Lombardei (Italien) gelegenen Kläranlage betreffenden Sache nicht loyal mit der Kommission zusammengearbeitet hat.
Kostenentscheidung:
Kosten
19. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verstoßen, dass sie in einer die Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmern in einer in der Gemeinde Mandello del Lario in der Lombardei (Italien) gelegenen Kläranlage betreffenden Sache nicht loyal mit der Kommission zusammengearbeitet hat.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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